Protokoll der Sitzung vom 30.06.2011

Die Schlussdesinfektion in dem betroffenen Hof steht kurz bevor. Sie wird am 1. Juli 2011 erfolgen. Die Aufhebung des Restriktionsgebiets ist für den 13. Juli 2011 geplant. Die Be

triebssperre, die verhängt wurde, wird bei normalem Verlauf wohl nach den vorgegebenen Fristen am 31. Juli 2011 aufge hoben werden können.

Im Sperrgebiet, der Fläche mit einem Radius von 1 km um den betroffenen Betrieb, wurden die Produktionsbücher der ansässigen Geflügelhaltungen kontrolliert. Die Tiere wurden einer klinischen Untersuchung unterzogen. Außerdem wur den die Bestände mittels Blutproben sowie Tracheal- und Klo akentupfern untersucht. Die Tiere aus dem betroffenen Be stand sowie Gülle und Einstreu unterliegen grundsätzlich ei nem Verbringungsverbot.

Wie Sie sehen, hat es sich insgesamt um einen Befall von niedrigpathogener Influenza gehandelt. Nichtsdestotrotz sind die Regelungen des Seuchengesetzes einschlägig und wurden von den zuständigen Veterinärbehörden anhand der geltenden Gesetzgebung entsprechend umgesetzt.

Der Ausgangspunkt der Vogelgrippe waren Lieferungen eines Betriebs aus Nordrhein-Westfalen nach Baden-Württemberg. Im Zeitraum vom 28. April bis 24. Mai wurden im Rahmen der epidemiologischen Ermittlungen insgesamt fünf verdäch tige Lieferungen nach Baden-Württemberg ermittelt. Betrof fen waren 18 Geflügelhaltungen als sogenannte Kontaktbe triebe, zu denen also direkt verbracht wurde, die direkt bzw. über Vermittlung eines baden-württembergischen Händlers beliefert wurden. Eine dieser Geflügelhaltungen hat wieder um zehn weitere Geflügelhaltungen beliefert. Diese Betriebe mit direktem oder indirektem Kontakt waren bei den Unter suchungen bis auf den einen Hof allesamt frei von Krankheits erregern. Nach der Keulung des Bestands im betroffenen Hof im Landkreis Lörrach gab es zum Teil nochmalige Beprobun gen und Untersuchungen, die ebenfalls negativ ausgefallen sind.

Ihre Frage nach der Einschlägigkeit von Zusammenhängen mit bestimmten Betriebsformen möchte ich wie folgt beant worten: Der betroffene Betrieb war kein Biobetrieb. Auch die Händlerstruktur hat sich im konventionellen Bereich bewegt. Es gibt in der Frage, ob bestimmte Formen der Geflügelhal tung bestimmte Anfälligkeiten mit sich bringen, unterschied liche wissenschaftliche Erhebungen. Uns in Baden-Württem berg fehlt aufgrund der Anzahl der hier aufgetretenen Fälle ei ne statistische Breite, um sichere Auskünfte geben zu können.

Im betroffenen Seuchenbetrieb in Baden-Württemberg waren die positiven Befunde schwerpunktmäßig in der Stallhaltung bei dort untergebrachten Enten und Puten diagnostiziert. Die Ergebnisse der virologischen Untersuchung der mit Freilauf gehaltenen Gänse des Seuchenbestands waren negativ. Im Freilauf als Verbringungsform wurde also keine Ansteckungs gefahr gesehen. Wir können aber aus den Einzelfällen, die jetzt vorliegen, nicht ableiten, dass diese Tierseuchenart be stimmte Haltungsformen besonders gehäuft betrifft.

Die Frage, inwieweit die Haltung von Hausgeflügel im Frei land in puncto Influenza-Ansteckung besonders gefährdet ist, hat das Friedrich-Loeffler-Institut, also das zuständige Bun desinstitut für Tiergesundheit, im Jahr 2002 in Form von Pro jekten untersucht, und zwar unter der Grundannahme, dass die Freilandhaltung aufgrund des häufigeren Kontakts zu Wildvögeln ein besonders erhöhtes Infektionsrisiko berge. Gleichwohl gibt es neuere Untersuchungen, die sich eher an

der Frage des Industrialisierungsgrads der Tierproduktion als Risikofaktor orientieren.

Ich will aber sagen: Es gibt hierbei in der Wissenschaft keine abschließende Position oder keine herrschende Lehre, der wir uns als Landesregierung anschließen könnten. Vielmehr ist es nach wie vor richtig, bei der Freilandhaltung besondere Si cherheitsmaßnahmen – es geht um Netze und Ähnliches; Sie kennen das ja aus der letzten größeren Vogelgrippeepidemie – durchzuführen, gleichzeitig aber auch im Bereich Stallhal tung und anderem die entsprechenden Richtlinien einzuhal ten und genau zu kontrollieren, so, wie es in diesem Fall auch getan wurde. Deshalb konnte zum Glück verhindert werden, dass weitere Ansteckungen außerhalb des einen Hofes in Ba den-Württemberg erfolgten.

