Protokoll der Sitzung vom 06.03.2013

Die Landesregierung steht dem Thema „Akademisierung der Gesundheitsfachberufe“ also grundsätzlich positiv gegenüber; sie hält die Empfehlungen des Wissenschaftsrats für sinnvoll und setzt sich damit konstruktiv auseinander. Wir nehmen uns dieser Fragen gemeinsam an, wollen aber die Komplexität und die Konsequenzen nicht unter den Tisch kehren. Denn es geht in Bezug auf die Frage der finanziellen Auswirkungen natür lich nicht nur darum, was z. B. die Verstetigung unserer vie len, auch im Rahmen des Ausbauprogramms „Hochschule 2012“ geschaffenen Kapazitäten finanziell bedeutet. An die sem Thema sind wir dran und schauen, welche der ausgebau ten Kapazitäten wir dauerhaft im Land anbieten werden.

Vielmehr wird es auch vor dem Hintergrund, dass die Kosten struktur für die Krankenhäuser und die Unikliniken nicht ein facher wird, darum gehen, dass die Absolventen dieser Studi engänge Arbeitsplätze finden. Deswegen müssen wir die Fra ge, wie die Absolventen am Arbeitsmarkt unterkommen, wel che Arbeitschancen sie haben, sehr sorgfältig prüfen.

Wir haben uns daher vorgenommen, insbesondere die Modell studiengänge, die wir in den Gesundheitsfachberufen aufge setzt haben, sehr sorgfältig und in einer vergleichenden Pers pektive zu evaluieren – auch unter dem Gesichtspunkt der Chancen der Absolventen am Arbeitsmarkt.

Dafür, Frau Abg. Dr. Stolz, benötigen wir ein wenig Zeit. Denn diese Studiengänge sind so neu, dass wir noch keine Ab solventen haben, deren Arbeitsmarktchancen wir tatsächlich

überprüfen könnten. Wir haben beschlossen, dass wir in die ser Legislaturperiode eine solche Evaluation machen werden, sodass wir noch in dieser Legislaturperiode Konsequenzen für die weiteren Ausbaustrategien ziehen können.

(Zuruf von den Grünen: Sehr gut!)

Seien Sie versichert: Wir haben vor wenigen Monaten das Ausbauprogramm „Master 2016“ beschlossen. Im Rahmen dieses Ausbauprogramms werden drei Linien, drei Vergabe tranchen stattfinden, und wir werden in diesem Zusammen hang natürlich ein besonderes Augenmerk auf innovative The men legen, auf neue und neuartige Bedarfe und auf innovati ve Formate. Ich gehe davon aus, dass der Bereich der Gesund heit und der Pflege eine Rolle spielen wird.

In diesem Sinn stelle ich fest: Wir haben das Thema fest im Blick. Wir werden Bachelorangebote verstetigen, wir werden kluge Ausbaustrategien definieren, auch im Zusammenhang mit dem Ausbau der Masterstudienplätze, wir werden das, was wir bislang auf den Weg gebracht haben, auch im Hinblick auf Arbeitsmarktchancen evaluieren, und wir werden dann die nötigen Schlussfolgerungen daraus ziehen.

An Aufgaben in diesem Bereich mangelt es uns also nicht. Wir gehen die Aufgaben an, entschlossen und mit Augenmaß, und ich freue mich über Ihre konstruktive Begleitung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Frau Abg. Mielich das Wort.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Frau Mielich, Sie haben doch schon alles gesagt!)

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es gut, dass ich jetzt noch ein paar Minuten Zeit habe, um auf das reagieren zu können, was Frau Ministerin Bauer ausgeführt hat, aber vor allem auch auf das, was Frau Kollegin Dr. Stolz eben ge sagt hat.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Darauf sollten Sie wirklich eingehen!)

Ich möchte mit Ihrem Beitrag, Frau Stolz, beginnen: Sie ha ben eben das Beispiel Spanien genannt und haben als Begrün dung angeführt, dass in Spanien sehr viele junge Menschen, die sehr gut qualifiziert sind, auf der Straße stehen. Ich halte das für einen schrägen Vergleich; das muss ich einmal sagen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Warum?)

Denn in Spanien beträgt die Arbeitslosenquote bei jungen Ab solventinnen und Absolventen 50 %. Das nun mit der Situa tion hier in Deutschland zu vergleichen finde ich wirklich zu weit hergeholt. Das ist doch auch überhaupt nicht das Thema.

Wir sind uns doch fraktionsübergreifend einig, dass wir neue Herausforderungen anzugehen haben, dass die Krankheitsbil der, denen wir begegnen müssen, komplexer werden und wir andere Antworten brauchen.

Wir sind uns alle einig – Frau Ministerin Bauer hat das eben sehr gut ausgeführt –, dass wir multiprofessionelle Teams brauchen. Es geht doch nicht darum, eine Berufsgruppe ge gen die andere auszuspielen, sondern darum, dass zusätzliche Berufsaufgaben erfüllt werden müssen. Das wollen wir tun, indem wir einen deutlichen Anteil an Akademisierung in den Gesundheitsberufen, in den medizinnahen Berufen erreichen.

