Protokoll der Sitzung vom 18.12.2013

Sie nehmen die Wahl an.

Wir haben jetzt den stellvertretenden Vorsitzenden oder die stellvertretende Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zu wählen. Das Vorschlagsrecht dafür steht der CDU-Frakti on zu. Sie schlägt Herrn Abg. Andreas Deuschle zur Wahl vor (Anlage 3). Wer Herrn Abg. Deuschle zum stellvertretenden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses wählen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer ent hält sich? – Somit ist Herr Abg. Deuschle einstimmig zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden.

Ich frage Sie, Herr Abg. Deuschle: Nehmen Sie die Wahl an?

Ja, vielen Dank.

Sie nehmen die Wahl an.

Damit ist Punkt 3 der Tagesordnung erledigt. Vielen Dank.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zu dem Vertrag des Landes Baden-Württemberg mit dem Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesver band Baden-Württemberg e. V. – Drucksache 15/4401

Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Aus schusses – Drucksache 15/4484

Berichterstatter: Abg. Bernd Hitzler

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich Herrn Abg. Dr. La sotta für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in zweiter Lesung den Gesetzentwurf zum Staatsvertrag. Wir ha ben bereits in der vergangenen Woche dieses historische Er eignis gewürdigt, nämlich die Unterzeichnung des Staatsver trags mit den Sinti und Roma. Dies wurde vom Parlament ein vernehmlich getragen und unterstützt.

Ich bin froh, dass wir gemeinsam an dieser Sache arbeiten, die uns als Parlamentarier wichtig ist, nämlich in der Öffent lichkeit darzustellen, dass der Schutz von Minderheiten und die Förderung von berechtigten Interessen der Sinti und Ro ma in Baden-Württemberg unser gemeinsames Anliegen sind. Deswegen ist die Unterzeichnung des Vertrags, die wir alle in der vergangenen Woche als historisch bezeichnet haben, ein Schritt, der die Anliegen der Sinti und Roma stärker in der Öf fentlichkeit widerspiegelt. Wir als Parlamentarier wollen un seren Anteil daran haben, aber nicht nur an den Punkten, die im Staatsvertrag geregelt sind, sondern auch an der Diskussi on in der Öffentlichkeit.

Deswegen möchte ich dem Landesverband der Sinti und Ro ma noch einmal ganz herzlich danken. Herr Daniel Strauß ist heute gemeinsam mit seinem Vorstand dankenswerterweise auch anwesend. Lieber Herr Strauß, vielen Dank vor allem für Ihre Offenheit, Ihren Humor und Ihre Worte, mit denen Sie die Beratung des Staatsvertrags begleitet haben. Wir ha ben uns alle geborgen und auf Augenhöhe behandelt gefühlt.

Deswegen können wir auch guten Gewissens diesem Gesetz entwurf zustimmen.

Insbesondere vor dem Hintergrund der geschichtlichen Di mension ist es uns wichtig, die Anliegen der Sinti und Roma in Baden-Württemberg zu vertreten. Seit Jahrhunderten gehö ren Sinti und Roma zu unserem Land Baden-Württemberg. Sinti und Roma waren vielfach Verfolgungen und Diskrimi nierungen ausgesetzt. Sie waren Ablehnung, Hass und Un recht bis hin zur schlimmen Verfolgung zu Zeiten des Natio nalsozialismus ausgesetzt, bei der es zur Ermordung vieler Sinti und Roma kam, die viel zu spät politisch aufgearbeitet wurde. Deshalb ist es uns eine Verpflichtung – das wird in die sem Staatsvertrag auch betont –, uns zu dieser historischen Dimension zu bekennen.

Der Schutz einer nationalen Minderheit ist uns auch deswe gen wichtig, weil es unserer Verfassungsordnung und somit unserem Grundgesetz und unserer Landesverfassung ent spricht, denjenigen Schutz zu gewähren, die diesen benötigen. Wir hätten nicht diese Rechts- und Verfassungsordnung, wenn wir diesen Schutz nicht auch offensiv nach außen darstellen würden.

Weil es heute immer noch Diskriminierungen gibt, weil sich bis heute viele Sinti und Roma nicht zu ihrer Zugehörigkeit, zu ihrer ethnischen Abstammung, bekennen wollen, weil sie eine Diskriminierung in der Öffentlichkeit fürchten, ist es wichtig, dass wir mit diesem Staatsvertrag einen Beitrag da zu leisten, dies zu durchbrechen und zu sagen: Unsere Gesell schaft steht zu unseren Mitbürgern. Sie sind hier integriert. Wir wollen sie unterstützen bei wichtigen Aufgaben ihrer kul turellen Arbeit, aber auch, was z. B. eine bessere Bildung der Angehörigen einer nationalen Minderheit angeht. Dies gilt auch für die Aufarbeitung der Geschichte und der kulturellen Eigenheiten einer Minderheit.

