Protokoll der Sitzung vom 10.10.2012

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Frau Abg. Schneidewind-Hartnagel das Wort.

Sehr ge ehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, mei ne sehr geehrten Damen und Herren! Der Staub vor den Tü ren in Bezug auf Frauenquote und Frauen in Führungspositi onen bei der CDU ist so hoch, dass eine Kehrschaufel und ein Besen für die vergangenen 58 Jahre leider nicht ausreichen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Widerspruch bei der CDU – Abg. Peter Hauk CDU: Haben wir ei ne Bundeskanzlerin oder Sie? Mit Verlaub! Da sitzen doch nur Männer! – Gegenruf des Abg. Claus Schmie del SPD – Heiterkeit – Unruhe)

Eine Frau macht noch keine – –

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Frau Kollegin, warten Sie bitte, bis Ruhe eingetreten ist.

(Glocke des Präsidenten)

Warten Sie bitte, bis wieder Ruhe eingetreten ist. Dann kön nen Sie weitersprechen. Dann hören es auch alle.

Ich fin de es eigentlich ganz schön, dass am Ende eines Plenartags alle noch so lebhaft bei der Debatte dabei sind. Ich bedanke mich recht herzlich bei Ihnen allen.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Diet rich Birk CDU)

Die Freiwilligkeit ist zu Ende. Das ist schon einmal Konsens, und das begrüße ich in diesem Haus sehr. Denn so wahnsin nig oft haben wir das nicht.

Vor elf Jahren schlossen die Bundesregierung und die Spit zenverbände der deutschen Wirtschaft die „Vereinbarung... zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Män nern in der Privatwirtschaft“ – eine Vereinbarung ohne Ver pflichtungen, ohne Kontrollen, ohne Sanktionen und deshalb bislang leider ohne jegliche Konsequenzen. Trotz der Verein barung hat sich an dem verschwindend geringen Anteil von Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen deutscher Unterneh men so gut wie nichts geändert. Der Frauenanteil in den Füh rungsetagen der 200 größten deutschen Unternehmen liegt noch immer gerade einmal bei 3 %.

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir den Vorstoß der Vize präsidentin der Europäischen Kommission Viviane Reding ausdrücklich. Sie wies kürzlich darauf hin, dass deutschen Un ternehmen zukünftig aufgrund ihrer geringen Frauenquote bei der internationalen Auftragsvergabe Nachteile drohen könn ten.

Der Hintergrund: Im Moment haben bereits zehn EU-Länder Quotenregelungen für Unternehmen. Diese könnten bei inter nationalen Ausschreibungen auch für Deutschland relevant werden. Reding fordert deshalb einen klaren EU-Rechtsrah men für eine Quote in Europa und sagt:

Ich bin nicht begeistert von der Quote, aber ich weiß, was über Quoten erreicht werden kann.

Nun, da in diesem Zusammenhang Nachteile für die Unter nehmen in Deutschland befürchtet werden, wird das Thema Quote auf Bundesebene plötzlich virulent. Doch beim Thema Quote besteht wie so oft Uneinigkeit in der Regierungskoali tion auf Bundesebene. Arbeitsministerin von der Leyen will eine Quote, Justizministerin Leutheußer-Schnarrenberger und Vizekanzler Rösler wollen sie nicht, und Ministerin Kristina Schröder will irgendetwas dazwischen und nennt das „FlexiQuote“.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Angesichts des fehlenden Willens in der Bundesregierung, sich für eine höhere Repräsentanz von Frauen in Aufsichtsrä ten einzusetzen, formierte sich Ende des vergangenen Jahres die Berliner Erklärung. Ich bedanke mich ausdrücklich auch für die Unterschrift von Frau Gurr-Hirsch.

(Abg. Peter Hauk CDU: Was gibt es da zu lachen?)

