Herr Ministerpräsident, Sie haben zu konstruktiver Zusam menarbeit aufgefordert. Sie haben dazu aufgefordert, man mö ge die Gräben des Wahlkampfs überwinden, man möge sich doch jetzt im Landtag von Baden-Württemberg „wieder lieb haben“. Wir sind zu dieser konstruktiven Zusammenarbeit be reit. Aber das muss dann auch für die Regierungserklärung gelten. Doch wenn man sich all die Polemiken dieser Regie rungserklärung anschaut, insbesondere was die Haushaltspo litik anlangt, Herr Ministerpräsident, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass Sie von uns etwas erwarten, was Sie selbst nicht zu leisten bereit sind.
Die Schwarzmalerei der finanziellen Lage des Landes ist kei neswegs konstruktiv, sondern offensichtlich der Versuch, die Latte für die eigene Finanzpolitik so tief zu legen, dass man selbst noch im Kriechgang hinüberkommt. Das ist offensicht lich das, was Sie vorhaben.
Wenn nun die Behauptung aufgestellt wird, Baden-Württem berg sei, wenn man genau nachrechne, bei der Verschuldung, bei der finanziellen Lage bundesweit das letzte, das schlech teste Bundesland, sage ich:
Verehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann, derjenige, der Ihnen das im Staatsministerium ausgerechnet hat, hat wahr scheinlich Mathematik schon in der Einheitsschule gelernt, die Sie vorhaben.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das war Herr Stratthaus, als er Fi nanzminister war!)
Ich wundere mich auch darüber, dass der Kollege Finanzmi nister Schmid nun in einem Interview sagt, die Klage gegen den Länderfinanzausgleich werde keinen Erfolg haben, das tauge alles nichts. Herr Kollege Schmiedel, warum hat dann Ihre Fraktion im Februar 2011 gemeinsam mit der Union und mit unserer Fraktion dem Entschließungsantrag zugestimmt, wenn Sie das so sehen?
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es! – Abg. Andreas Deuschle CDU: Es gilt das gebroche ne Wort!)
Die Regierungsverantwortung scheint also im Sinne des ge flügelten Wortes, wonach das Sein das Bewusstsein bestimmt, das Bewusstsein der SPD verändert zu haben.
Wenn ich mir anschaue, welche Versprechungen Sie in die Welt gesetzt haben – Ausbau der Kleinkindbetreuung, Umset zung des Orientierungsplans, Mittagessen in Ganztagsschu len –, dann muss ich sagen: Das alles sind hehre Ziele. Das alles sind Ziele, die auch wir haben, aber das sind Ziele, die finanziert werden müssen. Wenn man das alles zusammen zählt, haben Sie bereits über 1 Milliarde € an neuen Ausga ben, die zusätzlichen Versprechungen zur Schulsozialarbeit noch gar nicht eingerechnet. Unklar bleibt weiter, wie Sie Ih re Ankündigung finanzieren wollen, das Landeskrankenhaus programm deutlich besser auszustatten.
Sie sagen auch nicht, wie Sie die zusätzlichen Ausgaben für die Landesstraßen finanzieren wollen. Das sind Milliarden an zusätzlichen Ausgaben, und gleichzeitig kündigen Sie an, ei ne nachhaltige Konsolidierung des Landeshaushalts vorneh men zu wollen.
Dann müssen Sie auch sagen, wo Sie sparen. Das steht weder im Koalitionsvertrag, noch hat der Kollege Kretschmann, noch hat die Kollegin Sitzmann, noch haben Sie bis zum heu tigen Tag auch nur ein Wort zum Thema Sparen verloren.
Ihr Koalitionsvertrag strotzt nur so vor kostenträchtigen Ver sprechungen. Alles, was Sie bisher zur Gegenfinanzierung in die Welt gesetzt haben, ist die Grunderwerbsteuer.
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das einzig Verlässliche! Steuererhöhung! – Gegenruf von der SPD: Das war Ihr Vorschlag!)
Es stand im grünen Wahlprogramm, man wolle sie von 3,5 auf 4,5 % erhöhen. Von der SPD hat man zu Beginn der Ko alitionsverhandlungen gehört: Das wollen wir nicht; man soll te nicht mit einer Steuererhöhung in eine Koalition starten. Der Kompromiss, den Sie dann gefunden haben, sind 5 %. Auf 5 % Erhöhung haben Sie sich geeinigt.
Diese Gegenfinanzierung erinnert an Ihre frühere Argumen tation mit der Landesstiftung, bevor einer der Ihren dort die Geschäftsführung übernommen hat. Immer wenn gefragt wur de, wie man etwas finanzieren solle, hieß es: Auflösung der Landesstiftung. Diese Landesstiftung haben Sie bestimmt 20mal aufgelöst, um irgendwelche Finanzierungsvorschläge zu machen.
Es ist schon bemerkenswert, welchen Bären der Ministerprä sident uns gestern in diesem Zusammenhang hat aufbinden wollen. In der Regierungserklärung stand, er wolle die Grund erwerbsteuer erhöhen, damit junge Familien mehr Eigenhei me bauten. Mit Verlaub, Herr Ministerpräsident – ich sage das in großer Demut als Vertreter der Altparteien und in großer Demut auch als Vertreter der FDP/DVP –: Die nächste Erfah rung, die Sie machen werden – die auch andere schon gemacht haben –, wird sein: Wenn man sich an die Bevölkerung wen det, ist es wesentlich einfacher, aus der Opposition heraus und im Wahlkampf die Leute für dumm zu verkaufen, als es das
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf von den Grünen: Haben Sie Erfahrung, Herr Rülke? – Abg. Jörg Fritz GRÜNE: Schnell ge lernt!)
Ich habe ja gesagt: Ich sage das in aller Demut. Die Erfah rung ist auch bei der SPD schon vorhanden. Die Erfahrungen bei den Grünen sind vielleicht etwas geringer. Aber das ist ein Ansatzpunkt,
Die ab den Jahren 2019/2020 geplante Nullneuverschuldung, meine Damen und Herren – statt 2014 –, wäre schon 2011 möglich, wenn man hinreichend ehrgeizig wäre. Es ist auch interessant und bemerkenswert,
was zu den zusätzlichen Steuereinnahmen gesagt wird. Es wird nicht gesagt, man wolle diese zusätzlichen Steuereinnah men insgesamt und vollständig zur Bekämpfung der Neuver schuldung nutzen, sondern „überwiegend“, ein bisschen. Man lässt sich Spielraum. Wir wissen genau, was Sie vorhaben, meine Damen und Herren.
Sie wollen die Verschuldung nur teilweise bekämpfen und stil le Reserven im Haushalt verstecken, damit Sie nachher das eine oder andere ambitionierte Programm, das Sie bis jetzt im Koalitionsvertrag und in der Regierungserklärung nur andeu ten, umsetzen können. Wir werden den Haushalt sehr genau abklopfen, denn diese „Tricks“, die Sie uns unterstellen, Herr Kollege Schmiedel, führen Sie selbst im Schilde.
Wenn man sich die Finanzpolitik insgesamt anschaut, meine Damen und Herren, kann man nur eines sagen. In der Regie rungserklärung findet sich der Satz – ich zitiere –: