Protokoll der Sitzung vom 06.11.2013

Auch die Partnerschaft mit Burundi sehen wir im Übrigen na türlich positiv. Da geht es nicht nur um eine Partnerschaft zwi schen Regierungen, sondern wir haben darauf hingewirkt, dass es auch eine Partnerschaft der Parlamente geben soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Entwicklungspoli tik ist eine Querschnittsaufgabe. Wir sehen es als wichtig an, dass das auch so wahrgenommen wird. Den entwicklungspo litischen Leitlinien ist aber zu entnehmen, dass es natürlich vorrangig eine Aufgabe des Bundes ist und dass das Land Ba den-Württemberg seine Rolle dort sieht, wo wir besondere Kompetenzen haben, z. B. im Bereich der Bildung.

Ferner unterstützen wir den Global Marshall Plan. Das ist ein substanzieller Beitrag hin zu einer weltweiten ökosozialen Marktwirtschaft.

Frau Haller-Haid, ich gebe Ihnen recht, wenn Sie sagen, dass wir versuchen müssen, das Problem der Lebensbedingungen vor Ort in den Griff zu bekommen. Ich glaube, die aktuellen Geschehnisse in Bezug auf die Flüchtlingsströme belasten uns alle sehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen aber auch einen Schritt weiter gehen. Wir wollen übrigens die entwick lungspolitischen Leitlinien explizit nicht mit verabschieden. Hierbei waren wir als Opposition nicht ausreichend eingebun den. Dennoch begrüßen wir die entwicklungspolitischen Leit linien. Viele entwicklungspolitische Akteure haben daran mit gewirkt.

Frau Häffner, Sie haben recht, wenn Sie sagen, „Welt:Bürger gefragt!“ sei einzigartig gewesen. Ich möchte es folgender maßen formulieren: Das ist das einzige Mal gewesen, dass Ih re angekündigte Politik des Gehörtwerdens funktioniert hat. Funktioniert hat sie bei der Erstellung der Leitlinien, nicht je doch – jetzt folgt der kritische Teil – bei der Umsetzung. Es ist sehr schade, dass jetzt kein Vertreter eines anderen Minis teriums, beispielsweise des Kultusministeriums, anwesend ist.

Gestern Abend fand der runde Tisch „Entwicklungszusam menarbeit“ mit dem sehr wichtigen Themenschwerpunkt „Globales Lernen“ statt. Insbesondere von den Akteuren, die sich bei den Beteiligungsverfahren für die entwicklungspoli tischen Leitlinien ganz besonders eingebracht haben, nämlich vom LAK, hagelte es gestern massive Kritik. Dabei ging es darum, dass die Verankerung des nachhaltigen Lernens bzw. des globalen Lernens als zentrales Leitbild in den Bildungs plänen eben nicht funktioniert hat. Vielmehr hat man im Nach hinein etwas hineingestrickt, aber es ist leider nicht als zent rales Leitbild in den Bildungsplänen verankert worden.

Gestern Abend waren in Bezug auf die Landesregierung – ich zitiere es nur – Begriffe zu hören wie „inhaltsleere Worthül sen“ oder „skandalös“. Außerdem wurde gesagt: „Es darf nicht sein, dass sich eine Landesregierung ihrer Verantwor tung entzieht.“ Das sind nicht meine Worte, sondern das sind die Worte, die es gestern von dem von Ihnen, Frau Häffner, zitierten Landesarbeitskreis gehagelt hat. Sie wissen das, denn Sie waren dabei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte davor warnen, dass medienwirksam Leitlinien entwickelt werden, es aber anschließend bei der Umsetzung hapert.

Schauen wir uns einmal an, wie sich die Gesamtausgaben für Entwicklungshilfe von 2009 bis 2013 entwickelt haben. Im Jahr 2013 sind die Ausgaben so niedrig, wie sie seit Jahren nicht waren. Im Jahr 2009 waren es insgesamt rund 3,92 Mil lionen €, im Jahr 2010 etwa 3,98 Millionen €, im Jahr 2011 ca. 3,97 Millionen €, im Jahr 2012 rund 3,9 Millionen € für die Entwicklungshilfe, und im Jahr 2013 werden es etwa 3,5 Millionen € sein.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das wird ja immer weniger!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden diesem Entschließungsantrag natürlich zustimmen. Ich will aber sa gen, dass es nicht auf die Worte ankommt, egal, ob sie ge schrieben oder gesprochen sind. In erster Linie zählen Taten, nicht das gesprochene oder das geschriebene Wort.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zurufe: Sehr gut!)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Minister Friedrich das Wort.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der Querschnitts minister! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Für Internationales und Gedöns!)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem heute zu beraten den entwicklungspolitischen Antrag wird sich der Landtag fraktionsübergreifend hinter die entwicklungspolitischen Leit linien für Baden-Württemberg stellen und sich damit in das neue und breit gefasste entwicklungspolitische Bündnis in Ba den-Württemberg einreihen.

