Protokoll der Sitzung vom 06.11.2013

Damit kämen die – eher geringfügigen – Verbesserungen, die mit der Novellierung des Einkommensteuergesetzes für die Beschäftigten geschaffen worden sind, auch den Angehörigen des öffentlichen Dienstes zugute.

Das will die Landesregierung aber offenbar nicht, sondern sie sieht vor, künftig konkrete Pauschalen im Landesreisekosten gesetz zu verankern. Es wurden die drei Stufen genannt: 6 €, 12 € und 24 €. Beim Festhalten am Verweis auf das Einkom mensteuerrecht wären es 12 € bei einer Dienstreisedauer von mindestens acht Stunden und 24 € für einen vollen Kalender tag. Die Differenz wird von der Landesregierung mit 2,5 bis 3 Millionen € pro Jahr beziffert.

Ich darf aus der Gesetzesbegründung zu den Anhörungsergeb nissen zitieren:

Städtetag, Landkreistag und Sparkassenverband haben gegen die vorgesehene Gesetzesänderung keine Einwen dungen.

BBW, DGB und ARGE-HPR lehnen die vorgesehene Strei chung des im Landesreisekostengesetz enthaltenen Ver weises auf das Steuerrecht ab.

Ich zitiere weiter:

Die Landesregierung verpasse damit die steuerunschäd lich mögliche, insgesamt geringfügige Erhöhung der Rei sekosten, zumal diese in aller Regel die für die Beschäf tigten real entstehenden Kosten abdecken. Außerdem las se der Entwurf die notwendige Wertschätzung für die Be schäftigten vermissen. Im Übrigen würde die Abweichung vom Steuerrecht für die Beschäftigten, die den Differenz betrag zum steuerfreien Pauschbetrag im Rahmen ihrer Steuererklärungen geltend machen müssten, bürokrati sche Erschwernisse schaffen, was wiederum bei den Fi nanzämtern mit Mehraufwand zu prüfen wäre.

Es beschleicht einen also der Verdacht, dass die Argumenta tion der Landesregierung gegenüber den Staatsdienern etwas kleinlich ist.

Die Vorgehensweise passt im Übrigen in das seither bekann te Schema, im Bereich des öffentlichen Dienstes immer neue, kleinere und größere Zumutungen für vertretbar zu erklären, außerhalb des Bereichs des öffentlichen Dienstes aber so gut wie keine konkreten Einsparvorschläge vorzulegen, sondern teure Prestigeprojekte durchzupauken wie den Nationalpark, die Polizeistrukturreform usw.,

(Oh-Rufe von den Grünen)

die durchaus auch mit höherem Personalaufwand verbunden sein dürfen; da ist man dann weniger kleinlich.

Eine Umfrage in den anderen Ländern hat keine zusätzlichen Informationen erbracht. Die Länder, die seither schon konkre te Beträge im Gesetz verankert hatten, haben teils bessere – wie Bayern –, teils schlechtere – wie Rheinland-Pfalz – Re gelungen als die von der Landesregierung vorgeschlagene Re gelung. Es könnte sich daher empfehlen, dem Vorbild des Bundes zu folgen, der im Bundesreisekostengesetz einen all gemeinen Verweis auf das Einkommensteuerrecht mit Wir kung vom 1. Januar 2014 aufgenommen hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Herr Abg. Kößler, möchten Sie noch einmal das Wort ergreifen?

(Abg. Joachim Kößler CDU: Nein!)

Nicht. – Damit liegen keine Wortmeldungen mehr zu die sem Tagesordnungspunkt vor. Die Aussprache ist damit been det.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/4225 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Finanzen und Wirt schaft zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Damit ist Tagesordnungspunkt 8 erledigt.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der CDU, der Fraktion GRÜNE, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP – Ent schließung zur Entwicklungszusammenarbeit des Landes – globale Verantwortung übernehmen – Drucksache 15/4083

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung erteile ich, wie im Präsidium ver einbart, dem Vorsitzenden des Ausschusses für Europa und Internationales, Herrn Abg. Hofelich. – Bitte, Herr Abgeord neter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Gestern Abend war ich bei einer Veranstaltung ei nes Wirtschaftsethiknetzwerks an der Katholischen Akademie Hohenheim. Es war sehr beeindruckend, dort den Geschäfts führer der bekannten Firma Ritter Sport, Herrn Ritter, zu hö

ren, der dargestellt hat, wie seine Firma mit Kakaolieferanten umgeht, wie die Qualifizierung in Nicaragua vorangetrieben wird, wie Standards gesetzt werden, wie die Hilfe als Hilfe auf Augenhöhe verstanden wird. Das ist es, was Entwick lungszusammenarbeit ausmacht.

