Nun kann aber niemand glauben, dass wir hier die Probleme, von denen ich gesprochen habe, allein lösen könnten. Wir wer den sie nur mit einer Politik im Dialog lösen können, bei der wir gemeinsam Lösungsvorschläge entwickeln, die auf Ak zeptanz stoßen. Dafür werden wir ganz dringend die Kompe tenzen und Erfahrungen aller gesellschaftlichen Akteure und unserer Bürgerinnen und Bürger brauchen; denn Politik im Wandel braucht eine aktive und engagierte Bürgergesellschaft.
Als Land haben wir auch eine Verantwortung in der Welt. Wir sind zwar keine Weltmacht, aber wir können in der Welt viel bewirken. Wir können dann viel bewirken, wenn wir hier bei spielhafte Lösungen entwickeln. Baden-Württemberg ist Ex portweltmeister. Wir haben ein weltweites Netz von Ge schäftsbeziehungen. Unsere Unternehmen genießen weltweit Vertrauen in ihre Innovationen und Produkte. Unser Land ist in aller Welt präsent und aktiv. Das soll auch in Zukunft so sein, Herr Kollege Hauk.
Wenn es um das Thema Wachstum geht, wird der Maßstab sein – Sie haben sich auch als Hüter der Nachhaltigkeit prä sentiert –, ob wir es schaffen, ein Wachstum zu erreichen, das auch die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und den sozialen Ausgleich berücksichtigt. Ich glaube, wenn wir das hinbekommen, dann werden „Made in Germany“ und „Made in Baden-Württemberg“ noch einmal einen ganz anderen Sound bekommen.
Der Regierungswechsel in Baden-Württemberg ist ein gutes Signal, um zukünftig Ökonomie und Ökologie sinnvoll und erfolgreich miteinander zu verbinden, meine Damen und Her ren.
Klar ist natürlich: In einer globalen Welt muss sich diese wirt schaftliche Weitläufigkeit auch mit einer kulturellen Weltof fenheit im Inneren verbinden. Das heißt, Menschen aus ande ren Kulturkreisen sind ein selbstverständlicher und wertvol ler Teil unserer Gesellschaft. Wir sichern ihnen unsere Unter stützung zu.
Bei der Integration haben wir großen Nachholbedarf. In Sa chen Integration, Anerkennung und Wertschätzung ist viel zu wenig passiert. Deshalb ist die Einrichtung des Integrations ministeriums ein richtiger und wichtiger Schritt und ein gutes Signal für unser Land.
Ein unverzichtbarer Partner bei der Gestaltung des Wandels, meine Damen und Herren, sind für uns die Kommunen. Sie gestalten die Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Sie sind die Ebene, auf der direkte Beteiligung am weitesten gediehen ist. Die Kommunen sind die ersten An sprechpartner, wenn es darum geht, den öffentlichen Nahver kehr auszubauen. Sie stehen in der Kritik, wenn das Betreu ungsangebot für unter Dreijährige nicht ausreichend ist. Von ihnen wird gefordert, dass es mehr Ganztagsschulen und mehr Schulsozialarbeit gibt. Von den Kommunen wird erwartet, dass ihre Krankenhäuser die Gesundheitsversorgung sicher stellen. Sie tragen Verantwortung für die Eingliederung von Behinderten und für die Jugendhilfe – um nur einige Beispie le zu nennen.
Klar ist: Damit die Kommunen all diese Aufträge erfüllen kön nen, müssen wir sie finanziell entsprechend ausstatten.
Die Kommunen dürfen nicht zu einer Entsorgungsanlage für gesellschaftliche Probleme von Bund und Ländern werden. Deshalb werden wir zur Art und Weise der Aufgabenerfüllung im Dialog mit den Kommunen, mit den kommunalen Landes verbänden gemeinsam einen guten Weg finden. Das gilt für den Orientierungsplan ebenso wie für andere Bereiche. Das Konnexitätsprinzip ist dabei für uns die Grundlage.
Bei der Politik für die Kommunen haben wir die großen Städ te und Hochschulstandorte ebenso im Blick wie die ländlichen Gemeinden. In den großen Städten wächst der Mangel an be zahlbarem Wohnraum. Wir werden daher die Fehler von CDU und FDP/DVP korrigieren, die die soziale Wohnraumförde rung jahrelang vernachlässigt haben. Wir werden 80 % der Fördermittel auf diese besonderen Bedarfslagen konzentrie ren.
Wir werden die Kommunen bei ihren Konzepten zur Energie einsparung und zum Klimaschutz unterstützen. Da gibt es
noch erhebliche Einsparpotenziale, die auch bei den Bewirt schaftungskosten zu einer Entlastung führen können.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion bringt eine breite kommunale Kompetenz mit. 29 der 36 Mitglieder haben oder hatten ein kommunalpolitisches Mandat. Das heißt, wir sind vor Ort verankert, wir sind gut vernetzt, und bei uns sind die Anliegen der Kommunen im Land gut aufgehoben. Das gilt sowohl für die Universitätsstädte wie für die kleinen Landge meinden, meine Damen und Herren.
Der ländliche Raum umfasst 70 % der Landesfläche; 30 % der Bevölkerung leben dort. Angesichts des demografischen Wan dels brauchen wir auch in der Fläche attraktive Infrastruktu ren, Angebote bei der Gesundheitsversorgung, bei der Kin derbetreuung, bei den Schulen und beim öffentlichen Nahver kehr, damit ländliche Räume ihre Vorzüge zum Tragen brin gen können.
Wir werden die ländlichen Räume unterstützen, wir werden sie stärken. Wir wollen Wertschöpfung und Arbeitsplätze durch regionale landwirtschaftliche Produkte, durch gesunde Ernährung und umweltverträglichen Tourismus stärken und damit neue Wertschöpfungsketten erschließen.