Wir haben im April 2013 den entwicklungspolitischen Dialog „Welt:Bürger gefragt!“ gestartet. Unser Anliegen war es, dass die über 1 000 Initiativen im Land, die eigentlichen entwick lungspolitischen Hauptakteure, die Entwicklungspolitik im Land gestalten sollen. Dieser Dialog entwickelte sich zu ei nem großen Erfolg. Der heute vorliegende fraktionsübergrei fende Antrag ist ein weiteres Beispiel dafür.

In diesem Prozess ist ein breites Bündnis aus Kirchen, Kom munen, kommunalen Spitzenverbänden, entwicklungspoliti schen Initiativen und dem Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg entstanden. Bundesweit einmalig ist, dass die Vertreterinnen und Vertreter der in Baden-Württem

berg lebenden Menschen aus Entwicklungsländern, aus Part nerländern dabei sind. Außerdem dabei sind die entwicklungs politischen Fachorganisationen und Netzwerke, die Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit, ENGAGEMENT GLOBAL und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammen arbeit. All diese Gruppierungen haben die entwicklungspoli tischen Leitlinien mitgestaltet. Sie haben mit Blick auf die ge meinsamen Ziele zusammengefunden und zudem Handlungs empfehlungen ausgesprochen.

Viele Abgeordnete des Landtags – Herr Glück, wenn Sie nicht dabei waren, bedaure ich das – haben sich an diesen Veran staltungen beteiligt. Dafür möchte ich ihnen herzlich danken. Wir hatten 25 Veranstaltungen mit über 1 500 Teilnehmern. Bei diesen Veranstaltungen haben Landtagsabgeordnete aller Fraktionen Rede und Antwort gestanden. Damit haben wir die sehr gute Tradition der fraktionsübergreifenden gemeinsamen Entwicklungspolitik fortgesetzt. Hierfür möchte ich Ihnen herzlich danken.

Es ist nur konsequent, dass sich der Landtag diesem breit ge fassten Bündnis heute anschließt. Die Leitlinien wurden im September 2012 im Landtag im Rahmen einer sehr guten Ver anstaltung vorgestellt. Die Landesregierung hat diese Leitli nien am 5. Februar dieses Jahres verabschiedet. Heute fasst der Landtag den entsprechenden Beschluss. Ich finde es gut, dass wir damit eine gemeinsame Agenda und Leitlinien für die Entwicklungspolitik haben.

Dieser Umstand ist deswegen von großer Bedeutung, weil wir diese Leitlinien bereits durch Taten hinterlegt haben. Im Ap ril 2013 eröffnete die Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit gemeinsam mit der Landesmesse auf der Messe FAIR HAN DELN den „Welt:Marktplatz“, der dieses neue entwicklungs politische Bündnis erlebbar machte. Erstmals seit Gründung dieser Messe präsentierten sich die Kirchen, die Kommunen, die entwicklungspolitischen Initiativen und Fachorganisatio nen den über 20 000 Besucherinnen und Besuchern mit einem gemeinsamen Auftritt.

Ein zweites Beispiel ist, dass der Dachverband Entwicklungs politik Baden-Württemberg das Eine-Welt-Promotorenpro gramm durchführt. Es ist uns gelungen, 20 Promotorinnen und Promotoren bei den unterschiedlichsten Trägerorganisationen in ganz Baden-Württemberg einzurichten. Die Stellen sind in zwischen bis auf eine Stelle besetzt. Das ist bundesweit ein malig. Es ist nicht nur gelungen, dass die Entscheidungen im entwicklungspolitischen Bündnis in Baden-Württemberg im Konsens gefallen sind, sondern es konnten auch alle großen Organisationen dieses Bündnisses dafür begeistert werden, die neuen Promotorinnen und Promotoren mit Rat und Tat und teilweise auch mit eigenem Geld zu unterstützen.

