Protokoll der Sitzung vom 15.05.2013

Warum brauchen wir ein Klimaschutzgesetz? Erstens: Wir sind nach dem Grundgesetz und der Landesverfassung dazu verpflichtet – ich habe es gerade vorgelesen –, die Lebens grundlagen auch in Verantwortung für die zukünftigen Gene rationen zu schützen.

Zweitens: Der Klimaschutz bringt uns wirtschaftliche Vortei le.

Drittens: Wenn wir es vormachen, dann werden – davon bin ich überzeugt – auch andere Regionen und Länder folgen.

Viertens: Wir haben auch die moralische Verpflichtung, die Emissionen zu senken, denn wir müssen unseren Beitrag zur globalen Klimagerechtigkeit leisten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Die knapp elf Millionen Baden-Württemberger machen gera de einmal rund 0,15 % der Weltbevölkerung aus, aber wir sto ßen dabei so viele Treibhausgase aus wie ein doppelt so gro ßes Land – und dies nicht, weil wir ein Hochtechnologieland

sind, sondern obwohl wir ein Hochtechnologieland sind. Wer, wenn nicht wir, sollte da mit gutem Beispiel vorangehen?

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Deswegen legt die Landesregierung heute dem Hohen Haus den Entwurf eines Klimaschutzgesetzes für Baden-Württem berg vor. Ziel des Gesetzes ist es, bis zum Jahr 2020 ein Vier tel und bis zum Jahr 2050 90 % der CO2-Emissionen einzu sparen. Diese Ziele wurden aus einem wissenschaftlich er stellten Energieszenario für Baden-Württemberg abgeleitet. Die Ziele sind ambitioniert, aber sie sind erreichbar.

Die Ziele des Klimaschutzes stehen dabei keineswegs wie ein Solitär isoliert in der Landschaft. Auf europäischer Ebene wurden im Jahr 2007 verbindliche CO2-Reduktionsziele fest geschrieben: 20 % bis 2020 und bis zu 80 % bis 2050.

Auch die Bundesregierung hat in ihrem Energiekonzept aus dem Jahr 2010 Ziele niedergelegt: 40 % bis 2020, 80 % bis 95 % bis 2050. Das, was uns von der Bundesregierung unter scheidet, sind nicht die Ziele. Im Gegenteil, wir leisten einen wichtigen Beitrag zum Erreichen dieser Ziele. Das heißt aber auch, dass diejenigen, die das Klimaschutzgesetz kritisieren, im Grunde niemand anderen als die Bundesregierung kritisie ren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Falsch!)

Was uns von der Bundesregierung unterscheidet, ist vielmehr, dass wir diese Zielsetzung in Gesetzesrang erheben und sie damit für alle verbindlich machen. Kurz: Wir machen keine Symbolpolitik. Wir machen Ernst mit dem Klimaschutz und übernehmen Verantwortung. Wir leisten unseren Beitrag da zu, dass die ambitionierten Ankündigungen auf internationa ler Ebene und auf Bundesebene wirklich erreicht werden kön nen. Und wir gehen in dieser Frage gemeinsam mit NordrheinWestfalen bundesweit voran.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Welche Wirkungen hat das Klimaschutzgesetz? Erstens: Künf tig müssen Klimaschutzaspekte bei allen politischen und be hördlichen Entscheidungen berücksichtigt werden, so, wie es beim Arten- und Naturschutz schon lange der Fall ist. Egal, ob es sich um eine Verwaltungsvorschrift oder um die Verga be von Fördermitteln in Raumordnungsverfahren handelt, die Belange des Klimaschutzes müssen in jedem Fall berücksich tigt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Verwal tungen abwägen müssen. Das Klimaschutzgesetz sorgt dafür, dass der Belang des Klimaschutzes stärker als vorher zu be achten ist. Dies wird beispielsweise den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Zweitens: Die öffentliche Hand übernimmt bei all dem eine Vorbildfunktion. Bis 2040 soll die Landesverwaltung schritt weise klimaneutral gestaltet werden. Das ist angesichts des hohen Sanierungsbedarfs ambitioniert, aber durchaus mach bar.

Drittens schreibt das Klimaschutzgesetz verbindlich fest, wie die Ziele erreicht werden sollen, nämlich mithilfe eines inte grierten Energie- und Klimaschutzkonzepts.