Es handelt sich um ein überparteiliches, gesellschaftliches Bündnis mit der Forderung einer gesetzlichen Quote von min destens 30 % Frauen in den Aufsichtsräten der börsennotier ten, mitbestimmungspflichtigen und öffentlichen Unterneh men mit Fristen und Sanktionen. Zu den Erstunterzeichnerin nen gehörte das Spitzenpersonal fast aller Bundestagsfrakti onen.

Bislang dürfen EU-Mitgliedsstaaten, in denen eine gesetzli che Frauenquote besteht, deutsche Firmen bei öffentlichen Ausschreibungen wegen der Nichteinhaltung dieser Quote nicht benachteiligen. Wie das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft in seiner Stellungnahme schreibt, würde sich dies jedoch mit der Einführung einer europäischen Regelung einer Frauenquote ändern. Wir hätten dann besonders hohen Nach holbedarf.

Machen wir uns nichts vor. Der Vorschlag von Reding betrifft derzeit nur einen Teilbereich. Die Nachteile, die baden-würt tembergische Unternehmen aus einer EU-Frauenquote er wachsen könnten, sind zurzeit noch gering. Aber die Entwick lungen in den einzelnen EU-Ländern werden weiter voran schreiten, und so werden auch wir schauen müssen, wie wir uns auf dem internationalen Markt weiter positionieren.

Nicht nur deshalb haben wir das positive Ergebnis der Ab stimmung über die Hamburger Initiative zur Quote in Auf sichts- und Verwaltungsräten im Bundesrat sehr begrüßt. Lei der haben sich im Bundestag bereits die FDP, die CSU und ein Großteil der CDU dagegen ausgesprochen. Nur die CDUFrauen waren so weit, sich um eine Aufhebung des Fraktions zwangs zu bemühen, damit sie nach ihrem Kopf für die Quo te abstimmen können und nicht nach Parteibuch gegen die Quote.

(Zuruf von den Grünen: Mutige Frauen!)

Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg wur de bereits initiativ, bevor den Unternehmen Ungemach seitens der EU-Ebene zu drohen schien. Denn wir nehmen ernst, was auch die Vorgängerregierung schon lange hätte erkennen müs sen. Natürlich haben Unternehmen – auch die baden-württem bergischen – Nachteile, wenn sie einen geringen Frauenanteil in den Führungsetagen haben – aber nicht nur deshalb, weil, wie nun auch Unternehmensberatungen feststellen, Firmen mit ausgewogener Geschlechterverteilung bessere Entschei

dungen treffen und damit messbar Betriebsergebnisse opti mieren, sondern auch, weil, wie diverse Studien gezeigt ha ben, Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil bessere wirtschaftliche Ergebnisse, eine höhere Motivation bei Mit arbeiterinnen und Mitarbeitern und ein besseres Bild des Un ternehmens bei Verbraucherinnen und Verbrauchern erzielen können.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Claus Schmie del SPD)

Frau Kollegin, kom men Sie bitte zum Ende.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Quote ist nur der Weg. Ziel muss es sein, Frauen nicht nur zu beteiligen und zu befördern, sondern auch dafür zu sorgen, dass sie im Unternehmen blei ben. Wir brauchen also eine frauenfreundliche und familien freundliche Unternehmenskultur. Beides wird nur mit einem höheren Frauenanteil schnell umzusetzen sein; denn wir brau chen zuallererst auch auf Führungsebenen den Willen zur Ver änderung.

Nach den Aussagen, die wir eben gehört haben, hoffe ich, dass wir hier heute zu einer gemeinsamen Verabschiedung des An trags kommen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich das Wort Herrn Abg. Haußmann.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Frauenpolitischer Spre cher! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Frauen versteher!)

