Protokoll der Sitzung vom 28.11.2012

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Kollegen Dr. Bullinger das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir könnten jetzt natürlich einmal trefflich darüber diskutieren, was eigentlich gemeint ist, wenn von „gesunden Nahrungsmitteln“ gespro

chen wird. Ich erinnere an den berühmten Satz des Paracelsus von Hohenheim,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Genau!)

wonach das gesündeste Nahrungsmittel tödlich sein kann, wenn hiervon zu viel konsumiert wird.

Mein zweiter Punkt: Man sollte sich, wenn man über Gen technik und über Nulltoleranzen spricht, auch darüber im Kla ren sein, dass die Analytik heute so weit ist, dass der Gehalt eines kleinen Zuckerwürfels im großen Bodensee nachgewie sen werden kann. Auch das muss man wissen, wenn man sol che Forderungen stellt und wenn man glaubt, man könnte hier mit eine emotionale Diskussion führen.

Meine Damen und Herren, wir sind – ich glaube, damit spre che ich für alle – bei diesem Thema wirklich nah beieinander. Wir sollten uns auch weiterhin über die grüne Gentechnik in formieren. Ich habe mich allerdings schon gewundert, als ich die Tagesordnung gesehen habe: Eigentlich hätte der vorlie gende Antrag – ein Uraltantrag vom Frühjahr dieses Jahres – mit abgehandelt werden können, als wir am 11. Oktober die ses Jahres das Thema Gentechnik sehr ausführlich diskutiert haben. Damals haben wir über das Pro und das Kontra, die Gefahren und anderes gesprochen.

Meine Damen und Herren, richtig ist sicherlich, dass man da mals auch über das unseriöse Arbeiten eines Show-Professors aus Frankreich, nämlich Herrn Séralini, diskutierte. Zwischen zeitlich hat sich ja erwiesen, dass man diesem Herrn nicht auf den Leim gehen sollte. Wir sollten uns deshalb heute verstärkt mit Fakten auseinandersetzen und sollten über das reden, was zwar sehr hoch emotional behandelt wird, was aber doch sehr viel mit Naturwissenschaft und mit Fakten zu tun hat.

Tatsache ist beispielsweise, dass gegenwärtig weltweit auf ei ner Fläche von rund 140 Millionen ha gentechnisch veränder te Pflanzen angebaut werden. Das entspricht 80 % der EUweiten landwirtschaftlichen Nutzflächen. Vor allem Brasilien und Burkina Faso verzeichnen hier große Zuwächse. Inzwi schen werden bei weltweit 77 % des Sojaanbaus – das ist si cherlich ein interessanter Hinweis für alle, die gern Sojapro dukte zu sich nehmen und beispielsweise Sojamilch trinken – gentechnisch veränderte Sorten eingesetzt. Beim Baumwollan bau sind dies 49 %.

Ein paar weitere Fakten: Rund 7 Millionen t Eiweißträger, da von über 60 % Soja, sind Futtermittelrohstoffe mit Gentech nikbezug, die bei uns in Deutschland von der Veredelungs wirtschaft eingesetzt werden. Darunter fallen auch Raps, Mais und Maiskleberfutter. Gerade bei den Futtermitteln, die bei der Verfütterung in tierische Eiweiße umgewandelt werden, ist ein Nachweis faktisch nicht möglich – also bei Fleisch, Ei ern und Milch.

Nehmen wir einmal das Beispiel Milch. Bekanntlich verdaut eine Kuh in ihrem „Fermenter“ – das ist der Magen, der Pan sen – ihr Futter und zerlegt die Bestandteile bis in ihre bio chemischen Grundbausteine. Wenn wir beispielsweise 300 Milchkühe nehmen und 100 von ihnen mit gentechnisch ver ändertem Futtermittel füttern, 100 mit nachweislich gentech nikfreiem Futtermittel – also Gras und gentechnikfreies Kraft futter – und weitere 100 mit einer Ration, die aus einem rein synthetischen Energieträger plus synthetischem Harnstoff –

wie er beispielsweise zur Düngung eingesetzt wird – besteht, und hinterher die Milch dieser Kühe kontrollieren, werden Sie feststellen: Der Unterschied beträgt null. So weit werden die Bestandteile zerlegt; sie werden physiologisch zerlegt und da mit abgebaut und dann neu aufgebaut, sodass man den Nach weis, ob das Futtermittel gentechnisch veränderte Bestandtei le aufwies, anhand des Endprodukts – Fleisch, Eier, Milch – nicht erbringen kann.

