Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

Wir haben die Gemeinschaftsschule nicht flächendeckend als Zwangsbeglückung eingeführt, sondern wir haben im Schul gesetz für die Schulträger die Möglichkeit geschaffen, eine Gemeinschaftsschule zu beantragen.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Genau das haben sie an diesen 160 Orten gemacht, wobei der Antrag entweder schon genehmigt wurde oder aber noch nicht entschieden wurde, ob er genehmigt oder abgelehnt wird – da rüber unterhalten wir uns in der nächsten Woche. Damit kommt eine zweite Verantwortungsebene hinzu, nämlich die der Gemeinderäte, die der Schulen, die dem auch alle zuge stimmt haben.

Wenn Sie jetzt der Landesregierung vorwerfen, da wäre im Hauruckverfahren eine Gemeinderatsentscheidung oder was auch immer herbeigeführt worden, dann kritisieren Sie an die ser Stelle die kommunale Verantwortung in allen diesen Or ten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf von der SPD: So ist es!)

Dieser Verantwortung ist an all diesen Orten sehr gründlich und sehr kompetent nachgekommen worden. Daher, meine Damen und Herren, richtet sich dieser Vorwurf nicht aus schließlich gegen eine Landesregierung, die jetzt Dinge ein führt, die sie vorher versprochen hat, und die die weitere Ver antwortung für die Umsetzung dort belässt, wo sie hingehört. Vielmehr gehen Sie hier in einer, wie ich finde, sehr diffamie renden Art auch mit den Mehrheitsentscheidungen der Ge meinderäte und der Diskussion vor Ort um.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Aber jetzt schauen wir uns doch einmal an, was das bedeutet. Es wird eine Schulform angeboten. Dann hat der Gemeinde rat die Möglichkeit, zu entscheiden, ob er das Angebot schafft oder nicht. Er muss vorher mit den Eltern ein Konzept entwi ckeln und beraten, ob das eine angemessene Schulform ist, die bei ihnen auf Akzeptanz stößt. Er kann sich doch nicht zum Ziel setzen, dass sich erst einmal mehr als 50 % aller Menschen, die dort in dem Ort leben, positiv dazu äußern müssen, bevor er einen entsprechenden Beschluss fasst. Das macht man übrigens auch nicht bei anderen neuen Schulfor men oder Profilen, die eingeführt werden.

Vielmehr klärt man vorher ab, ob es ausreichend viele Eltern, ob es eine Schule, ein Lehrerkollegium, einen Elternbeirat gibt, die bereit sind, sich diesem Weg zu öffnen. Wenn ja, wür de ein Gemeinderat doch geradezu fahrlässig verfahren, wenn er dieses Angebot in seiner Kommune nicht schafft. Was wol len Sie an dieser Stelle überhaupt?

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Herr Dr. Kern, Herr Wacker, wie würden Sie beispielsweise mit folgender Situation in Karlsruhe umgehen? Dort ist im vergangenen Jahr eine Gemeinschaftsschule eingerichtet wor den, die statt zweizügig jetzt dreizügig ist. Es gab große Pro bleme, das überhaupt zu organisieren.

Auf ka-news.de – das ist ein Nachrichtenportal im Internet, auf dem man auch abstimmen kann, wobei das Ergebnis nicht

besonders repräsentativ ist – wurde neulich die Frage gestellt: Würden Sie Ihr Kind auf die Gemeinschaftsschule schicken? Zwei Drittel der Leute haben gesagt, dass sie sich das nicht vorstellen können und es deswegen lieber nicht tun. Ein Drit tel hat gesagt: Jawohl, das finden wir richtig.

Gleichzeitig geht die Gemeinschaftsschule Grötzingen in die zweite Runde. 100 Eltern haben sich zum Informationsabend angemeldet. 170 sind gekommen. Soll ich diesen 170 jetzt sa gen, dass sie die Gemeinschaftsschule aber nicht bekommen – obwohl sie sich proaktiv dazu äußern und auch die Informa tionsabende besuchen –, weil vielleicht in irgendeinem ande ren Verfahren festgestellt wurde, dass die Mehrheit der Be völkerung, die an einer solchen Umfrage teilnimmt, sich noch nicht davon hat überzeugen lassen? Ist es nicht unsere Aufga be, in der Umsetzung des Wahlergebnisses im Rahmen der normalen Schulentwicklung Gemeinschaftsschule möglich zu machen? Müssen wir es dann nicht den normalen Abläufen vor Ort überlassen, ob dort eine Gemeinschaftsschule einge richtet wird?

