Protokoll der Sitzung vom 10.10.2012

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Dr. Kern das Wort.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Jetzt kommen die Kernkompetenzen! – Abg. Wolfgang Raufelder GRÜ NE: Jetzt wird es schwierig!)

Herr Präsident! Lieber Kol lege Lehmann, Sie haben ausführlich die Istsituation beschrie ben, und Sie haben auch fast tränenreich die schlimme Situa tion, die momentan besteht, beschrieben. Sie haben dabei im mer mit dem Finger auf die vorherige Landesregierung ge zeigt und gesagt: Ihr seid schuld.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Guter Mann, der Lehmann!)

Ich habe von Ihnen aber gar nichts dazu gehört, wie Sie die Situation tatsächlich verbessern wollen. Ich habe gar nichts gehört, was in die Zukunft reichen könnte. Die Ministerin hat uns wenigstens Zahlen bestätigt – natürlich mit einer gewis sen Unsicherheit – und hat deutlich gemacht, dass in den nächsten Jahren 810 oder 850 Stellen im beruflichen Bildungs wesen gestrichen werden sollen. Sie hat gesagt, dass sie nach den bisherigen Zahlen nach wie vor davon ausgeht, dass wir in diesem Jahr einen Rückgang um 15 000 Schüler haben. Ich persönlich glaube, dass diese Zahl viel zu hoch gegriffen ist. Hierzu hätte ich dann schon gern die eine oder andere Ant wort von den Grünen bzw. von Ihnen, Herr Lehmann, gehört.

Nun zum Kollegen Kleinböck.

(Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Vielen Dank!)

Ihr Anliegen war es, deutlich zu machen, wie wichtig die Be rufsorientierung sei. Da gebe ich Ihnen recht. Aber wer hat ei gentlich die Kooperation zwischen den Werkrealschulen und den Berufsfachschulen gekippt? Wer war denn das?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Jawohl! Genau so ist es! – Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Gott sei Dank!)

Dann bin ich auch immer dafür, dass man die Betroffenen selbst hört. Ich darf Ihnen hier einmal aus den „Stuttgarter Nachrichten“ zitieren. Unter der Überschrift „Berufsschulen fühlen sich getäuscht“ hieß es dort Anfang September:

Aus Sicht des Berufsschullehrerverbands reichen die Lehrer stellen, die im neuen Schuljahr zur Verfügung stehen, auf keinen Fall aus. Erstmals seit Langem seien nicht alle Stellen wiederbesetzt worden, die durch Pensionierungen oder langfristige Erkrankungen frei wurden, kritisierte Margarete Schaefer, Landesvorsitzende des Berufsschul lehrerverbands, am Montag in Stuttgart. Entgegen den Versprechen der Kultusministerin seien rund 190 Stellen gesperrt. „Der Rotstift gefährdet massiv die berufliche Bildung im Südwesten.“

So sehen das die Berufsschulen in Baden-Württemberg. Das hat nichts damit zu tun, dass Sie die Verantwortung immer in

der Vergangenheit sehen. Machen Sie Ihre Hausaufgaben, schimpfen Sie nicht auf die, die früher die Verantwortung hat ten, schimpfen Sie nicht auf die Betriebe. Vielmehr erwarte ich von Ihnen, dass Sie die Probleme lösen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Mir liegen keine wei teren Wortmeldungen vor.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Ich habe noch 30 Sekunden, oder?)

Sie haben noch genau 25 Sekunden. Sie möchten reden, Herr Lehmann? – Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Lehmann das Wort.

Herr Dr. Kern, ich möch te Sie bitten, die Beschlüsse der Enquetekommission zur Kennt nis zu nehmen. Die Umsetzung der Enquetekommissionsbe schlüsse durch die neue Landesregierung ist vielleicht nicht in den Schlagzeilen der Tagespresse, aber es findet ein Aus bau der individuellen Förderung statt, es findet flächenhaft der Ausbau des Faches Englisch in der dualen Ausbildung statt und, und, und. Sie können sich das ja einmal zu Gemüte füh ren.

Wir haben angefangen, das strukturelle Unterrichtsdefizit ab zubauen, und wir haben auch mit der Strukturreform angefan gen. Das werden wir machen, und das ist auch gut so. Ob Sie mitmachen oder nicht, bleibt Ihnen überlassen. Sie werden sich wahrscheinlich in Zukunft nach wie vor mit dem Thema Gemeinschaftsschule und der Frage, wie schlimm das für die Bildungslandschaft ist, beschäftigen. Wir beschäftigen uns mit den Themen, die in der beruflichen Bildung wichtig sind.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Der Antrag Drucksache 15/1223 ist ein reiner Berichtsantrag und kann für erledigt erklärt werden. – Sie stimmen zu.

Damit ist Punkt 8 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Mi nisteriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst – Er halt des akademischen Grads „Diplom-Ingenieur“ und der Herkunftsbezeichnungen – Drucksache 15/1498

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Für die CDU-Fraktion darf ich Frau Abg. Schütz das Wort er teilen.

Herr Präsident, meine sehr geehr ten Damen und Herren, liebe Kollegen und Kolleginnen! Heu

te beraten wir den Antrag der CDU-Fraktion, der von einer breiten Unterstützung an den Hochschulen unseres Landes ge tragen wird und mit dem wir uns für den Erhalt des Titels „Di plom-Ingenieur“ aussprechen.

