Protokoll der Sitzung vom 30.06.2011

Herr Horx hat den Leuten verdeutlicht, dass es noch nie zu vor in der Geschichte eine so gut ausgebildete Frauengenera tion gegeben hat wie heute. Noch nie gab es so viele Abituri entinnen. Es gibt sogar mehr Abiturientinnen als Abiturienten – und vor allem sind sie besser als die Männer, weil sie flei ßiger sind.

(Unruhe)

Hinzu kommt, dass unsere Wirtschaft geradezu nach solchen Arbeitskräften hungert. Man braucht in der Wirtschaft – man hört es allerorten – gut ausgebildete Fachkräfte. Wir haben ei nen noch nie dagewesenen Fachkräftemangel, und der demo grafische Wandel tut sein Übriges. Dadurch können vor allem die Frauen und deren Erwerbspotenzial ausgeschöpft werden. Das ist keine Sache der Gleichberechtigung, sondern das ist eine gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit.

Sehr geehrte Damen und Herren, daran wird klar, dass die Un ternehmen selbst daran interessiert sein sollten,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

den Frauenanteil zu erhöhen und ihn zu einem wichtigen Be standteil ihrer zukunftsorientierten Personalpolitik zu machen. Wir kennen das bei Daimler. Man spricht das – lieber Rudi Köberle – leider wieder englisch aus:

(Zuruf von der CDU: Oh!)

Gender-Diversity. Das heißt, bereits bei der Einstellung und auch bei der Beförderung müssen genauso viele Frauen wie Männer berücksichtigt werden, und das ist auch gut so. Denn nur wenn man einen Pool von Führungskräften auf mittlerer Ebene geschaffen hat, kann man auch auswählen. Das ist si cher auch mit eine Erklärung dafür, warum es in der Frauen förderung bisher nicht so schnell vorangegangen ist. Daher muss das im Interesse der Unternehmen selbst liegen.

Sie haben es angedeutet, liebe Frau Kollegin Wölfle: Es gibt tatsächlich eine entsprechende Feststellung von McKinsey. Die betreffende Studie heißt „Women Matter“.

(Zuruf von der SPD: Auch englisch!)

Darin ging es darum, dass gemischte Teams und nicht nur die Frauen als alleinige Arbeitskräfte sehr erfolgreich sind. Das mag daran liegen, dass Yin und Yang zusammenkommen, sprich dass die emotionale Intelligenz und auch die Fähigkeit von Frauen, besser zu kommunizieren, die Prozesse positiv beeinflussen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ha no!)

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn die Tatsache, dass die Produktivität dadurch steigt, keine Motivation ist, dann weiß ich auch nicht mehr, womit man die Unternehmen noch ein laden soll.

Die unternehmerische und gesellschaftliche Realität spiegelt also leider nicht wider, was die Studien feststellen. Sie haben es gesagt: Insbesondere bei der Besetzung von Vorstandspo sitionen in großen Unternehmen in Deutschland besteht nach wie vor ein sehr, sehr deutliches Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen. Die Vorstände der Großunternehmen bestehen zu 3 % aus Frauen. Die Aufsichtsräte börsenorien

tierter Unternehmen sind nur zu 10 % mit Frauen besetzt. Das ist für uns Frauen eine unerträgliche Ignoranz. Die Wahl von Frau Christine Hohmann-Dennhardt als erste Frau in den Vor stand von Daimler wie auch die Benennung von Sabine Lau tenschläger in den Vorstand der Bundesbank sind Lichtblicke; aber diese genügen natürlich nicht.

An dieser Stelle, sehr geehrte Damen und Herren, möchte ich nochmals herausstellen, dass sich die heutige Diskussion auf die Großunternehmen konzentriert, auf die börsenorientierten Unternehmen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Ich möchte den Blick auf den Mittelstand richten, der bei uns in Baden-Württemberg die Wirtschaft prägt. 80 % des Brut toinlandsprodukts werden vom Mittelstand erwirtschaftet. Im Mittelstand sieht es natürlich erheblich besser aus: In jedem fünften Unternehmen haben wir eine Frau als Chefin; auch Frauen trauen sich, selbst Unternehmen zu gründen.