Die Inhalte des Staatsvertrags sind sehr abgewogen. Die CDU-Landtagsfraktion hat in der Vergangenheit wichtige Bei träge zur Erarbeitung dieser Inhalte geleistet. Schon damals unter unserem CDU-Fraktionsvorsitzenden Günther Oettin ger wurden wesentliche Impulse für den jetzigen Staatsver trag gesetzt. Im Parlament haben wir weiter daran gearbeitet.

Herr Ministerpräsident, ich bin sehr froh, dass Sie das Anlie gen der CDU-Landtagsfraktion aufgegriffen haben, dass auch das Parlament und die kommunalen Landesverbände im ge meinsamen „Rat für die Angelegenheiten der deutschen Sin ti und Roma in Baden-Württemberg“ vertreten sind. Damit können wir die Anliegen der Sinti und Roma, die öffentliche Darstellung, aber auch die Aushandlung weiterer Schritte auf eine sehr breite gesellschaftliche Basis stellen. Wir als Abge ordnete wollen dabei sein und ihre Anliegen mit vertreten. Auch die kommunalen Landesverbände wollen dabei sein, um die Anliegen entsprechend vertreten und begleiten zu können.

Deswegen fand ich es gut, dass diese Initiative aufgegriffen wurde, dass Sie vielleicht auch ein Stück weit über Ihren Schatten gesprungen sind und gesagt haben, dass die Oppo sition einen guten Vorschlag gemacht hat, dass Sie das also aufgenommen haben. Dafür sind wir Ihnen dankbar.

Wir wollen gern im gemeinsamen Rat mitarbeiten. Ich möch te schließen mit den Worten von Herrn Strauß, der damals im Neuen Schloss gesagt hat: „Wir öffnen gemeinsam eine Tür

in eine bessere Zukunft.“ Sie haben uns hierfür gewonnen. Wir gehen diesen gemeinsamen Weg.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Lede Abal das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Strauß – stell vertretend für den Vorstand des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma –, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man soll mit Superlativen vorsichtig umgehen. Ganz ohne Frage erle ben wir aber heute etwas Besonderes, nämlich die Verabschie dung des Zustimmungsgesetzes zum Vertrag mit dem Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württem berg, und damit die Verabschiedung der ersten rechtlichen Vereinbarung, die das Land Baden-Württemberg zur Anerken nung, zum Schutz und zur kulturellen Arbeit einer anerkann ten Minderheit eingeht.

Das ist bedeutsam; denn wir erleben damit, dass das Land Ba den-Württemberg die deutschen Sinti und Roma als Minder heit mit schützenswerten Rechten anerkennt. Baden-Württem berg ist übrigens das zweite Bundesland, das diesen Schritt geht.

Ich möchte diesen Vertrag ausdrücklich als Position verstan den wissen, als Position dieses Hauses gegen Diskriminierung und als Bekenntnis zum Schutz von Minderheiten.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Der Vertrag spricht ausdrücklich von der Identität der Sinti und Roma und führt auch aus, was die Identität einer Minder heit ausmacht, nämlich Kultur, Sprache, Ethnie und Religion. Das finden wir auch in den vertraglichen Regelungen wieder: Errichtung einer Forschungsstelle zu Geschichte und Kultur, Kultur und Bildungsangebote, Ausbau der Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung und der Lan desarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten, Verankerung in den Bildungsplänen und die besondere Rolle der Sinti und Ro ma als europäische transnationale Minderheit. Darin spiegelt sich auch die Verantwortung wider, die der Landesverband auch für nicht deutsche Sinti und Roma übernehmen soll.

Der Vertrag führt auch aus, was eine Minderheit zum Schutz und zum Erhalt ihrer Identität braucht: Sicherheit, rechtliche Garantien, einen institutionellen Rahmen, Anerkennung und die Einbindung in die Strukturen der Mehrheitsgesellschaft. Das finden wir wieder in der künftigen Arbeit des Rates, in der verpflichtenden Förderung des Landes, in der gemeinsa men Aufgabe, den Vertrag weiterzuentwickeln, und in weite ren Bestimmungen des Staatsvertrags.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sinti und Roma sind seit mehr als 600 Jahren Teil dieser Region, ihrer Kultur und ih rer Gesellschaft. In dieser Zeit erfuhren sie aber immer wie der auch Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung. Wie wir gehört haben, hat die Ausarbeitung dieses Vertrags sehr lan ge gedauert, sodass ihn viele, denen er möglicherweise viel bedeutet hätte, nicht mehr erleben können. 18 Jahre lang wur de verhandelt.