Ich komme zum Thema Finanzierung. Es ist nicht so, dass wir alles on top machen. Wir brauchen sozusagen eine Neuorga nisation in den Krankenhäusern. Wir brauchen z. B. multidis ziplinäre Teams, die Aufgaben anders erfüllen. Dadurch wer den natürlich auch Synergieeffekte erzielt. Das gehört natür lich auch in die Evaluation.

Der nächste Punkt ist: Wir stehen bei der Akademisierung der Ausbildungsberufe am Anfang. Das Beispiel des Studiengangs Pflegewissenschaften in Freiburg zeigt, dass die Nachfrage nach Fachkräften derzeit deutlich höher ist als die Zahl der Absolventen. Ich glaube nicht, dass es zu wenig Arbeitsplät ze für die Absolventen gibt.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Es kommt darauf an, über den eigenen Tellerrand zu schauen; das habe ich eben schon einmal deutlich gesagt. Auch wir, die Politikerinnen und Politiker, müssen über den eigenen Teller rand schauen, wenn es z. B. darum geht, wie andere Länder ihre Gesundheitsversorgung organisieren.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

In der Schweiz wird längst in multidisziplinären und multi funktionellen Teams auf Augenhöhe zusammengearbeitet. Die Arbeitszufriedenheit der nicht medizinischen Fachkräfte ist dort um ein Vielfaches höher.

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Auch der medizini schen!)

Es ist angesagt, dass wir daraus endlich lernen. Solche Ansät ze sind gut, sie sind sehr konstruktiv. Damit können wir z. B. die Pflegeberufe attraktiv gestalten. Damit können wir eine neben vielen möglichen Antworten auf die Frage geben, wie wir mit dem aktuellen Pflegenotstand umgehen. Das ist, fin de ich, ein zentraler Punkt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ein weiterer Punkt ist, dass wir den Pflegekräften viel mehr zutrauen müssen. Die Pflegekräfte sind sehr gut ausgebildet. Wenn sie dann noch eine entsprechende Ausbildung on top erhalten, dann sind sie z. B. durchaus in der Lage, die Gesund heitsversorgung dort eigenständig sicherzustellen, wo in Zu kunft ein ärztlicher Notstand besteht, weil die Zahl der nie dergelassenen Ärzte zu gering ist. Auch dort brauchen wir in terdisziplinäre Teams, in denen auf Augenhöhe zusammenge arbeitet wird, bei denen nicht immer der Arzt den Hut aufhat. Auch das stärkt das Selbstbewusstsein der Pflege. Das brau chen wir.

In diesem Sinn bin ich davon überzeugt, dass wir auf einem guten Weg sind; aber wir haben noch einiges vor uns.

Schönen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 15/2333. Der Antrag ist ein reiner Be richtsantrag und kann damit für erledigt erklärt werden. – Sie stimmen dem zu.

Damit ist Tagesordnungspunkt 9 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Große Anfrage der Fraktion der SPD und Antwort der Landesregierung – Frauen in Gemeinderäten und Kreis tagen von Baden-Württemberg – Drucksache 15/1886

Dazu rufe ich den Antrag der Fraktion GRÜNE und der Frak tion der SPD, Drucksache 15/3164, mit auf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat für die Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort der die Große Anfrage stellenden Frakti on eine Redezeit von weiteren fünf Minuten festgelegt.

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abg. Wölfle das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Fortschritt ist eine Schnecke.

Dieser Satz fiel einmal in einer Plenardebatte zum Thema Gleichstellungspolitik vor einigen Jahren hier in diesem Haus.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: C’est de moi!)

Leider bewegen wir uns immer noch in einem Schneckentem po. Das betrifft alle Felder der Gleichstellungspolitik, aber vor allem in der politischen Beteiligung von Frauen stehen wir fast auf der Stelle.

Die Große Anfrage zu diesem Thema führt das Schnecken tempo mit klaren Zahlen vor: Der Anteil der Frauen in Ge meinderäten betrug 1984 9,5 % und 2009 22 %. Das heißt, in 25 Jahren stieg dieser Anteil gerade einmal um 12,5 Pro zentpunkte. Schaut man sich eine Grafik aus dem 2. Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland, ge rade aktuell erschienen – ich habe es heute Morgen schon er wähnt –, genauer an, fällt auf, dass gerade Baden-Württem berg bis auf die Ballungsräume für Frauen ein kommunalpo litisches Niemandsland ist. Sogar in Bayern sieht es besser aus.

(Die Rednerin hält ein Schaubild hoch.)

Ich habe hier eine Karte, auf der die Verteilung des Frauenan teils in den Gemeinderäten deutlich wird. Dunkelblau darge stellt sind die Gemeinderäte mit einem Frauenanteil von 27 % und mehr; hier ist eine Konzentration auf die Ballungsräume festzustellen. Hellblau dargestellt sind die Gemeinderäte mit einem Frauenanteil von weniger als 15 %. Die vielen roten Punkte sind

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Die SPD- Räte!)

die Markierungen für Gemeinderäte, in denen die Männer un ter sich sind.