Protokoll der Sitzung vom 28.11.2013

Wir sind nicht generell und nicht grundsätzlich gegen die Ein richtung eines Nationalparks. Aber wir haben immer gesagt: Es muss vor Ort sinnvoll sein, und die Bürger müssen mitge nommen werden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Beides ist Ihnen nicht gelungen, Herr Ministerpräsident, ganz offensichtlich nicht. Denn wenn dieses Projekt sinnvoll wäre, dann könnten Sie auch die Bürger mitnehmen. Das ist das Pro blem, das Sie haben.

Es wird überdeutlich, dass es Ihnen gar nicht um den Natur schutz geht. Vielmehr geht es Ihnen um ein Prestigeprojekt für Ihre Amtszeit. Das ist der eigentliche Grund. Deshalb ha ben Sie von vornherein deutlich gemacht, dass Sie am Ende dieses Prozesses – komme, was wolle – diesen Nationalpark im Landtag durchsetzen wollen. Das haben Sie den Menschen vor Ort schon sehr früh signalisiert. Und da wundern Sie sich über den Ärger, der vor diesem Haus kundgetan wird?

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Sie argumentieren mit den Vorgängerregierungen und sagen, der frühere Landwirtschaftsminister Weiser habe Pläne zu ei nem solchen Nationalpark oder generell zu einem National park schon in der Schublade gehabt. Das ist ein Argument, das Sie anführen: Weil ein CDU-Minister Pläne in der Schub lade hatte, müssen diese Pläne gut sein. Ich halte das für eine bemerkenswerte Einsicht. Ich habe schon viele Pläne von CDU-Ministern realisiert gesehen, die Sie nicht gut fanden. Ich würde mir an Ihrer Stelle einmal die Frage stellen, wenn diese Pläne in der Schublade waren, warum er sie dort gelas sen hat und warum sie in der Vergangenheit nicht realisiert worden sind.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Das war offensichtlich deswegen der Fall, weil man zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es an dieser Stelle nicht sinnvoll ist, oder zumindest, dass dieser Nationalpark mehr nimmt, als er gibt. Das ist offensichtlich das Ergebnis, zu dem alle Vor gängerregierungen gekommen sind. Denn Herr Weiser war Minister in Zeiten einer CDU-Alleinregierung.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Und in Zeiten von Schwarz-Rot!)

Anschließend gab es eine Große Koalition, dann die christ lich-liberale Koalition. Keine dieser Koalitionen hat das Gan ze realisiert, offensichtlich weil alle zu dem Ergebnis gekom men sind, dass dieser Nationalpark mehr nimmt, als er gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Ich will Ihnen gar nicht bestreiten, dass es Gründe gibt, einen solchen Nationalpark umzusetzen.

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Sie haben heute erklärt, es gebe 250 Arten, die sozusagen nur im Totholz überlebensfähig seien.

(Abg. Thomas Marwein GRÜNE: Plus die FDP!)

Ich habe heute während Ihrer Rede, Herr Ministerpräsident, den Tannenstachelbart kennengelernt; den kannte ich bisher nicht. Ich glaube Ihnen gern, dass der Tannenstachelbart zu den 250 Arten zählt, die nur im Totholz überlebensfähig sind, und sage Ihnen: Jawohl, das ist ein Argument dafür, vielleicht einen solchen Nationalpark zu realisieren oder zumindest ir gendetwas einzurichten, das es ermöglicht, dass Arten im Tot holz überlebensfähig sind.

Nur stellt sich dann schon die Frage: Was nimmt ein solcher Nationalpark? Sie haben die ganzen Befürchtungen in den Sä gebetrieben nicht zerstreuen können. Sie haben auch am heu tigen Tag die Befürchtungen bezogen auf den Borkenkäfer nicht zerstreuen können. Sie mussten Formulierungen wie „nach menschlichem Ermessen“ und „Wir hoffen und glau ben“ verwenden. Aber sicher sind Sie eben nicht. Deshalb übernehmen Sie auch die notwendigen Garantien nicht, Herr Ministerpräsident.