Wenn wir aber über die Anerkennung von Sinti und Roma sprechen, von der Aufgabe, Antiziganismus in unserer Gesell schaft entschieden entgegenzutreten, und von der Verantwor tung, Minderheiten und ihre Kultur zu schützen und vor al lem zu bewahren, können wir nicht nur über die Zeitspanne der vergangenen 18 Jahre sprechen. Wir müssen vielmehr da von sprechen, wie viel Zeit seit Kriegsende, seit dem Ende der Nazidiktatur vergangen ist. Wir sollten auch davon sprechen – wir haben in diesem Jahr das Landesjubiläum „60 Jahre Ba den-Württemberg“ gefeiert –, wie viel Zeit seit der Gründung des Landes Baden-Württemberg vergangen ist. Das sind mehr als 18 Jahre.

Machen wir uns nichts vor: Sinti und Roma sind auch heute noch von sogenannter gruppenbezogener Menschenfeindlich keit und Rassismus betroffen. So ist uns auch die Notwendig keit eines solchen Vertrags mit den darin verankerten Aufga ben geblieben.

Ich möchte daher der Landesregierung mit Herrn Ministerprä sident Kretschmann danken, dass sie sich dieses Vertrags an genommen hat. Ebenso möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen hier im Plenum danken, die diesen Entwurf schon in der ersten Lesung einstimmig unterstützt haben. Das ist ei ne klare Haltung dieses Parlaments; es ist eine klare Stellung nahme gegen Antiziganismus und für die Anerkennung und den Schutz der Minderheit der Sinti und Roma in BadenWürttemberg.

Mehr als allen anderen gebührt der Dank aber Ihnen, Herr Strauß, und den weiteren Vertreterinnen und Vertretern des Landesverbands der Sinti und Roma in Baden-Württemberg. Sie haben sich 18 Jahre lang nicht entmutigen lassen, und Sie haben den Vertrag nun vor zwei Wochen endlich unterzeich nen können. Heute kommt sozusagen noch das Siegel drauf. Herzlichen Glückwunsch an Sie, und vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich das Wort gleich Herrn Abg. Wahl für die SPD-Fraktion erteile, möchte ich darauf hinweisen, dass Ta gesordnungspunkt 5, der eigentlich noch vor der Mittagspau se hätte behandelt werden sollen, aufgrund der fortgeschritte nen Uhrzeit auf den Nachmittag verschoben und nach Punkt 6 der Tagesordnung – Regierungsbefragung – aufgerufen wird.

Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Abg. Wahl.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Anlässlich der Ver abschiedung des Gesetzes zum Staatsvertrag hätte er sich eine Krawatte umbinden können!)

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, mit der heutigen Zustimmung und der bereits am 28. November 2013 vorgenommenen Vertrags unterzeichnung bekennen wir – Parlament und Landesregie rung – uns ganz klar dazu: Die Sinti und Roma in BadenWürttemberg sind Baden-Württemberg!

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Dies wurde auch Zeit. Seit 600 Jahren leben Sinti und Roma in der Region, die nun das Land Baden-Württemberg bildet.

Es verursacht Kummer, dass so viel Zeit vergehen musste und dass die Historie so leidvoll war, bis wir uns auf den Weg ge macht haben, um den Staatsvertrag auszuarbeiten, den wir heute beschließen werden. Aber umso besser ist es, dass dies heute geschieht.

Eines jedoch muss, denke ich, auch klar sein: Dieser Vertrag ist der Anfang, aber nicht der Abschluss des Prozesses. Des wegen ist es wichtig, zu schauen, was mit diesem Vertrag ver ankert wird, um Grundsteine für die Zukunft zu legen. Das ist erstens die Forschungsstelle, zweitens die Verankerung in den Bildungsplänen und drittens, dass auch dieser Bereich nun in die Gedenkstättenarbeit aufgenommen wird, damit das The ma „Verfolgung von Sinti und Roma“ regelmäßig und immer wieder vor Ort ins Bewusstsein gerufen wird.

Ich denke, das ist ganz wichtig, gerade mit Blick auf den An tiziganismus, den wir in letzter Zeit immer wieder erleben, gerade wenn wir von der Armutsmigration aus Osteuropa re den. Auch unter diesen Armutsmigranten gibt es Sinti und Ro ma; plötzlich wird nun aber von einer „Sinti-und-RomaSchwemme“ gesprochen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht wieder Stereotypen zum Leben erwecken, deren Vorhan densein wir dann nicht mehr unter Kontrolle haben.

Umso wichtiger ist es, dass wir tagtäglich in den Schulen, in den Gedenkstätten durch Förderung, durch Forschung darauf hinwirken, dass wir gesellschaftlich ein anderes Bild gerade auch von dieser Minderheit, von diesem Teil Baden-Württem bergs schaffen. Dazu legen wir mit diesem Staatsvertrag ei nen wichtigen Grundstein. Ich freue mich, dass es hierzu ei nen übergreifenden Konsens gibt; herzlichen Dank dafür.

Herzlichen Dank auch Ihnen, Herr Strauß, für Ihr Engage ment, stellvertretend für alle anderen, die an der Erarbeitung des Staatsvertrags mitgewirkt haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Arnulf Freiherr von Eyb CDU)