Im Übrigen möchte ich auch einmal die Lebenswirklichkeit widerspiegeln. Es sind auch die Unternehmerfrauen im Hand werk, die zwar nicht explizit als Vorstandsmitglied auftreten, aber in einem Handwerksbetrieb weiß Gott Befugnisse haben, die sehr weit gehen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP)

Es wurde durch den Redebeitrag der Kollegin deutlich: Im Jahr 2010 wurde das Thema nach vorn gebracht. Es gab eine Kontroverse um die Einführung einer gesetzlichen Frauen quote. Dieses Thema hat deutlich an Brisanz gewonnen. Selbstverständlich diskutieren wir schon länger über dieses Thema. Seit dem Jahr 2001 gibt es die Selbstverpflichtung der Wirtschaft zur Erhöhung des Frauenanteils in den Vorstands etagen und im Aufsichtsrat. Dennoch hat die Politik und ha ben die Wirtschaftsverbände ihr Ziel, nämlich die angemes sene Beteiligung von Frauen in obersten Unternehmensebe nen zu realisieren, noch nicht erreicht.

Ich will nicht verhehlen, dass auch bei uns CDU-Frauen kei ne Geduld mehr da ist,

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU)

dass wir aber noch vor dirigistischen Maßnahmen zurück schrecken, weil wir die Partei der sozialen Marktwirtschaft sind und weil wir darauf vertrauen, dass die Wirtschaft in Ba den-Württemberg bei dieser Wirtschaftssituation, bei den von mir eingangs beschriebenen Realitäten, nun endlich selbst tä tig wird.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Jochen Hauß mann FDP/DVP und Charlotte Schneidewind-Hart nagel GRÜNE)

Seit Mai 2010 enthält der Deutsche Corporate Governance Kodex

(Abg. Walter Heiler SPD: Herr Köberle!)

Empfehlungen zu Diversity und einer angemessenen Beteili gung von Frauen in Aufsichtsräten von börsennotierten Un

ternehmen sowie auch eine Berichtspflicht. Damit wird deut lich, welche dieser Unternehmen nach außen ein – so möch te ich sagen – erträgliches Image transportieren können.

Ermutigend ist, was Telekom und Daimler geleistet haben. Wir haben uns mit Vertreterinnen der Telekom unterhalten. Sie haben uns deutlich gemacht, dass die Zielvereinbarungen, die sie sich selbst gegeben haben, dazu beigetragen haben, dass der Geist im Unternehmen ein anderer geworden ist: Bei jeder Entscheidung, die getroffen wird, ist ein gewisses Be wusstsein festzustellen. Das verändert ein Unternehmen von Grund auf. Insofern hoffe ich, dass das noch andere Unterneh men für sich als Vorteil entdecken.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn sie es nicht tun, wer den sie dazu getrieben. Die EU hat dieses Thema in ihrem Grünbuch aufgegriffen und hat angedeutet, wenn bis zum Jahr 2012 keine Verbesserung eintrete, wolle man seitens der EU gesetzgeberische Schritte einleiten.

So weit darf es unserer Ansicht nach nicht kommen. Viele Un ternehmen investieren bereits in betriebliche Kinderbetreu ungsmaßnahmen. Sie veranstalten auch Familientage, damit der Ort der Arbeit auch für die ganze Familie ein Stück weit Lebenswirklichkeit wird. Sie richten zunehmend auch flexib le Arbeitsbedingungen ein.

Sehr geehrte Damen und Herren, hieran ist schon zu erken nen, dass die Macht des Faktischen wirkt. Denn eines ist ganz klar: Es gibt keinen Mangel an qualifizierten Bewerberinnen. Wenn Unternehmen nach wie vor nur wenige Frauen in Füh rungspositionen aufweisen, dann fehlt ihnen ganz einfach der Mut und auch der Wille, hier die innerbetrieblichen Rahmen bedingungen zu verändern.

