Protokoll der Sitzung vom 14.12.2012

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist richtig, dass 2008 und 2009 von Schwarz-Gelb keine neuen Schulden gemacht wor den sind. Das sind aber zwei absolute Ausnahmejahre. In Ih rer restlichen Regierungszeit – immerhin insgesamt 58 Jahre –

(Abg. Winfried Mack CDU: 56!)

interessierte Sie die Nullverschuldung in keinster Weise.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Horch einmal! Was war denn 2008 und 2009?)

Ich habe 2008 und 2009 erwähnt, lieber Kollege.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Und 2010?)

Ganz ruhig! Zuhören! 2008 und 2009 habe ich erwähnt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: In keinster Weise! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Bei weniger Einnahmen!)

Die Bilanz Ihrer Regierungszeit weist, wenn man die Pensi onsverpflichtungen, den Sanierungsstau und die Kreditmarkt darlehen zusammenrechnet,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Jetzt geht die al te Leier wieder los! – Abg. Leopold Grimm FDP/ DVP: Das kennen wir!)

einen Schuldenberg von 140 Milliarden € aus.

(Zuruf: Pro Jahr zwei Milliarden! – Abg. Dr. Fried rich Bullinger FDP/DVP: Sie könnten einmal eine neue Rede machen! Nicht wieder die gleiche zum fünften Mal vorlesen! – Zuruf des Abg. Karl Zimmer mann CDU)

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben über Jahrzehnte bestellt, aber nicht bezahlt. Das Ergebnis Ihrer CDU-Politik sind exorbitante Zinsverpflichtungen, die jedes Jahr fällig wer den. Es handelt sich immerhin um jährlich gut 1,9 Milliar den €. Wir können froh sein, dass die Zinssätze aufgrund der Eurokrise gerade sehr niedrig sind, denn sonst wären die Zins aufwendungen noch sehr viel höher.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wir können froh sein, dass wir 3 Milliarden € mehr bekommen!)

Das sind 1,9 Milliarden €, die wir nicht in die Bildung stecken können, 1,9 Milliarden €, die uns bei der Energiewende feh len, 1,9 Milliarden €, die wir als Fördermittel in innovative Unternehmen in unserem Land geben könnten. Diese Gestal tungsspielräume stehen uns nicht zur Verfügung, weil wir die Zinsen für Ihre Kredite aufbringen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen)

Wie sah denn Ihre Finanzkompetenz aus? Sie haben nach fol gendem Motto regiert: Heute auf Kosten zukünftiger Genera tionen konsumieren, bei Bedarf Haushaltskosmetik betreiben, vergessen, verleugnen, verdrängen und damit keine Verant wortung übernehmen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich sage Ihnen nur ein Stichwort – wenn Sie wollen, führe ich das gern weiter aus, aber ich wollte es Ihnen eigentlich erspa ren –: Zerobonds. Der Kredit wurde 1986 zur Regierungszeit von Lothar Späth aufgenommen. Wann ist die letzte Zahlung fällig? 2026! Die Lasten tragen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist Leben auf Kosten zukünftiger Generatio nen. Damit ist zum Glück Schluss.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ministerpräsident Kretschmann hat heute Morgen sinngemäß gesagt, Haushaltsberatungen seien eigentlich die Sternstunde der Opposition. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn das die Sternstunde war, was haben wir dann noch zu erwarten?

(Abg. Alfred Winkler SPD: Nur Strohsterne!)

Wahrscheinlich war diese Aussage in der Vergangenheit rich tig, aber auf die aktuellen Oppositionsfraktionen trifft sie lei der nicht zu.