Deshalb, meine Damen und Herren, ist es wichtig, dass die Deklaration der Futtermittel vorher vorgenommen wird. Da mit komme ich zur Frage der Toleranz. Nulltoleranz ist, glau be ich, selbst für Ideologen, für Gentechnikgegner nicht mehr glaubhaft.

Nach der europäischen Regelung zur Kennzeichnung gentech nisch veränderter Lebens- und Futtermittel, die seit 2004 gilt, müssen Lebensmittel gekennzeichnet werden, wenn sie gen technisch veränderte Organismen enthalten, wenn sie als sol che hergestellt werden und sogar auch dann, wenn sie nur ent sprechende Zutaten enthalten. Jetzt kommt die Ausnahme: Die Ausnahme gilt bei Fleisch, Milch, Eiern und sonstigen tieri schen Produkten. Diese Regelung der Nicht-Nulltoleranz von 2004 ist ebenso wie auch die EU-weite Zulassung der gen technisch veränderten Maissorte MON 863 – hören Sie nun bitte ganz genau hin – während der Regentschaft der rot-grü nen Bundesregierung in Berlin zustande gekommen. Frau Künast lässt grüßen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich möchte hier – allerdings positiv – auch ein Mitglied der Landesregierung nennen, nämlich unsere Wissenschaftsmi nisterin. Sie sagte – ich zitiere hierzu die „Stuttgarter Zeitung“ –:

Mit mir wird es nicht dazu kommen, dass wir irgendein Forschungsgebiet verbieten.

Weiter sagte sie:

Ich glaube, dass eine grüne Wissenschaftsministerin gut daran tut, das Thema „Unabhängigkeit der Wissenschaft“ sehr ernst zu nehmen.

Das, meine Damen und Herren, entspricht exakt meinen Aus führungen anlässlich der Debatte am 11. Oktober. Ich habe damals klar und deutlich gesagt: Wir wollen in diesem Land Forschung, wir brauchen aber keinen praktischen Anbau. Da zu steht die FDP/DVP-Fraktion.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Gut!)

Zusammenfassend als Fazit: Halten wir uns erstens an das gel tende Recht; deklarieren wir zweitens vorschriftsmäßig; kon trollieren wir drittens, was gesetzeskonform sein muss, und kontrollieren wir viertens all diejenigen, die mehr verspre chen. Und vor allem, meine Damen und Herren: Streuen wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern keinen Sand in die Augen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl Rombach CDU: Genau! Richtig!)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Bonde das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt innerhalb kurzer Zeit zum zweiten Mal die Möglichkeit, uns über die sogenannte grüne Gentechnik, also über die Frage des Einsatzes von Gentech nik auf dem Feld, auf dem Acker, auf dem Teller zu unterhal ten.

Die Debatte hat bisher eine Reihe von Diskussionspunkten gebracht, die mit dem Antrag, über den wir diskutieren, we nig zu tun haben. Ich will trotzdem ein paar Dinge noch ein mal kurz zurechtrücken.

Herr Rombach, Sie haben behauptet, wir würden im Haus haltsentwurf – er wird heute Nachmittag im Ausschuss für Fi nanzen und Wirtschaft diskutiert und steht später auch hier im Plenum zur Diskussion – Kürzungen bei der zweiten Säule vornehmen. Ich glaube, Sie sind da der Haushaltssystematik auf den Leim gegangen. Wir nehmen nämlich keine Kürzun gen in diesem Bereich vor. Vielmehr ergibt sich durch die nachschüssige Zahlung im Bereich dieser Programme die Zah lenreihe, die Sie da sehen, und zwar aus der Fragestellung „Stopfen des Loches in Höhe von 33 Millionen €“.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Kann es sein, dass Sie es am Anfang auch nicht verstanden hatten?)