Nun zum dritten Beispiel. Angestoßen durch den Dialog ha ben wir mit dem Städtetag Baden-Württemberg und der Bun deseinrichtung ENGAGEMENT GLOBAL – ich schließe mich dem Lob und Dank an – ein bundesweit einmaliges Pro jekt gestartet, um das wertvolle entwicklungspolitische Enga gement der Kommunen in Baden-Württemberg gezielt anzu sprechen und zu fördern und die Initiative in die Kommunal partnerschaften hineinzutragen.

Diese drei Beispiele zeigen, dass es in diesem Prozess und durch die Leitlinien gelungen ist, zu einem gemeinsamen Han

deln zu kommen, wie es bereits mehrfach eingefordert wur de. Die Kirchen, die kommunale Seite und die Landesregie rung werden zusammen mit ENGAGEMENT GLOBAL im Dezember den ersten internationalen Führungskreis im „Dy namischen Europapool“ starten mit dem Ziel, entwicklungs politische Kompetenz bei den Führungskräften in den genann ten Organisationen zu verankern.

Die Landesregierung hat diese und viele weitere Umsetzungs schritte der entwicklungspolitischen Leitlinien mit großem Engagement begleitet und unterstützt. Auch hierfür möchte ich einige Beispiele nennen:

Mit dem Rat für Entwicklungszusammenarbeit und der Ein richtung der Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit sowie der interministeriellen Arbeitsgruppe haben wir Struk turen geschaffen, mit denen es gelingt, Entwicklungszusam menarbeit tatsächlich als Querschnittsaufgabe in allen Minis terien zu verankern.

Dabei kommt es natürlich auch zu Diskussionen – das verste he ich sehr gut –, wenn es darum geht, wie dies in den Bil dungsplänen verankert wird. Das sind aber keine Diskussio nen, die losgelöst von der Gesamtdebatte über die Entwick lung der Bildungspläne zu sehen sind. Deswegen glaube ich nicht, dass dies die Achillesferse oder Schwachstelle der Ent wicklungspolitik der Landesregierung ist. Vielmehr ist das ei ne normale Debatte darüber, was als Ziel verankert werden soll. Ich bin froh, dass wir über das Eine-Welt-Promotoren programm im Bereich des globalen Lernens unterstützend da rauf hinwirken können, dass diese Ziele besser verankert wer den können. Wie es am Ende aussehen wird, werden wir se hen. Die Debatte muss auf jeden Fall weitergeführt werden; darin gebe ich Ihnen recht.

Wir haben inzwischen – das ist ein Beispiel für eine funktio nierende Querschnittstätigkeit – die erste Fair-Trade-zertifi zierte Schule in Baden-Württemberg. Auch daran sieht man, dass das im Schulbereich durchaus ankommt. Außerdem möch te ich das von Frau Abg. Häffner bereits erwähnte Klimapro jekt in unserem Partnerland Burundi ansprechen, das durch die Zusammenarbeit – in diesem Fall mit dem Umweltminis terium – über die interministerielle Arbeitsgruppe angestoßen wurde.

Als weiterer Umsetzungsschritt ist die Entwicklungspolitische Landeskonferenz zu nennen, die jetzt immer im Rahmen der Messe FAIR HANDELN stattfindet. Mit der Entwicklungs politischen Landesklausur im Herbst ist ein weiteres Beteili gungs- und Fachforum geschaffen worden, das es ermöglicht, den Dialog fortzusetzen, sodass er nicht mit dem Beschluss der Leitlinien abgeschlossen ist, sondern wir weiterhin eine Plattform für Abstimmungen und einen Austausch haben.

Wir haben übrigens die Mittel im Kernhaushalt wieder erhöht. Sie waren früher schon einmal sehr viel höher. Im Kernhaus halt haben wir sie inzwischen wieder erhöht. Bitte bedenken Sie auch, dass wir inzwischen auch über eine halbe Million Euro an Drittmitteln nach Baden-Württemberg geholt haben. Das heißt, dass wir damit beispielsweise auch Kofinanzie rungsmittel für Maßnahmen im Rahmen des Eine-Welt-Pro motorenprogramms auslösen. Deswegen ist die Gesamtsum me anders zu betrachten. Wenn Sie die Gesamtsumme der ODA-fähigen Ausgaben betrachten, reden wir sowieso über

völlig andere Zahlen, weil hier dann auch beispielsweise Stu dienplätze und anderes mit eingerechnet werden. Insofern können wir uns über die Datenbasis an dieser Stelle noch ein mal unterhalten.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das gab es aber früher auch!)