Ich denke, dass es in unserem Land viele solcher guten Bei spiele gibt. Wir, die Politik, sind aufgefordert, diesen guten Beispielen auch eine kontinuierliche und sich weiter verbes sernde Politik der Entwicklungszusammenarbeit an die Seite zu stellen.

Das macht den heute vorliegenden Entschließungsantrag so wertvoll: Wir wollen heute über alle vier Fraktionen hinweg eine gemeinsame Entschließung mit elf Punkten vorschlagen und debattieren, die die Entwicklungspolitik in Baden-Würt temberg sowohl in der Kontinuität, die wir über Jahre hinweg haben, als auch in der Weiterentwicklung, für die wir uns neue Ziele setzen wollen, zum Gegenstand hat.

Wir freuen uns sehr, dass es gelungen ist, gemeinsam für ein weltoffenes Baden-Württemberg einzutreten und eine auch im Koalitionsvertrag vorgenommene Schwerpunktsetzung in elf Punkten zusammenzufassen und gemeinsam zu debattie ren.

Eines ist klar – das darf ich als Ausschussvorsitzender sagen –: Die viel beschworene Globalisierung zwingt nicht nur zum Umdenken im Hinblick auf unsere Partner in der Welt, bei de nen klar ist, dass wir Entwicklungszusammenarbeit brauchen. Vielmehr gibt es immer auch Rückwirkungen auf uns selbst, etwa im Verbraucherverhalten und in der Art, wie wir produ zieren. All dies sind Aufgaben, die uns besonders wichtig sind, bei denen wir, das Parlament und die Regierung, die Legisla tive und die Exekutive, aber auch die Fraktionen in ihrer ge samten Pluralität, gefordert sind. Wir freuen uns, dass dies ge schieht und dass damit auch die Idee des Global Marshall Plans als einer breiten Initiative aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft aufgegriffen wird.

Alle Fraktionen werden sich mit ihren jeweiligen Schwer punktsetzungen dazu äußern. Ich will, liebe Kolleginnen und Kollegen, anhand ganz weniger Punkte von meiner Seite aus sagen, was geschehen ist und worauf wir aufbauen können.

Erstens: Organisation. Dem Anspruch, dass Entwicklungszu sammenarbeit eine Querschnittaufgabe ist, ist in den letzten Jahren, denke ich, auch dadurch Rechnung getragen worden, dass die Rolle des Staatsministeriums bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe gestärkt wurde.

Zweiter Punkt: Budget. Wir sehen, dass wir bei den Budgets ein Stück vorangekommen sind. So haben wir für die Be kämpfung der Armutsprostitution in unserem Partnerland Bu rundi genauso einen Betrag vorgesehen wie für die Trinkwas sergewinnung aus sogenannten Nebelnetzen – das ist übrigens eine interessante Technologie, die auch am Textilforschungs institut in Denkendorf vorankommt. Jedenfalls sind im Haus halt die Mittel für diesen Bereich aufgestockt worden. Das ist erfreulich.

Drittens: Dialog. Es ist gelungen – das ist bundesweit einma lig –, den entwicklungspolitischen Dialog „Welt:Bürger ge fragt!“ zu führen. Dies hat hervorragende Resonanz gefunden,

soweit wir das jeweils im Detail nachvollziehen konnten. Ich bin mir da sehr sicher, weil ich bei solchen Veranstaltungen dabei bin.

Vierter Punkt: Programm. Es gibt im Ministerrat beschlosse ne entwicklungspolitische Leitlinien, die auch angenommen sind.

Fünftens: Vernetzung. Das Eine-Welt-Promotorenprogramm für Baden-Württemberg hat eine gute Resonanz.

