Bernhard Lasotta
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Lieber Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Unabhängig davon, Frau Öney, dass Sie sich manchmal widersprechen – ich erinnere noch einmal an die Aussagen von Ihnen in der letzten Woche, als Sie ja der Bundeskanzlerin vorgeworfen haben, im Sep tember falsche Signale ausgesendet zu haben –, will ich ein mal auf die tatsächlichen Fakten zu sprechen kommen, wie Integration in Baden-Württemberg stattfindet.
Integration findet in den Kommunen statt. Sie haben einen ho hen Anspruch an Ihr eigenes Regierungshandeln formuliert. Die Wirklichkeit im Vergleich mit anderen Bundesländern sieht aber anders aus.
Herr Ministerpräsident, Sie haben den Kommunen verspro chen, ihnen eine Spitzabrechnung der ihnen entstandenen Kosten zu gewähren. Jetzt fragen wir mit einem Antrag nach, welche Kosten tatsächlich geltend gemacht werden können, doch Ihre eigene Landesregierung kann das nicht beantwor ten.
Die Kommunen müssen doch jetzt für Integration investieren. Die Kommunen müssen wissen, wie viele Sozialarbeiter sie einstellen können. Die Kommunen müssen wissen, welche Kosten für den Wohnraum sie geltend machen können. Die Kommunen müssen jetzt wissen, welche Integrationsmaßnah men vor Ort ergriffen werden. Sowohl die FDP/DVP als auch wir bekommen jedoch die lapidare Antwort: „Wir können nicht sagen, was die Kommunen geltend machen können.“ Entschuldigung, jetzt finden die Haushaltsplanberatungen in den Kommunen statt, jetzt muss investiert werden, damit die Integration der Flüchtlinge in Baden-Württemberg gelingen kann.
Da nützt es uns überhaupt nichts, wenn Sie hier Integrations- und Partizipationsgesetze beschließen,
von denen Teile sicherlich richtig sind, aber andere Teile un möglich sind. Sie müssen den Menschen vor Ort konkret sa gen, was Sie machen. Sie müssen das den Kommunen und den ehrenamtlich Tätigen sagen.
Sie haben unsere Anträge zum Thema Ehrenamtsförderung bei den Haushaltsplanberatungen komplett abgelehnt. Sie ha ben in der heutigen Debatte kein einziges Wort dazu gesagt, mit welcher Begründung Sie die eigentlich abgelehnt haben.
Schauen Sie einmal in andere Bundesländer. Bayern, über das Sie immer schimpfen, nimmt 500 Millionen € für das Thema Integration in die Hand. Bayern schafft viel mehr Lehrerstel len für Sprachförderung.
Bayern hat einen entsprechenden Ausbildungspakt mit der Wirtschaft geschlossen: bis Ende nächsten Jahres 20 000 Plät
ze im Praktikums-, Ausbildungs- und Arbeitsplatzbereich, in den nächsten zwei Jahren 60 000 Plätze.
Was ist hier in Baden-Württemberg passiert? Wo ist der Pakt mit der Wirtschaft? Wo werden Sie da aktiv? Integration muss in den Kommunen gelingen. Sprachförderung, Ausbildungs vermittlung, Arbeitsplatzangebote! Dann gelingt Integration in Baden-Württemberg.
Was machen Sie im Bereich des Wohnungsbaus? Wo kom men die Signale in die Kommunen? Die Städte und Gemein den warten händeringend darauf, dass ihnen gesagt wird: Wer den jetzt die Bundesmittel, die 2 Milliarden €, die in diesem Jahr zur Verfügung gestellt werden, und die 4 Milliarden €, die im nächsten Jahr zur Verfügung gestellt werden, an die Kommunen durchgereicht, oder bleibt Geld an den klebrigen Händen des Finanzministers hängen?
Für die Anschlussunterbringung muss Wohnraum geschaffen werden.
Herr Schmiedel, Entschuldigung, die Geldmittel werden jetzt zur Verfügung gestellt, und die Kommunen wollen jetzt wis sen, ob sie das Geld bekommen oder nicht.
Was machen Sie im Bereich der Förderung? Wo öffnen Sie die Linien für die Städtebauprogramme und das Entwick lungsprogramm Ländlicher Raum, damit die Kommunen vor Ort entscheiden können?
Sie machen nichts.
Sie verweisen auf hehre Forderungen, aber Sie machen keine konkreten Angebote an die Kommunen.
Deswegen ist eines deutlich: Wenn Sie sich mit den anderen reichen Bundesländern messen lassen wollen – mit Bayern, mit Hessen, die unglaublich viel in der Integrationsarbeit ma chen –, dann legen Sie endlich los, und senden Sie die richti gen Signale in unser Land. Nur dann kann Integration in Ba den-Württemberg gelingen.
Liebe Frau Öney, wir ha ben Sie in unserem Antrag gefragt, zu welchen Ergebnissen die Lenkungsgruppe hinsichtlich der Zahlengrundlagen und Standards gekommen ist, welche Kosten gegenüber dem Land geltend gemacht werden können. Sie werden ja letzten Endes
auch nicht unbegrenzt sämtliche Kosten, die theoretisch ent stehen könnten, akzeptieren.
Sie schreiben uns, dass das in dieser Arbeitsgruppe selbst für 2014 noch nicht geklärt ist. Wie sollen dann die Kommunen wissen, in welchen Bereichen sie investieren können? Kön nen Sie uns zumindest Anhaltspunkte geben, in welchem Be reich diese Kosten geltend gemacht werden können?
Aber wir hören da auch anderes.
Genau das ist unser Pro blem.
Liebe Frau Präsidentin, werte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Die zweite Lesung des im Entwurf vorliegenden Gesetzes bietet noch einmal Ge legenheit, auf ein paar Punkte einzugehen, zumal wir zwi schenzeitlich auch eine Anhörung im Integrationsausschuss hatten, die von uns beantragt wurde.
Ich mache mir ein bisschen Sorgen darüber, wie integrations politische Debatten von Ihnen geführt werden.
Wenn wir Kritik üben, wie auch bei der ersten Lesung, wird uns sofort Integrationsfeindlichkeit, Integrationsverweigerung unterstellt. Frau Wölfle, ich fand, der Duktus Ihrer Rede bei der letzten Beratung hatte überhaupt keine Gemeinsamkeiten gebracht, sondern war ein Griff in die Mottenkiste: Wenn man nicht für alles ist, was die Regierungsfraktionen vorschlagen,
dann ist man sofort ein Verweigerer der Integration in unse rem Land.
Wir sind eigentlich schon viel weiter in unserer Gesellschaft. Das ist auch genau das Problem dieses Gesetzes, dass näm lich Dinge festgeschrieben und vorgeschlagen werden, die nicht mit konkreten Maßnahmen und auch nicht mit den nö tigen finanziellen Mitteln unterfüttert werden, was letzten En des dazu führt, dass überhaupt keine Brücken gebaut werden können. Sie haben praktisch ein Gesetz innerhalb Ihrer Koa lition verhandelt und jetzt nach viereinhalb Jahren ins Parla ment gebracht, weil es in der Koalitionsvereinbarung stand, ohne eine breite Öffentlichkeit herbeizuführen, ohne Brücken zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteuren wie den Kommunen oder den Arbeitgebern in unserem Land zu bau en. Dementsprechend ist eben auch die Kritik gekommen.
Ich glaube, dass wir viele Punkte viel einvernehmlicher hät ten regeln können und damit auch gemeinsam als Landtag von Baden-Württemberg viel mehr Wirkung in der Öffentlichkeit hätten entfalten können. Deswegen glaube ich, dass vieles, was in dem Gesetzentwurf enthalten ist, unklar geregelt ist, Symbolcharakter hat, nicht zielgenau definiert ist und vor al lem auch nicht mit den Finanzmitteln ausgestattet ist, um tat sächlich eine Wirkung entfalten zu können.
Wir sind uns doch in diesem Haus einig, dass wir eine gleich berechtigte Teilhabe haben wollen. Wir sind uns doch einig, dass wir die Integrationsstrukturen im Land und in den Kom munen stärken wollen. Wir wollen auch eine stärkere inter kulturelle Öffnung der Verwaltung. Aber mit den Punkten, die Sie jetzt vorgeschlagen haben, erreichen wir das nicht.