Mit der Umsetzung des Bologna-Prozesses wurden an Deutsch lands Hochschulen die Studiengänge und die Abschlüsse re formiert und europaweit vereinheitlicht. Aus dem deutschen Diplom wurden die international bekannten akademischen Grade Bachelor und Master.

Diese grundsätzliche Reform unseres Hochschulwesens hal ten wir, die CDU, weiterhin für richtig, trägt sie doch zur Schaffung eines europäischen Bildungsraums bei. In ihm soll es den Studierenden leichter fallen, grenzüberschreitend zu studieren und Europa in diesem Bereich weiter zusammen wachsen zu lassen, um nur eine Begründung für diese Reform zu benennen.

Allerdings zeigt sich auch, dass diese Reform einen Nachteil hat, gerade für Absolventen der deutschen Hochschulen. Der akademische Grad „Diplom-Ingenieur“, eine Besonderheit im deutschsprachigen Raum, wird nicht mehr vergeben und des halb langfristig verschwinden.

(Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)

Gut so, könnte man meinen. Der Bologna-Prozess wirkt, in ternational bekannte Abschlüsse setzen sich durch – mit ver besserten Marktchancen für unsere Absolventen.

Leider, meine Damen und Herren, ist dies ein Trugschluss. Der Titel „Diplom-Ingenieur“ ist international bekannt, noch mehr: Er ist auch ein weltweit anerkannter akademischer Grad. Er ist quasi eine Marke des deutschen Hochschulwe sens.

Die große Bekanntheit dieses Titels ist in den letzten 113 Jah ren historisch gewachsen. Bedeutende Erfinder und Pioniere der Technik trugen diesen Titel und begründeten sein weltwei tes Renommee. Wir sollten deshalb gut überlegen, ob wir oh ne Not den Titel „Diplom-Ingenieur“ aufgeben wollen.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Er ist schon aufgegeben!)

Fragt man bei den heutigen Studierenden in ingenieurwissen schaftlichen Studiengängen nach, so hört man überwiegend den Wunsch nach dem Erhalt dieses Titels.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Belegen Sie das mit Zahlen!)

Für ihn sprechen sich beispielsweise sämtliche ingenieurwis senschaftlichen Fachschaften des KIT aus – mit Blick auf ver besserte Berufschancen ihrer Absolventen im In- und Ausland. Lassen Sie uns den Wunsch nach dem Erhalt des Titels „Di plom-Ingenieur“ also ernst nehmen und auch darüber nach denken, ob dieser Titel zumindest für eine Übergangszeit wei terhin als Ergänzung zum Master verliehen werden kann.

Herr Präsident, gestatten Sie mir bitte ein Zitat von einem Ar chitekten, der mir schrieb – ich zitiere –:

Vor ein paar Jahren baute ich in Frankreich am Atlantik. Dort im Bauamt reichte meine Visitenkarte mit der Anga be, dass ich Diplom-Ingenieur der Universität Karlsruhe

sei, als Legitimation völlig aus. Meine Erfahrungen im Ausland sind, dass der akademische Grad Diplom-Inge nieur einer deutschen Hochschule die höchste Anerken nung genießt.

(Zuruf des Abg. Karl-Wolfgang Jägel CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sollten jedem, der einen ingenieurwissenschaftlichen Masterabschluss er reicht hat, die Möglichkeit geben, den Titel „Diplom-Ingeni eur“ ergänzend zu führen. Das wäre aus den genannten Grün den sinnvoll und auch leicht umzusetzen; denn sowohl die Dauer des Studiums als auch der inhaltliche Umfang eines Masterabschlusses sind mit dem Diplomabschluss vergleich bar. Mit unserem Vorschlag wird auch in keiner Weise der Bo logna-Prozess berührt.

In einigen Bundesländern ist man hinsichtlich des Diploms auch deutlich flexibler, z. B. in Sachsen, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern. In Österreich erlangt man am En de des ingenieurwissenschaftlichen Masterstudiums den Grad des Diplom-Ingenieurs.

Meine Damen und Herren, warum soll in Baden-Württemberg nicht das möglich sein, was in anderen Ländern bereits ohne Probleme umgesetzt wird? Bitte bedenken Sie die Vorteile un seres Vorschlags: Er ist kostenneutral, trägt zum Erhalt der deutschen Traditionsmarke bei, verstößt nicht gegen den Bo logna-Prozess, geht auf die Wünsche der betroffenen Bürger ein und lässt ihnen die Freiheit, sich für die Bezeichnung zu entscheiden, mit der sie bessere Chancen auf dem Arbeits markt haben.

Mit dem nötigen politischen Willen können wir heute eine bürgernahe Entscheidung treffen, die den Absolventen im Land eine weitere Chance eröffnet. Im Sinne unserer Studie renden und unserer Hochschulen bitte ich Sie, liebe Kollegin nen und Kollegen, diesem Antrag zuzustimmen und sich so unbürokratisch für eine Politik der Bürgerinnen und Bürger zu entscheiden.

Herzlichen Dank.