Protokoll der Sitzung vom 20.07.2011

Dennoch besteht gerade hier im Hinblick auf den in manchen Gebieten schon heute einsetzenden Ärztemangel besonderer Handlungsbedarf.

Erfolgreiches Studieren ist natürlich an gute Studienbedin gungen geknüpft. Sie selbst haben die Aktuelle Debatte unter das Motto „Gutes Klima für Forschung und Lehre an unseren Hochschulen“ gestellt. Wenn die Ausstattung nicht stimmt oder die Raumkapazitäten fehlen, dann kann es natürlich schwierig werden. All diese Konsequenzen sollten bedacht werden, damit der Hochschulausbau 2012 nicht auf Sand er folgt.

Wir Liberalen wollen deshalb den geplanten Ausbau um 20 000 Studienanfängerplätze an den baden-württembergi schen Hochschulen zu Ende führen und bei gestuften Studi engängen auf ein ausgewogenes Verhältnis von Bachelor- und Masterstudienplätzen hinwirken, damit ein bedarfsgerechtes Studienplatzangebot gesichert werden kann.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch auf das Thema Studi engebühren eingehen. Frau Ministerin Bauer spricht gegen über den Medien beim Thema Studiengebühren immer davon,

dass es sich hier um ein „Symbolthema“ handle. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie sich tatsächlich in der Öffent lichkeit dezidiert inhaltlich mit einem Pro oder Kontra zum Thema Studiengebühren geäußert hätte. Stattdessen haben Sie mehrfach die hohe „Symbolik“ bei diesem Thema hervorge hoben. Studiengebühren müssten abgeschafft werden, weil es sich um ein wichtiges „Symbol“ handle. Sehr geehrte Frau Ministerin, ein Vorschlag hierzu: Machen Sie weniger Sym bolpolitik, sondern handeln Sie konkret, um die Spitzenposi tionen der Universitäten in unserem Land zu verteidigen und ihre Stellung auszubauen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wir Liberalen bekennen uns zu Studienentgelten als wichti ger Finanzierungssäule des Hochschulwesens. Wir sehen aber natürlich auch die damit einhergehenden Herausforderungen und Belastungen. Die Kosten des Hochschulwesens sollen durch die Studierenden mitgetragen werden, da sie direkt vom öffentlichen Hochschulwesen profitieren.

Gleichzeitig ist es der FDP/DVP-Fraktion wichtig, dass jeder unabhängig von der finanziellen Ausstattung seines Eltern hauses und im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit und seiner Interessen die Möglichkeit erhält, eine akademische Ausbil dung zu absolvieren. Die Erhebung von Studienentgelten oder -gebühren darf die Studierenden und ihre Familien während des Studiums nicht belasten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Muh terem Aras GRÜNE: Sehr gut!)

Die Trennung der Studienfinanzierung vom Einkommen der Eltern bei gleichzeitiger Fortentwicklung der hervorragenden Qualität baden-württembergischer Hochschulen ist deshalb unser zentrales Anliegen. Die geltende Regelung sofort fälli ger Studiengebühren, die durch Darlehen mit schwankenden Zinssätzen finanziert werden können, haben wir in der ver gangenen Legislaturperiode mitgetragen. Aber wir streben für künftige Studienanfänger eine bessere Regelung an.

(Zuruf von den Grünen: Aha!)

Wir setzen uns mittelfristig dafür ein, dass für Studierende während des Studiums keine Studiengebühren oder -entgelte zur Zahlung anfallen. Dadurch soll jedoch die Finanzsituati on der Hochschulen nicht gefährdet werden.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Das ist schon einmal besprochen!)

Studienentgelte sollen stattdessen in Baden-Württemberg künf tig in Form von echt nachgelagerten und einkommensabhän gigen Entgelten von den Hochschulen festgesetzt und erho ben werden können.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Das heißt Steuern!)

Nach dem Einstieg in das Berufsleben beginnen die Absol venten ab einer Einkommensuntergrenze mit der Rückzah lung ihrer Studiengebühren. Diese Zahlungen fließen direkt den Hochschulen zu. Wer nichts verdient, muss auch keine Studiengebühren zahlen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Eine frühzeitige und einmalige Bezahlung der Studienentgel te ist zu ermöglichen. Durch die vorgeschlagenen Änderun gen werden Familien während des Studiums entlastet. Die bis her oftmals zu Schwierigkeiten führende Geschwisterrege lung kann entfallen.