Vielen Dank.

Gibt es eine Zusatzfrage? – Eine Zusatzfrage, Herr Abg. Schmiedel.

Herr Minister, ich habe zwei Zusatzfragen.

Sie haben jetzt beschrieben, auf welchem Weg die Geflügel pest aus Nordrhein-Westfalen nach Baden-Württemberg ein geschleppt wurde. Meine Frage ist: Was war denn die Ursa che des Ausbruchs in Nordrhein-Westfalen? Gibt es da irgend welche Versäumnisse? Und wie ist der zeitliche Zusammen hang zwischen dem Ausbruch in Nordrhein-Westfalen und der Verschleppung nach Baden-Württemberg? Das war die erste Frage.

(Zurufe: Schriftliche Antwort! – Vereinzelt Heiter keit)

Die zweite Frage: Geflügelpest ist ein sehr martialisches Wort. Sie haben darauf hingewiesen, dass für die menschliche Ge sundheit keine Gefahr bestanden habe. Können Sie noch ein mal erläutern, welcher Zusammenhang bei dieser Tierseuche zwischen dem Verzehr verseuchten Fleisches und möglichen menschlichen Gesundheitsschäden besteht?

Bitte, Herr Minister.

Vielen Dank für die Frage, Herr Frakti onsvorsitzender Schmiedel. Zur Frage zur Influenza-Auswir kung ist, wie gesagt, die gute Nachricht: Es bestand zu kei nem Zeitpunkt Gefahr für Menschen.

Wie Sie wissen, ist die aviäre Influenza eine ansteckende Er krankung bei Vögeln. In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass bestimmte aviäre Influenzaviren, also Grippeerreger bei Vögeln, auf den Menschen übertragen werden. Wenn dies ge schieht, dann in der Regel durch direkten Kontakt mit infizier ten Vögeln. Das ist bisher die Hauptursache für solche Din ge.

Im Zusammenhang mit der letzten Geflügelpest stand in Ba den-Württemberg und auch bundesweit insbesondere die Fra ge des Übergangs von Wildgeflügel auf Hausgeflügel im Vor dergrund. Bei dem derzeitigen Geschehen ist eine Ansteckung von Menschen mit dem einschlägigen niedrigpathogenen Vi rus – der Fachbegriff lautet LPAI – ausgeschlossen. Eine Ge

fährdung der menschlichen Gesundheit, etwa durch den Ver zehr von Geflügelprodukten, hätte, selbst wenn solche Pro dukte in den Umlauf gekommen wären, nicht bestanden.

Die Influenzaviren der Subtypen H5 und H7 können im Haus geflügel spontan zu einer hochgefährlichen Form mutieren. Das ist der Ausgangspunkt, weshalb der Gesetzgeber auf eu ropäischer Ebene und der Bundesgesetzgeber in Umsetzung der europäischen Richtlinien an dieser Stelle auch diese für Menschen nicht gefährlichen Formen mit in das Seuchenge setz und die entsprechenden Bekämpfungsmaßnahmen auf genommen hat.

Wenn wir fachlich korrekt bleiben wollen, stellt sich das jet zige Ereignis mit dem jetzigen Erreger eigentlich nicht als klassische Geflügelpest dar. Vielmehr würden wir es als eine Vogelgrippe bezeichnen, also eine anzeigepflichtige Tierseu che, die aber bei einer breiteren Einschleppung in den Nutz geflügelbestand zu hohen Verlusten führen kann. Insofern ist diese frühe Maßnahme, die das Seuchengesetz vorschreibt, an dieser Stelle auch richtig, da unter ungünstigen Umständen bei Vögeln auch die Influenzaviren, wie bereits erwähnt, zu Infektionen und Krankheitsfällen auch bei Menschen bzw. Säugetieren führen können.

Was Nordrhein-Westfalen angeht, so haben wir uns gleich nach dem dortigen Ausbruch bemüht, bei den dort identifizier ten Betrieben sicherzustellen, dass die Lieferwege nach Ba den-Württemberg klar sind. Die Betriebe in Baden-Württem berg, die ich aufgeführt habe, sind zeitnah von den örtlichen Behörden untersucht worden – mit den genannten Ergebnis sen, dass es mit Ausnahme des einen betroffenen Hofes im Landkreis Lörrach zu keinen positiven Befunden gekommen ist, weder bei den Untersuchungen durch unsere Chemischen und Veterinäruntersuchungsanstalten noch bei den Proben durch die Bundeseinrichtungen, die gegenkontrolliert haben.

Über die genaue Ursachenanalyse aus Nordrhein-Westfalen habe ich leider keine exakten Erkenntnisse. Das kann ich aber gern nachreichen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Vielen Dank!)

Mir liegen keine wei teren Zusatzfragen vor. – Vielen Dank, Herr Minister.

Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 3 auf:

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. H a n s M a r t i n H a l l e r S P D – I C L o r e l e y

Herr Präsident, meine Da men und Herren! Ich frage die Landesregierung:

a) Welchen Sachstand hat die Landesregierung im Hinblick

auf den Versuch ihrer Vorgängerin vorgefunden, durch Ver handlungen mit der DB Station & Service AG Mehrbelas tungen für die Landeskasse im Umfang von 400 000 € jähr lich durch höhere Stationspreise für Halte in Nürtingen und Tübingen aufgrund der Einführung des IC Loreley abzu wenden?

b) Welches Ergebnis hatte die von der vorausgegangenen Re

gierung in der Plenarsitzung am 25. November 2010 zuge sagte Prüfung eines Verzichts auf den IC Loreley?

Vielen Dank. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Staatssekretärin Dr. Splett das Wort.

Herr Präsident, sehr ge ehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abg. Haller, ich möchte Ihre Fragen wie folgt beantworten:

Die Landesregierung hat folgenden Sachstand vorgefunden: Die alte Landesregierung hat die Bundesnetzagentur über die unzulässige Stationspreiserhöhung in Kenntnis gesetzt. Das bis 2010 geltende Preissystem war einseitig nur von der DB Station & Service AG ausgestaltet worden, und es war zudem alles andere als transparent. Die Bundesnetzagentur hatte zu gesagt, den Fall Tübingen bei der Überprüfung des Stations preissystems, die von der Bundesnetzagentur im Jahr 2010 durchgeführt wurde, mit zu berücksichtigen.

Mit dem neuen, im November 2010 von der Bundesnetzagen tur im Wesentlichen gebilligten Stationspreissystem hat sich der Preis für einen Stationshalt in Tübingen aber nochmals gravierend erhöht. Hintergrund dafür ist nicht mehr der ICHalt, sondern ein insgesamt verändertes Preissystem, welches für Baden-Württemberg landesweit zu einer Erhöhung der Stationspreise um ca. 7 Millionen € pro Jahr führen wird.

Ein Halt in Tübingen kostet jetzt noch einmal doppelt so viel wie vorher. Im Jahr 2009 waren wir bei 1,48 €, in Jahr 2010 bei 6,43 €, und im Jahr 2011 sind wir bei 11,87 €.

Das Herantreten der alten Landesregierung an die DB Stati on & Service AG mit dem Wunsch, die Einstufung Tübingens im Stationspreissystem für 2010 nochmals zu überdenken, blieb erfolglos.

(Zuruf des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE)

Die DB Station & Service AG hat sich auf die im Jahr 2010 festgestellte grundsätzliche Gültigkeit der im Stationspreis system 2005 enthaltenen Einstufungskategorien berufen und hält die durch den IC-Halt entstandene Höherstufung Tübin gens für korrekt.

Das Zusammenspiel zwischen dem Land als Besteller von Schienenpersonennahverkehrsleistungen, der DB Netz und der DB Station & Service AG als Bereitsteller der Infrastruk tur und den vom Land beauftragten Eisenbahnverkehrsunter nehmen geht in dem bestehenden System zulasten der Ver kehrsunternehmen und damit zulasten der Länder als Bestel ler und Bezahler dieser Leistungen.

Der DB-Konzern erwirtschaftet auf der anderen Seite einen wesentlichen Teil seines Gewinns mit der Erhebung der Sta tions- und Trassenpreise. Die bei der DB AG konzernintern gesetzten Renditevorgaben gehen zulasten der Länder.

In Baden-Württemberg sind in allen Verkehrsverträgen Tras sen- und Stationsentgelte durchlaufende Kosten. Im Übrigen würde kein Eisenbahnverkehrsunternehmen, auch nicht die DB Regio, diese Kosten auf die eigene Rechnung nehmen. Sie machen über 50 % des Bestellerentgelts aus. Diesen Be trag selbst zu stemmen ist für die Verkehrsunternehmen nicht leistbar.

Jeder Euro an Regionalisierungsmitteln, den das Land für Trassen- und Stationspreise ausgeben muss, kann nicht für die

Bestellung zusätzlicher Verkehrsleistungen ausgegeben wer den. Ziel aller Bundesländer ist es daher, die Trassen- und Sta tionspreise zumindest konstant zu halten.

Letztlich wird sich eine echte Verbesserung, die ja nicht nur den Ländern, sondern in erster Linie den Nutzerinnen und Nutzern des Schienenpersonennahverkehrs zugutekommen würde, im bestehenden System jedoch nicht erreichen lassen. Der grün-rote Koalitionsvertrag sieht daher konsequenterwei se vor, dass die Trägerschaft von Eisenbahnstrecken ohne überregionale Bedeutung vom Bund auf die Länder übergeht.

Die Regionalisierung des Nahverkehrs auf der Schiene in den Neunzigerjahren ist und bleibt ein Erfolgsmodell. Die Regi onalisierung der Schieneninfrastruktur ist der nächste logische Schritt.

Zur zweiten Frage: Durch die grundsätzliche Veränderung des Stationspreissystems ergibt sich die Verteuerung in Tübingen seit diesem Jahr nicht mehr aus dem IC-Halt. Ein Verzicht auf den IC Loreley erübrigt sich daher.

Vielen Dank. – Eine Zusatzfrage, Herr Abg. Haller.