Wenn ich die Haushaltsberatungen im Finanz- und Wirt schaftsausschuss zusammenfassen darf, dann bleibt unterm Strich ein trauriges Fazit für die Opposition. Vor allem von Ihnen, Herr Kößler und Herr Herrmann, als seriösen Finanz experten habe ich wirklich mehr erwartet. Ich habe mich wirk lich auf das angekündigte Gesamtdeckungskonzept gefreut. Ich war gespannt; denn ich wollte mit Ihnen wirklich inhalt lich diskutieren, weil wir im Finanz- und Wirtschaftsausschuss eigentlich eine gute Sachpolitik betreiben. Ich bedaure es, dass wir uns inhaltlich nicht auseinandersetzen konnten, weil Sie einfach nichts geliefert haben. Die einzigen zwei, drei Anträ ge, die Sie eingebracht haben,

(Abg. Karl Rombach CDU: Waren es zwei oder drei?)

waren Anträge mit Luftbuchungen als Ziel. „Knalltütenanträ ge“ hat Kollege Schmiedel vorgestern gesagt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr richtig!)

Wenn man sich die eingebrachten Anträge genau anschaut, sieht man: Es gab zwei oder drei reale Kürzungsvorschläge oder Einsparvorschläge.

(Abg. Karl Rombach CDU: Zwei oder drei?)

Ich nenne Ihnen drei: Einmal wollten Sie 10 Millionen € bei der Polizeistrukturreform kürzen, weiter wollten Sie bei der Gemeinschaftsschule und beim Lebensarbeitszeitkonto Ein sparungen von 100 Millionen €.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ergebnisse dieser Anträge wären weniger innere Sicherheit, weniger Investitionen in Bil dung und ein zinsloser Kredit bei den Beschäftigten. Sie wür den also wieder auf Pump leben. Das machen wir nicht mit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Sie kalkulieren mit einer Reform des Länderfinanzausgleichs, die bereits 2014 100 Millionen € bringen soll. Wie soll das gehen? Der derzeitige Länderfinanzausgleich gilt bis 2019. Wollen Sie gegen geltendes Recht verstoßen? Wir nicht. Wir sind froh, wenn wir bis 2019 eine neue Regelung gefunden haben, von der wir wirklich profitieren können.

Noch ein Wort zum gescheiterten Steuerabkommen mit der Schweiz. Ihr Antrag Drucksache 15/2712-2 hat ungefähr den Tenor: Aufgrund der geografischen Nähe unseres Bundeslands zur Schweiz sei es, so Ihre Vermutung, sehr naheliegend, dass mehr Baden-Württemberger ihr Geld illegal in der Schweiz deponiert haben als andere Bundesbürger. Das hätte ich mir an Ihrer Stelle sehr genau überlegt. Erstens: Welches Verhält nis haben Sie zu den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land? Die meisten sind nämlich ehrliche Steuerzahler.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Wieso kaufen Sie dann die CDs, wenn Sie das glauben?)

Zweitens: Wenn Sie schon diese Einstellung haben, dass es in unserem Land mehr Steuerhinterzieher als im Bundesdurch schnitt gibt, warum war Baden-Württemberg dann hinsicht lich der personellen Ausstattung der Steuerprüfung zu Ihrer Regierungszeit jahrelang Schlusslicht unter allen Bundeslän dern? Das ist doch die interessante Frage. Wenn Ihnen diese

Einsicht erst jetzt gekommen sein sollte: Wo bleiben dann Ih re Vorschläge für mehr Personal in der Steuerverwaltung? Im Gegensatz zu Ihnen stärken wir die Steuerverwaltung. Wir stellen jährlich 100 neue Steuerprüfer ein. So erhöhen wir die Steuereinnahmen, gelangen zu Steuermehreinnahmen und schaffen mehr Steuergerechtigkeit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lustlos, unkreativ, orientie rungslos – so, wie Sie sich in der Ausschussarbeit präsentiert haben, sind auch Ihre restlichen Entschließungsanträge, die Sie hier eingebracht haben. Sie machen keine Vorschläge zur Gegenfinanzierung und verfahren damit nach dem Motto „Wünsch dir was“.

