Protokoll der Sitzung vom 25.09.2013

Doch genauso wie bei der Türkei sehen wir bei Serbien kriti sche Punkte und Verbesserungsbedarf, bis ein Beitritt erfol gen kann. Aber dafür müssen wir miteinander reden. Wir wen den uns entschieden gegen die Absicht der CDU, die Beitritts verhandlungen mit der Türkei abzubrechen. Das Beispiel, dass unlängst der Vertrag zwischen dem Kosovo und Serbien auf Druck der EU abgeschlossen wurde, zeigt, dass die EU hier wirklich Friedenssicherung betreiben und europäische Integ ration vorantreiben kann.

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wird auch positiv dargestellt. Das erleben wir täglich im Oberrheingebiet. Wir stellen hier dieser zaudernden Europapolitik der Kanzlerin das ganz konkrete Bild entgegen, wie wir das hier im Land Ba den-Württemberg anders betreiben.

Schließlich wurde die Bundesregierung vom höchsten deut schen Gericht korrigiert, damit das Parlament und die Länder in Deutschland wieder in grundgesetzkonformer Weise bei eu ropäischen Entscheidungen eingebunden werden. Die vielen bilateralen Verträge zwischen Regierungen ohne Mitwirkung des Europäischen Parlaments und ohne Mitwirkung des Bun desrats verstoßen gegen unser Verständnis von Demokratie und verstoßen auch gegen unsere Verfassung. Wir sind froh, dass wir in Baden-Württemberg diese Abläufe demokratischer gestalten, und fühlen uns ausgesprochen gut informiert von unserer Landesregierung und von unserem Minister.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Für die SPD-Fraktion er teile ich Frau Abg. Haller-Haid das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Heute wird ja immer wieder gesagt, die Bundestagswahlen seien vorbei. Aber bekanntlich ist nach der Wahl vor der Wahl. In neun Monaten sind Europawahlen. Spä testens dann können wir das Thema Europa nicht mehr so ver drängen, wie das im vergangenen Wahlkampf passiert ist. Da wurde vor allem auch von der Bundeskanzlerin das Thema Europa immer wieder ausgeklammert. Das hat dazu geführt, dass eine europaskeptische oder – so kann man auch sagen – Europa ablehnende Partei beinahe ins Parlament gespült wor den wäre.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Da machen Sie es sich aber einfach!)

Die AfD hat es verstanden, Vorurteile zu verstärken und zu schüren nach dem Motto: Wir zahlen nicht für die faulen Süd länder, und deshalb müssen die raus aus dem Euro, am besten wir auch noch mit, schließlich ist es uns ja auch mit der D-Mark gutgegangen.

Welche Folgen so etwas für unsere Wirtschaft hätte, das müs sen wir den Leuten aufzeigen. Wir müssen in dieser Frage par teiübergreifend an einem Strang ziehen und die Zusammen hänge entsprechend darstellen.

Wir müssen jetzt den Leuten zeigen, was in den nächsten Mo naten in Europa ansteht, und wir müssen endlich darüber dis kutieren. Deshalb ist der heute vorliegende Europabericht ein guter Anlass, darüber zu reden, was vorrangig ist.

Aus meiner Sicht geht es um zwei Punkte. Wir müssen ers tens die Ursachen der Krise bekämpfen, also Banken regulie ren, und wir müssen uns zweitens um die Folgen kümmern. Dazu einige Stichworte.

In einigen Punkten sind wir ja in den letzten Wochen weiter gekommen, aber so manches, was vorrangig hätte gemacht werden müssen, wurde eben auch dem Wahlkampf geopfert – Stichworte Bankenabwicklung und Bankenfonds. Ich bin ja froh, wenn wir dabei jetzt weiter sind, aber bisher ist gerade da Finanzminister Schäuble auf die Bremse getreten.

Stichwort Finanztransaktionssteuer: Es gibt immerhin elf Staaten, die dafür sind, aber das Ganze zeigt auch ein biss chen, dass der Bruch nicht nur zwischen Nord und Süd in Eu ropa verläuft, sondern dass auch ein Bruch durch den Norden geht und dass da ein ganz dringender Diskussionsbedarf be steht.

