Protokoll der Sitzung vom 11.04.2013

Das nächste Mal gern. Ich habe heute Hörprobleme; das ist von der Konzentration her extrem schwierig.

Wir haben zum anderen Reformmaßnahmen auf den Weg ge bracht. Ich gebe Ihnen recht, dass wir mit der regionalen Schulentwicklung dringend auf den Markt müssen. Da liegen wir sozusagen in den letzten Zügen. Im Bereich der Inklusi on sind wir bei der Auswertung der Modellregionen. Herr Po reski hat einiges dazu ausgeführt. Was die Ganztagsschulent wicklung angeht, befinden wir uns zurzeit in einem deutlichen Dialog mit den Kommunen.

Wir haben heute Morgen auch das Thema Gelder angespro chen und die Frage, inwiefern der Bund eingreifen sollte, weil es hier um eine Investitionssumme geht, die das Land, gera de was die Inklusion, aber auch was die Ganztagsschulen be trifft, vor extreme Herausforderungen stellt.

Deswegen – das unterscheidet uns von Ihnen – ärgert mich der Antrag der FDP/DVP nach dem Motto: „Wir haben zwar die ganze Zeit nichts gemacht, wir haben einen Haufen Schul den hinterlassen, aber jetzt verlangen wir von euch, dass ihr

alles vorgestern und bis 2016 erledigt.“ Wir sind auf dem Weg, Herr Dr. Kern. Wir müssen jetzt schauen, dass wir das Ganze auch finanziell darstellen; denn Bildungspolitik machen wir für unsere Kinder.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Donnerwetter!)

Wir wollen die Kinder nämlich für ihre Zukunft stark machen.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Wir wollen ihnen ihre Zukunft nicht nehmen, indem wir eine Politik betreiben, wie Sie es getan haben, und indem wir sie durch einen Riesenschuldenberg so nachhaltig strangulieren, dass sie nicht mehr gestaltungsfähig sind.

(Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Wir werden Baden-Württemberg auf Kurs halten. Wir werden das Bildungssystem in Baden-Württemberg Stück für Stück gerechter machen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Stoch das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es er staunt mich immer wieder, dass ausgerechnet dann, wenn es um die Bildungspolitik geht, wenn es also um die Zukunft un seres Landes und die Zukunft unserer Kinder geht, hier eine Atmosphäre herrscht, bei der man den Eindruck hat, der eine oder andere hätte heute Morgen rohes Fleisch zum Frühstück gehabt.

(Lachen der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Uns geht es um die Kinder!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich glaube, es wäre wirklich gut, wenn wir in bildungspolitischen Debatten zukünftig, auch was die Außen wirkung dieses Parlaments angeht, eine sachlichere und auch eine ehrlichere Debatte führen würden.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Da haben Sie reichlich Nachholbedarf!)

Sie sind genau der richtige Zwischenrufer an dieser Stelle.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Deshalb der Einstieg mit dem rohen Fleisch!)

Vieles von dem, was wir uns wünschen würden, was wir po litisch für richtig erachten und was wir auch im Koalitions vertrag verankert haben – das wissen wir, das wissen aber auch Sie –, ist nicht kurzfristig umzusetzen, sondern das sind Entwicklungsprozesse, wobei ich aber glaube, dass die Re gierung die richtigen Marksteine gesetzt hat.

Wir wissen alle, dass die allgemeine Haushaltslage, vor allem die, die die Landesregierung im Sommer 2011 vorgefunden

hat, tief greifende und schmerzhafte Einsparungen unumgäng lich macht. Das gilt auch für den Bereich des Kultusministe riums. Als Kultusminister hätte ich mir natürlich gewünscht, eine andere Ressourcenlage vorzufinden, als ich sie vorgefun den habe. Die Lage ist aber, wie sie ist.

Deshalb müssen wir in den nächsten beiden Jahren die im Haushalt bereits eingeplanten 1 000 bzw. 1 200 Lehrerstellen abbauen. Erste Einschnitte mussten wir den Schulen, den Leh rerinnen und Lehrern im Land schon zumuten. Es ist nicht leichtgefallen, beispielsweise Kürzungen im allgemeinen Ent lastungskontingent vorzunehmen.

Aber, Herr Kollege Dr. Kern, ich darf schon ganz deutlich auf eines hinweisen: Wenn wir, wie wir es getan haben, im ver gangenen Jahr die Krankheitsvertretungsreserve – ich habe es gestern bereits an dieser Stelle ausgeführt – um 200 Deputa te aufgestockt haben und in diesem Jahr den gleichen Schritt vorhaben, dann machen wir genau das, was für uns vorrangi ges Ziel ist, nämlich im Sinne unserer Kinder die Unterrichts versorgung zu sichern.