Mit Rücksicht auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kul tusministerium, mit Rücksicht auf die Eltern, die sich vor Ort dafür interessieren, mit Rücksicht auf die Schulen, die mit gro ßer Mehrheit beschlossen haben, Gemeinschaftsschule zu wer den, und mit Rücksicht auf die Gemeinderäte, die das ebenfalls beschlossen haben, kann ich Sie nur auffordern: Lassen Sie die sen Schulkampf bleiben! Es geht um eine Repräsentation der Vielfalt. Das ist kein ideologisches Überstülpen. Deswegen ge hen Ihre Vorwürfe an dieser Stelle völlig ins Leere.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Außerdem haben Sie Lauda-Königshofen erwähnt. Ich habe gerade mit Herrn Zeller gesprochen. Es ist schon interessant, dass ein CDU-Bürgermeister den Leiter der Stabsstelle im Kultusministerium anfordert mit der Bitte, dieser möge doch einmal im Rahmen einer Informationsveranstaltung den Ge meinderätinnen und Gemeinderäten sowie der interessierten Bevölkerung erklären, was die Gemeinschaftsschule ist. Dann wird ins Rathaus eingeladen. Die Junge Union und der CDUOrtsverband organisieren gleichzeitig eine Demonstration vor den Türen dieser Veranstaltung.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Peinlich! Peinlich!)

Dann werden mit Bussen Leute herbeigefahren. Dann de monstrieren 50 Leute gegen die Gemeinschaftsschule und ge hen anschließend – dafür bin ich diesen Leuten sehr dankbar – zur selben Informationsveranstaltung, die mit 400 Leuten aus allen Nähten platzt. Am Ende sind alle so klein mit Hut, weil sie sich letztlich auf die Diskussion eingelassen haben.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Wie absurd ist denn das? Lassen Sie doch zunächst einmal ei ne Diskussion vor Ort zu, und zwar ohne voreilige Demons trationen, Aufrufe und Unterschriftenlisten. Das können Sie anschließend immer noch machen, wenn Sie es für richtig hal ten.

In der zeitlichen Abfolge sehe ich aber den Versuch, eine ge fühlte und zum Teil auch reale Unsicherheit auf der Seite der Kommunalpolitiker und der Eltern zu instrumentalisieren, um eine Ideologie gegen die Gemeinschaftsschule aufzubauen.

Lassen Sie bitte den Menschen die Chance, sich zunächst ein mal zu informieren.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der SPD)

Sie müssen noch etwas erklären. Herr Hauk, Sie haben doch in einer Gemeinschaftsschule gesagt, Sie seien völlig begeis tert von der Begeisterung. Was wollen Sie denn mit dieser Be geisterung machen, wenn Sie irgendwann einmal die Gemein schaftsschule wieder abschaffen wollen? Wie wollen Sie rechtfertigen, dass Sie in Bad Saulgau dazu aufrufen, mit Be geisterung gegen die Gemeinschaftsschule zu stimmen, den Menschen andernorts aber für ihre Begeisterung für die Ge meinschaftsschule danken und sie ausdrücklich ermutigen, so weiterzumachen? Das müssen Sie irgendwann einmal mit sich selbst klären. Ich kann Sie nur auffordern, das zu tun, weil das der Diskussion insgesamt und dem Klima zuträglich wäre.

Herr Dr. Kern, Sie haben von einer Seifenblase gesprochen. Schauen Sie sich einmal international die Schulen an, schau en Sie sich die Konzepte an, schauen Sie sich die Konzepte der 42 Schulen an, die bereits am Start sind und die schon sehr erfolgreich arbeiten.

Diese Schulen sagen alle: „Wir wissen manchmal nicht, wie wir das schaffen sollen, weil das für uns etwas Neues ist und außerdem anstrengend ist. Wir sind aber mit Begeisterung da bei.“ Gleichzeitig sprechen Sie davon, dass die Schulen sehr üppig ausgestattet seien und in Saus und Braus leben könn ten. So oder so ähnlich war die Formulierung. In Bad Saulgau haben Sie übrigens andersherum argumentiert. Da hat man ge sagt, das sei ein Sparmodell, und deswegen sei es fachlich nicht gut.

(Heiterkeit bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Vereinzelt Beifall)

Auch an dieser Stelle müssen Sie sich irgendwann einmal ei nigen.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD zur CDU: Das ist ja peinlich! Jetzt wird es immer peinlicher! – Abg. Mar tin Rivoir SPD: So schlimm waren wir als Oppositi on nie!)

Wenn es aber so ist, dass wir die normalen Abläufe im Rah men der Schulentwicklung durch die Schulträger aufrechter halten und daneben die Gemeinschaftsschule als zusätzliches und von den Eltern auszuwählendes, vorab aber bereits ge wünschtes Modell einer Schule in das Schulgesetz hineinneh men, dann ist doch klar, dass wir definieren, auf welcher Grundlage man solche Anträge stellen kann und auf welcher Grundlage diese dann genehmigt oder aber abgelehnt werden. Vor diesem Hintergrund ist es eine Aufforderung zum Rechts bruch, wenn Sie heute von uns verlangen, dieses Verfahren einfach anzuhalten mit der Begründung, dass Sie sich – nach Ihrer Wahrnehmung – in Bad Saulgau mit Ihren Forderungen durchgesetzt hätten.