Sie stülpen den Kommunen ein gesetzliches Leitbild für die Integrationsausschüsse, die Integrationsräte und die Integra tionsbeauftragten über, berücksichtigen aber nicht das, was im Endeffekt an Vielfalt in unserem Land schon vorhanden ist, und unterstützen die Kommunen auch finanziell nicht aus reichend in diesem Bereich.
Sie führen neue Strukturen an den Hochschulen ein und un terstützen das nicht mit den entsprechenden finanziellen Mit teln. Die Hochschulen haben uns gesagt: „Wir können das mit den bestehenden Budgets nicht leisten.“
Sie führen einen Landesbeirat für Integration ein und sagen, da solle es jetzt alle fünf Jahre einen Bericht an den Landtag geben, anstatt schon zu Beginn dieser Legislaturperiode, wie wir es vorgeschlagen hatten, alle gesellschaftlichen Akteure an einen Tisch zu bringen, um zu überlegen, was für die Inte gration in unserem Land tatsächlich notwendig ist.
Sie schaffen Regelungen für die Freistellung an muslimischen und alevitischen Feiertagen, die im Endeffekt von den Arbeit gebern in unserem Land so schon praktiziert werden. Das wur de auch in der Anhörung deutlich; die Arbeitgeber und Hand werksvertreter haben sich deutlich dazu geäußert.
Wie wichtig Integration ist, wissen wir alle. Integration führt zu Toleranz und Akzeptanz. Aber wir dürfen Toleranz auch nicht mit Wegsehen verwechseln. Deswegen brauchen wir ei ne ausgewogene Balance zwischen Fordern und Fördern. Das Fördern ist bei Ihnen in diesem Gesetz nicht mit den entspre
chenden Geldmitteln unterlegt. Wir hätten von Ihnen erwar tet, dass Sie einen Aktionsplan aufgelegt hätten, der folgende Themen umfasst: Sprachkurse, Investitionen in Bildung und Ausbildung, in die Förderung beruflicher Aufstiegsmöglich keiten, um eben Frustrationserlebnisse in dieser Gesellschaft zu vermeiden und die Menschen in die Gesellschaft zu füh ren, eine bessere Wertevermittlung für das, was unsere Ge sellschaft trägt, was unsere Verantwortungsgemeinschaft aus macht, eine kommunale Integrationsförderung, damit die ent sprechenden Akteure vor Ort besser ausgestattet sind, Integ rationsvereinbarungen, Zielbestimmungen für den öffentli chen Dienst anstatt schwammige gesetzliche Formulierungen.
Ein zweiter Punkt: Integration benötigt Hinsehen. Wir haben auch in diesem Land Strukturen, die davon geprägt sind, dass sich eine parallele Gesellschaft entwickelt, aus der wir die Menschen herausholen müssen, in der ultraorthodoxe, isla mistische oder nationalistische Gruppierungen eine Wertevor stellung in unserem Land leben, die es verhindert, überhaupt in diese Gesellschaft hineinzukommen. Auch da müssen wir stärkere Akzente setzen, müssen wir unterstützen, fordern, för dern, auch die liberalen Strukturen innerhalb des Islams, die es unheimlich schwer bei den ultraorthodoxen Verbänden ha ben, die in den Entscheidungsstrukturen oft die Mehrheiten bestimmen. Da hätte ich ein klares Wort erwartet. Diejenigen, die diese Gesellschaft mittragen, die unsere Werte mittragen, können letzten Endes auch ein positiveres Bild des Islams in unserer Gesellschaft vermitteln. Wo sind die Unterstützungs leistungen in diesem Gesetz für diese Gruppen?
Deswegen glaube ich, dass jetzt am Ende der Legislaturperi ode einfach die Versäumnisse der vergangenen viereinhalb Jahre zugedeckt werden sollen, indem man noch schnell ein Gesetz macht, welches letzten Endes aber keine Wirkung ent falten wird, weil es nicht mit entsprechenden Aktionen und Maßnahmen unterlegt ist, auch nicht mit dem Geld für die Ak teure. Deswegen: Zielrichtung „Gut gemeint“, aber das Ge setz beschränkt sich in vielen Teilen auf Symbolik und wird eigentlich dem Anspruch, den wir alle an gute Integrations politik in diesem Land haben, nicht gerecht.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Die Landesregierung legt einen Gesetzentwurf vor, der etwas gesetzlich regelt, was schon gesellschaftlicher Konsens ist.
28 % der Bevölkerung in Baden-Württemberg haben interna tionale Wurzeln. Ja, es gibt Verbesserungsbedarf. Die Frage ist nur: Können die erforderlichen Verbesserungen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erreicht werden?
Was bringt das Gesetz an Mehrwert? Die darin definierten Zie le wie gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Le ben, Stärkung der Integrationsstrukturen in den Kommunen und im Land sowie eine stärkere interkulturelle Öffnung der Verwaltung werden von uns unterstützt.
Unterziehen wir das Gesetz aber einmal einem Faktencheck. Die Belange von Menschen mit Migrationshintergrund in sen siblen Bereichen wie Unterbringung, Justizvollzug, Maßre gelvollzug – z. B. durch Seelsorge – sollen stärker berücksich tigt werden. Das braucht man nicht gesetzlich zu regeln. Das ist vielmehr eine Daueraufgabe der Landesregierung. Das Ver waltungshandeln entspricht im Übrigen auch dem gesellschaft lichen Konsens. Der Gesetzentwurf schreibt hier einen rein deklaratorischen Punkt vor.
Die kommunalen Integrationsausschüsse und -räte sowie die Integrationsbeauftragten, denen nun ein gesetzliches Leitbild übergestülpt wird, sind eigentlich nicht notwendig. Das ist ein
Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Hier ergibt sich kein Mehrwert, zumal mit dem Gesetz auch keine Finanzie rungszusagen verbunden sind.
Auch für den Landesbeirat für Integration, der eingerichtet werden soll und der dem Landtag alle fünf Jahre Bericht er statten soll, braucht es kein Gesetz. Das kann man einfach ma chen. Das war im Übrigen schon ein Vorschlag von uns am Anfang der Legislaturperiode gewesen.
Die interkulturelle Öffnung der Verwaltung, die Erhöhung des Anteils der Menschen mit Migrationshintergrund, ist eben falls eine Daueraufgabe. Jeder arbeitet daran. Die Kommunen haben dies im Übrigen schon viel besser erreicht als das Land. Das muss einfach gemacht werden. Auch hierzu braucht es keine gesetzliche Regelung, zumal keine verbindliche Quote vorgeschrieben wird.
Der Punkt hinsichtlich der Freistellung für Beschäftigte mus limischen und alevitischen Glaubens an religiösen Feiertagen, wenn ein Besuch des Gottesdienstes außerhalb der Dienst- und Arbeitszeiten nicht möglich ist, wenn keine dienstlichen und betrieblichen Notwendigkeiten entgegenstehen und wenn dieser Freistellungswunsch rechtzeitig mitgeteilt wird, ent spricht der gängigen Praxis in den Unternehmen unseres Lan des. Was für ein Bild von unserer Arbeitswelt zeichnen Sie ei gentlich mit diesem Gesetzentwurf?
Es gibt keine Notwendigkeit für diese Regelung. Sie unter stellen den Arbeitgebern damit mangelnde Toleranz. Das ist wirtschaftsfeindlich, und es stellt die Arbeitgeber in unserem Land in eine Ecke, als ob sie nicht auf die Belange ihrer Be schäftigten Rücksicht nähmen. Wenn man rechtzeitig einen Freistellungswunsch anmeldet – es geht uns allen so, die noch in einer abhängigen Beschäftigung tätig sind –, dann ist es doch selbstverständlich, dass dieser mit dem Arbeitgeber be sprochen wird, und meist kann dem Wunsch auch stattgege ben werden.
Sie produzieren Rechtsunsicherheit, indem Sie Begriffe wie „rechtzeitig“ verwenden, diese dann aber nicht entsprechend definieren. Deswegen hat diese Regelung keinerlei Mehrwert.