Das gab es früher auch; das bestreite ich überhaupt nicht. – Wir sind natürlich mit der SEZ in Baden-Württemberg auch einen anderen Weg gegangen. Deswegen sind die Zahlen aus der Vergangenheit immer nur begrenzt vergleichbar. Wir ha ben mehrere Akteure und nicht nur den Kernhaushalt. Bei dem, was im Staatsministerium inzwischen in einem Haus haltstitel zusammengefasst ist, haben wir die Summen erhöht.

Ich glaube, dass wir mit den 20 Promotorinnen und Promoto ren, die wir durch den Dialog und mit den entwicklungspoli tischen Leitlinien verankern konnten, erstmals Mitarbeiterin nen und Mitarbeiter mit gemeinsamen Zielen gefunden ha ben, deren Zahl bundesweit ihresgleichen sucht. Damit kom men wir in der Umsetzung der Leitlinien gut voran.

Ich weise jedoch ausdrücklich darauf hin: Wir stehen am An fang des Prozesses. Der Dialog ist nicht schon die Umsetzung all dessen, was wir verabredet haben. Wenn Sie sich anschau en, was an Umsetzungsempfehlungen erarbeitet wurde, fin den Sie einen großen Katalog, der uns auch in den nächsten Jahren viel Arbeit aufgibt, zu der wir uns gemeinsam ver pflichten – sei es mit der Partnerschaft mit Burundi, sei es in Fragen der Beschaffung, sei es bei Bildungsfragen oder bei der wissenschaftlichen Zusammenarbeit. All dies ist dort mit verankert. Ich bin froh, dass der Landtag – die Abstimmung steht ja noch aus – sich einmütig dahinterstellt.

Herr Abg. Dr. Lasotta, ich sage Ihnen ausdrücklich zu, dass wir bei der Kooperationsvereinbarung mit Burundi sehr sorg sam vorgehen werden. Wir gehen schrittweise vor. Wir füh ren eben keine reine Regierungsverhandlung, auch weil wir es nicht als ein reines Protokoll von Regierungen haben wol len, sondern wir haben die Bundesministerien bereits gut in die Verhandlungen eingebunden, wir werden auch die Zivil gesellschaft in die Verhandlungen einbinden, und ich bin sehr froh, dass vom Landtag das eindeutige Signal kommt, sich über eine Partnerschaft der Parlamente einbringen zu wollen.

Was das im Einzelnen bedeutet, wie man das ausgestaltet, da rüber müssen wir reden, damit es wirklich ein sinnvoller, hilf reicher Beitrag zur Hilfe zur Selbsthilfe sein kann. Ich bin aber sehr sicher, dass wir im nächsten Jahr im Mai auf unserer Rei se nach Burundi zu einem Abschluss kommen werden, der den Landtag, die Zivilgesellschaft, die Partner in die Erklä rung mit einbezieht, die wir im Mai nächsten Jahres unter schreiben werden.

Herzlichen Dank für die Unterstützung, die wir erfahren dür fen. Herzlichen Dank für Ihr Engagement, das wir bei der Er arbeitung und in der Umsetzung erfahren dürfen. Ich glaube, wir haben bisher einen guten Prozess bei unserem gemeinsa men Weg gehabt. Ich freue mich auf die weitere Umsetzung dessen, was wir verabredet haben und was mit diesem Be schluss auch für den Landtag gilt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Mir liegen keine wei teren Wortmeldungen vor.

Wir kommen deshalb zur geschäftsordnungsmäßigen Erledi gung des Antrags. Sind Sie damit einverstanden, über den An trag insgesamt abzustimmen? – Das ist der Fall. Wer dem in terfraktionellen Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag einstimmig angenommen worden. Vie len Dank.

Damit ist Tagesordnungspunkt 9 erledigt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Eu ropa und Internationales zu der Mitteilung der Landesre gierung vom 2. Oktober 2013 – Bericht über aktuelle eu ropapolitische Themen – Drucksachen 15/4133, 15/4179

Berichterstatterin: Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat für die Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion fest gelegt.