Protokoll der Sitzung vom 15.05.2013

Einleitend möchte ich nur ganz kurz sagen – weil Sie das Zi tat, Bürgerbeteiligung bedeute nicht, dass die Bürger entschei den würden, aufgegriffen haben –: Es wurde oft kritisch an gemerkt, dass wir – oder speziell ich – angeblich kein Kon zept für die Bürgerbeteiligung hätten. Darauf möchte ich er widern: Das, was wir versuchen, ist, ein umfassendes Kon zept umzusetzen. Es hat im Wesentlichen zwei Säulen. Die ei ne Säule – daran sind Sie im Moment interfraktionell betei ligt – ist die direkte Demokratie. In der direkten Demokratie geht es um Abstimmungen auf Gemeindeebene und um Volks abstimmungen. Wir hoffen, dass wir für diese beiden Abstim mungen – das wäre auch im Zusammenhang mit dem Thema Schwarzwald sehr gut gewesen – die Hürden deutlich senken können, damit die Bürger wirklich entscheiden können, wenn Dinge streitig sind. Da geht es um Entscheidungen.

Die Bürgerbeteiligung – die frühe Bürgerbeteiligung – ist kei ne Entscheidung der Bürger. Es gibt viele Verfahren, beim neuen Planungsvereinheitlichungsgesetz auf Bundesebene ebenso wie bei unserem Planungsleitfaden, ebenso wie die vielen Verfahren, die auf kommunaler Ebene von Städtetag und Gemeindetag durchgeführt werden – wenn ich richtig in formiert bin, gibt es auch in Ihrer Partei eine Menge von Ver fahren –, in denen Bürgerbeteiligung gewissermaßen als Kon sultation und Entscheidungsgrundlage für die Parlamente ge lebt wird.

Die Tatsache, dass dort in dieser aufgeheizten Situation Voten abgegeben wurden, ging, wenn Sie mich fragen, nicht auf uns zurück. Das hat das Missverständnis aber verstärkt. Dieser Beteiligungsprozess, der abläuft und nicht nur ungeheuer in tensiv war, hat schon viele Änderungen an den Konzepten be wirkt. Ich erinnere an die Zugeständnisse an die Holzindust rie oder an die Klarstellungen, dass der Wald eintrittsfrei bleibt und jetzt nicht durch „Verbieteritis“ für die Bürger unzugäng lich gemacht wird. Das alles wurde in diesem Prozess schon erreicht. Die Bürger haben sich da schon massiv eingebracht.

Für Sie und für uns in den Kommunen und im Landtag ist es wichtig, zu klären – das haben Sie auch vor Ort in den Kom munalparlamenten –, was die Verfahrensregeln sind. Die Ver fahrensregel hier war: Frühe Bürgerbeteiligung, noch bevor der Park gezeichnet ist, und mitgestalten, wie der Park aus sieht. Das wird auch so sein. Die Letztentscheidung obliegt jedoch diesem Hohen Haus, weil es sich um ein Landespro jekt handelt.

Die einzige Möglichkeit, ein Landesprojekt über das Volk de finieren zu lassen, wäre eine Volksabstimmung. Dazu ein letz ter Satz. Wenn die Gegner eine Volksabstimmung versuchen würden, müssten sie nach der derzeitigen Rechtslage für ein entsprechendes Volksbegehren – das halte ich nicht für realis tisch, es spricht aber auch nichts dagegen – innerhalb von zwei Wochen 1,2 Millionen Stimmen an vorgegebenen Orten sam meln, um diesen Nationalpark zu stoppen. Das heißt, auch ei ne Volksabstimmung würde den Gegnern vor Ort im Moment nicht wirklich helfen. Deswegen versuchen wir, mit den Leu ten direkt zu reden, um ihre Bedürfnisse aufzunehmen.

Letztlich wird versucht werden, die Gebietskulisse, wenn das möglich ist, fachlich stärker an den Gemeinden auszurichten, die wirklich Interesse haben. Es melden sich täglich Gemein den. Das kann zu einer Verschiebung der Gebietskulisse von Württemberg nach Baden führen, muss aber naturschutzfach lich entschieden werden.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: So, so! – Unruhe)

Ja, das ist das Thema, über das Sie heute in der Zeitung le sen können. Es ist ein Joke, der im Moment in den Medien gespielt wird.

(Abg. Winfried Mack CDU: Ein Joke oder ein Jo ker?)

Ein Joke, ein Witz. – Das wollte ich sagen. In Ihrem eige nen Interesse – ich weiß, dass Ihre Partei nicht unseriös mit Bürgerbeteiligung umgeht – müssen wir klarmachen, dass Bürgerbeteiligung nicht dasselbe wie eine Volksabstimmung oder ein Bürgerentscheid ist. Beides wird im Moment gesetz lich geregelt.