Ehrlich gesagt: Ich bin erst seit eineinhalb Jahren hier im Par lament, bin hier also noch relativ neu. Aber ich war zwölf Jah re lang im Stuttgarter Gemeinderat. Dort war es Usus, dort war es die Regel, dass man für jeden Antrag eine Gegenfinan zierung vorgelegt hat. Ich habe mich wirklich gefragt, wo ich hier gelandet bin. Was sind denn das für Haushaltsberatungen, die wir hier als Vollzeitparlamentarier zu führen haben? Ich bin verwundert.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich kann nur sagen: Diese Arbeitsweise – keine inhaltliche Auseinandersetzung – war leider keine Sternstunde der Op position. Das ist, finde ich, die reine Bankrotterklärung, was konstruktive Oppositionsarbeit betrifft.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung geht mit die sem Haushaltsplanentwurf den Weg in Richtung Nullneuver schuldung jedoch konsequent weiter. Wie gesagt: Die Leitge danken – Investieren, Sanieren und Konsolidieren – werden damit realisiert.

Ich möchte nur einige Stichworte zu den Bereichen Investie ren und Sanieren nennen. Wir haben Umschichtungen vorge nommen, und wir haben Einsparungen vorgenommen. Hier zu haben wir für die Bereiche Bildung, Naturschutz und Ener giewende sowie für die Sanierung von Landesvermögen Mit tel zur Verfügung gestellt. Denn die Sanierung von Landes vermögen ist nämlich ebenfalls eine Maßnahme zur Schul dentilgung.

Sie wissen ja: Die Bilanz hat zwei Seiten, nämlich Aktiva und Passiva. Auf der Seite der Passiva stehen die Schulden. Wenn man sein Vermögen – die Aktiva – verlottern lässt, weil man nicht darin investiert, dann nimmt die Bilanzsumme ab, und das Vermögen schrumpft ebenfalls. Herr Kößler, Sie wissen das genau. Deshalb tut es mir fast leid: Sie wissen es, aber Sie können sich in Ihrer Fraktion wahrscheinlich leider nicht durchsetzen.

Aber, wie gesagt: Sanieren ist Schuldenabbau. Wir nehmen im Doppelhaushalt aus der Sanierungsrücklage allein 264 Mil lionen € für die Sanierung von Landesvermögen in die Hand – Hochschulen, Landesstraßen und vieles andere.

Daneben konsolidieren wir. Auf die einzelnen Punkte gehe ich dabei nicht ein; wir haben über die Einzelpläne bereits bera ten. Konsolidierung ist immer schwierig; deshalb haben Sie sich in der Vergangenheit davor gedrückt. Aber wir sagen: Wer

wirklich gestalten will und wer auch der nächsten Generation Gestaltungsspielraum lassen will, der muss auch konsolidie ren.

Wenn wir unseren Landeshaushalt mit seinem Personalkos tenanteil von 40 % anschauen, dann stellen wir fest, dass wir nicht umhinkommen werden, auch diesen Bereich zu berück sichtigen. Alles andere wäre unseriös und nicht nachhaltig. Deshalb müssen wir auch dort Maßnahmen ergreifen. Das ist nicht immer einfach, und das macht auch nicht immer Spaß. Wir erfahren dabei auch viel Gegenwind; das ist schon klar.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das brauchen Sie uns nicht zu erzählen! Den haben wir 58 Jahre lang verspürt!)

Aber wichtig ist doch, dass die Politik hinsteht und sagt: Wenn wir die Forderung nach Nachhaltigkeit ernst nehmen, wenn wir das Gebot der Generationengerechtigkeit ernst nehmen, müssen wir auch dann hinstehen, wenn der Gegenwind stark ist. Wir werden hinstehen, und wir werden diese Debatte mit der Mehrheit der Bevölkerung gewinnen. Denn die Mehrheit der Bevölkerung will mit dem Motto „Leben auf Kosten kom mender Generationen“ Schluss machen. Davon sind wir über zeugt.