Ich glaube auch nicht, dass dieses Totholz dazu führt, dass in der Zukunft der Tourismus im Nationalparkgebiet spürbar ge fördert wird. Ich kann mir eben nicht vorstellen, dass neben denen, die heutzutage im Nordschwarzwald wandern – dazu gehöre ich gelegentlich auch;

(Zurufe von der SPD: Oi!)

den Kollegen Schmiedel treffe ich dann vielleicht irgendwann einmal bei seiner Wanderung –, zusätzlich Leute von irgend woher anreisen, durch diesen Nationalpark wandern und dann irgendwo vor einem toten Stamm stehen bleiben und sagen: „Dort ist möglicherweise der Tannenstachelbart drin.“ Das glaube ich nicht. Deshalb, Herr Ministerpräsident, nimmt die ser Nationalpark eben mehr, als er gibt.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Dr. Rül ke, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. GurrHirsch?

Da ich gerade am Ende eines Abschnitts bin, gern.

(Heiterkeit)

Bitte.

Jetzt können Sie sich auf das nächste Tier einstellen: Gurr-Hirsch.

(Heiterkeit)

Sie haben während Ihrer Rede den Tannenstachelbart für sich entdeckt; das sei Ihnen auch gegönnt.

Ich möchte Sie fragen, ob Ihnen bewusst ist, dass in der ge planten Kulisse des Nationalparks bereits eine größere Bann waldfläche oder Totholzfläche vorhanden ist, und ob Sie wis sen, dass es seit vielen Jahrzehnten auch im Staatsforst üblich ist, Totholzflächen auszuweisen.

Vielen Dank für den Hinweis, Frau Gurr-Hirsch. Ich habe ja gerade, wenn ich mich richtig entsinne, gesagt, dass es auch andere Möglichkeiten für das Vorhandensein von Totholz gibt. Diese muss man viel leicht gelegentlich zur Anwendung bringen.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Hirschkäfer!)

Ich will aber dem Ministerpräsidenten konzedieren, das der Tannenstachelbart in einem Nationalpark vielleicht eine hö here Überlebenschance hat als in den Bannwaldflächen. Das mag ja dann ein Argument für den Nationalpark sein. Aber das ist eben für mich nicht hinreichend, insbesondere wenn ich mir anschaue, welche Auswirkungen wirtschaftlicher Art die Einrichtung dieses Nationalparks hat.

Herr Ministerpräsident, Sie betonen immer fast gebetsmüh lenartig, beim Nationalparkgebiet handle es sich nur um 0,7 % der Waldfläche des Landes, und unterstellen damit, der Flä chenbedarf für den Nationalpark sei so gering, dass sich dar an im Grunde überhaupt niemand zu stören brauche. Aber, Herr Ministerpräsident: Den Menschen im Nordschwarzwald, deren Befürchtungen vor ihrer Haustür konkret werden, in de ren Heimat eingegriffen wird, nutzt dieses Argument relativ wenig, wenn Sie ihnen beispielsweise sagen: „In Oberschwa ben greifen wir nicht in den Wald ein, aber bei euch, und das betrifft nur 0,7 % der Waldfläche des Landes.“ Das ist ein Ar gument, das für die Menschen vor Ort alles andere als über zeugend sein dürfte.

Sie haben auch darauf hingewiesen, wie früh und umfassend Sie die Bürger eingebunden hätten. Das ist durchaus richtig.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Also doch!)

Sie haben sehr früh einen Prozess der Diskussion mit den Bür gern geführt; Frau Sitzmann, das ist durchaus richtig.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Sagen Sie das einmal Herrn Hauk!)

