Protokoll der Sitzung vom 10.04.2013

(Glocke des Präsidenten)

Frau Kollegin Lindlohr, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zimmermann?

Frau Kollegin, nachdem Sie soeben sagten, Sie sähen keine speziellen Kontrollen vor, gleichzeitig aber darauf hinwiesen, dass es sich um eine Pflicht handelt – es wird also so ähnlich sein wie eine Verkehrssiche rungspflicht mit Obliegenheitsverletzungen –, frage ich: Wie bewerten Sie das Problem der Haftungen? Wer soll haften, wenn tatsächlich keine Kontrollen erfolgt sind? Haftet der un mittelbare Besitzer? Haftet der Eigentümer?

Wenn ein Schaden entsteht und damit womöglich auch ein Personenschaden einhergeht, können ziemlich hohe Haftungs ansprüche entstehen. Ich denke, allein mit dem Hinzufügen eines Absatzes 7 in der Landesbauordnung ist dem Erforder nis nicht Genüge getan.

Ich frage also ganz kurz: Gegen wen richten sich eventuelle Haftungsansprüche, und für welche Fälle gilt dies? Wie steht es mit Kontrollpflichten?

Lieber Kollege Zimmer mann, wir befinden uns hier im Bereich des öffentlichen Rechts. Diese Norm wird, wie ich gerade sagte, genauso gelten wie andere Normen im öffentlichen Recht. Für Gebäude gilt, dass Menschen nur solche Räume bewohnen, die auch zum Schla fen geeignet sind. So dürfen beispielsweise in Deutschland Kellerräume nicht zu Wohnzwecken vermietet werden. Die se Vorgaben gelten also alle.

Haftungsrecht ist privates Recht. Es steht Versicherungen frei, in ihren Verträgen Haftungen bezüglich Rauchwarnmelder pflichten zu verankern. Sie müssen dies aber nicht tun. Ich nehme jedoch stark an, dass, wenn im Fall eines Brandes die Verschuldensfrage geklärt werden soll, der Frage nachgegan gen wird, ob der gesetzlichen Pflicht Genüge getan wurde, und dass dieser Aspekt vor Gericht in der Abwägung eine Rol le spielt. Haftungsrecht ist aber nicht öffentliches Recht.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Gut geantwortet! Gut gemacht!)

Nun kurz zu den finanziellen Folgen des geplanten Gesetzes.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Keine Antwort! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist keine Ant wort! – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜ NE: Gut geantwortet! – Gegenruf der Abg. Friedlin de Gurr-Hirsch CDU: Nein! So gibt das keinen Sinn! – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Es gibt Zivilrecht und öffentliches Recht!)

Sie müssen die Rechtsbereiche schon unterscheiden, Herr Kollege. – Es gibt Rauchwarnmelder mit herkömmlichen Bat terien, die in guter Qualität laut Stiftung Warentest etwa 10 € kosten. Es gibt neuere Modelle, bei denen eine Batterie – Li thium-Ionen-Batterien – zehn Jahre hält, zum Preis von etwa 30 €. Für eine herkömmliche Wohnung werden etwa drei bis fünf Rauchwarnmelder benötigt; die Verantwortlichen kön nen also mit 50 € gut auskommen, es sei denn, sie wollen hier mehr investieren. Es ist also klar, dass die finanzielle Belas

tung der Eigentümer durch die Einbaupflicht in einem abso lut überschaubaren Rahmen bleibt.

Zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Erfahrung zeigt, dass die Zahl der Menschen, die durch Wohnungsbrän de sterben, sinken kann, wenn die Pflicht zur Anbringung von Rauchmeldern eingeführt wird. In Großbritannien gab es ei nen Rückgang um etwa 40 %; es gab nach der Einführung ei ner Rauchwarnmelderpflicht bei einer gewissen Übergangs frist 40 % weniger Opfer bei Wohnungsbränden.