Weitergekommen sind wir bei der einheitlichen Bankenauf sicht und bei Basel III. Der einheitlichen Bankenaufsicht hat das Europäische Parlament kürzlich zugestimmt. Damit steht eine weitere wichtige Säule für die Bankenunion. Hier ist es gelungen, unsere Genossenschaftsbanken und Sparkassen au ßen vor zu lassen. Das ist auch eindeutig ein Erfolg der Lan desregierung, die große Anstrengungen unternommen hat,

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

und unserer Europaabgeordneten, denen ich an dieser Stelle ausdrücklich dafür danken will.

Auch bei Basel III wurden wesentliche Verbesserungen er reicht. Ich zitiere aus einem gemeinsamen Brief von IHK, Handwerkstag, Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die geschrieben haben, dieser Erfolg sei nur durch das große En gagement der baden-württembergischen Politikerinnen und Politiker auf allen Ebenen möglich gewesen, die eine Benach teiligung verhindert haben.

Was wir jetzt aber dringend brauchen, sind Regelungen für die Kreditvergabe, hier insbesondere an die KMUs. Die müs sen nicht nur allein bei uns greifen, sondern die müssen auch in den Ländern greifen, denen es zurzeit nicht gutgeht, also eben auch in Griechenland, Portugal und Spanien, wo die klei neren Unternehmen von ihren Banken so gut wie keine Kre dite mehr bekommen.

Ich würde jetzt gern noch einmal ausführlich etwas zu den Folgen sagen, mit denen wir uns herumschlagen müssen. Ich

meine insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit. Hier gibt es jetzt die Jugendgarantie mit einem Finanzvolumen von 6 Mil liarden €. Das hört sich viel an, aber im Vergleich zu dem, was die Bankenrettung gekostet hat, ist das nur eine sehr kleine Summe. Leider gibt es von der EU hierzu noch keine Ausfüh rungsbestimmungen. Wir drängen ganz stark darauf, dass bei der Ausführung natürlich unsere Projekte, die wir im Ausland an vielerlei Stellen machen – Baden-Württemberg fördert dort die duale Ausbildung –, von der EU unterstützt werden. Das ist uns sehr wichtig.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen Punkt ansprechen, der mir auch sehr wichtig ist: die friedenspolitische Dimensi on von Europa, Stichwort Syrien. Wir können als Europäer in diesem Konflikt nicht sehr viel anbieten, aber was wir tun kön nen, ist, bei uns mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Baden-Würt temberg tut das und nimmt zusätzlich 500 Flüchtlinge auf. Da für hat sich Innenminister Gall sehr stark eingesetzt. Dafür möchte ich ihm an dieser Stelle ganz herzlich danken. Ich hof fe sehr, dass das Beispiel von Baden-Württemberg auch ein Vorbild für andere Bundesländer wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Grimm das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Anfang stand Europa. Was wird am Ende sein? Ich glaube, ich verspreche nicht zu viel, wenn ich sage: Es wird wieder Europa sein. Die Frage ist nur: Welches Europa? Was in den 1950er-Jahren mit sechs Staa ten als Europäische Gemeinschaft begonnen hat, ist heute die EU mit 28 Mitgliedsstaaten. Zuletzt ist Kroatien der Europä ischen Union beigetreten, und wir alle wissen: Serbien steht vor der Tür. Haben wir mit dieser Entwicklung nicht Quanti tät statt Qualität gewählt? Am Anfang haben wir es geschafft, wichtige Probleme zu lösen. Ich denke, am Wichtigsten war damals die Abschaffung von Kriegsgründen.

Der Bericht der Landesregierung über aktuelle europapoliti sche Themen zeigt ein Europa der Vielfalt; dieses Europa hat vielfältige Probleme. Ob Finanzen, Wirtschaft, Arbeit, es gibt viele Probleme, welche auf Lösung warten. Ich nenne nur die Staatsverschuldung, die lahmende Wirtschaft in einigen Staa ten sowie die hohe Jugendarbeitslosenquote, die nicht erst seit gestern besteht.

