Das ist meine Interpretation. So ist es. Es ist auch meine In terpretation, dass es im Land Baden-Württemberg nicht be
sonders gut angekommen ist, als der Ministerpräsident erklärt hat, es solle künftig weniger Autos in Baden-Württemberg ge ben, es sollten künftig weniger Autos produziert werden.
Meine Damen und Herren, im Land Baden-Württemberg sind 200 000 Beschäftigte in der Automobilindustrie tätig, wobei nicht einmal alle Zulieferer mitgerechnet sind. In dieser In dustrie werden 70 Milliarden € Umsatz gemacht. Es gibt ei ne starke Exportorientierung. Große Automobile, Herr Minis terpräsident, werden übrigens häufig auch auf den amerikani schen Markt exportiert. Das ist typisch für die Wertschöpfung in Baden-Württemberg und garantiert letztlich auch den Wohl stand des deutschen Südwestens. Daran sollte man nicht die Axt anlegen. Es hilft auch nicht, wenn man dann in der Re gierungserklärung versucht, aus Carl Benz sozusagen den ers ten Grünen zu machen.
Auch das technische Verständnis in dieser Passage der Regie rungserklärung ist etwa in dieser Zeit stehen geblieben, wenn man noch viele Jahre nach dem Dreiwegekat vom Vergaser redet, meine Damen und Herren.
Der Staat solle nicht bestimmte Technologien fördern, steht in diesem Koalitionsvertrag. Der Staat solle nicht bestimmte Technologien fördern, haben Sie, Herr Ministerpräsident, ges tern gesagt. Gleichzeitig aber erklären Sie, er solle stimulie rende Rahmenbedingungen setzen.
Was sind denn „stimulierende Rahmenbedingungen“? Das kann doch nur heißen, dass man bestimmte Technologien oder bestimmte Produkte fördern will, damit sie sich am Markt durchsetzen, obwohl sie sich sonst nicht durchsetzen würden. Sie versuchen, auf der einen Seite zu erklären, dass Sie Markt wirtschaftler seien. Auf der anderen Seite weisen Sie die Fähr te in die Staatswirtschaft. Das wurde in der Regierungserklä rung an dieser Stelle formuliert.
Angeblich stehe diese Regierungskoalition für eine neue Gründerzeit, meine Damen und Herren. Sie führen dann auch die Kronzeugen der ersten Gründerzeit auf: Daimler, Benz, Bosch, BASF – im Wesentlichen Unternehmerpersönlichkei ten. Dann aber wollen Sie uns deutlich machen, jetzt komme eine zweite Gründerzeit, und die Protagonisten dieser zwei ten Gründerzeit seien politische Parteien, nämlich Grün und Rot. So wird diese Gründerzeit nicht funktionieren, meine Da men und Herren, und auf diesem Weg, den Sie in Ihrer Regie rungserklärung vage angedeutet haben, schon gar nicht.
Auch bei der Straßeninfrastruktur wundert man sich über das, was einerseits kommuniziert wird und was andererseits im Koalitionsvertrag steht. Auf Seite 28 lesen wir: Sie wollen Straßeninfrastruktur erhalten und ausbauen. Das haben Sie oder die Grünen wahrscheinlich bei der Endredaktion überse
hen. Denn soweit ich gehört habe, wollen die Grünen keine neuen Straßen bauen. Sie sollten sich schon einmal darauf ver ständigen, was Sie unter Infrastruktur verstehen. Sie sollten sich auch darüber verständigen, wie Sie generell zur Automo bilwirtschaft stehen. Sie sollten sich darüber verständigen, wie Sie zum Automobil insgesamt stehen. Man hört aus Ihren Rei hen sehr Unterschiedliches. Die SPD hat Benzin im Blut, die Grünen haben die Sonne im Herzen. Dem Land Baden-Würt temberg ist zu wünschen, dass auch einer dabei ist, der etwas im Hirn hat.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Charlotte Schneidewind-Hartnagel GRÜNE: Unverschämt!)
