Meine Damen und Herren, wir wollen keine Verhältnisse wie im Erzgebirge, wie im Hunsrück, im Sauerland, im Saarland oder gar wie in den Vogesen oder in Lothringen, wo man Geis terdörfer findet oder vielleicht noch ein Dorf, wo noch eine alte Frau oder ein alter Mann wohnt.
Im Bereich der Agrar- und Wirtschaftsförderung, bei der Städ tebauförderung und Sanierung, bei der Gesundheitsvorsorge, bei der Bildungs- und Verkehrsinfrastruktur und vor allem bei der Versorgung im IT-Bereich gibt es viel zu tun; das sind Din ge, die den ländlichen Raum stabilisieren und attraktiv halten. Aber auch das bürgerschaftliche Engagement im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe, die Altenbetreuung, die Jugendarbeit und die Vereinsunterstützung sind Bereiche, in denen wir den länd lichen Raum stabilisieren können.
Auch müssen wir uns grundsätzlich mit der gesellschaftspo litischen Frage beschäftigen – das gilt, meine Damen und Her ren, für alle, nicht nur für den ländlichen Raum –, wie die im mer weniger werdenden jungen Menschen dies alles bewälti gen sollen. Das heißt, unsere Kinder und Enkel – ich habe selbst drei Kinder – sollen für sich selbst vorsorgen, für sich selbst sorgen, sollen mobil in der ganzen Welt sein, sollen Ei gentum bilden, sollen Rücklagen für das Alter bilden, sollen Familien gründen und zukünftig womöglich Arbeitsplätze so gestalten, dass hierdurch jeweils zwei ältere Mitbürger im Sin ne des Generationenvertrags bis ins hohe Alter mitfinanziert werden können.
Das wird nicht möglich sein, und da müssen wir, meine Da men und Herren, überlegen, wie wir insgesamt dagegenhal ten. Diese Quadratur des Kreises wird unter den derzeitigen Rahmenbedingungen von den jungen Menschen nicht ge schultert werden können.
Meine Damen und Herren, wir brauchen künftig mehr gesell schaftspolitisches und ehrenamtliches Engagement. Auch un sere jungen, fitten „Alten“ müssen einen Beitrag leisten, um die hochaltrigen Mitbürger besser und gesichert versorgen zu können. Gerade im ländlichen Raum gibt es hierzu wieder her vorragende Ansätze mit Patenschaften, Patenschaften für Ku
rierdienste, Betreuung von Kranken, Selbsthilfegruppen, Mehrgenerationenwohnen. Die Großfamilie lässt grüßen, mei ne Damen und Herren.
Aufgrund der absehbaren Entwicklungen und der Herausfor derungen fordere ich die Landesregierung auf,
erstens bei der Strukturförderung des Landes mit dem Schwer punkt zugunsten des ländlichen Raums nicht nachzulassen und, Herr Minister, individuelle, regionale Fördersätze und Förderkulissen einzurichten,
zweitens bei der Förderung des ländlichen Raums als Wirt schaftsstandort insbesondere keine Kürzungen im ELR-Pro gramm vorzunehmen, sondern die bisherige Handhabung bei zubehalten, dieses Programm finanziell entsprechend auszu statten und variabel einzusetzen,
drittens im Sinne des Erhalts wohnortnaher, bedarfsgerechter und qualitativ hochwertiger medizinischer Versorgung – Stich wort Landarzt – sowie bei der Vernetzung von Gesundheits dienstleistungen die Kreise zu unterstützen, aber auch bei der Modernisierung der Krankenhausstandorte auch und gerade im ländlichen Raum, Frau Sozialministerin, nicht nachzulas sen,
viertens ein leistungsfähiges Verkehrssystem mit den entspre chenden Mobilitätskonzepten einzurichten,
fünftens eine Sicherung der Tragfähigkeit von Einzelhandels- und Versorgungsstrukturen zu unterstützen,
sechstens eine bessere Unterstützung bürgerschaftlichen En gagements zu gewährleisten und, meine Damen und Herren,
siebtens auch die Fortführung und finanzielle Ausstattung der sehr erfolgreichen Städtebauförderung gerade in kleinen Ge meinden und Teilorten weiter aufrechtzuerhalten.