Freiwillig können schon heute alle Bürger Rauchwarnmelder nutzen. Faktisch sind aber nur ein Bruchteil der Wohnungen in unserem Land mit Rauchwarnmeldern ausgestattet. Mit der Einführung einer Rauchwarnmelderpflicht können wir, die Landtagsabgeordneten, einen Unterschied machen und dies ändern. Denn mehr Rauchwarnmelder retten mehr Leben. Das wollen wir mit diesem Gesetzentwurf erreichen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Maier.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Einstieg in das Thema Rauch warnmelderpflicht möchte ich noch einige Zahlen zu den Aus führungen meiner Kollegin Frau Lindlohr ergänzen, die uns nachdenklich machen sollten.

Rund 600 Menschen sterben jährlich in Deutschland bei etwa 200 000 gemeldeten Bränden. Beinahe jedes dritte Brandop fer ist ein Kind. Rund 6 000 Menschen pro Jahr erleiden schwere Brandverletzungen, die oftmals zu bleibenden Kör perschäden führen. Außerdem werden etwa 60 000 Menschen pro Jahr bei Bränden leicht verletzt. 95 % aller Brandtoten fal len nicht den Flammen zum Opfer, sondern sterben an einer Rauchvergiftung. In Baden-Württemberg sind das schätzungs weise – ich beziehe mich auf Herrn Dongus – 50 Personen. 70 % der Brandopfer werden nachts zwischen 23:00 Uhr und 7:00 Uhr im Schlaf vom Feuer überrascht. Vier Fünftel der Brände entstehen in Privathaushalten – nicht in der Industrie. Nur 7 % aller deutschen Haushalte sind zurzeit mit Rauch warnmeldern ausgestattet; in Großbritannien und Schweden sind es bis zu 75 %.

Die grün-rote Landesregierung hat diese potenzielle Gefahr erkannt und das Thema Rauchwarnmelderpflicht in den Koa litionsvertrag aufgenommen. Dieses Thema sollte zusammen mit einer Modernisierung und Überarbeitung der Landesbau ordnung aufgegriffen werden.

Die Änderung der Landesbauordnung ist in Arbeit. Wer die Landesbauordnung kennt, der weiß, dass dies ein sehr um fangreiches Werk ist. Die Thematik ist vielseitig. Viele Anre gungen und Vorschläge müssen wir prüfen und abwägen. Auch bei der Landesbauordnung gilt: Gründlichkeit geht vor Eile.

Der Kabinettsentwurf wird einer umfassenden Anhörung un terzogen. Die Rauchwarnmelderpflicht ist in diesem Entwurf enthalten.

Der schreckliche Wohnhausbrand am 10. März 2013 in Back nang hat die Dringlichkeit der Einführung einer Rauchwarn

melderpflicht in den Fokus gerückt. Wir sehen hier die Poli tik in der Pflicht, schnell zu reagieren. Die Fraktionen von Grünen und SPD bringen deshalb den vorliegenden Gesetz entwurf als Fraktionsentwurf ins Parlament ein und beschleu nigen damit das Verfahren.

Die Ergänzung von § 15 der LBO durch einen Absatz 7 in der Ihnen vorliegenden Formulierung ist sachgerecht. Sie dient dazu, Menschen und Sachwerte zu schützen. Wir erhalten von fachlicher Seite, insbesondere von den Feuerwehren, positi ven Zuspruch.

Die Kosten sind im Vergleich zum Nutzen minimal. In gro ßen Möbelhäusern bekommt man funktionsfähige, gute Rauch warnmelder schon für etwa 7 €. Die Übergangsfristen zur Ein führung sind nach unserer Meinung ausreichend. Wir wollen keine zu langen Fristen setzen, um die Gefahr frühzeitig ein zudämmen.

Sinnvolle Anregungen, die in der angesprochenen Anhörung vorgebracht werden, prüfen wir vorbehaltlos und werden gu te Anregungen gern aufgreifen.