Wenn Sie heute über die geringfügige Kürzung des Entlas tungskontingents um 14 % sprechen, sage ich Ihnen deswe gen: Dem steht ein Gegenwert von 230 Deputaten gegenüber. Aber ich halte es für weitaus ehrlicher, wenn wir den Schritt gehen, die Krankheitsvertretungsreserve entsprechend auszu bauen und damit die Unterrichtsversorgung zu sichern, als wenn wir dies wie in der Vergangenheit beispielsweise mit Bugwellenstunden, sprich Überstunden, die die anderen Leh rerinnen und Lehrer leisten und für die sie kein Entgelt be kommen, machen. Das ist nicht ehrlich, das ist nicht korrekt gegenüber den Beschäftigten, nicht korrekt gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern. Deswegen appelliere ich an Sie, wieder mit mehr Ehrlichkeit in diese Debatten zu gehen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wie wir ebenfalls alle wissen, gehören zur Beschreibung der Lage nicht nur die von Ihnen beklagten Einsparungen. Zur Beschreibung der Lage gehören auch die Vorbelastungen, die wir vorgefunden haben. In der Tat sind mehr als 8 000 k.w.Vermerke mit den Stimmen von CDU und FDP/DVP in die Landeshaushalte aufgenommen worden. Es war nicht die grün-rote Landesregierung, die mit mehr als 3 500 nicht durchfinanzierten Stellen die Qualitätsoffensive Bildung auf gesetzt hat.

Ganz ehrlich, Herr Kollege Dr. Kern: Manche Formulierun gen sind schon an der Grenze der Peinlichkeit, etwa wenn Sie von einer „christlich-liberalen Klassenteilersenkung“ spre chen. Es tut mir leid: Da fängt es an, wirklich auch rhetorisch absurd zu werden.

Es war auch nicht diese Landesregierung, die für die Pädago gischen Assistenten keine Stellen, sondern nur befristete Ver träge vorgesehen hat.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sie wollten gar keine!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die unumgänglichen Einsparungen – ich habe es bereits erwähnt – dürfen dabei nicht – da sind wir beim Bedarfsdeckungskonzept – zulasten

der Unterrichtsversorgung gehen. Wir unternehmen daher er hebliche Anstrengungen, damit dies nicht geschieht. Ich habe bereits den Ausbau der Krankheitsvertretungsreserve ange sprochen. Wenn Sie dazuhin noch feststellen – was auch im Haushalt steht –, dass wir einen Fonds von 65 Millionen € für Krankheitsvertretungsmittel angesetzt haben, dann wissen Sie sehr gut, dass die Regierungspräsidien durch diesen Schritt erstmals auch Sicherheit über das Volumen haben, das zur Ver fügung steht, um bei Unterrichtsausfall tatsächlich reagieren zu können.

Wenn ich in Ihrem Antrag lese, dass Sie jetzt die Landesre gierung auffordern, die Krankheitsvertretungsreserve bis 2016 auf 2,5 % aufzustocken, dann weise ich Sie jetzt einfach ein mal auf etwas hin: Als wir diese Landesregierung übernom men haben, lag Baden-Württemberg, was die Krankheitsver tretungsreserve angeht, auf dem letzten Platz in Deutschland.

(Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Ja!)

Bei 1 266 Deputaten für die fest installierte Krankheitsvertre tungsreserve können Sie bei Weitem nicht einmal den Bedarf an Vertretung decken, der durch Schwangerschaften und lang andauernde Erkrankungen zu Beginn eines jeden Schuljahrs anfällt. Das bedeutet, Sie hatten eine Krankheitsvertretungsre serve, die bei Weitem nicht ausgereicht hat. Deswegen muss ten Sie aus dem Ergänzungsbereich und aus den anderen Res sourcenbereichen Mittel abziehen, um überhaupt nur die Un terrichtsversorgung zu sichern. Ich glaube, es ist nicht ehrlich, wenn Sie sich bei der Hinterlassenschaft, die Sie uns in die Bücher geschrieben haben, jetzt hinstellen und eine Anhebung auf 2,5 % bis 2016 fordern.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich kann Ihnen dazu sagen – allein einmal rechnerisch –: Wir haben die Reserve im vergangenen Jahr um 200 Deputate aus gebaut. Wir wollen die Reserve im laufenden Jahr um weite re 200 Deputate ausbauen. Damit sind wir noch nicht weit ge nug. Aber wir haben – zusätzlich mit den Mitteln in Höhe von 65 Millionen €, die wir zur Verfügung haben; weitere 10 Mil lionen € stehen ebenfalls im Haushalt – insgesamt einen Pro zentsatz, der uns zuversichtlich ins neue Schuljahr gehen lässt. Das ist ein Unterschied zu der Zeit, in der Sie Regierungsver antwortung hatten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die zurückgehenden Schülerzahlen sind natürlich auch ein Anlass, darüber nach zudenken, ob und gegebenenfalls an welcher Stelle Einspa rungen möglich sind. Aber die Einsparungen stehen bei der Politik der Landesregierung nicht im Vordergrund. Teil dieser Ehrlichkeit, zu der ich Sie auffordere, ist auch, dass wir in die sem Zusammenhang über die Qualität von Bildung sprechen.