Bemerkenswert sind auch die Aussagen, die in diesem Koa litionsvertrag über die Schieneninfrastruktur zu lesen sind. Plötzlich sind die Grünen für die Rheintalstrecke.
Sie sind auch dafür, sich am Lärmschutz zu beteiligen. Ich darf Sie daran erinnern, dass wir im vergangenen November im Landtag von Baden-Württemberg darüber abgestimmt ha ben.
CDU, FDP/DVP und SPD waren der Meinung, das sollte man tun. Sie als Grüne haben als Einzige dagegen gestimmt, weil Sie sich mit einem Gutachten, das Sie zu Stuttgart 21 einge holt hatten und das Ihnen dann bei der Rheintalbahn auf die Füße gefallen ist, selbst ausgetrickst hatten.
Es wäre ein Beleg der Offenheit und Ehrlichkeit, Sie würden das zugeben und würden der Bevölkerung auch erklären, wa rum Sie damals so abgestimmt haben und jetzt im Regierungs programm etwas anderes steht.
Mehr oder weniger elegant umschifft, Herr Ministerpräsident, haben Sie das Thema Stuttgart 21. In Ihrer Regierungserklä rung sagten Sie: „Stuttgart 21 bleibt kontrovers.“ Viel mehr hatten Sie zu diesem Thema nicht zu sagen. Ich erinnere dar an, dass all die Diskussionen über Stresstests, Volksabstim mung und darüber, wie man dieses Projekt nach Möglichkeit zu Fall bringen kann, nicht gerade besonders stimulierend auf Investoren wirken,
die sich überlegen, ob sie in Baden-Württemberg eine Inves titionsentscheidung vornehmen. Ich habe auch nicht den Ein druck, dass das in nächster Zeit im Bereich des Verkehrs und der Infrastruktur mit dem neuen Verkehrsminister besser wird, der möglicherweise – ich darf Sie zitieren, Herr Kollege Schmiedel – „Minister für Spekulationen“ wird
(Beifall der Abg. Nicole Razavi CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Der Spekulationsmi nister!)
und sogar Spekulationen verbreitet, die einander ausschlie ßen. Mit Verlaub, bisher war der Begriff des Fehlstarts in der deutschen Bevölkerung mit dem Zehnkämpfer Jürgen Hing sen verbunden; künftig wird es Winne Hermann sein,
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wenn er al les abgegeben hat, hat er keinen Geschäftsbereich mehr!)
Es ist bemerkenswert: Die SPD redet über „Fehlstart-Her mann“ und die Grünen über „Beton-Schmiedel“. So viel zur Liebesheirat.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der Herr Hermann meint es wirklich so! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Der Claus will immer bauen!)
Ihre Liebesheirat, Herr Kollege Schmiedel, erinnert fatal an die zahlreichen Eheschließungen von Elizabeth Taylor und Richard Burton.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sie haben bes ser ausgesehen als Sie!)
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nichts gegen Herrn Westerwelle!)
An Ihrem Traualtar führte noch Rosamunde Pilcher Regie, drei Wochen später heißt es schon: Wer hat Angst vor Virgi nia Woolf?
Der gemeinsame Sound, den Sie versprochen haben, ist eine Dissonanz. Wenn ich mir so anschaue, was der neue Verkehrs minister zum Besten gibt,
meine ich, da könnte man ihm die berühmte Blume schenken. Einmal sagt er: „Wir beteiligen uns an den Baustoppkosten.“ Dann sagt er plötzlich: „Wir beteiligen uns nicht an den Bau stoppkosten.“ Dasselbe gilt für den eigenen Fahrplan zum Stresstest. Einmal sagt er: „Wir haben einen eigenen Fahr plan.“ Dann sagt er: „Wir haben keinen eigenen Fahrplan.“
Dann stellt sich natürlich auch die Frage, wer für Stuttgart 21 zuständig ist, wenn Sie diese Zuständigkeit an die SPD abge ben.
Gibt dann Herr Schmid auch die Zuständigkeit für den Haus halt ab, wenn Ihnen die Schulden über den Kopf wachsen?