Meine Damen und Herren, zum Schluss: Ich fordere die Lan desregierung auf – Sie haben unsere Unterstützung –, den Be schluss des Präsidiums des Landkreistags umzusetzen, einen Kabinettsausschuss „Herausforderung demografische Ent wicklung“ mit dem Schwerpunkt Ländlicher Raum einzurich ten, und zwar als Stabsstelle im Staatsministerium, um diese Vielfalt der Möglichkeiten besser zu koordinieren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Her ren! Obwohl wir uns schon sehr lange mit dem demografi schen Wandel beschäftigen, ist heute ein richtiger und wich tiger Zeitpunkt, über dieses Thema noch einmal ernsthaft zu diskutieren. Denn ganz aktuell startet heute, am 11. Oktober, in der Metropolregion Rhein-Neckar die Demografiewoche, die in über 62 Städten und Gemeinden mit über 400 Ideen und Angeboten realisiert wird. Ich finde diese Aktion ganz hervor ragend, denn so wird klar, dass der demografische Wandel so wohl unsere gesamte gesellschaftliche, kulturelle und ökono
Wir sind uns alle bewusst, dass die größeren Entfernungen im ländlichen Raum und die geringere Bevölkerungszahl das noch spürbarer machen werden, als dies in den Ballungsräu men der Fall ist.
Betroffen sind viele Bereiche; Kollege Bullinger hat dies ge rade ausführlich geschildert. Ich werde stichwortartig nur fol gende Dinge kurz nennen: Arbeitsplätze, Verkehrsanbindun gen, ärztliche Versorgung, Pflege, Betreuung, Schulen, Bil dungseinrichtungen, Nahversorgung, schnelles Internet.
Der demografische Wandel vollzog sich in Baden-Württem berg zunächst unmerklich, inzwischen wird er spürbarer. Die schwarz-gelbe Landesregierung war schon seit Jahren aktiv. Ich möchte hier kurz Folgendes nennen: 2005 wurde die En quetekommission „Demografischer Wandel“ eingesetzt, im August 2006 hat die Landesregierung unter ihrem Minister Peter Hauk den Kabinettsausschuss Ländlicher Raum einge setzt, und schon damals wurden ressortübergreifend über die gesamte Legislatur die zentralen Themen und Handlungsfel der bearbeitet.
Unter Ministerpräsident Günther Oettinger wurde im Staats ministerium eine Staatsrätin für Demografischen Wandel und Senioren eingesetzt. Im Jahr 2009 hat das Land, ebenfalls auf Initiative des damaligen Ministers Peter Hauk, eine Studie mit dem Titel „Der Beitrag der ländlichen Räume Baden-Würt tembergs zu wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit und sozi aler Kohäsion“ in Auftrag gegeben. Diese sogenannte IREUSStudie hat interessante Ergebnisse erbracht.
Schon damals, unter der schwarz-gelben Landesregierung, wurden zielorientierte Zukunftsvorstellungen und Handlungs empfehlungen zur Weiterentwicklung des Landes erarbeitet und Modellprojekte auf den Weg gebracht. Schlagwortartig nenne ich einige Punkte: neue Leitbilder für die Raumord nung, medizinische Versorgung im ländlichen Raum, Breit bandinitiative, Existenzgründungsberatung und Unterneh mensnachfolge.
Die CDU-geführte Landesregierung hat mit Erfolg dazu bei getragen, dass die Kulturlandschaft erhalten bleibt, der Bevöl kerungsschwund vermieden wird und dezentrale Siedlungs- und Wirtschaftsstrukturen entstehen. Dies wurde durch eine kluge Förderpolitik unterstützt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von Grün-Rot, was kommt von Ihnen? Welche Ideen haben Sie, um den Wandel zu ge stalten? Wie können wir künftig die Aufgaben in der Familie, in der Gesellschaft, am Arbeitsplatz und in den ländlichen Re gionen bewältigen? Wie können wir die Kräfte des Staates und der Gesellschaft bündeln und neue Lösungen entwickeln? Welche eigenen politischen Initiativen und Maßnahmen hat die grün-rote Landesregierung auf den Weg gebracht? Ich mei ne damit nicht die Initiativen, die bereits unter Minister Peter Hauk und der schwarz-gelben Regierung angestoßen und ein geführt wurden.