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Europa ist seit der Fi nanz- und Wirtschaftskrise noch stärker in den Fokus des glo balen Wettbewerbs gerückt. Die Euro- bzw. die Staatsschul denkrise hat Europa in ihrem Bann. Gestern war die Bundes kanzlerin in Griechenland. Ich glaube, jeder, der die Bilder in den Nachrichten gesehen hat, weiß, wie schwer sich Griechen land im Moment tut, wie schwierig der Prozess ist. Viele grie chische Unternehmer, viele griechische Unternehmerinnen kämpfen ums wirtschaftliche Überleben.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Raufelder GRÜNE)

Herr Raufelder, ich habe mir gerade die Frage gestellt: Wie würde eine griechische Unternehmerin oder ein griechischer Unternehmer, die oder der gerade dabei ist, ums Überleben zu kämpfen, reagieren, wenn jetzt eine gesetzliche Frauenquote vorgeschrieben würde?

(Abg. Rita Haller-Haid SPD: Das ist aber ein blöder Vergleich! – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Zu wel chem Thema reden Sie eigentlich?)

Da muss man ein bisschen mitdenken. Das verstehe ich schon, Herr Kollege Schwarz.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ihre Redezeit ist gleich abgelaufen, wenn es so langsam weitergeht!)

Jetzt muss man sehen, dass wir sehr unterschiedliche Rege lungen in Europa haben – bis hin zu Island. Das Land Island schreibt Regelungen für Unternehmen ab 50 Mitarbeitern vor. Deswegen kann man das durchaus auf andere Länder und auch auf Griechenland übertragen.

Das Ergebnis der Stellungnahme zum vorliegenden Antrag ist, dass sich für deutsche Unternehmen, die sich an Ausschrei bungen in der EU beteiligen, keine Nachteile ergeben. Zudem wird darauf hingewiesen, dass erhebliche rechtliche Beden ken bestehen, und zwar auch in puncto Vergaberecht. Im Ge setz gegen Wettbewerbsbeschränkungen heißt es:

Aufträge werden an fachkundige, leistungsfähige sowie gesetzestreue und zuverlässige Unternehmen vergeben.

Sekundäraspekte sollten in dieser Frage nicht relevant sein.

Für Unternehmen wäre es angesichts der Regelungsvielfalt in den einzelnen Ländern – die Stellungnahme nennt Belgien, Norwegen, Spanien, Frankreich, Island, Italien, Niederlande; sie alle haben interessanterweise sehr unterschiedliche Rege lungen – übrigens sehr schwer, wenn sie sich nach all diesen Regelungen richten müssten, und auch beim Vergaberecht wä re mit Sicherheit nicht jede einzelne Regelung zu erfüllen. Möglicherweise gibt es in Zukunft dann auch in anderen Be reichen Vorgaben; ich denke beispielsweise an Quoten für Be hinderte, an Quoten in Bezug auf Ausbildungsabschlüsse, an Quoten für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(Zuruf des Abg. Rainer Hinderer SPD)

Aber nicht bei Ausschreibungen, Herr Kollege Hinderer. Es gibt hier Vorgaben, was Behinderte anbelangt. Wenn man die se Vorgaben nicht erfüllt, zahlt man eine Ausgleichsabgabe.

Die baden-württembergische Wirtschaft äußert sich in der Fra ge einer starren Frauenquote ablehnend. Gleichzeitig wird – und das zu Recht; ich glaube, diesbezüglich besteht absolut Einigkeit – vielfach gefordert, den Anteil von Frauen in Füh rungspositionen weiter zu erhöhen.

(Zuruf: Was will die FDP?)

Die Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitge berverbände – ich beziehe mich hierbei auf die Stellungnah me zum vorliegenden Antrag – sagt:

Eine gesetzliche Quote für Frauen in Führungspositio nen lehnt die Landesvereinigung Baden-Württembergi scher Arbeitgeberverbände e. V. ab.... Differenzierte und unternehmensspezifische Lösungen sind aus Sicht der Landesvereinigung der richtige Weg, um den Frauenan teil in Belegschaften und Führungspositionen zu erhöhen.