Meine Damen und Herren, das Umweltministerium hat be reits Ende letzten Jahres einen Entwurf für ein integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept entwickelt und anschlie ßend mit der breiten Öffentlichkeit online und an runden Ti schen diskutiert. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass es die Landesregierung mit der Politik des Gehörtwerdens ernst meint, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Online haben rund 7 000 Personen die Homepage besucht und sich an der Bewertung der Maßnahmenvorschläge beteiligt. An den runden Tischen haben sich rund 120 Verbandsvertre ter und rund 180 Bürgerinnen und Bürger beteiligt. Die Emp fehlungen aus diesem Prozess werden nun geprüft und in den fortgeschriebenen Entwurf des integrierten Energie- und Kli maschutzkonzepts eingearbeitet.

Inhalt dieses Konzepts sind dabei Strategien und Maßnahmen für die Energiewirtschaft, den Verkehr, die Landwirtschaft, die Industrie, die Privathaushalte und natürlich auch die öf fentliche Hand. Beispiele für derartige Maßnahmen sind die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, die effizientere Nut zung industrieller Abwärme, die heute oft noch ungenutzt ver pufft, oder die Unterstützung der Einführung verbraucher freundlicher und transparenter Stromrechnungen.

Auch die Wirtschaft wird unter dem Klimawandel leiden, wenn wir nicht gegensteuern. Laut einer aktuellen Studie schätzen 43 % aller deutschen Unternehmen, dass sie bis zum Jahr 2030 negativ vom Klimawandel betroffen werden. Aus diesen Gründen müssen wir handeln, und zwar schon aus wohlverstandenem Eigeninteresse.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Weltbevölkerung wächst weiterhin beträchtlich, auch wenn die Bevölkerungszahlen in Europa schrumpfen. Immer mehr Menschen wollen versorgt sein, wollen Aufstiegsmöglichkeiten haben und wollen am Wohlstand der westlichen Hemisphäre teilhaben. Dieser Pro zess ist in vollem Gang. Das ist vor allem erkennbar an der Dynamik neuer Industrie- und Schwellenländer von China bis Brasilien. Zugleich stoßen wir aber an ökologische Grenzen, vor allem was die Stabilität des Klimas betrifft. Deshalb sind schon jetzt energie- und ressourcenschonende, saubere Tech nologien branchenübergreifend in allen Bereichen gefragt. Diese Nachfrage wird weiter zunehmen. Das, was wir derzeit erleben, ist nichts anderes als der Beginn einer grünen Revo lution.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Unruhe bei der CDU)

Prognosen gehen bis zum Jahr 2020 von einem Wachstum der weltweiten Nachfrage nach innovativer Umwelttechnologie von 5,4 % pro Jahr aus.

(Unruhe bei der CDU und der FDP/DVP)

Damit ist hier eine grüne industrielle Revolution gemeint, nur damit Sie sich jetzt nicht umsonst aufregen.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU – Abg. Alfred Winkler SPD: Keine Angst! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist etwas ganz anderes!)

Diese grüne industrielle Revolution hat längst begonnen. Wir gehen von einer Steigerung der Nachfrage nach innovativen Umwelttechnologien von 5,4 % pro Jahr aus. Das Wachstum des deutschen Umweltsektors wird sogar mit 8 % pro Jahr ver anschlagt. All dies hat ein großer Teil der baden-württember gischen Unternehmen längst erkannt; diese Unternehmen ha ben die in dieser Entwicklung liegenden Chancen ergriffen, und zwar erfolgreich.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir fördern die Unternehmen auf diesem Weg. Mit dem Kli maschutzgesetz legen wir für die nächsten 30 bis 40 Jahre klar fest, in welche Richtung es geht, und geben damit der Wirt schaft die Planungs- und Investitionssicherheit, die sie braucht. So leisten wir einen Beitrag dazu, dass die Unternehmen im Land auch in Zukunft erfolgreich sind und auf den Leitmärk ten der Zukunft die Nase vorn haben. Wir sorgen für Arbeits plätze, und zwar nicht für irgendwelche Jobs, sondern für die attraktiven Arbeitsplätze der Zukunft.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Deswegen, meine Damen und Herren, gehen wir mit dem Kli maschutzgesetz mit gutem Beispiel voran und verpflichten un ser Land zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Ener gie und Rohstoffen. Wir übernehmen als eine der bedeutends ten Industrieregionen der Welt Verantwortung. Das ist unsere verfassungsrechtliche Verantwortung; es ist aber auch unsere ethische Verantwortung, für die Bewahrung der Schöpfung einzutreten. Unsere Vorreiterrolle wird sich auch ökonomisch auszahlen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Vor allem aber liefern wir eine Blaupause für eine internatio nal wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft der Zu kunft.

