Daher halten wir es für eine richtige Entscheidung, dass der Bildungsplan für die weiterführenden Schulen eine vertikale Durchlässigkeit bietet, damit ein besserer Übergang auf die anderen Schularten gewährleistet wird. Dies gilt beispielswei se für den Beginn der zweiten Fremdsprache ab Klasse 6 und für die Aufhebung der Fächerverbünde.
Daher fordern wir Sie an dieser Stelle auf, sich nicht für eine Bestandsgarantie der Realschule auszusprechen. Vielmehr sollten Sie sich dafür einsetzen, dass wir weiterhin flächende ckend alle Bildungsabschlüsse in Baden-Württemberg anbie ten können. Das wird aber nicht durch eine Bestandgarantie für die Realschulen funktionieren.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Kommt eine Bestandsgarantie für die Realschule?“ So lautet der plakative Titel des Antrags der CDU-Fraktion.
Dieser ist entstanden im Gefolge einer Kampagne, bei der sich diese Oppositionsfraktion als Retter einer Schulart aufspielt, die niemand infrage stellt und die schon gar nicht bedroht ist.
Alle weiterführenden Schulen sind Wahlschulen. Somit hängt es vom Wahlverhalten der Schülerinnen und Schüler bzw. de ren Eltern ab, ob eine Schule weiter existiert. Eine Bestands garantie nutzt also nichts, wenn sich zu wenige Kinder anmel den.
Das können Sie seit Jahren bei den Hauptschulen beobachten, die still und heimlich und ohne öffentlichen Aufruhr von der Schulkarte des Landes verschwinden. Ihre seit Jahren vorge brachten Treueschwüre und Ihre Rettungsmanöver haben nicht geholfen, das Image dieser Schulart und das Vertrauen in die se Schulart zu festigen. Es wurde mit den Füßen abgestimmt.
Jetzt zur Realschule. Sie konnten es in der Stellungnahme der Landesregierung zum Beschlussteil Ihres Antrags nachlesen:
Dieses „derzeit“ bezieht sich einzig und allein auf das kom mende Gesetz zur regionalen Schulentwicklungsplanung. Wenn eine Schule dauerhaft weniger als 40 Schüler in der Ein gangsklasse hat oder wenn zwei Jahre hintereinander weniger als 16 Kinder angemeldet werden, dann wird diese Schule in die regionale Schulentwicklungsplanung einbezogen und ist durchaus von der Schließung bedroht. Deswegen kann und wird es für keine Schule eine Bestandsgarantie geben.
In Ihrem Antrag betonen Sie vielfach, dass die Realschule er folgreich und bewährt sei – als ob die Regierungsfraktionen dies in Abrede stellen würden. Auch wir wissen, dass die Re alschule dort, wo es noch keine Gemeinschaftsschule gibt, nach wie vor die beliebteste Schulart ist.
Sie unterstellen, dass wir diese Schulart zerschlagen wollten, um sich selbst mit dem Heiligenschein des Christophorus zu umgeben. Dabei ignorieren Sie wissentlich, dass gerade auch diese Schulart vor großen Veränderungen steht. Wenn das Zweisäulenmodell – in welcher Form auch immer, CDU-Frak tionsmodell oder Landes-CDU-Modell – in Rede steht, dann ist doch heute schon klar, dass es bei dieser Schulart Verän derungen geben muss. Wie sonst kann die Realschule den schwächeren Schülern gerecht werden?
Ich glaube nicht, dass es sich eine Schule auf Dauer leisten kann, den Schwächeren mit Abschulung zu begegnen. Die Re alschulen, die ich kenne, sind bereits auf dem Weg der indi viduellen Förderung. Die 1,5 Stunden sind bereits angespro chen worden, Herr Röhm.
Dass die Gemeinschaftsschule für uns eine gute Alternative bietet, weil sie Heterogenität als Standard ansieht, wissen Sie zwischenzeitlich. Herr Wacker, Sie haben das bereits frühzei tig erkannt – das soll nicht unerwähnt bleiben – und das Lehr amt für Haupt- und Realschule zusammengelegt. Wer denkt da nicht sofort an das Zweisäulenmodell?
Das bedeutet aber nicht, dass die Realschule vor dem Aus steht. Stillstand bedeutet jedoch Rückschritt. Dies gilt auch für die Bildungspolitik und für Parteien.
Der Kampf um Schüler ist längst entbrannt. Die demografi sche Entwicklung fordert ihre Opfer. Wo sind Ihre Antworten darauf? Keine Schulentwicklungsplanung. Gebetsmühlenar tig betonen Sie: „Alles ist gut. Wir erhalten das dreigliedrige Schulsystem,
weil es erfolgreich ist und sich bewährt hat.“ Das ist grob fahr lässig, weil dadurch keine geregelte Schulentwicklungspla nung zugunsten des ländlichen Raums geschieht,
sondern nach kapitalistischem Muster nach dem Motto „Die Großen fressen die Kleinen“ vorgegangen wird.
Mit der Gemeinschaftsschule gibt es auch für ländliche Räu me eine Option, die Schule im Dorf zu behalten – zwar nicht überall, aber an mehr Standorten als beim CDU-Fraktionsmo dell.
Apropos CDU-Fraktionsmodell: Wir haben Verständnis da für, dass Sie auf die Einladung unseres Landesvorsitzenden zu Friedensverhandlungen noch nicht antworten konnten.
Offensichtlich muss zunächst intern geklärt werden, welches CDU-Modell das offiziell favorisierte Modell sein soll, ob sich also Herr Hauk oder Herr Strobl durchsetzen wird. Wir war ten geduldig. Die weiße Fahne ist gehisst.
Niemand kann sich zurücklehnen und darauf setzen, dass es für ihn oder für sie eine Bestandsgarantie gibt. Nichts ist so sicher wie der Wandel. Lieber Herr Wacker, als Staatssekre tär hätten Sie diesen Antrag nicht gestellt. Wir werden Ihren Pseudoantrag ablehnen.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Manchmal schärft es den Blick für et was, wenn man sich seine Geschichte vor Augen führt. Rea le, das heißt an der gegenständlichen Welt orientierte Bildung existiert bereits seit dem frühen Mittelalter. Entsprechende Bildungseinrichtungen nahmen im 18. Jahrhundert einen Auf schwung. In diesem Zusammenhang begegnet uns die erste Schule, die den Namen „Realschule“ trägt.
Die Realschule hat also bereits eine beachtliche Geschichte hinter sich, aber ihre Philosophie einer Orientierung an der re alen Welt ist doch geradezu topaktuell. Die Berufsorientie rung als Querschnittsaufgabe, die Auswahl der Lerngegen stände zum Zweck einer praktischen Anwendung, die an die Lebenswelt der Schüler anknüpfende Didaktik und die kon sequente Förderung von Leistungsbereitschaft haben die Re alschule nicht nur zur Schule des sozialen Aufstiegs schlecht hin, sondern auch zu einer exzellenten Vorbereitungseinrich tung für die spätere Berufswelt gemacht.
Erzählt man in anderen Ländern Europas und der Welt, dass uns hierzulande die Gemeinschaftsschule als der letzte päda gogische Schrei verkauft werden soll, wird überall nur der Kopf geschüttelt.
Man beneidet uns weltweit um ein differenziertes Bildungs wesen, dessen Rückgrat die Realschulen und die beruflichen Schulen bilden. Denn das berufliche Schulwesen einschließ lich der dualen Ausbildung und die Realschule bilden – wenn auch institutionell eigenständig – eine untrennbare Einheit. Natürlich wehrt sich die grün-rote Landesregierung, wie wir gerade gehört haben, gegen den Vorwurf, sie wolle erfolgrei chen Schularten wie der Realschule oder den beruflichen Schulen zu Leibe rücken. Gar heftig fallen bei Ihnen die Ver teidigungsreden und Lippenbekenntnisse zur Realschule aus, wie wir gerade eben wieder gehört haben.
(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Wir haben doch die Mittel aufgestockt, nicht Sie! Sie haben doch die gan ze Zeit gar nichts gemacht! Was soll das denn?)
Dieses übertriebene und unglaubwürdige Verhalten ist in Wahrheit nichts anderes als ein groß angelegtes Täuschungs manöver,