Im Übrigen ist es so, dass Regierungen in früheren Zeiten durchaus mit den Bürgern diskutiert haben. Indem Sie immer von der Politik des Gehörtwerdens reden, versuchen Sie den Eindruck zu erwecken, dass die Bürger früher ihre Meinung nicht äußern durften. So war es nicht. Vielmehr wurde es am Ende im Landtag entschieden. Genau so machen Sie es auch. Sie hören den Menschen zu, aber am Schluss erklärt der Mi nisterpräsident, dass gehört werden nicht erhört werden hei ße. Das heißt, die Meinungen der Menschen werden nur dann ernst genommen, wenn sie Ihnen in den Kram passen. Wenn sie Ihnen nicht in den Kram passen, entscheiden Sie im Land tag anders. Da frage ich Sie: Was ist denn die neue Qualität Ihrer angeblichen Politik des Gehörtwerdens?

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Sie nehmen für sich in Anspruch, den Bürger ernster zu neh men, als dies frühere Landesregierungen taten. Diesen An spruch lösen Sie jedoch in keiner Weise ein, bei diesem Bei spiel nicht und bei anderen auch nicht. Damit wird doch deut lich, was diese Politik des Gehörtwerdens ist: Sie ist nur ein Köder, der für den Wähler ausgelegt wird. Dem Wähler wird der Eindruck vermittelt: „Wählt uns, dann habt ihr mehr zu

bestimmen als zu früheren Regierungszeiten.“ Am heutigen Tag machen Sie sehr deutlich, dass das gar nicht der Fall ist, sondern dass Sie hier entscheiden, ganz egal, was der Bürger will.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Sie sprechen immer davon, man könne die Sägebetriebe vor Ort

(Abg. Wolfgang Raufelder GRÜNE: Facharbeiter!)

durch Holz aus anderen Regionen entschädigen. Meine Da men und Herren, das ist eine Milchmädchenrechnung aus der Gemeinschaftsschule.

(Oh-Rufe von der SPD)

Denn das Gesamtvolumen des Holzes in Baden-Württemberg wird mit Sicherheit nicht dadurch höher, dass Sie einen Nati onalpark einrichten. Sie können das Holz nur einmal verwen den. Wenn das Land Baden-Württemberg insgesamt einen hö heren Verarbeitungsbedarf an Holz hat als die Menge, die im Land Baden-Württemberg heranwächst und gefällt werden kann, dann ist nach Adam Riese völlig klar, dass Sie dadurch bei den Sägebetrieben im Nordschwarzwald Einbrüche her beiführen und insgesamt ein Minus in der Holzwirtschaft in Baden-Württemberg entsteht.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Das wird nicht ins Ausland verkauft!)

Hier setzen Sie auf die Uninformiertheit und auf die Leicht gläubigkeit der Zeitgenossen.

Herr Ministerpräsident, Sie haben die Frage des Kollegen Glück nicht beantwortet. Sie haben etwas oberlehrerhaft er klärt, man solle warten, Sie kämen noch darauf zu sprechen, aber anschließend haben Sie nicht geliefert. Auch an dieser Stelle ist deutlich geworden, mit welchem Stil Sie die Diskus sion führen.

Sie haben sich von Anfang an vorgenommen, dieses Prestige projekt als Leuchtturm einer grün-roten Amtszeit von 2011 bis 2016 umzusetzen – komme, was wolle –, am besten unter dem Beifall der Bevölkerung. Deshalb haben Sie diesen Bür gerbeteiligungsprozess angestrengt. Sie haben aber von vorn herein keinen Zweifel daran gelassen, dass Sie, wenn die Bür ger am Ende nicht so wollen, wie Sie sich das vorstellen, das Ganze trotzdem unabhängig vom Bürgerwillen umsetzen. An dieser Stelle wird auch noch einmal deutlich: Die Politik des Gehörtwerdens ist eine reine Fassade, eine Schauveranstal tung. Dahinter wird glasklare Machtpolitik deutlich.