Der Philologenverband sagt, dass dieser Gesetzentwurf an der gesellschaftlichen Realität vorbeigeht. Der Philologenverband spricht davon, dass der Gesetzentwurf der Bevölkerung und den Behörden eine migrationsfeindliche Einstellung unter stellt. Er sieht ihn sogar als integrationsschädlich an. Die Ar beitgeberverbände und der Handwerkstag sehen keinen Re gelungsbedarf. Die kommunalen Landesverbände beklagen die Verletzung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung. Sie halten die Regelung in Bezug auf die Kommunen für nicht erforderlich.
Was ich am Erschreckendsten an diesem Gesetzentwurf fin de, ist, dass in der Gesetzesbegründung von strukturellen Be nachteiligungen durch diskriminierende Entscheidungen ge sprochen wird. Sie zeichnen damit ein Bild von Baden-Würt temberg, das nicht den Realitäten entspricht.
Mit dem reinen Gesetzestext erreichen Sie überhaupt keine Veränderung, sondern nur dadurch, dass Sie die Menschen un
terstützen, Strukturen schaffen, vor Ort, wo die eigentliche In tegration stattfindet, die Kommunen unterstützen. Sie errei chen nichts, wenn Sie mit erhobenem Zeigefinger der Bevöl kerung und den Arbeitgebern sagen, sie seien diskriminierend. Vielmehr müssten Sie sie auf dem Weg, die Menschen zu in tegrieren, unterstützen.
Viel wichtiger wäre gewesen, die Kommunen zu unterstützen, auch Forderungen zu erheben gegenüber den Migranten, die bei uns leben, um sie in die Verantwortungsgemeinschaft zu integrieren.
Wir sind froh, dass Sie jetzt auf unseren Vorschlag eingegan gen sind, eine Anhörung im Integrationsausschuss durchzu führen, damit auch die kritischen Stimmen nochmals zu Wort kommen können.
Wir halten das Gesetz für reine Symbolpolitik. Es wird nichts erreichen. Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es zwingend notwendig, kein Gesetz zu machen.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Flüchtlingsunterbringung stellt unser Land vor große Herausforderungen. Das Thema wird auf allen Ebenen diskutiert.
Zunächst einmal möchte ich eine Frage zum Thema Gesund heitskarte stellen, zu der ich gern Auskunft von der Landes regierung hätte. Die Gesundheitskarte wird insbesondere von den Grünen massiv eingefordert. In der Berichterstattung der „Heilbronner Stimme“ vom 19. Oktober und der „Stuttgarter Nachrichten“ vom 20. Oktober unter dem Titel „Angst vor Kostenfalle Gesundheitskarte“ ist ein internes Papier der Lan desregierung thematisiert worden, das wohl erhebliche prak tische Probleme in der Umsetzung sieht. Auch Hessen hat die Einführung der Gesundheitskarte verschoben.
Daher stelle ich folgende Fragen: Was für ein internes Papier ist das? Wer hat es in Auftrag gegeben? Von wem wurde es gezeichnet? Stimmen die in der Presseberichterstattung ge nannten Punkte, bei denen es Probleme in der Umsetzung ge ben soll? Welche Bedenken werden in diesem Papier genannt? Welche Kostenrisiken sind insbesondere vorhanden? Wie soll die Abgrenzung der Gesundheitskarte im Hinblick auf die ein geschränkten Leistungen stattfinden? Wie können daten schutzrechtliche Probleme gelöst werden? Wie ist der Stand der Einführung der Gesundheitskarte? Zu welchem Datum will die Landesregierung diese einführen, insbesondere auch bezogen auf den Stand des einzelnen Asylverfahrens, also ab welchem Zeitpunkt des Asylverfahrens plant die Landesregie rung die Einführung?
Ich möchte noch einmal auf das Thema Gesundheitskarte zurückkommen und Ihrer da zu getroffenen Äußerung widersprechen. Denn egal, ob es ei ne Gesundheitskarte gibt oder nicht, wird eine schwangere Frau mit Wehen natürlich versorgt. Das hat überhaupt nichts mit einer Gesundheitskarte zu tun. Das ist ein Notfall. Da greift außerhalb dieses Systems unsere Versorgung. Insofern wäre es schon gut, beim Punkt zu bleiben.
Was mich besonders interessiert, ist die Abgrenzung zum Bud get der Ärzte. Wie soll das tatsächlich gelingen, wenn das au ßerhalb der Budgetierung läuft? Auch zu den Verwaltungs kosten, die bei den Krankenkassen entstehen, hatten Sie nichts gesagt.
Zur Unterbringung: Können Sie das überhaupt gewährleisten, was jetzt zwischen Bund und Ländern beschlossen wurde, nämlich dass die Personen mit einer schlechten Bleibepers pektive tatsächlich in den Erstaufnahmestellen bleiben und von dort zurückgeführt werden? Bei den Zahlen, die wir zur Verfügung haben, sehe ich nicht, dass dieses Ziel überhaupt erreicht werden kann.
Die Grüne Jugend wird sich jetzt über Ihre Äußerung zum Thema Abschiebung be sonders freuen, Frau Staatsrätin. Aber wir haben auch manch mal Probleme mit der Jungen Union.
Daher kann ich da Nachsicht üben.
Was mir jetzt einfach wichtig ist: In so einer Broschüre, die ja tausendfach verteilt wird – –
Zehntausendfach.
Wunderbar. Bald hat jeder Bürger in Baden-Württemberg so eine Broschüre.
Darin darf nicht der Eindruck entstehen, als würde der Staat letzten Endes zweifelhafte Entscheidungen darüber treffen, ob eine Abschiebung stattfinden kann oder nicht. In der Mas sierung der Gründe, was alles einer Zurückführung oder einer Abschiebung entgegenstehen kann, die auf diesen beiden Sei ten aufgeführt werden, kann beim unbedarften Leser schon der Eindruck entstehen, als ob hier letzten Endes eine Viel zahl von Möglichkeiten gegeben ist, um einen Ausweg zu fin den.
Ich hätte es wichtig gefunden, dass Sie das kommentieren und nicht eben nur,
wie Sie gesagt haben, partizipativ aufführen,
sondern dass Sie das letzten Endes kommentieren.
Können Sie diese Haltung nachvollziehen, dass Sie – –
Ich habe doch die Frage gestellt, ob sie diese Haltung nach vollziehen kann. Letzten Endes zielt dies ja auch darauf, dass der Staat seine Handlungen nicht vor anderen Auswegen rechtfertigen muss.
Sind Sie bereit – wenn es eine Weiterführung der Broschüre gibt –, in dem Sinn vielleicht auch ein bisschen mäßigend da rauf hinzuwirken?
Werte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Rechnungshof prüft das Integrationsministerium. Vorab sind jetzt schon Kernaussagen bekannt geworden.
Das Ministerium ist in dem derzeitigen Zuschnitt zu klein und kann seiner Führungsrolle für Integrationsfragen in BadenWürttemberg nicht ausreichend nachkommen. Das haben wir in der Vergangenheit bereits wiederholt kritisiert. Deswegen überrascht uns die Kritik des Rechnungshofs nicht.
Der Steuerzahler in Baden-Württemberg hat ein Anrecht da rauf, zu erfahren, was mit seinen Steuergeldern passiert. Der eigene Zuschnitt dieses Ministeriums kostet nach Aussagen des Ministeriums jährlich 3 Millionen € zusätzlich. Das sind 15 Millionen € in einer Legislaturperiode. Damit kann man gerade in der jetzigen Situation der steigenden Flüchtlings zahlen viel Sinnvolles machen.
Die eigenständige Organisationseinheit ist kostenträchtig und ineffizient. Dabei ist Integrationspolitik eine Querschnittsauf gabe. Das Integrationsministerium selbst ist anscheinend nicht so gut in die Landesregierung integriert, dass es seine Wir kung entfalten kann. Machen Sie, werte Kolleginnen und Kol legen von den Regierungsfraktionen, die Integrationspolitik zu einem echten Schwerpunkt Ihrer Arbeit, und zwar in der Koordination aller Ministerien. Es reicht nicht, Symbolpoli tik zu betreiben, indem man ein eigenes Ministerium schafft.
Dass Frau Öney Kritik droht, hat sie erkannt. Nicht umsonst hat sie die Prüfung ihres Ministeriums als „parteipolitische Agitation“ bezeichnet
und sich in einer E-Mail an SPD-Chef Schmid und Fraktions vorsitzenden Schmiedel darüber beschwert. Das war ein ein maliger Angriff auf die Unabhängigkeit des Rechnungshofs.