Das möchte ich als allgemeine Information zum Einstieg sa gen. Wir freuen uns auch sehr, dass wir bei der Partnerschaft der Parlamente mit unserem Partnerland Burundi einen wei teren Schritt zu gehen versuchen. Wie weit das trägt und wann man wirklich einsteigen kann, wird man sehen. Aber ich den ke, auch das ist ein schönes Signal.

Wir wollen Solidarität nach außen und Entschlossenheit nach innen. In diesem Sinn haben wir, denke ich, mit diesem ge meinsamen Entschließungsantrag eine hervorragende Grund lage, über die wir heute diskutieren können.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Dr. Bernhard Lasotta und Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Lasotta das Wort.

Herr Präsident, werte Kol leginnen und Kollegen! Für die CDU-Fraktion möchte ich zu den entwicklungspolitischen Leitlinien, zu unserem gemein samen Antrag Stellung nehmen.

Wenn wir das Gebäude, in dem wir uns gerade befinden, be treten, können wir an der Wand lesen: „Die Würde des Men schen ist unantastbar.“ Das gilt nicht nur für Bevölkerung in unserem Land, für das, was wir, die Abgeordneten, an demo kratischen Prinzipien umzusetzen versuchen, sondern das gilt insbesondere auch in der Verantwortung für diejenigen Men schen, denen es nicht gut geht, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.

Deswegen ist das entwicklungspolitische Engagement sehr wichtig, um diese Verantwortung zu übernehmen und dies auch in der Haltung gegenüber der Bevölkerung und in der Erziehung der Kinder und Jugendlichen deutlich zu machen. Vor allem ist es aber auch wichtig in Bezug auf das Engage ment der Politik insgesamt, um Lebensverhältnisse zu verbes sern, um soziale Gerechtigkeit zu schaffen, weil das auch un mittelbare Auswirkungen auf die Politikgestaltung in unserem Land hat.

Die schrecklichen Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer raum haben uns allen, glaube ich, wieder einmal bewusst ge macht, wie wichtig es ist, Armut vor Ort zu bekämpfen, den Menschen in ihren Heimatländern zu helfen, damit sie erst gar nicht gezwungen sind, solche Armutswanderungen auf sich zu nehmen, die mit riesigen Gefahren verbunden sind.

Deswegen ist es gut, wenn wir in diesem Parlament zu be stimmten Punkten gemeinsame Entschließungsanträge verab schieden, wenn wir uns zu gemeinsamen Werten und politi schen Aktionen bekennen.

Ich denke, der Dialog, der mit den Bürgern und mit den Ver einigungen in Baden-Württemberg geführt wurde, um die ent wicklungspolitischen Leitlinien zu erarbeiten, war sehr wert voll, weil er deutlich gemacht hat, wo wir stehen und in wel cher Kontinuität der entwicklungspolitischen Arbeit wir ste hen. Bürger, Kirchen, Kommunen, Universitäten und Kran kenhäuser sowie entsprechende Partnerschaften haben bereits in der Vergangenheit einen Riesenbeitrag im Rahmen ihres entwicklungspolitischen Engagements erbracht; dies ist nun neu einzuordnen. Ich denke, es ist gut, wenn auch der Land tag unterstreicht, dass er hinter diesen entwicklungspolitischen Leitlinien steht.

Dennoch muss man auch deutlich machen, dass die Erwar tung, die jetzt in unserem Land geschürt wurde, auch erfüllt werden muss, dass auch ein entsprechendes politisches Han deln dahinter stehen muss.

Herr Hofelich, bei aller Unterstützung dessen, was Sie in Ih rer einführenden Rede gesagt haben: Die Ausgaben für Pro jekte im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit sind von 2009 bis 2013 zurückgegangen. In den Jahren 2009 und 2010 waren es knapp 4 Millionen €, und jetzt liegen wir bei knapp 3,5 Millionen €.

Es gibt auch Proteste von Verbänden. Sie sagen deutlich, sie bekämen z. B. das, was im Rahmen der Weiterentwicklung der Bildungspläne vereinbart wurde – das betrifft das Thema „Globales Lernen“, aus dem sich vieles andere ableitet –, nicht so zugemessen wie im Koalitionsvertrag versprochen und in den entwicklungspolitischen Leitlinien festgeschrieben.