Zur Verantwortung: Der Eigentümer hat die Verantwortung, dass der Rauchmelder im Haus installiert wird. Der Besitzer des Hauses ist dafür verantwortlich – natürlich im eigenen In teresse –, dass die Rauchmelder funktionieren, dass die Bat terien ausgewechselt werden usw. Wer es unterlässt, einen Rauchmelder in seinem Haus oder in seiner Wohnung anzu bringen, der handelt fahrlässig und bekommt ein Problem. Da besteht Druck. Wir haben aber in diesen Gesetzentwurf keine flächendeckende Kontrolle – im Wege der Baukontrolle oder Sonstigem – aufgenommen.

Die Kontrollen werden sicherlich nur sehr punktuell stattfin den. Ich glaube, irgendwann geht es wie beim Sicherheitsgurt im Auto: Wer einigermaßen vernünftig denkt, legt ihn an, weil er weiß, er rettet Leben. So wird es auch bei den Rauchwarn meldern sein.

Ich bitte im Namen der SPD-Fraktion das Parlament, diesen Gesetzentwurf mitzutragen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die CDU-Fraktion spricht Kol lege Groh.

Herr Präsident, sehr geehrte Da men und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir bera ten heute in erster Lesung, wie wir soeben gehört haben, ei nen Gesetzentwurf der beiden Regierungsfraktionen über die Änderung der Landesbauordnung zur Einführung einer ge setzlichen Verpflichtung zum Einbau von Rauchwarnmeldern, besonders im Wohnraum. Sie ziehen damit eine Pflichteinfüh rung von Rauchmeldern vor – vorzeitig also, vor der ange kündigten und, wie wir soeben vom Kollegen Maier gehört haben, umfassenden Novellierung der Landesbauordnung. Nach dem Eckpunktepapier des Herrn Ministerpräsidenten dürften wir uns also im Laufe des Jahres noch mit weiteren Änderungen der Landesbauordnung in diesem Hohen Hause beschäftigen.

Um es kurz zu machen: Die CDU wird sich gegen eine ge setzliche Einführung von Rauchwarnmeldern in Aufenthalts räumen und Fluren nicht sperren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Jetzt könnten beispielsweise Sie, Herr Schwarz, Beifall klat schen, wenn Sie zugehört hätten.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Über den Sinn und Zweck von Rauchmeldern gibt es grund sätzlich nicht viel zu diskutieren. Wie bereits in der Vergan genheit auch appelliert die CDU jedoch an die Vernunft der Bürgerinnen und Bürger, Rauchwarnmelder auf freiwilliger Basis in ihren Wohnräumen zu installieren. Ein Einbau liegt aus unserer Sicht im ureigensten Interesse der Menschen. Es bleibt somit generell festzuhalten, dass es jedem Menschen freisteht, auf eigene Initiative Rauchwarnmelder zu seiner ei genen Sicherheit zu installieren.

Es gibt jedoch noch einige Zweifel, ob Sie mit dieser geplan ten Gesetzesänderung Ihr angestrebtes Ziel einer höheren Si cherheit auch tatsächlich erreichen werden. Diese und ande re noch offene Fragen gilt es im Ausschuss zu besprechen und auszuräumen. Ich möchte deshalb nur einige wenige Anmer kungen dazu machen, warum wir, die CDU-Fraktion, den vor gelegten Gesetzentwurf für dringend nachbesserungsbedürf tig halten. Sie, Herr Kollege Maier, haben ja eben gute Anre gungen eingefordert. Diese bekommen Sie jetzt mit auf den Weg.