Das beginnt bereits bei der Einstellungspolitik. Die Frauen, die ich nicht einstelle, kann ich auch nicht weiterentwickeln. Deswegen hoffe ich, dass das jetzt das Gebot der Stunde ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, die bisher von der CDU ge führte Landesregierung hat diese Notwendigkeit bereits früh zeitig erkannt und hat sich in diesem Bereich verstärkt enga giert. Bei unserem Engagement war uns jedoch stets klar, dass es ein ganzes Bündel von Maßnahmen braucht, um die ge wünschten Ziele zu erreichen. Eine alleinige Beschränkung auf gesetzliche oder dirigistische Maßnahmen greift unserer Ansicht nach viel zu kurz.

Von unserer damaligen Landesregierung wurden vielfältige Maßnahmen initiiert, die sich vor allem dem Thema „Besse re Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ zugewandt haben. Wir haben in den letzten Jahren einen starken Ausbau der Kleinkind- und Ganztagsbetreuung vorangetrieben, und wir haben auch ganz gezielte Maßnahmen zur Karriereförderung von Frauen angestrengt. Ich möchte nur an das Thema „Kon taktstelle Frau und Beruf“ erinnern, das vom Wirtschaftsmi nisterium sehr engagiert betrieben wurde; landesweit können sich Frauen auch hinsichtlich ihrer Karriere individuell bera ten lassen.

Ich möchte auch den Kongress „Spitzenfrauen – Wege ganz nach oben“ in Erinnerung rufen, der sich gerade mit dem The ma, über das wir heute diskutieren, befasst hat. Er fand im Mai dieses Jahres zum zweiten Mal statt, kurz bevor der Regie rungswechsel erfolgt ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, bekannt ist auch der Girl’s Day. Dieser will vor allem das Bewusstsein der Mädchen for dern und prägen, um ihre Berufswünsche und ihre Orientie rung nicht weiterhin auf geisteswissenschaftliche und sozia le Berufe zu verengen. Da wirkt auch die Landesinitiative MINT, die vor allem die naturwissenschaftlichen und techni schen Berufe ins Bewusstsein der Frauen rücken möchte.

Sehr geehrte Damen und Herren, Frauen müssen – das möch te ich an unsere eigene Adresse sagen – in ihrer Berufswahl offener sein und sollten sich auch am Arbeitsmarkt der Zu kunft orientieren. Mit dem Projekt „familyNET“, das auch vom Wirtschaftsministerium unterstützt wurde, haben wir zu dem einen Impuls in Richtung einer Flexibilisierung der Ar beitsbedingungen gegeben.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Ich glaube, dass unsere Partei und unsere Fraktion keine Nachhilfe brauchen, um dieses Problem zu erkennen. Unsere Türen sind für diese Maßnahmen geöffnet. Marschieren Sie durch!

Auch die Dienstrechtsreform enthält Aspekte im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. So können Beamte und Beamtinnen nun ihre minderjährigen Kinder oder ihre pflegebedürftigen Angehörigen betreuen und können sich zwölf Jahre eine Auszeit nehmen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Unterhälftig!)

Was für uns CDU-Frauen ganz wichtig war, ist die unterhälf tige Beschäftigung. Diese ermöglicht den Frauen, einen Fuß im Berufsleben zu lassen, aber trotzdem dem Anspruch ge recht zu werden, ihre Familie zu pflegen.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Charlotte Schnei dewind-Hartnagel GRÜNE – Zuruf der Abg. Helen Heberer SPD)

Ich merke, dass es an der Zeit ist, meine Rede zu beenden, und werde in der zweiten Runde noch einmal Stellung neh men.

(Beifall bei der CDU)

Es muss dann allerdings für die zweite Runde noch Redezeit vorhanden sein.

(Heiterkeit – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Du hast gesagt: zehn Minuten!)

Ich wollte nicht drängeln. – Vielen Dank.