Das ist in diesem Bereich also keine Kürzung; vielmehr ist es die haushaltsmäßige Darstellung dessen, was wir hier schon ein paarmal diskutiert haben. Ich bin froh, dass wir mit Un terstützung der Koalition, aber auch des Finanzministers in der mittelfristigen Finanzplanung sichergestellt haben, dass wir in der Lage sind, die zweite Säule der EU voll umzuset zen,

(Abg. Peter Hauk CDU: Die liegt erst heute vor!)

wenn denn die europäische Ebene tatsächlich endlich einmal dazu kommt, einen Haushalt zu verabschieden, und wenn wir trotz des Agierens der Bundesregierung überhaupt noch rele vante Summen in der zweiten Säule für die ländlichen Räu me zur Verfügung haben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Da kann man nur sagen: Bisher hat es immer geklappt!)

Der zweite Punkt: Sie haben die Milchpolitik angesprochen. Bedauerlicherweise kam es in Brüssel zu der Situation, dass es Ausschreitungen bei einer Demonstration von über 3 000 Bäuerinnen und Bauern gab, die im Rahmen ihres Engage ments für das European Milk Board oder für den Bundesver band Deutscher Milchviehhalter demonstriert haben – beglei tend zum Treffen der EU-Agrarministerinnen und EU-Agrar minister, die sich im Moment mit dem Thema Milch beschäf tigen –, um auf Forderungen der Branche aufmerksam zu ma chen.

Wie gesagt, ich kritisiere, dass es da zu Ausschreitungen ge kommen ist.

(Zuruf: Gut!)

Ich habe aber auch betont, dass die Landesregierung der Auf fassung ist, dass die Bauern zu Recht darauf aufmerksam ma chen, dass wir massive strukturelle Probleme im Milchmarkt haben, und sie sich zu Recht dafür einsetzen, dass die Agrar minister hier über die bisher auf dem Tisch liegenden Be schlüsse für ein Sicherheitsnetz hinaus eine Marktstruktur schaffen müssen. Ich habe kritisch kommentiert – –

(Abg. Peter Hauk CDU: Wollen Sie Planwirtschaft oder Marktwirtschaft?)

Herr Hauk, Sie sind ja einer der Väter der Entwicklung, die dazu geführt hat, dass unsere Milchbauern jetzt nicht mehr den Vollpreis bekommen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Da äußert sich genau der Richtige, ganz genau der Richtige.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Es ist ja schön, dass Sie, Herr Hauk, die Urheberschaft für die se europäische Fehlentwicklung auch noch offensiv anneh men.

(Abg. Peter Hauk CDU: Nein, nein!)

Das ist einmal ein ehrlicher Auftritt von Ihnen als CDU-Frak tionsvorsitzendem.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Was wollen Sie? – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Geben Sie eine Ant wort!)

Herr Rombach, Sie haben angesprochen, dass ich tatsächlich überrascht war, dass der Deutsche Bauernverband, vertreten durch Generalsekretär Dr. Born, die Milchbauern in ihrer For derung nicht unterstützt hat, sondern im Gegenteil den Forde rungen des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter wi dersprochen hat

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sie spre chen von den Milchbauern! Wie viel Prozent sind da Mitglied?)

und sich zitieren lassen hat mit den Worten: „Man kann mit der Situation durchaus zufrieden sein“ und die Position bezo gen hat, die Preise im Milchmarkt seien ja im vergangenen Jahr angestiegen und die Verkäufer wären gegenüber dem Ein zelhandel gut organisiert. Das kann eine legitime Position sein. Ich teile sie nicht. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Marktmacht zwischen dem Milcherzeuger und dem Handel funktioniert,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Was wollen Sie dagegen tun?)

und ich bin nicht der Auffassung, dass die Entwicklung beim Milchpreis hier zu einer Entlastung der Betriebe geführt hat,