Trotzdem können wir uns über dieses Europa auch freuen. Es ist nämlich nicht nur ein Europa der Einfalt, sondern auch der Vielfalt. Wenn wir aufpassen – das müssen wir –, wird es auch kein Europa der Gleichheit. So unterschiedlich die Teile die ses Europas sind, müssen wir aber darauf achten, dass sie zu sammen ein Puzzle bilden. Denn Italien ist nicht Deutschland, und Frankreich ist nicht Großbritannien. Das ist auch gut so.

Ich habe vor ein paar Wochen die Donauparlamentarierkon ferenz in Ulm besucht. Was die Zusammenkunft von 14 Do nauanrainerstaaten als politisches Hauptziel der Gemeinsam keit gezeigt hat, gilt für ganz Europa. Allerdings müssen wir die Kräfte der Länder bündeln. Es kommt auf das Miteinan der an. Dann können auch alle voneinander profitieren.

Aber wir müssen aufpassen, dass wir keine Doppelstrukturen schaffen. Dieses Europa darf sich nicht in unüberschaubaren Institutionen und unterschiedlichen Wegen zerfleddern. Ein gemeinsamer Weg muss unser großes Ziel sein.

Mehr ein Gegeneinander statt eines Miteinanders ist es aber, wenn ein Land versucht, einem anderen Land nicht durch Wettbewerb, sondern durch Repressalien Konkurrenz zu ma chen. So war es auch in der Vergangenheit, wenn aus Grün den der Konkurrenz versucht wurde, einem deutschen Auto mobilhersteller Hindernisse in den Weg zu legen, z. B. durch Vorschriften über Klimaanlagen oder anderen Regulierungen wie die Reduzierung des Schadstoffausstoßes – so haben wir es in der Anhörung zum Thema „CARS 2020“ gehört.

Ob Europawährung oder Anzahl der Mitglieder der EU, viel leicht sollte man aus der Entwicklung unseres Europas – das ist auch schon angesprochen worden – Tempo herausnehmen. Für uns Liberale gehört zu Europa eine gemeinsame und sta bile Währung. Wir müssen dafür kämpfen, dass sich alle Ge nerationen darauf verlassen können. Wichtiges Fundament ei ner soliden Währung sind stabile Haushalte in allen Mitglieds staaten der Eurozone. Das setzt natürlich eine solide Arbeits- und Wirtschaftspolitik voraus. Nur so kann die EU eine Sta bilitätsunion werden.

Hilfen für Länder der Eurozone darf es nur gegen strenge Auf lagen geben; denn Solidarität sollte keine Einbahnstraße sein. Deshalb müssen auch private Gläubiger an der Lösung der Schuldenkrise beteiligt werden. Es muss selbstverständlich sein, dass der deutsche Steuerzahler das letzte Wort über fi nanzielle Hilfen hat.

Wichtig ist beim Thema Banken Folgendes: Die Bausparkas sen hier im Lande werden in Europa wie ein Hedgefonds be handelt. Wir kennen die Bausparkassen und wissen, dass die dortigen Anlagen nicht hoch spekulativ sind. Ich denke, hier muss die Landesregierung nachverhandeln, sodass wir zu an deren Regelungen kommen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Dieses Modell der Bausparkassen darf nicht unter die Räder kommen. Übrigens wird es mittlerweile auch in anderen EUStaaten übernommen.

Brennende Fragen nach der Energiesicherheit, der Rohstoff versorgung, dem Umwelt- und Klimaschutz, dem Welthandel sowie der inneren und äußeren Sicherheit können National staaten in Zukunft nicht mehr im Alleingang beantworten. Deshalb wollen wir Liberalen eine starke, selbstbewusste EU, die eine aktive Rolle in der Welt spielt. Die EU muss an den Stellen enger zusammenarbeiten, an denen es für die Bürger echte Vorteile gibt.

Ich denke, die kommende Europawahl wird Gelegenheit da zu geben. Wir haben schon darüber gesprochen: Am 25. Mai nächsten Jahres findet die Europawahl statt. Stellen Sie sich vor, viele Menschen in Baden-Württemberg gingen wieder nicht zur Wahl. Bekanntlich werden die Europawahl und die Kommunalwahlen zusammengelegt; dennoch liegt die Wahl beteiligung weit unter 50 %. Das bedeutet, dass jeder zweite Bürger nicht zur Wahl geht.