Diese Kritik, Frau Öney, ist maßlos
und offenbart ein bedenkliches Verfassungsverständnis. Das werden wir der Landesregierung insgesamt nicht durchgehen lassen.
Wir sind gespannt auf die Ergebnisse und die Kernaussagen des gesamten Gutachtens.
Das Integrationsministerium ist eine Fehlkonstruktion. Es wä re besser gewesen, diesen Aufgabenbereich in einem großen Ministerium anzusiedeln oder dafür eine Stabsstelle zu schaf fen, die die Aufgaben koordiniert. In den anderen Ministeri en läuft die eigentliche Integrationsarbeit: im Kultusministe rium Sprachkurse, Vorbereitungsklassen, berufliche Bildung; im Sozialministerium Themen wie Ehrenamt, Antidiskrimi nierung, das Bestattungsrecht wurde neu geregelt,
kultursensible Pflege; im Finanz- und Wirtschaftsministerium Welcome-Center, berufliche Chancen, Ausbildungsmarkt, Handwerk, Wirtschaft; im Innenministerium das Ausländer recht, die Aufsicht über die Regierungspräsidien, die sich um die Berufsanerkennung kümmern; im Wissenschaftsministe rium ausländische Studierende, Sonderprogramme für Flücht linge, die studieren; im Bereich Justiz Salafismusbekämpfung, Bekämpfung von religiös motiviertem Extremismus –
alles wichtige Themen der Integrationspolitik. Wo ist die Steu erung über Ihr Ministerium, Frau Öney?
Die Politik der Ministerin war am Anfang eher durch Auffäl ligkeiten und Verdächtigungen gekennzeichnet. Ich erinnere an die zwei Rügen durch den Ministerpräsidenten, einmal zu den Aussagen zum „tiefen Staat“ und zu den Rassismusvor würfen gegenüber meiner Partei, der CDU; dann gab es eine ominöse Maulwurfsuche, die zu keinen Ergebnissen geführt hat; Provokationen und Verdächtigungen gegenüber der eige nen Partei. Da wurde einiges an Lehrgeld gezahlt, und dann wurde es eher ruhig um das Integrationsministerium.
Mit der Zunahme der Flüchtlingszahlen schienen sich dann ein neues Aufgabenfeld und eine Berechtigung für das Minis
terium aufzutun. Aber wird das Integrationsministerium die ser Aufgabe wirklich gerecht? Die Koordination zwischen In tegrationsministerium, Innenministerium und Staatsministe rium ist mangelhaft. Wir haben überfüllte Erstaufnahmestel len, zu wenig Kapazitäten bei den Räumlichkeiten, ständige Hängepartien mit den Kommunen hinsichtlich der Finanzie rung, zu wenig Unterstützung für die ehrenamtlich Tätigen in den Kommunen, eine schleppende Umsetzung der Beschlüs se des Flüchtlingsgipfels, was die Themen Sprachförderung und Arbeitsvermittlung betrifft, uneinheitliche Auffassungen bei Grün und Rot, was das Thema Abschiebung angeht, ob man jetzt verstärkt Sachleistungen anstatt Geldleistungen ge währt, was das Thema Übergangsregelung in der Folge der Erhöhung der Quadratmeterzahlen betrifft. Gibt es jetzt ei gentlich Bezirksstellen für Asyl, werden vermehrt Stellen im Bereich der Ausländerverwaltung und der Verwaltungsgerich te geschaffen?
Was hält eigentlich der Koalitionspartner von den Aussagen von Frau Öney, man sollte die Flüchtlinge eher in ostdeut schen Kasernen unterbringen? Der Ministerpräsident setzt jetzt eher auf Traglufthallen. Dann werden wieder mehr Ab schiebungen und die Umstellung auf Sachleistungen gefor dert. Das sorgt für Erstaunen beim grünen Koalitionspartner.
Die Flüchtlingspolitik in Baden-Württemberg ist unkoordi niert, es ist keine Politik aus einer Hand, und das ist genau das, was wir in der Vergangenheit zusammen mit den kom munalen Landesverbänden kritisiert haben. Sie müssen hier Klarheit schaffen. Dieses kleine Ministerium mit dieser Be setzung kann keinen Fortschritt
innerhalb der Flüchtlingspolitik in Baden-Württemberg errei chen.
Warum hat eigentlich das Gesetz zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen über ein Jahr Umlauf innerhalb der Ministerien gebraucht? Sieht so Unterstützung für ein Ministerium aus, das man als Symbolpolitik nach vorn trägt? Warum hat der Ministerpräsident die Idee von Frau Öney, muslimische Feiertage einzuführen, gleich wieder kas siert? Gibt es jetzt überhaupt ein Integrations- und Partizipa tionsgesetz, wie es in der Koalitionsvereinbarung steht?
Lässt sich vor diesem Hintergrund überhaupt noch die Auf tragsvergabe an den ehemaligen Berliner Innensenator Kör ting rechtfertigen, für die viel Geld ausgegeben wurde? Kann Frau Öney eigentlich die Punkte des Flüchtlingsgipfels um setzen? Nein.
Wir fordern eine klare Verantwortung, eine Zentralisierung der Aufgaben und damit eine starke Stellung der Integrations- und Flüchtlingspolitik in Baden-Württemberg.
Ich zitiere den Gemeindetag:
Es werden in großem Umfang asylbegehrende Menschen ohne Identitätsklärung, ohne gesundheitliche Untersu chung und ohne Asylantragstellung in die Stadt- und Landkreise verlegt.
Der Gemeindetag kritisiert die „unkoordinierten Abläufe“ der Asylverfahren und fordert – Zitat – „eine Gesamtkonzeption und eine zentrale Verankerung auf Landesebene“.
Genau das ist der Punkt, bei dem Sie in Ihrer Politik versagen. Bündeln Sie die Aufgaben und die Verantwortung.
Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr. Verlagern Sie diese Aufgaben in das Innenministerium, bei dem ohnehin schon eine entsprechende Taskforce angesiedelt ist und das ohnehin für das Thema Ausländerrecht zuständig ist. Dort findet au ßerdem die Koordination der Abschiebungen statt.
Am Ende.
Sie werden der Argumentation des Rechnungshofs und der Opposition natürlich nicht folgen. Das liegt in der Natur der Sache. Machen Sie aber bitte zumindest das Thema Flücht lingspolitik zu einem Ihrer zentralen Themen in Baden-Würt temberg. Die Bürger und die Kommunen erwarten das. Hier bei benötigen wir eine stärkere Steuerung in unserem Land, damit wir in Baden-Württemberg nicht nur reine Symbolpo litik betreiben, sondern eine gute Zukunft haben.
Ja.
Das Bundesamt für Mig ration und Flüchtlinge hat sein Personal deutlich aufgestockt.
Das werden auch Sie mitbekommen haben. Sie schaffen es aber nicht, das zu koordinieren.
Die Bezirksstellen für Asyl wurden unter einem SPD-Innen minister eingeführt. Eine Stärkung der Verwaltungsgerichte in den entsprechenden Erstaufnahmestellen, eine Stärkung der Ausländerbehörden, eine Koordination in einer Hand: Jeder fordert das, auch Sie von der SPD, aber Sie konnten sich bei ihrem grünen Koalitionspartner nicht durchsetzen.
Das offenbart doch letzten Endes das gesamte Dilemma. Sie streiten sich ständig und schieben das auf Frau Öney ab. Die
se hat aber nur ein so kleines Ministerium, dass sie sich inner halb der Landesregierung nicht durchsetzen kann.
Genau das ist das Kernproblem Ihrer Politik im Ausländer-, im Integrations- und im Flüchtlingsbereich. Genau das ist das Problem.
Ich glaube, ich habe die Frage beantwortet.
Frau Ministerin, es ist ein Streit mit den kommunalen Landesverbänden bezogen auf die Spitzabrechnung der Pauschale entstanden. Die Landesregie rung hat mehrfach angekündigt, die Pauschalen zu überprü fen. Auch wir sind eher der Meinung, dass wir pauschalieren und keine Spitzabrechnung machen sollten, weil der Verwal tungsaufwand zu hoch ist. Da sind wir uns einig.