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Erstens: Die Möglichkeit zur Überprüfung der Funktionsfä higkeit der Geräte muss unserer Meinung nach gewährleistet sein. Hierzu gehört unseres Erachtens die Kontrolle des sach gemäßen Einbaus bzw. der sachgemäßen Nachrüstung bei Be standsbauten sowie die Prüfung der Funktionsfähigkeit in re gelmäßigen Abständen. Geschieht dies nämlich nicht, besteht aus unserer Sicht die Gefahr, dass die Installationspflicht durch Änderung der Landesbauordnung reine Makulatur ist und auch bleibt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Zweitens: Ebenso wichtig ist die Frage, warum die Rauchmel der bislang nicht flächendeckend auf freiwilliger Basis einge baut worden sind. Dies gilt sowohl für die Mieter als auch für die Vermieter. Der zögerliche Einbau könnte darauf schließen lassen, dass es innerhalb der Bevölkerung keinen ausreichen den Handlungsbedarf dafür gibt. Deshalb sollte die Landes regierung Maßnahmen ergreifen, die dazu beitragen, dass bis zur gesetzlich festgeschriebenen Nachrüstpflicht die Bevöl kerung weiter über die Dringlichkeit und Notwendigkeit in formiert wird.

Drittens: Die grün-rote Landesregierung argumentiert gern, dass Baden-Württemberg in manchen Bereichen hinter ande ren Bundesländern zurückliegt. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass im Jahr 2003 Rheinland-Pfalz als erstes Bundesland eine gesetzliche Regelung eingeführt hat, wären wir sehr an den dort in den letzten Jahren gewon nenen Erfahrungen interessiert, insbesondere zur dortigen Nachrüstpflicht. Wir möchten aber natürlich auch die Erfah rungen aus den anderen Bundesländern kennenlernen.

Viertens: Mit Blick auf die Fristen zur Nachrüstung von Rauch meldern in Bestandsbauten ist es sicherlich wichtig und rich tig, nicht unnötig viel Zeit verstreichen zu lassen. Sie, Frau Lindlohr, haben das ja eben ausgeführt. Ich möchte jedoch an dieser Stelle anmerken, dass diese Zeiträume mit Bedacht fest gelegt werden sollten. Ich erlaube mir, an das Landespla nungsgesetz zu erinnern, bei dem die Regierung auch geglaubt hat, man könne hier im Schnelldurchgang bestehende gesetz liche Regelungen ändern. Diese Anmerkung bedeutet nicht, dass ich dem Schutz von Menschenleben keine ausreichende Bedeutung beimesse, im Gegenteil. Aber bei all der Einigkeit in den wesentlichen Punkten, die wir ja schon bestätigt haben, darf man nicht vergessen, dass es noch Punkte gibt, die zum Wohl der Menschen dringend berücksichtigt und verbessert werden müssen.

Fünftens: Was ist eigentlich ein Neubau, und wann ist ein Neubau ein Neubau? Unserer Meinung nach fallen unter die Installationspflicht alle noch nicht bezugsfertigen Neubauten. Das sollten Sie klar regeln. Auch hierzu erwarten wir eine Klarstellung. Im Hinblick auf diese fehlende Definition hal ten wir eine direkte Aussage über das Inkrafttreten im Gesetz für zwingend erforderlich. Das sollte nicht nur nach Artikel 63 unserer Landesverfassung gehen.

Sechstens: Außerdem erscheint uns im Gesetzentwurf nicht hinreichend klargestellt, wie es um den Versicherungsschutz und die Haftung steht; wir hatten es gerade. Wir erwarten ei ne eindeutige Aussage, ob beispielsweise ein Versicherungs schutz mangels Rauchmelder infrage steht bzw. ob die Rauch warnmelderpflicht zu neuen Haftungen führen kann.

Schließlich beantrage ich namens der CDU-Fraktion eine öf fentliche Anhörung zur verpflichtenden Einführung von Rauch meldern. Wir halten diese Expertenanhörung für unerlässlich. Wir sollten hier nicht überstürzt aufgrund einer anscheinen den Eilbedürftigkeit handeln.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Sie haben das für die LBO zugesagt. Da Sie jetzt aber die Rauchwarnmelderpflicht vorziehen wollen, denke ich, dass wir uns da vielleicht einigen können.