Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

Denn der Sinn dieses Engagements, dieser Bürgerbeteiligung, ist doch gerade, dass man eine Spaltung der Gesellschaft in Schwarz und Weiß verhindern will. Das ist doch der Sinn die ser Bürgerbeteiligung, aber nicht am Ende eine Absenkung des Quorums, damit man Schwarz oder Weiß bzw. mit Ja oder Nein stimmen muss.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Bürgerbeteiligung soll doch eher dazu führen, dass Volksab stimmungen unter Umständen gar nicht notwendig werden. Dieses Konzept, Herr Kollege Kretschmann, hätte ich eigent lich erwartet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Ich sage ausdrücklich dazu: Wir verschließen uns auch nicht Gesprächen über eine Verfassungsänderung.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Schön!)

Aber wir verschließen uns Gesprächen, die nur zum tagesak tuellen Anlass passieren sollen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Nach Lust und Laune!)

Wir sind gern bereit, uns mit Ihnen eingehend darüber zu un terhalten, wie wir unsere Bürgerinnen und Bürger stärker in Projekte oder in den Parlamentarismus generell mit einbezie hen wollen. Dann kann man am Ende eines solchen Prozes ses auch darüber reden, ob man in dem einen oder anderen Fall eine Veränderung der Verfassung vornimmt – aber nicht am Anfang eines solchen Projekts. Das ist doch der ganz ent scheidende Punkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf von der CDU: So ist es!)

Sie führen sich bei Stuttgart 21 selbst ein Stück weit in die Sackgasse, weil Sie diese Blockadehaltung eben nicht aufge geben haben. Wenn der neue Verkehrsminister dann daher kommt und sagt: „Jetzt müssen wir eben einmal nach den Vo raussetzungen für den Fahrplan etc. schauen und sehen, ob das bürgerfreundlich gestaltet ist“ – –

(Zuruf des Ministers Winfried Hermann)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, die NVBW hat etwa eineinhalb Jahre damit zugebracht, diesen Fahrplan gemeinsam mit den Verkehrsträgern zu erstellen.

(Zuruf des Ministers Winfried Hermann – Unruhe)

Sie müssen sich dann schon fragen lassen, Herr Hermann, wie Sie das innerhalb von vier Wochen machen wollen, wenn es etwas Ordentliches sein soll. Das zum einen.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Sie müssen sich natürlich auch fragen lassen, wie der von Ih nen gewünschte sogenannte kundenfreundlichere Fahrplan dann im Jahr 2020 aus Haushaltssparmaßnahmen bezahlt wer den soll. Ich weiß gar nicht, wie Sie bestellen wollen, wenn wir erst bis dann die Nullneuverschuldung erreicht haben. Nach Ihrem Konzept müssen wir sie schnell erreichen. Das wird erhebliche Einsparmaßnahmen bringen. Ich weiß gar nicht, wie die Bestellung dann aussehen soll. Aber egal.

Sie müssen sich natürlich auch fragen lassen, ob ein solcher Fahrplan dann auch für K 21 oder für den alten Kopfbahnhof tauglich wäre

(Zuruf von der Grünen: Ja klar!)

und wo die Engpässe wirklich sind. Liegen sie unten, oder lie gen sie an den Zuführungsstrecken?

Insofern: Spielregeln nachträglich zu verändern scheint das Spielfeld zu sein, mit dem Sie die Menschen derzeit in Ver wirrung bringen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Volker Schebesta CDU: Der Spieler will nur gewinnen!)

Meine Damen und Herren, Stuttgart-21-Gegner haben im Schlossgarten ein Aktionscamp eingerichtet. Am Wochenen de wurde der zivile Widerstand geprobt. Am Anfang dieser Woche konnte das Gelernte dann bei einer Blockade der Bau stelle zum Grundwassermanagement umgesetzt werden. Lie ber Herr Hermann, es wäre gescheiter gewesen, Sie hätten auf den Antrittsbesuch bei den von Ihnen so geschätzten Park schützern

(Zuruf von der CDU: Parkbeschmutzer!)

verzichtet und den Innenminister mitgenommen, um einen Antrittsbesuch bei der Polizei zu machen, die diesen Rechts staat und auch das Recht der Parkschützer vertritt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Tho mas Blenke CDU: Sehr richtig!)

Aufgerufen wurde zur Beteiligung, nämlich zur Blockade der Baustelle, durch den Politikwissenschaftler Peter Grottian

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: „Grobian“!)

mit den Worten: „Nicht Wahlen entscheiden, sondern wenn der Souverän den Aufstand probt.“

(Lachen des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Weiter rief er die Bevölkerung laut „Stuttgarter Zeitung“ da zu auf, das Projekt Stuttgart 21 „selbstermächtigend, bürger mächtig und mobilisierungsträchtig“ zu verhindern.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das haben wir schon einmal gehabt! – Zuruf der Abg. Friedlin de Gurr-Hirsch CDU)

Das erinnert an dunkle Zeiten unserer Geschichte.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Hier entwickelt sich eine Politik – die ich Ihnen persönlich gar nicht unterstelle –, die mit dem bisherigen demokratischen Parlamentarismus nichts mehr zu tun hat, frei nach Goethes Zauberlehrling: „Die Geister, die ich rief, werdʼ ich nicht mehr los.“

Die Grünen haben zur Hochprotestzeit nichts getan, um zur Befriedung beizutragen.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ihre Antwort war die des 30. September! Unsere Antwort ist die des Di alogs! Das ist der große Unterschied! – Gegenruf des Abg. Volker Schebesta CDU: Aber nur, wenn er so aussieht, wie ihr wollt!)

Auch jetzt unterstützen Sie durch Akzeptanz eher die außer parlamentarische Demokratie – eine Gruppe, die die Regie rung, gewählte Abgeordnete, auch unbescholtene Bürger, all diejenigen, die anderer Meinung waren, lautstark als „Lügen pack“ beschimpft hat.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Parteien, die eigentlich für Stuttgart 21 sind, sind plötzlich nicht mehr so sicher, wo sie stehen. Der Druck der Straße so wie die bevorstehenden Wahlen brachten gewählte SPD-Ab geordnete ins Wanken.

Diese beiden sind nun in einer Koalition und müssen Lösun gen finden. Die einen sind eigentlich dafür, die anderen dage gen, und der Minister lässt als zentraler Kopf der Gegen-Stutt gart-21-Bewegung nichts aus, um sein neues Amt dafür zu nutzen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Zu missbrauchen!)

sein Ziel zu erreichen und Stuttgart 21 zu verhindern. Dafür werden zum Wohl des eigenen Egos Schadensersatzzahlun gen für das Land in Milliardenhöhe in Kauf genommen, Mehr kosten infolge eines Baustopps nicht aus eigener Tasche be zahlt, sondern auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: In Baden-Würt temberg!)

Herr Schmid und Herr Schmiedel, Sie müssen sich schon ernsthaft fragen lassen, warum Sie sich zum Erfüllungsgehil fen grüner Spielchen machen

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

und ob Sie das letzte Fünkchen an Glaubwürdigkeit und Eh re verloren haben, nur um als kleines Schwesterchen der Grü nen mit am Kabinettstisch sitzen zu dürfen.

(Lachen bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Ministerpräsi dent hat gestern dargestellt, dass er ein intelligentes Mobili tätskonzept entwickeln will.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Guter Mann!)

Das ist in Ordnung. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass die Antwort darauf ist: weniger Autos, mehr Verkehr auf der Straße – nein, auf der Schiene.