Allerdings entstehen bei den Gesundheitskosten durchaus Schieflagen in den einzelnen Stadt- und Landkreisen. Wenn mehrere Fälle mit schweren Erkrankungen auftreten, kann es sein, dass die Pauschale nicht auskömmlich ist.
Wie steht die Landesregierung dazu, für den Bestandteil der Pauschale, der die Gesundheitskosten betrifft, eine Spitzab rechnung zu machen? Damit wäre, denke ich, eine der Haupt forderungen der kommunalen Landesverbände erfüllt. Ich hielte das auch für sachgerecht und gerecht.
Frau Ministerin, unabhän gig davon, ob der Bund oder das Land finanziert, ist mir noch nicht klar geworden, ob Sie bei den Gesundheitskosten für ei ne Spitzabrechnung sind oder nicht. Wie ist dazu die Haltung der Landesregierung?
Zweites Thema: Die Kommunen bemühen sich momentan, die Unterbringung zu organisieren. Unser Gesetz gibt die Möglichkeit, auf dem Erlassweg auch Übergangsregelungen zu schaffen, was die Quadratmeterzahl betrifft. Momentan werden Einrichtungen betrieben, die die geforderten 7 m2 pro Person nicht erreichen. Der Druck auf die Stadt- und Land kreise nimmt aufgrund der gestiegenen Flüchtlingszahlen stark zu. Plant die Landesregierung, in diesem Jahr auf dem Erlassweg die Regelungen für die Kommunen zu erleichtern, damit auch übergangsweise Einrichtungen betrieben werden können, die die geforderte Quadratmeterzahl nicht erreichen?
Es ist möglich. Die Landesregierung müsste dazu einen Er lass machen. Ich frage nur, ob das geplant ist oder nicht: Ja oder nein?
Frau Ministerin, ich fra ge jetzt zum dritten Mal, ob Sie für eine Spitzabrechnung der Gesundheitskosten sind, unabhängig davon, ob der Bund oder das Land das finanziert. Die Kommunen fordern das; ich hal te das für eine sachgerechte Lösung.
Der zweite Punkt – auch diese Frage wurde nicht beantwor tet – ist die Frage des Erlasses. Es ist völlig klar, dass es in diesem Jahr Ausnahmeregelungen hinsichtlich der 7 m2 Wohn- und Schlaffläche geben kann. Das Gesetz gilt in dieser Frage ab 2016. Noch einmal die Frage, die ich auch vorhin gestellt habe: Plant die Landesregierung in diesem Jahr auf dem Er lassweg, den Kommunen ab 2016 die Möglichkeit zu geben, hier flexiblere Lösungen vor Ort umzusetzen,
damit bestehende Einrichtungen weiterbetrieben werden kön nen und nicht in jedem Fall auf die 7 m2 Fläche geschaut wer den muss?
Herr Präsident, werte Kol leginnen und Kollegen! Frau Aras, ich verstehe Ihre ganze Aufregung nicht. Sie beschwören Konflikte herauf, die gar nicht vorhanden sind.
Wenn es einen Konsens gibt, wer Teil dieser Gesellschaft ist, ist er in diesem Parlament vorhanden.
Die Feinde, die Populismus machen, sind draußen – das ist die AfD, das sind Leute, bei denen Kriminelle bei irgendwel chen Demonstrationen vorn stehen und die Leute aufhetzen –, aber sicherlich nicht hier im Parlament und mit Sicherheit nicht bei der Christlich Demokratischen Union, die mitten in der Gesellschaft steht und für Toleranz, für gemeinsame Wer te, für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung und für Religionsfreiheit eintritt.
Deswegen kann man manche Debatten einfach heraufbe schwören und angebliche Konflikte konstruieren, die mit der Sache überhaupt nichts zu tun haben und vor allem Ihrem ei gentlichen Anliegen überhaupt nicht gerecht werden.
Natürlich gehören die Muslime zu Baden-Württemberg und zu Deutschland. Sie sind Teil unserer neueren Geschichte, le ben hier seit Generationen, teilweise in der dritten, vierten Ge neration, sind absolut verfassungstreu – der große, überwie gende Teil. Und sie sind in dieser Gesellschaft engagiert, sind als Krankenschwestern, als Ärzte, in der Automobilindustrie, in den Parlamenten und überall tätig, sind Teil unserer Gesell schaft und bereichern unsere vielfältige Gesellschaft. Als welt offenes, tolerantes Land betrachten wir sie als einen Gewinn. Wir freuen uns über die Muslime, die ihren Beitrag zu unse rer Gesellschaft leisten.
Deswegen darf man die Debatte nicht auf einen Satz verkür zen, weil Sie, wenn Sie sagen: „Der Islam gehört zu Deutsch land und zu Baden-Württemberg“, unterschiedliche Betrach tungsweisen anlegen können. Sie können die historische Be trachtungsweise anlegen.
Moment. Man kann ja auch differenziert diskutieren, Herr Sckerl. – Wenn Sie eine historische Betrachtungsweise anle gen, ist es sicherlich nicht der Fall, sondern unsere Verfas sungsordnung ist eben geprägt durch den griechischen Geist, durch das römische Recht,
was durch das Christentum weiter gefiltert wurde, durch die jüdische Tradition, durch den christlichen Glauben, durch die Aufklärung und die Menschlichkeit. Das ist die Grundlage un serer Verfassungsordnung, unseres Grundgesetzes, unserer Landesverfassung, in denen sich unsere Freiheitsrechte her
ausgebildet haben. Jeder Muslim, der innerhalb unserer Ge sellschaft lebt und diese freiheitlichen Verfassungsrechte an erkennt, ist Teil unserer Gesellschaft.
Aber wenn Sie formulieren: „Der Islam gehört zu Deutsch land, der Islam gehört zu Baden-Württemberg“, müssen Sie die Zitate von Altbundespräsident Wulff und von der Bundes kanzlerin umfassend zitieren und nicht nur auf einen Satz re duzieren.
Der ehemalige Bundespräsident Wulff hat gesagt – ich zitie re –:
Zuallererst brauchen wir aber eine klare Haltung. Ein Verständnis von Deutschland, das Zugehörigkeit nicht auf einen Pass, eine Familiengeschichte oder einen Glauben verengt, sondern breiter angelegt ist. Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jü dische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.
Das ist das vollständige Zitat.
Deswegen muss man darüber diskutieren. Es gibt auch nicht nur d e n Islam. Das wissen Sie genauso, dass es unter schiedliche Rechtsschulen – Auslegungen – gibt. Wenn wir diese Debatte führen, müssen wir erklären, dass alle willkom men sind, die sich innerhalb unserer Verfassungsordnung be wegen, dass es aber auch Spielarten des Islam gibt, die eben nicht innerhalb dieser Verfassungsordnung sind, und das ist sicherlich nicht Teil unserer Tradition, unserer Geschichte und auch nicht unserer freiheitlichen demokratischen Grundord nung.
Die Verfassung unseres Landes beantwortet die Frage eigent lich mit klaren Worten. In der Präambel heißt es:
Im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Men schen, von dem Willen beseelt, die Freiheit und Würde des Menschen zu sichern, dem Frieden zu dienen, das Ge meinschaftsleben nach den Grundsätzen der sozialen Ge rechtigkeit zu ordnen, den wirtschaftlichen Fortschritt al ler zu fördern...
Darunter können sich alle finden – egal, welchen Glaubens: Christentum, Judentum,
Muslime, Buddhisten, Aleviten, alle Menschen. Wir sichern die Religionsfreiheit, diese Religion auszuüben. Das ist das Leitmotiv unserer freiheitlichen demokratischen Grundord nung, die unsere Gesellschaftsordnung prägt. Diese Errungen schaft wurde im Übrigen hart erkämpft. Eine der zentralen Fragestellungen ist doch: „Inwieweit wird es gelingen, auch einen europäisch geprägten Islam, der aufklärerische Gedan
ken hat, in Deutschland und in Europa weiterzuentwickeln?“, wenn wir mit Islamwissenschaftlern in Tübingen sprechen.
Im Übrigen haben wir das eingerichtet, Frau Aras; wir haben den islamischen Religionsunterricht – damals unter Annette Schavan – eingeführt.