Jetzt liegen die Ergebnisse der sogenannten IREUS-Studie vor. Sie zeigen recht unterschiedliche Entwicklungen im länd lichen Raum auf. Es gibt Regionen, die sich hervorragend ent wickelt haben, aber auch Regionen, die sich schlecht darstel
len, die durch Geburtenrückgang und Wegzug junger Men schen ausbluten. Daher ist der ländliche Raum nicht einheit lich zu sehen, sondern in seiner Vielschichtigkeit. Daher kön nen wir nicht mehr von d e m ländlichen Raum, sondern müssen wir von d e n ländlichen Räumen sprechen.
Meine Damen und Herren, wir müssen die positive Entwick lung der ländlichen Räume in Baden-Württemberg absichern, die bestehenden Chancen ergreifen und die guten Ausgangs bedingungen nutzen.
Die ländlichen Räume können aber nur dann ihren Charakter und ihre Bedeutung erhalten, wenn – unter erschwerten Be dingungen – auch Entwicklungsmöglichkeiten da sind, wenn sich die Menschen dort wohlfühlen.
Die IREUS-Studie nimmt eine überzeugende Analyse der zu künftigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung unseres ländlichen Raums vor. Zusammengefasst kommt sie auf den Punkt:
Dazu müssen jetzt die Maßnahmen eingeleitet werden. Dabei gilt es, nicht überall alles zu machen, sondern vielmehr in ganzheitlicher Betrachtung ortsbezogen die jeweils dringlichs ten Aufgaben anzugehen.
Ich fordere die Landesregierung auf: Wachen Sie auf, nehmen Sie den ländlichen Raum ernst, leiten Sie Maßnahmen ein, und entwickeln Sie eine Demografiestrategie für Baden-Würt temberg.
Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Ich möchte sehr gern aufgreifen, was meine Vorredner Herr Bullinger und Frau Brunnemer gerade angesprochen haben. Sie haben eingefordert, Grün und Rot sollten jetzt endlich einmal eine Strategie vorlegen, wie sie mit der Demografie, wie sie mit dem ländlichen Raum umge hen wollen.
Fast ist der Eindruck entstanden, in den ewigen Jahrzehnten unter Schwarz-Gelb sei im ländlichen Raum eigentlich alles in Ordnung gewesen, erst seit ungefähr eineinhalb Jahren ha be sich das Ganze gewendet, und es gebe jetzt das große Pro blem.
Bei zwei oder drei Punkten haben Sie eigentlich recht; das will ich Ihnen gern zugestehen. Herr Bullinger, Sie haben recht, wenn Sie sagen, die demografische Entwicklung sei ei ne besondere Herausforderung insbesondere im ländlichen Raum. Das ist gar keine Frage. Das ist uns allen bewusst. Sie haben auch recht, wenn Sie sagen, man könne den ländlichen Raum nicht einfach alleinlassen; die Probleme lösten sich nicht einfach dadurch, dass Stadt und Land gegeneinander ausgespielt würden.
Sie haben aber nicht recht, wenn Sie sagen, wie es immer wie der durchklingt: „Früher hatten wir Konzepte und Ideen, und jetzt gibt es nichts mehr.“ Ganz im Gegenteil, wir stehen zum ländlichen Raum.
Ich möchte Ihnen anhand einiger Beispiele aufzeigen, was neu ist gegenüber dem, was wir in der Vergangenheit erlebt ha ben. Wenn alles so wunderbar gewesen wäre, dann bestünde nicht die Situation, dass wir einerseits strukturelle Probleme haben – Frau Brunnemer, Sie haben deutlich ausgeführt, dass diese bei der IREUS-Studie herausgekommen sind –, wäh rend wir andererseits in der Fläche in Baden-Württemberg überhaupt keine Probleme im ländlichen Raum haben. Tat sächlich haben wir starke ländliche Räume, die wunderbar auch mit Ballungs- und Verdichtungsräumen vernetzt sind. Wir haben aber punktuell Probleme. Im bundesweiten Ver gleich stehen wir jedoch super da, auch was die demografi sche Entwicklung anbelangt.
Es geht darum, auch in Zukunft Strukturpolitik zu machen so wie die Synergieeffekte, die Stadt, Ballungsräume und Land bieten, zu nutzen. Nur dann werden wir eine Chance haben.