Im Leitfaden geht es im Wesentlichen um Beteiligung. Über all ringen wir darum, auf kommunaler Ebene hinzubekom men, dass das deutlich wird. Wir alle ringen darum. Das ist kein grünes Hobbyprojekt. Das Thema „Mitgestaltung durch die Bürger“ wurde auch schon vom Städtetag ausformuliert. Überall wird versucht, die Frage zu beantworten: Wie geht man mit Restminderheiten um?

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

In diesem Fall gibt es eine Situation wie im Kessel Stuttgart. Wenn die Anwohner im Kessel Stuttgart gefragt worden wä ren und sie die Möglichkeit erhalten hätten, ein Votum abzu geben, dann hätte auch der Kessel Stuttgart mit einem kra chenden Nein reagiert. Das hat nicht bedeutet, dass es für die ses Landesprojekt ein Aus gibt. Das können Sie hinsichtlich der Art der Aufheizung vergleichen.

Ein Letztes: Das Problem bei diesen aus meiner Sicht nicht sehr verantwortungsvollen Voten bestand darin, dass jetzt die Bürgermeister festgelegt sind. Wenn aber der Nationalpark

doch kommt – wahrscheinlich kommt –, dann werden viele betrübt sein, dass sie keine Gelegenheit haben, sich an diesem Projekt zu beteiligen, das ja die Region aufwerten soll. Es geht nicht nur um den Schutz der Tiere, sondern um eine Aufwer tung der wirklich schwachen Nordschwarzwaldregion, aus der ich komme. Mir blutet immer das Herz, wenn ich sehe, wie viel Niedergang es in dieser Region gegeben hat. Schauen Sie sich das Pforzheim von vor 30 Jahren und das Pforzheim von heute an.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Ja, eben!)

Eine weitere Frage von der CDU-Fraktion, Herr Abg. Blenke.

Frau Staatsrätin, Sie haben zu Recht dargelegt, dass die Entscheidung über den Nationalpark beim Land und damit beim Landtag liegt. Das wissen wir, das weiß man auch vor Ort. Nun gab es am vergangenen Sonntag diese Bürgerbefragungen in sieben Gemeinden rund um das Suchgebiet herum. Damit wissen wir und wissen auch Sie, wie die Menschen vor Ort denken.

(Abg. Martin Rivoir SPD: 16 %! – Abg. Helmut Wal ter Rüeck CDU: Die „Restminderheit“!)

Meine Frage an Sie lautet jetzt: Inwiefern findet dieser postu lierte Bürgerwille im gesamten Gebiet dort Eingang in Ihre Entscheidung, in die Entscheidung der Landesregierung und dann auch in die Vorlage, über die der Landtag zu entschei den hat? Berücksichtigen Sie den in einem ordnungsgemäßen Abstimmungsverfahren ermittelten eindeutigen und nicht in terpretierbaren Bürgerwillen vor Ort, und in welcher Weise berücksichtigen Sie ihn? Das war meine erste Frage.

Die zweite Frage: Mich hat eben ein Begriff irritiert. Sie spra chen von einer Restminderheit. Könnten Sie mir bitte einmal näher erläutern, was das ist? Insbesondere würde ich gern den Bürgern in meinem Wahlkreis, die sich entschieden haben, er klären, ob auch sie zur Restminderheit gehören.

(Beifall bei der CDU)

Bitte, Frau Staatsrätin. Die Antworten sollten immer nur maximal fünf Minuten dau ern.

Okay. Gut. – Sicherlich ist der Begriff „Restmin derheit“ zunächst einmal ein schockierender Begriff.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ja!)

Ich will Ihnen sagen, dass wir natürlich sehr betrübt sind und auch nicht erwartet haben – natürlich nicht –, dass das Votum der Bürger vor Ort so deutlich ausfällt.

(Abg. Winfried Mack CDU: Herr Bonde hat es an ders gesagt!)

Nein, Herr Bonde hat schon auch erwartet, dass das Votum negativ ist. Er kennt die Region besser. Ich bin nicht von dort und bin auch nicht ständig dort zugange.

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Wir haben diese Deutlichkeit nicht erwartet. Das ist völlig un bestritten. Natürlich ist man auch geknickt. Alle haben das Problem; auch Sie haben es.