Wir, die Christdemokraten, haben gesagt: Wir wollen, dass ei ne vernünftige Auslegung des Islam an unseren Schulen un terrichtet wird –
in deutscher Sprache und mit Inhalten, die der Toleranz, der Mitmenschlichkeit verpflichtet sind.
Ich versuche Ihnen gerade zu erklären, dass Sie es nicht auf eine Frage reduzieren können, weil es nicht d e n Islam gibt. Deswegen müssen wir alle diejenigen anerkennen, die muslimischen Glaubens sind und sich in dieser Gesellschaft engagieren.
Wir müssen aber auch deutlich machen, dass es kritische Punkte gibt, wenn jemand die Scharia über unsere Gesell schaftsordnung stellt. Das ist ein kleiner Teil. Ich will das nicht verallgemeinern; auf den Straßen laufen gerade andere herum, die Ängste vor dem Islam schüren. Es gibt im Übri gen auch keine Gefahr einer Islamisierung Deutschlands. Bei 0,4 % Muslime in Dresden und 5 % Muslime in Baden-Würt temberg gibt es nicht die Gefahr einer Islamisierung. Trotz dem gibt es Tendenzen und Entwicklungen, die die Menschen mit Sorge betrachten:
wenn jemand die Scharia, also das islamische Recht, über un ser Grundgesetz stellt,
wenn es Parallelwelten gibt, wenn es radikale Gruppierungen gibt, die den Glauben missbrauchen, um ihre eigenen Ideen zu verbreiten, wenn es eine ultraorthodoxe Auslegung des Is lam gibt, bei der die Rechte der Frauen nicht anerkannt wer den,
wie sie in unserer Gesellschaftsordnung vorhanden sind,
oder wenn eine Scharia-Polizei durch die Straßen marschiert, junge Leute anspricht und sagt: Wenn ihr euch nicht an die strengen islamischen Gesetze haltet, seid ihr nicht Teil von uns.
Deswegen müssen wir bei dieser Frage differenzieren. Wir wollen Offenheit und Toleranz in unserer Gesellschaft. Wir wollen Vielfalt. Muslime sind Teil unserer Gesellschaft. Aber diejenigen, die den Glauben ausnutzen, um sich gegen unse re Gesellschaftsordnung zu stellen, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen, sind nicht Teil unserer Gesellschaftsordnung.
Deswegen sollten wir uns vielleicht überlegen, keine histori sche, keine Verfassungsdebatte und auch keine Debatte, die auf einen Satz verkürzt ist, zu führen, sondern sollten wir uns fragen: Wer trägt was zu unserer Verantwortungsgemeinschaft bei, um aus seinem Glauben heraus Punkte zu entwickeln, die der Gesellschaft insgesamt dienen? Dann ist es mir völlig egal, ob das ein Christ, ein Jude, ein Moslem, ein Buddhist oder ein Alevit ist.
Wir haben alle eine Verpflichtung, sind eine Verantwortungs gemeinschaft, wie sich unsere Gesellschaft weiterentwickeln wird, welche Werte uns tragen, welche Traditionen wir wei terentwickeln müssen in eine Moderne und wie wir zukünf tig unseren Verfassungsstaat, unsere Gesellschaftsordnung si chern können, damit wir ein gemeinsames friedliches Zusam menleben organisieren können.
Da geht es um Werte wie z. B. die Barmherzigkeit, die in al len großen Weltreligionen vorhanden sind: bei uns die christ liche Nächstenliebe, bei den Muslimen die Anteile, die sie ver pflichtend abzugeben haben, als eine der großen Säulen des Islam, die Barmherzigkeit. Sie können die goldene Regel der großen Weltreligionen nehmen: Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg auch keinem andern zu. Das sind verbinden de gemeinsame Werte; darauf sollten wir uns einigen.
Deswegen sage ich Ihnen: Der Islam ist Teil unserer Verant wortungsgemeinschaft. Der Islam ist Teil unserer Verantwor tungsgemeinschaft, wenn er und die Menschen es schaffen, Beiträge zu leisten, um diese Gesellschaftsordnung weiterzu entwickeln. Die Landesregierung hat hier einen wichtigen Auftrag, den sie in den letzten Jahren nicht in allen Fällen so erfüllt hat, wie wir das gern gesehen hätten. Der islamische Religionsunterricht hätte viel schneller weiterentwickelt wer den müssen. Sie haben die Meldungen aus den Schulen und aus den Verbänden bekommen, dass wir bei Weitem noch kei ne flächendeckende Versorgung in diesem Bereich haben. Die Landesregierung hätte die Unterstützung für die Moscheege meinden weiterentwickeln müssen und die Kooperationen stärken müssen, indem sie fragt: In welchen Bereichen müs sen wir helfen, damit z. B. junge Menschen sich nicht radika lisieren, weil sie die Religion gar nicht verstehen?
Wenn Imame nicht auf Deutsch über irgendetwas reden, was nicht unserer Gesellschaft und unserem Rechtssystem ent spricht, dann werden junge Menschen entfremdet. Wie kön nen wir also den Moscheegemeinden helfen, eine moderne Form der – –
Es gilt, eine moderne Form der Vermittlung des Glaubens zu praktizieren, damit jun ge Menschen Vertrauen in diese Gesellschaft gewinnen und damit vor allem auch der Islam als etwas wahrgenommen wird, was nicht bedrohlich ist, sondern als etwas, was einen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten kann.
Deswegen: Verkürzen Sie die Debatte nicht auf einen Satz, und versuchen Sie nicht, die CDU so darzustellen, als ob wir intolerant wären, als ob wir Feindbilder gegenüber Muslimen pflegen würden, als ob wir eine Partei wären, die nicht in der Mitte der Gesellschaft stehen würde. Wenn Sie so vorgehen, verkürzen Sie etwas, was dem Anliegen aller Menschen in Ba den-Württemberg und auch der Muslime nicht gerecht wird.
Sehr geehrter Herr Präsi dent, werte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Das große Thema, das uns in diesem Jahr beschäftigt hat, das den Haus halt prägt und das uns auch in den nächsten Jahren beschäfti gen wird, ist das Thema Flüchtlingsaufnahme. Dem ist natür lich auch der gesamte Einzelplan untergeordnet. Ich bin froh, dass wir in diesem Haus und in unseren Parteien einen gro ßen Konsens haben, dass wir unsere humanitäre Verpflichtung gegenüber den Menschen, die verfolgt werden, die aus Kriegs gebieten kommen, die ihre Heimat verlassen müssen und flüchten müssen, wahrzunehmen haben, dass wir sie hier auf nehmen, ihnen eine neue Heimat bieten und sie vor allem auch in unserer Gesellschaft integrieren müssen.
Das unterscheidet uns im Übrigen von den Populisten – auch von den Rechtspopulisten –, die momentan in der Gesellschaft Ängste schüren, die Menschen verunsichern, ihnen keine kla ren Perspektiven geben, wie wir mit dieser großen Herausfor derung umgehen können. Ich glaube, wir, die starken demo kratischen Kräfte in dieser Gesellschaft, müssen deutlich ma chen, dass hier ein großer Grundkonsens besteht – im Parla ment, aber auch in der Bevölkerung im Land. 70 % der ba den-württembergischen Bevölkerung sind sehr dafür,
denjenigen Hilfe zu bieten, sie aufzunehmen, sie in unsere Ge sellschaft zu integrieren, die von Flucht und Verfolgung be droht sind, die Asylgründe geltend machen können, die poli tisch verfolgt sind, die aus anderen Gründen verfolgt sind und in unsere Gesellschaft kommen.
Diesen Grundkonsens dürfen wir bei allen kontroversen Dis kussionen, die wir auch führen, nicht aufgeben. Das ist mir am Anfang dieser Haushaltsrede sehr wichtig.
Als Christen und als demokratische Politiker, als Menschen, die etwas von dem Rechtsstaat halten und ihn verteidigen, ist es unsere erste Aufgabe, hier auch klar Farbe zu bekennen und dies entsprechend deutlich zu machen.