Deshalb ist es wichtig, dass wir den Bürgern deutlich machen, welche Vorteile Europa jedem bietet. Ich bin der Meinung, dass wir hier zu viel über Europa reden, aber zu wenig mit den Bürgern in Europa.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Zeigen wir ihnen, dass Europa fast grenzenlose Freiheit be deutet, dass Europa Freizügigkeit für Bildung und Arbeit und auch Wohlstand bedeutet. Wir sind alle gefordert, immer wie der auf die Vorzüge unseres Europas hinzuweisen.

Unser Haus Europa hat noch viele Baustellen. Da machen wir uns auch nichts vor. Aber wenn wir Europa nach außen hin positiv kommunizieren, dann – davon sind wir überzeugt – können wir die Wahlbeteiligung bei der Europawahl im kom menden Jahr steigern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Friedrich das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir können mit Stolz darauf blicken, dass Kroatien der Europäischen Union am 1. Juli dieses Jahres beigetreten ist. Das ist ein Erfolg, den Ba den-Württemberg mit ermöglicht hat, und zwar durch eine langjährige gute Zusammenarbeit und eine praktische Koope ration bei den Themen, bei denen Hindernisse bestanden ha ben – Polizeizusammenarbeit, Umwelt, Bildung –, und ande ren Themen.

Dieser Schritt, dass Kroatien Mitglied der Europäischen Union geworden ist, zeigt, dass Europa weit mehr ist als nur der Eu ro. Der Satz der Bundeskanzlerin: „Wenn der Euro scheitert, dann scheitert Europa“, ist schlicht und ergreifend falsch. Die europäische Idee ist weit mehr. Das Friedensprojekt Europa hat nach wie vor eine große Anziehungskraft. Es ist gut, dass weitere Länder Mitglied in der Europäischen Union werden wollen – ohne dass wir sozusagen Rabatte bei den Anforde rungen für die Mitgliedschaft gewähren würden.

Es ist gelungen, ein Land in die Europäische Union aufzuneh men, in dem es noch vor 13 Jahren Kriegshandlungen gege ben hat. Dies zeigt, wie stark die Friedensidee Europa nach wie vor ist. Es ist ein großer Erfolg für die Europäische Uni on, gerade bei dem derzeitigen schweren Fahrwasser diesen Erweiterungsschritt gehen zu können. Ich bin froh, dass wir gemeinsam daran mitgewirkt haben.

Ich stehe in meinem Bericht über die aktuellen europapoliti schen Themen noch ein bisschen unter dem Eindruck des Gip feltreffens in Berlin am 3. Juli 2013 zum Thema Jugendar beitslosigkeit. Wir müssen uns schon fragen, ob es sich dabei um eine reine Showveranstaltung gehandelt hat oder ob in der Sache wirklich etwas passiert. Im Rahmen der Jugendgaran tie werden neben den ursprünglich vereinbarten 6 Milliarden € noch weitere 2 Milliarden € aufgewandt. Ich befürchte, dass damit Praktikumsgutscheine oder Beschäftigungsgelegenhei

ten geschaffen werden, wodurch die Statistik für ein, zwei Jah re aufgebessert wird. Dann werden wir einen schönen Statis tikeffekt feiern können. Damit sind dann allerdings keine Strukturen geschaffen worden.

Ich habe Bundesministerin von der Leyen, als das Gipfeltref fen angekündigt wurde, mit der Bitte angeschrieben, die Bun desländer – auch Baden-Württemberg – mit ihren praktischen Erfahrungen bei den Themen „Bekämpfung von Jugendar beitslosigkeit“ und „Aufbau einer dualen Ausbildung“ einzu beziehen. Wir führen Kooperationsprojekte am Oberrhein, am Hochrhein, am Bodensee durch. Wir haben Partner im Rah men der Donauraumstrategie, im Rahmen der „Vier Moto ren“. Ich habe ihr Beispiele dafür genannt, was wir tun kön nen und was wir tun wollen. Der Brief, den ich darauf bekom men habe, war nicht einmal besserer Kanzleitrost. Mir wurde die Nummer des zuständigen Referenten im Bundesministe rium für Arbeit und Soziales mitgeteilt, falls ich noch Fragen hätte.