Meine Damen und Herren, wir haben bewusst ein schlankes Gesetz beschlossen, damit wir in den Maßnahmenkatalogen des integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts möglichst flexibel sind. Sie wissen ja, alle Gesetze zu ändern ist schwie rig. Deswegen haben wir ein schlankes Klimaschutzgesetz be schlossen, sind aber sehr konkret bei dem integrierten Ener gie- und Klimaschutzkonzept. Das ist sozusagen die Kompo sition des ganzen Gesetzes. Deswegen glaube ich, meine Da men und Herren, das ist eine stringente, ambitionierte, aber zugleich auch sehr praktikable Regelung für den Beitrag un seres Landes zum Klimaschutz.

Die Landesregierung hofft auf einen Konsens im Hohen Haus.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Lusche.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen, Herr Ministerpräsident! Zunächst möchte ich an dieser Stelle dem erkrankten Umweltminister persönlich al les Gute und baldige Genesung wünschen. Ich glaube zu wis

sen, dass es ihm durchaus schwerfällt, am heutigen Tag den Gesetzentwurf hier nicht selbst einbringen zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Da können Sie sicher sein!)

Herr Ministerpräsident, als Sie gemeinsam mit dem Umwelt minister diesen Gesetzentwurf präsentiert haben, haben Sie davon gesprochen, dass es sich um eines der wichtigsten Vor haben der Landesregierung in dieser Legislaturperiode hand le. Der Umweltminister hat davon gesprochen, Baden-Würt temberg werde so zum Vorreiter beim Klimaschutz in Deutsch land. Jetzt haben Sie von grünen Revolutionen gesprochen. Aber Sie haben schon gewusst, warum Sie von einem „schlan ken Gesetz“ gesprochen haben. Denn wenn wir uns darauf konzentrieren, was uns heute tatsächlich vorgelegt wird, dann haben wir in der Tat die Frage, die einmal in einem amerika nischen Wahlkampf so formuliert worden ist: „Where is the beef?“ Wo ist das Fleisch? Wo ist die Substanz?

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Die sind doch Veganer!)

Wenn man nämlich genauer hinschaut, dann sieht man: Die ses Gesetz ist vor allem – jedenfalls derzeit und ohne das in tegrierte Energie- und Klimaschutzkonzept – ein Symbolge setz. Und dort, wo es kein Symbolgesetz ist, kann man etwa der Stellungnahme des Justizministeriums – der Justizminis ter ist anwesend – durchaus entnehmen, warum dieses Gesetz so schlank ist. Es stellt sich nämlich die Frage, wo das Land in diesem Bereich überhaupt eine ernsthafte Regelungskom petenz hat.

Wenn man einmal das betrachtet, was Sie als großen gesetz geberischen Wurf in den Raum gestellt haben, dann sieht man, dass wir heute in der Tat zunächst einmal einen ziemlich schlanken Beratungsgegenstand haben. Ich denke, man soll te gerade wegen der Wichtigkeit des Themas an der richtigen Stelle darüber reden, wo die Substanz ist. Diese Substanz muss in der Tat beim integrierten Energie- und Klimaschutz konzept sein.

Übrigens hat der Klimaschutz nicht mit dieser Landesregie rung begonnen, sondern Sie haben das Klimaschutzkonzept 2020PLUS – ein hervorragendes Konzept – von der Vorgän gerregierung übernommen,

(Beifall bei der CDU und des Abg. Andreas Glück FDP/DVP)

auf das Sie sich auch ausdrücklich berufen. Nur wäre es nach fast zwei Jahren wünschenswert, wenn wir tatsächlich einmal zu dem ganz Konkreten kämen. Sie können auch an diesem Klimaschutzkonzept 2020PLUS der vormaligen Regierung erkennen, dass die CDU im Klimaschutz immer eine große Herausforderung gesehen hat und dass uns das Thema wich tig ist. Daran hat sich nichts geändert.