Wenn wir jetzt eine regionale Schulentwicklung angehen, die im Übrigen mit den kommunalen Landesverbänden gemein sam ausgearbeitet wird – mir ist es ein großes Anliegen, dass die kommunalen Landesverbände da mit im Boot sind –, dann wird auch die Größe von Schulen eine Rolle spielen. Denn wenn Sie ein gewisses pädagogisches Profil abbilden wollen, brauchen Sie auch gewisse Größen in der Schullandschaft. Herr Kollege Röhm, ich sage ganz offen – Herr Kollege Wa cker, Sie haben es vorhin erwähnt –: Dann dürfen wir – das gehört zu dieser Ehrlichkeit dazu – den Menschen in diesem

Land nicht vorgaukeln, dass jeder Schulstandort gehalten wer den kann.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Sie wissen, wie die Entwicklung in den letzten Jahren war. In den letzten Jahren gab es ein mehr oder weniger dem Zufall überlassenes Sterben von Schulstandorten. Wir haben heute – ich nenne Ihnen einfach einmal die Zahl – bei ca. 860 Werk realschulen, die wir noch im Land Baden-Württemberg ha ben, für das kommende Schuljahr bereits die erschreckend große Zahl von 126 weiteren Schulen, die keine fünfte Klas se mehr bilden können bzw. die wahrscheinlich auch nicht mehr durch Bildung von Kombiklassen oder Ähnliches eine Zukunftsperspektive haben.

Dies muss für uns alle bedeuten, dass wir gemeinsam in ei nem moderierten, konsensualen Verfahren – Herr Kollege Wa cker hat es angesprochen – die zukunftsträchtigen Schulstand orte finden, dort die richtigen pädagogischen Konzepte um setzen und die bestehenden Schulstrukturen so weiterentwi ckeln, dass sie zukunftsfähig sind, den jungen Menschen in diesem Land auch gute Zukunftschancen bieten und den El tern das Vertrauen geben, dass sie in diesen Schulen ein gutes Angebot für ihre Kinder vorfinden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Des Weiteren – nicht, dass hier ein schräges Bild entsteht –: Wir sparen nicht nur, sondern wir investieren dort, wo es not wendig ist und wo in der Vergangenheit wichtige Investitio nen unterlassen wurden. Wir investieren in den Bildungsauf bruch. Seit der Übernahme der Regierungsverantwortung – Kollege Fulst-Blei hat es gerade sehr ausführlich dargelegt – wurden bereits wichtige Verbesserungen vorgenommen bzw. auf den Weg gebracht.

Als Beispiele nenne ich die massiven Verbesserungen in der frühkindlichen Bildung, den Pakt mit den Kommunen, die Einführung der Gemeinschaftsschulen, die Weiterbeschäfti gung der Pädagogischen Assistenten an Grund-, Haupt- und Werkrealschulen, und zwar in entfristeten Arbeitsverhältnis sen, die Einführung eines Pools von 1,5 Wochenstunden je Zug an Realschulen für Maßnahmen zur Differenzierung und Förderung – in Ihrer Regierungszeit hatten Sie für die Real schulen, was diese Herausforderungen angeht, nie etwas üb rig –,

(Abg. Georg Wacker CDU: Klassenteiler!)

die Erhöhung der Poolstunden an Gymnasien auf elf Stunden, den weiteren Ausbau der beruflichen Gymnasien und die Er höhung der Zuschüsse an Schulen in freier Trägerschaft. Dies sind neben den schon genannten Anstrengungen zur Siche rung der Unterrichtsversorgung nur einige der Maßnahmen, in die wir nicht unerhebliche Ressourcen investiert haben. In vielen Bereichen sind wir – ich glaube, das können alle Men schen in diesem Land feststellen – im Vergleich zu dem, was die CDU-geführten Landesregierungen in knapp einem hal ben Jahrhundert geschafft haben, nach nicht einmal zwei Jah ren in der Regierungsverantwortung schon weiter gekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der methodische An satz von Professor Klemm ist ganz überwiegend richtig. Kol lege Fulst-Blei hat es bereits ausgeführt. Die Landesregierung nimmt die Expertise von Professor Klemm natürlich als wert volle Anregung entgegen, will aber nicht in allen Punkten sei nen Folgerungen nachkommen. In manchen Bereichen stimmt eben die Einschätzung nicht, vor allem wenn es um die Ein beziehung der privaten Schullandschaft geht.