Dennoch haben wir, die CDU, auch Kritik am Verfahren ge übt. Wir haben bereits im vergangenen Jahr gefordert, die Flüchtlingspauschalen zu überprüfen, damit die Kommunen besser in die Lage versetzt werden können, ihre wichtige Auf gabe hier zu erfüllen. Wie das jetzt geprüft wird – so wurde es auch mehrfach angekündigt –, ist sehr holprig. Aber ich glaube, der Entschließungsantrag der FDP/DVP in diesem Zu sammenhang geht auch in die richtige Richtung, ein differen ziertes Bild der Flüchtlingspauschalen abzubilden. Es ist, glaube ich, auch ein Unterschied, die entsprechenden Aufga ben hier in Stuttgart oder in ländlichen Gebieten zu organisie ren. Wir, das Parlament, sollten uns gemeinsam dazu durch ringen, die Kommunen so auszustatten, dass sie ihre Aufga ben erfüllen können.
Es gab von der Fraktion der CDU Anfang dieses Jahres schon Vorschläge, wie wir mit den steigenden Flüchtlingszahlen um gehen können, welche Maßnahmen dafür notwendig sind. Wir rechnen damit, dass in diesem Jahr 26 000 Flüchtlinge zu uns kommen. Das wurde seitens des Integrationsministeriums ein bisschen abgetan nach dem Motto, wir könnten die Zahlen nur prognostizieren. Die Zahlen waren aber deutlich absehbar. Die Vorschläge, die wir gemacht haben, gingen in die Richtung, die Kommunen zu unterstützen, die Landeserstaufnahmestel le in Karlsruhe zu entlasten und neue Unterbringungsmöglich keiten zu schaffen.
Viele Dinge, die vorgefallen sind, haben wir nicht skandali siert. Man hätte deutlich skandalisieren können, dass die me dizinische Erstversorgung vor der Weiterverteilung in die Stadt- und Landkreise nicht so war, wie sie eigentlich hätte sein sollen. Wir haben die Not gesehen. Wir haben die Not wendigkeit gesehen, schnell zu organisieren. Wir glauben, dass nicht alle Maßnahmen so schnell und so eindeutig ergrif fen wurden, wie es notwendig gewesen wäre.
Deswegen unser Appell: Strengen Sie sich an, damit dieser Grundkonsens in der Bevölkerung und hier im Parlament nicht gefährdet wird, sodass wir eine gute Versorgung und Unter bringung der Flüchtlinge und Asylbewerber gewährleisten können – dies vor allem auch mit der Unterstützung der Kom munen.
Ich möchte ausdrücklich unseren Kollegen und Landrat Gün ther-Martin Pauli nennen, der in Meßstetten sehr viele Wege geebnet und Brücken gebaut und damit sehr positiv in die Be völkerung hinein gewirkt hat, um ohne großen Streit in der Bevölkerung eine weitere Landeserstaufnahmestelle hinzube kommen. Dafür hat er sich eingesetzt. Lieber Günther-Mar tin Pauli, vielen Dank für dein Engagement an dieser Stelle.
Das zeigt aber auch das Strukturproblem des Integrationsmi nisteriums. Es ist viel zu klein und personell nicht so ausge stattet, dass es diese Aufgabe allein erfüllen könnte. Es braucht die Hilfe vor Ort von den Landräten. Es braucht die Hilfe der beim Innenministerium angesiedelten Taskforce, damit Ent scheidungen schnell getroffen werden können, wenn eine gro ße Zahl von Flüchtlingen ankommen, die von der Bundespo lizei in den Zügen aufgegriffen werden. Es brauchte vor al lem die Hilfe des Ministerpräsidenten, der das Thema mit dem Flüchtlingsgipfel an sich gezogen und damit auf eine vollkom men andere Ebene gehoben hat. Das Integrationsministerium allein ist aufgrund seiner Organisation und seiner personellen Ausstattung mit dieser Aufgabe überfordert.
Deswegen ist es notwendig, die Aufgaben zukünftig zu bün deln. Wir werden den Kapiteln, bei denen es um Geldmittel und Sachleistungen für Flüchtlinge und zur Integration geht, natürlich zustimmen, weil wir diese Aufgabe erkennen. Hin sichtlich der Weiterbehandlung in den Kommunen müssen wir uns meiner Meinung nach aber anstrengen.
Ich prophezeie Ihnen, dass die zweimal 15 Millionen € für die Schaffung von Wohnraum nicht ausreichen werden. Hierfür benötigen wir andere Mechanismen für die Kommunen. Auch die Mittel für den Spracherwerb und für die Integration in die Arbeitswelt werden nicht ausreichen. Dabei ist auf Kante ge
näht. Wir müssen uns alle hier im Parlament überlegen, wie wir weiter konsequent vorgehen können.
Außerdem geht es darum, die Anschlussunterbringung in den Kommunen zu organisieren. Die Zahl der Flüchtlinge bleibt weiterhin hoch. Die Kommunen sind letzten Endes überfor dert, wenn sie nicht die entsprechende Hilfe und Unterstüt zung bekommen.
Der zweite wichtige Punkt – hierbei bitte ich Sie, einen Grund konsens innerhalb des Parlaments zu bewahren – betrifft das Thema Rückführungen. Natürlich müssen Armutsflüchtlinge insbesondere aus Osteuropa und aus den jetzt als sichere Her kunftsstaaten deklarierten Westbalkanstaaten irgendwann zu rückgeführt werden. Es findet zwar eine Diskriminierung statt, aber die Armutsgründe reichen als Asylanerkennungsgrund nicht aus.
Skandalisieren Sie bitte nicht uns von der CDU, wenn wir da rauf hinweisen, dass irgendwann eine Rückführung stattfin den muss; denn das sichert den Grundkonsens innerhalb der Bevölkerung. So kann die Aufnahmebereitschaft für diejeni gen gesichert werden, die wegen Vertreibung und Verfolgung zu uns kommen.
Ich weiß, dass sich viele, insbesondere von der grünen Partei, damit schwertun. Wir haben das in den vergangenen Tagen gemerkt, als es darum ging, Menschen zurückzuführen. Es ging eine Diskussion darüber los, ob man nicht über den Win ter einen Abschiebestopp verhängen müsse, ob nicht eine hu manitäre Einzelfallprüfung stattfinden müsse. Ihr Landesvor sitzender hat gesagt, eine humanitäre Einzelfallprüfung sei besser als ein Abschiebestopp über den Winter. Das sind aber alles nur Sprechblasen.
Natürlich sichert unser Recht eine humanitäre Entscheidung, natürlich sichert unser Rechtsstaat humanitäre Entscheidun gen.
Wenn eine Duldung gegeben ist, wird auch nicht abgescho ben. Wir müssen aber auch deutlich machen, dass diejenigen, die hier kein Asylrecht mehr genießen, irgendwann zurückge führt werden müssen. Hierzu sollte es zu einem Grundkon sens innerhalb des Parlaments kommen, um der Bevölkerung deutlich zu machen, dass dieser Staat handlungsfähig ist, dass dieser Staat handelt und vor allem gerecht handelt.
Der dritte Punkt, der uns in diesem Jahr beschäftigt hat, be trifft den politischen und den extremistischen Islamismus. Es besteht Grundkonsens in der Bevölkerung in Baden-Württem berg, dass wir nicht skandalisieren und dass wir vor allem nicht verallgemeinern dürfen, wie dies die Rechtspopulisten tun. Die Mehrheit der Muslime, die in unserem Land leben,
leben hier friedlich, halten sich an rechtsstaatliche Regeln, ar beiten, zahlen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, leis ten gelungene Beispiele für Integration und bereichern mit ih rer Vielfalt unsere Gesellschaft.
Umso wichtiger ist es, den politischen und extremistischen Is lamismus zu bekämpfen, damit in der Bevölkerung nicht der Eindruck entsteht, dass das mit dem Islam gleichgesetzt wird. Wir müssen ganz klar sagen, dass wir diese extremistischen Tendenzen bekämpfen. Als Integrationspolitiker müssen wir vor allem die Wege benennen, die wieder herausführen bzw. die gar nicht erst in den Extremismus hineinführen.
Ich verstehe die Innenpolitiker, die das etwas anders sehen. Ich verstehe aber den Innenminister nicht, der heute erklärt hat, Aussteigerprogramme für den Bereich des Salafismus brächten nichts. Wir sehen das als Integrationspolitiker an ders.