Meine Damen und Herren, wir werden die Schule im Dorf las sen. Denn sie ist Lern- und Lebensort und ein wichtiger Stand ortfaktor.
Allerdings brauchen die Kommunen eine Schule mit Zukunft, die sie mitgestalten können. Das ist nachhaltige Politik in Zei ten des Wandels, meine Damen und Herren.
Die Bedeutung der Bildung ist gar nicht hoch genug einzu schätzen. Sie ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Le ben. Sie ist die Grundlage für beruflichen Erfolg. Sie ist ein Knappheitsfaktor für die Wirtschaft, und sie ist eine entschei dende Voraussetzung für gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die Konsensfindung in einer komplexer werdenden Welt.
Deshalb: Wir werden alle mitnehmen, die lernen wollen, und wir werden Rahmenbedingungen schaffen, damit alle, egal welcher Herkunft, auch lernen können. Wir werden diejeni gen motivieren und ihnen attraktive Angebote machen, die es auf den alten Wegen bisher nicht geschafft haben.
Ein guter Start – hierin sind wir uns einig – ist die beste Vor aussetzung für eine gelingende Berufslaufbahn.
Deshalb werden wir die Kommunen bei dem Ausbau früh kindlicher Bildung und Betreuung unterstützen. Das ist wich tig im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ist ein Beitrag zur Behebung des Fachkräftemangels.
Herr Kollege Hauk, Ihre Kritik an der Finanzierung kann ich nicht nachvollziehen. Denn die frühkindliche Bildung ist die beste Zukunftsinvestition für unsere Kinder. Besser angeleg tes Steuergeld kann man sich gar nicht vorstellen.
Bei der Qualität der Kinderbetreuung haben wir eine klare Zielsetzung: Jedes Kind steht im Mittelpunkt, jedes Kind soll die bestmögliche individuelle Förderung erhalten. Das brau chen wir für eine nachhaltige Politik in Zeiten des Wandels.
Im Schulbereich stehen bei der neuen Regierung die Zeichen auf Öffnung und Wandel, aber eben nicht von oben verordnet, sondern partnerschaftlich gestaltet – mit Eltern, Lehrern, Schulträgern. Es gibt zahlreiche Gemeinden, die gute Ideen für die Entwicklung ihrer Schule eingebracht haben, die die Einrichtung von Modellschulen beantragt haben. Dort, wo Sie als ehemalige Landesregierung Wege blockiert haben, wollen wir Wege und Möglichkeiten öffnen. Anträge auf Einrichtung von Modellschulen sind für uns ein positives Signal dafür, dass Gemeinden und Städte ihre Schulen selbst gestalten und verantworten wollen. Das werden wir unterstützen.
Wir setzen auf den Ausbau von Ganztagsschulen. Sie bieten kindgerechte und ganzheitliche Bildung. Sie können mit Ver einen, Unternehmen, kulturellen, kommunalen, sportlichen Einrichtungen kooperieren. So schaffen sie Zugang zu einem vielfältigen Bildungsangebot und die Chance zu mehr Bil dungsgerechtigkeit. Es ist höchste Zeit und überfällig, dass Ganztagsschulen endlich im Schulgesetz verankert werden, meine Damen und Herren.
Freie Schulen sehen wir als gleichrangige, gleichberechtigte Form der schulischen Bildung. Sie haben oftmals neue For men und Wege erschlossen und erprobt, insbesondere was das Engagement und die Einbindung der Eltern betrifft. Wir wer den dafür sorgen, dass auch die freien Schulen eine gerechte Finanzausstattung erhalten. So haben wir es im grün-roten Ko alitionsvertrag festgelegt.
Die Stärkung der beruflichen Bildung entlang der Empfehlun gen der Enquetekommission der vergangenen Legislaturperi ode ist für uns Verpflichtung. Jeder Jugendliche hat das Recht auf eine berufliche Ausbildung mit anerkanntem Berufsab schluss.
Das duale System spielt hier eine wichtige Rolle. Wir werden es stärken. Wir werden das Unterrichtsdefizit an den berufli chen Schulen abbauen und den Englischunterricht in der du alen Ausbildung einführen.
Dass Erwachsene, die einen Schulabschluss nachholen wol len, in Baden-Württemberg als einzigem Bundesland noch im mer zur Kasse gebeten werden, ist ein Anachronismus. Auch
für den zweiten Bildungsweg gilt: Wir wollen all jenen, die lernen wollen, keine Steine in den Weg legen, sondern wir werden sie motivieren und unterstützen.
Zur Weiterbildung und zum lebenslangen Lernen leisten die vielen Einrichtungen der Erwachsenenbildung einen wichti gen Beitrag. Es wird höchste Zeit, dass wir die Grundförde rung des Landes stufenweise auf die im Bundesdurchschnitt üblichen Sätze anheben. Bildungsferne Zielgruppen werden bei uns besondere Berücksichtigung finden. Das ist entschei dend für eine nachhaltige Politik in Zeiten des Wandels.
Baden-Württembergs Hochschulen sind stark. Sie bieten ex zellente Forschung ebenso wie ein vielfältiges Lernangebot, das Studierende aus aller Welt anspricht. Wir wollen allen, die studieren wollen, ein Studium ermöglichen, denn junge wis sensdurstige Menschen sind unser wichtigstes Kapital, und deshalb sind abschreckende finanzielle Hürden wie Studien gebühren das falsche Signal, Herr Kollege Hauk. Wir werden die Studiengebühren deshalb abschaffen und den Hochschu len den Mittelausfall kompensieren. Das ist zugegebenerma ßen eine finanzpolitische Anstrengung, aber es ist eine Inves tition, die sich lohnt.