Akzeptieren Sie endlich einmal: Es gibt andere Mehrheiten; es gibt eine andere Bildungspolitik mit anderen Angeboten; und es gibt auch weiterhin gesetzlich geregelte und von nie mandem infrage gestellte Abläufe.

(Abg. Karl Klein CDU: Doch! – Abg. Peter Hauk CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Mit dieser neuen Entwicklung müssen Sie sich inhaltlich und fachlich auseinandersetzen. Dies kann aber nicht durch Auf forderung zum Rechtsbruch und durch die Ideologisierung ei ner Debatte geschehen, indem Sie mit der Unsicherheit und der Unerfahrenheit vieler Menschen spielen. Ich fordere Sie daher abschließend noch einmal auf, dies einzustellen. Dies täte der Bildungspolitik insgesamt sehr gut.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der SPD – Zurufe: Jawohl! Bravo!)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Wacker.

(Zuruf von der SPD: Jetzt wird es schwer! – Unruhe)

Sehr geehrter Herr Staatssekre tär Dr. Mentrup, wenn ich es richtig vernommen habe, haben Sie uns vorgeworfen, wir würden zum Rechtsbruch auffor dern. Ich bitte Sie an dieser Stelle, diese Aussage zu widerru fen. Dies entspricht überhaupt nicht den Tatsachen. Es zeigt Ihre Nervosität bei dieser Debatte. Denn Sie bekommen kal te Füße, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich möchte auch sagen – da beziehe ich Sie, Herr Dr. FulstBlei, mit ein –: Ihre Aussagen zum „gerechten Wettbewerb“ sind schon ein Hohn. Ich möchte dies an folgendem Beispiel deutlich machen: Sie sagen immer wieder, alle anderen Schul arten könnten sich ebenfalls bewähren, die Gemeinschafts schule stelle ein ergänzendes Angebot dar. Wie aber verhält es sich tatsächlich? Angesichts der wachsenden Heterogeni tät in den Eingangsklassen der Realschulen und Gymnasien lassen Sie diese Schulen einfach allein. Diese Schulen bekom men über die normalen Unterrichtszuweisungen hinaus über haupt keine zusätzliche Unterstützung.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Die kön nen nur Gemeinschaftsschulen werden!)

Dagegen stehen den Gemeinschaftsschulen für die individu elle Förderung zahlreiche zusätzliche Deputate zur Verfügung. Das hat mit einem gerechten Wettbewerb nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Sie müssen auch eine weitere Frage beantworten: Bis zum Jahr 2020 wollen Sie 11 600 Deputate abbauen. 3 300 Depu tate verbleiben aufgrund der demografischen Rendite. Damit wollen Sie Ganztagsschulen, Inklusion usw. finanzieren. Sie schichten im Doppelhaushalt 2013/2014 2 600 Deputate zu lasten der anderen weiterführenden Schularten um. Was hat das mit Gerechtigkeit zu tun? Was hat das mit fairem Wettbe werb zu tun?

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Das ist genau der Punkt, Herr Kollege Fulst-Blei. In Hems bach spiegelt sich genau die gleiche Situation wider wie über all im Land. Die Akteure, die Sie zitiert haben, haben sich im Vorfeld, auch in der Presse, ausdrücklich über diesen vor Ort herrschenden Zustand beklagt. Dort gibt es eine Werkreal schule – die an Akzeptanz verliert –, es gibt eine Realschule,

und es gibt ein Gymnasium. Andere Lösungen sind zuvor dis kutiert worden, beispielsweise die Möglichkeit, organisato risch einen Verbund zwischen Werkrealschule und Realschu le herzustellen. Ihre Schulverwaltung hat dies abgelehnt. Zwei von Ihnen zitierte Damen und Herren haben in aller Deutlich keit gesagt: „Wir haben keine andere Wahl. Uns bleibt nur der Weg, aus der dortigen Werkrealschule eine Gemeinschafts schule zu machen.“ Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Peter Hauk CDU: So ist es!)

Jetzt möchte ich noch auf einen ganz entscheidenden Schwach punkt zu sprechen kommen. Die Befürworter der Gemein schaftsschule haben in Bad Saulgau natürlich auch geworben. Insofern war das in der Tat ein Wettbewerb auf Augenhöhe. Das ist das, was wir in der Diskussion vor Ort auch einfor dern.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Sie haben geworben, aber nicht gehetzt!)

Dann haben die Befürworter Praxisbeispiele von zwei benach barten Gemeinschaftsschulen eingeholt, haben auf einem In formationsabend Filmsequenzen vorgeführt, wie schülerzen triertes Lernen funktioniert, indem man Gruppen gesehen hat, die von den Lernbegleitern allein gelassen wurden. Es ist im Grunde auch das System, dass Schülerinnen und Schüler von einander lernen und so versuchen, ihre Bildungsziele zu er reichen.