Ich bin den Regierungsfraktionen dankbar, dass das Präven tionsprogramm „Team meX“ verlängert wurde, das sechs Jah re lang erfolgreich gelaufen ist. Ebenso wie wir Aussteiger programme im Bereich des Rechtsextremismus haben, brau chen wir diese auch für die Bereiche des extremistischen Is lamismus und des Salafismus. Das hat eine wichtige Wirkung in die Szene hinein und auch für unsere Gesellschaft, weil dann deutlich wird, dass es Wege heraus aus dem Extremis mus gibt, und weil deutlich wird, dass es gelungene Beispie le dafür gibt, wie man sich nicht radikalisiert bzw. wie man wieder aus der Szene herauskommt.
Insofern bitte ich Sie eindringlich, mit den Innenpolitikern Ih rer Fraktionen zu reden, damit sich nicht die Haltung verfes tigt, es bringe eh nichts, sich im Bereich der Prävention und der Aussteigerprogramme zu engagieren. Genauso wie wir auf der einen Seite das Schwert des Rechtsstaats ziehen, bieten wir auf der anderen Seite Wege an, um junge Menschen aus dieser extremen Radikalisierung herauszuholen.
Vierter Schwerpunkt: Ich glaube, wir müssen für die Anerken nung der Berufe und die Anerkennung von Menschen, deren Lebensleistung hier nicht ausreichend gewürdigt wird, noch etwas mehr tun. Angesichts unseres brummenden Arbeits markts und angesichts des Fachkräftebedarfs von Handwerk und Industrie können wir noch mehr tun.
Die Anerkennung nicht ärztlicher medizinischer Berufe ist beim Regierungspräsidium Stuttgart zentralisiert worden. Man hat aber nicht das Personal zusammengeführt. Das Personal ist also nicht der Aufgabe gefolgt. Wie soll die Anerkennung innerhalb der Frist von drei Monaten geleistet werden? Wir haben lange über das Landesanerkennungsgesetz diskutiert. Beim Bundesanerkennungsgesetz läuft das genauso.
Ich will nicht, dass die guten Beschlüsse, die wir, das Parla ment, im Konsens gefasst haben, durch falsches Regierungs handeln letzten Endes ad absurdum geführt werden und nicht umgesetzt werden können, weil das entsprechende Personal im Regierungspräsidium Stuttgart nicht vorhanden ist.
Da müssen Sie sich mehr anstrengen. Da müssen Sie mehr tun und genau hinschauen. Sie dürfen nicht nur Ziele verkünden, sondern müssen auch überlegen, wie diese erreicht werden können. Vielleicht ist auch da das kleine Integrationsministe rium mit seinem wenigen Personal und der schlechten Finanz ausstattung außerhalb des Flüchtlingsbereichs überfordert.
Nun zum fünften und letzten Punkt: Ich habe großes Verständ nis dafür, dass der Rechnungshof das komplette Ministerium prüft. Das würde ich an dessen Stelle auch tun, weil ich mir überlegen würde, ob man die 3 Millionen € pro Jahr, die die ses kleine Haus jährlich an Grundkosten produziert, nicht bes ser anlegen kann. Das macht in einer Legislaturperiode 15 Millionen € aus.
Verwechseln Sie nicht immer die Kritik am Amt und an Ih rem Ministerium mit einer Kritik an Ihrer Person, Frau Mi nisterin Öney. Das hat mit Ihrer Person nichts zu tun.
Die Frage ist vielmehr, wie man effizientes Regierungshan deln organisiert, wie man langfristig eine entsprechende Wir kung in der Gesellschaft erzeugt. Da geht es nicht darum, ein eigenes Ministerium zu schaffen, sondern darum, die Wahr nehmung der Aufgaben, die in diesem Land erfüllt werden müssen,
die im Bereich der Integration liegen, die im Bereich der Be rufsanerkennung liegen, die im Bereich der guten Flüchtlings aufnahme liegen, über die Ministerien hinweg so zu organi sieren, dass das Ganze auch vernünftig funktioniert.
Deswegen können Sie nicht in eine Fundamentalkritik gegen über dem Rechnungshof einsteigen und ihn nicht bezichtigen, dessen Prüfung sei politisch motiviert gewesen, oder behaup ten, er würde letzten Endes die Grundfrage stellen, ob Ihr Haus noch existieren sollte. Natürlich müssen Sie die Frage stellen, wie bei einem effizienten Einsatz der Steuermittel der Bürger unseres Landes die Wahrnehmung der Aufgaben des Landes Baden-Württemberg zu organisieren ist.
Deswegen: Die Kritik, die Sie geleistet haben, können wir nicht nachvollziehen. Das ist eine Fundamentalkritik. Das ist eine Kritik, die auch die verfassungsgemäße Stellung des Rechnungshofs berührt. Der Rechnungshof muss das prüfen dürfen, er muss kritische Fragen stellen dürfen, er muss auch fragen dürfen, ob das Geld für die vergebenen Gutachten ver nünftig aufgewendet wurde oder nicht und was dabei über haupt herausgekommen ist. Das Körting-Gutachten wurde einmal damit begründet, dass man das ganze Verfahren zum Partizipations- und Integrationsgesetz schnell weiterbringen sollte. Bisher haben wir dazu aber keinen Entwurf gesehen.
Noch einmal: Verwechseln Sie die Kritik an Ihrem Ministeri um und Ihrem Amt und der Amtsführung nicht mit einer Kri tik an der Person.
Ich glaube, Sie machen zu wenig aus diesem Integrationsmi nisterium. Ich glaube, Sie können sich nicht durchsetzen in nerhalb der Landesregierung.
Deswegen unser Ratschlag: Organisieren Sie den Integrati onsbereich anders, über das Ministerium hinweg. Dement sprechend werden wir, die CDU-Landtagsfraktion, heute auch abstimmen. Wir werden überall da zustimmen, wo es um die Menschen geht.
Dort werden wir der Bereitstellung von Sachmitteln, von Geldmitteln zustimmen. Aber wir werden nicht dieser Grund finanzierung des Integrationsministeriums zustimmen, weil die Organisation falsch ist.
Herr Präsident, werte Kol leginnen, sehr geehrte Kollegen! Integrationsfeindliche Radi kalisierung junger Menschen verhindern, Präventionsstrate gien entwickeln – das ist ein wichtiges Thema, das uns be schäftigt. Wir haben dieses Thema deshalb auf die Tagesord nung gebracht, weil die Gefahr bestand, dass Präventionspro gramme auslaufen. Ein Beispiel ist das Projekt „Team meX“, das seit sechs Jahren von der Landeszentrale für politische Bildung und dem Landesamt für Verfassungsschutz gestaltet wurde. Ich bin ausdrücklich dankbar, Herr Schmiedel und Frau Sitzmann, dass Sie gestern in den Regierungsfraktionen beschlossen haben, diese Präventionsprogramme weiterzu führen. Wir meinen, dass wir eine Gesamtstrategie gegen die Entwicklungen, die wir momentan in unserem Land erleben, brauchen.
Warum radikalisieren sich junge Menschen? Im Übrigen geht es nicht nur um die Menschen, die einen Migrationshinter grund haben und zu uns gekommen sind, sondern es gibt auch ganz viele Konvertiten in den salafistischen Bereich hinein.
Wir – Parteien, Politik und Gesellschaft – müssen uns wirk lich dringend überlegen, welche Strategien wir für junge Men schen entwickeln, um sie eben überhaupt nicht in diese Radi kalisierung hineinzuführen. Wir müssen uns überlegen, wie wir seitens der Gesellschaft eine Antwort darauf geben kön nen, wie ein Wirgefühl entwickelt werden kann. Es ist wich tig, die Hoffnungslosigkeit, die manche Leute haben und die sie anfällig dafür macht, bei Rattenfängern irgendein Wirge
fühl zu finden, zu durchbrechen, um für sie Perspektiven in unserer Gesellschaft zu entwickeln.
Deswegen, glaube ich, ist es gut, dass wir hier einen gemein samen Konsens haben. Wir haben das Thema aber deswegen auf die Tagesordnung gebracht, weil wir meinen, dass wir ge meinsam noch mehr Anstrengungen unternehmen müssen.