„Restminderheit“ meine ich rein quantitativ. Es ist die Mehr heit im Herzen des betroffenen Gebiets; es ist eine Minder heit von 6 % der Stimmberechtigten in der Region und ein noch viel geringerer Anteil, wenn wir das Land als Ganzes nehmen. Wenn es eine Abstimmung gäbe, die wirklich bin dend wäre, dann müsste sie auf Landesebene laufen. Nach un serem gesetzlichen Rahmen könnte es nur eine landesweite Abstimmung geben.

Wir wollen uns aber nicht einfach über das Votum hinwegset zen. Ich komme damit zu der Frage: Wie berücksichtigen wir das? Man versucht, den Zuschnitt der Gebiete so zu gestalten, dass die Gemeinden, die partout nicht teilhaben wollen, mög lichst nicht gravierend betroffen sind, wie es sich jetzt ab zeichnet. Wir werden sehen, wie die Kulisse dann aussieht. Dominierend sind natürlich die naturschutzfachlichen Aspek te.

Wir hoffen sehr – auch ich hoffe sehr –, dass sich, wenn jetzt eine konkrete Kulisse vorliegt, in der einmal deutlich wird, welche Straße, welches Gebiet und welche Anwohner wie be troffen sind, diese Diskussion noch einmal versachlicht. Denn Sie werden nicht bestreiten, dass viele der Argumente wirk lich überaufgeladen waren und nicht nur sachlich waren und dass es vor allem um Gefühle geht. Es geht um die Fragen: Was ist ein ordentlicher Wald? Was ist ein schöner Wald? Es geht auch um die Frage: Hat die Menschen – –

(Abg. Winfried Mack CDU: Bei Ihnen geht es nicht um Gefühle?)

Woher wissen Sie das?

(Heiterkeit – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das war eine Frage! Das war keine Feststellung! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Dann geben Sie sie preis!)

Okay, ich habe das als Feststellung interpretiert. Es war zu spüren: Jetzt interpretieren wir die Psyche der Staatsrätin.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Der Kollege Mack errötet ja! – Gegenruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Man wird versuchen, das einzubeziehen. Wir werden ernst haft versuchen, noch einmal in den Dialog zu gehen. Ich wün sche mir eigentlich, dass der Ministerpräsident sowie der Landwirtschaftsminister und Bürgerexponenten dieser Voten zusammen zum Nationalpark Bayerischer Wald fahren. Wir wissen, dass es keinen einzigen Nationalpark gibt, der mit der Zustimmung der Bevölkerung entstanden ist, und es gibt kei nen einzigen Nationalpark, wo nicht heute – – Sie kennen ja die Geschichte von Seehofer und seinem Nationalpark und Herrn Teufels nicht erreichtem Nationalpark. Immer ist das gekippt,

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ja, ja!)

wenn die Regierung und das Parlament nicht den Mut hatten, es zu beschließen. Das ist ein Dilemma, das wir im Moment nicht auflösen können, weder Sie noch ich. Es gibt Situatio

nen, in denen man sich im Interesse einer langfristigen, not wendigen und sinnvollen Entscheidung auch über konkreten lokalen Bürgerwillen teilweise hinwegsetzt, auch wenn man versucht, diesen zu berücksichtigen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Beim Biosphären gebiet ist es gelungen!)

Nehmen Sie den Mund nicht zu voll. Sie alle haben das Pro blem, in jedem Ort.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Eine weitere Frage von der Fraktion GRÜNE, Herr Abg. Dr. Rösler.

Ich habe eine Frage zu dem Gesamtbild der Rückmeldungen aus der Region und aus dem Land.

Wie wichtig sind denn aus der Sicht einer Staatsrätin, die sich federführend mit Bürgerbeteiligung beschäftigt, Rückmeldun gen auf der einen Seite aus den betroffenen Kommunen, die Bürgerbefragungen durchführen, und auf der anderen Seite aus Kommunen, in denen es Gemeinderatsbeschlüsse geben wird oder schon gegeben hat, und zudem von Bürgermeistern, die für die Kommune rückmelden, gegebenenfalls mit Rück sprache oder ohne,

(Zuruf von der CDU: Vielleicht auch vertretungswei se?)

Umfragen aus der Region, die die Kreise betreffen, und auch Umfragen, die das ganze Land betreffen? All diese Dinge be schäftigen sich mit der Frage der Akzeptanz des National parks. All diese Dinge sind zu gewichten, und ohne Frage kann man sie unterschiedlich gewichten. Wie – das ist die Fra ge Nummer 1 – wird das gewichtet?

Die Frage Nummer 2: Ist denn für die Zukunft auch geplant, dieses Thema Nationalpark auch in neuen Medien, z. B. im Internet, von Ihrer Seite aufzugreifen und, wenn ja, wie?