Studiengebühren und -entgelte dürfen ausschließlich zur Ver besserung der Lehre eingesetzt werden. Sie sollen deshalb ins besondere nicht für solche Aufgaben der Hochschulen ver wendet werden, die zu Mindeststandards des jeweiligen Fachs gehören, wie z. B. bei der Akkreditierung festgestellt wird, sondern über den Mindeststandard hinaus eine wettbewerbli che Ausstattung der Hochschulen ermöglichen. Die Verwen dung der Studiengebühren und -entgelte soll durch die Studi enkommissionen der Fakultäten bestimmt werden; denn in diesen sind die Studierenden in gesetzlich vorgegebener Wei se beteiligt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich schaue in die Runde: Die Frau Ministerin hat sich gemeldet. Ich erteile der Frau Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Frau Bauer, das Wort.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kolle gen! Ich bedanke mich sehr für die Möglichkeit, heute ein paar grundsätzliche Gedanken zur Frage des guten Klimas für For schung und Lehre vortragen zu dürfen. Ich finde, es ist sehr gut, zu Beginn einer neuen Legislaturperiode auch einmal grundsätzlich zu schauen, vor welchen Herausforderungen wir eigentlich stehen.

Das ist aber nun wirklich ein weites Themenfeld, und deshalb werde ich mich auf ein paar Aspekte beschränken müssen. Ich verweise darauf, dass wir heute Nachmittag im Rahmen der Regierungsbefragung u. a. vertieft über das Thema „Hoch schule 2012 – abschließender Ausbauschritt“ sprechen kön nen und heute Nachmittag auch über das Universitätsmedi zingesetz reden. Erlauben Sie mir deshalb, dass ich mich auf ein paar weitere wichtige Aspekte beschränke.

Ich möchte mit der Frage anfangen, wie es um unsere For schungslandschaft bestellt ist, und gern, Herr Dr. Birk, mit der Frage beginnen: Wo steht Baden-Württemberg? Es stimmt: Das Ausgangsniveau für die baden-württembergische For schungslandschaft ist hervorragend. Wir haben eine vielfälti ge, starke Forschungslandschaft hier in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU)

Aber Sie alle wissen auch: Das Bessere ist der Feind des Gu ten. Wer sich nicht anstrengt, der fällt zurück. Auf genau die ses Problem möchte ich heute den Blick lenken. Wenn man schaut, wo Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich steht, können wir sehen: Die Tatsache, dass Baden-Württem berg in der Exzellenzinitiative I hervorragend abgeschnitten hat, war für viele Bundesländer so etwas wie ein Weckruf und Ansporn, sich im Bereich der Forschung selbst verstärkt an zustrengen und mit eigenen Initiativen zu versuchen, eine neue Dynamik in den Ländern zu entfachen. Seit Jahren fin det so etwas wie eine Aufholjagd statt. Die anderen Bundes

länder schlafen nicht. Ich möchte Ihnen bei dieser Gelegen heit heute einfach ein paar Beispiele nennen, was die anderen Bundesländer alles unternommen haben, seit wir in BadenWürttemberg in der Exzellenzinitiative I so erfolgreich wa ren.

Beispiel Bayern: Im vergangenen Jahrzehnt wurden in Bay ern mehrere Innovationsinitiativen gestartet, in jeweils drei stelliger Millionenhöhe. Außerdem finanziert die Bayerische Forschungsstiftung mit 20 bis 25 Millionen € pro Jahr For schungsvorhaben.

Beispiel Hessen: In Hessen wurde die sogenannte Landes-Of fensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Ex zellenz, genannt LOEWE, gestartet. Zwischen 2009 und 2013 werden insgesamt 410 Millionen € bereitgestellt, um For schungszentren, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen zu fördern und die Exzellenzmöglichkeiten der hessischen Universitäten zu verbessern.

Die ostdeutschen Länder haben Sonderprogramme des Bun des genutzt und durch einen breiten Einsatz von EFRE-Mit teln dafür gesorgt, dass sich ihre Technologielandschaft und ihre Forschungslandschaft verbessert. Auch da wurden in den letzten Jahren Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe ge tätigt.

Wir können nach Niedersachsen schauen: Niedersachsen hat hervorragende Finanzierungsmöglichkeiten über die VW-Stif tung, die jeweils abhängig von der Höhe der Dividenden Gel der für die Forschung und die Universitäten zur Verfügung stellt. Im letzten Jahr, im Jahr 2010, sind aus der VW-Stiftung 57 Millionen € gezielt in die Forschung in Niedersachsen ge flossen.

Oder Nordrhein-Westfalen: Dort hat man sich vorgenommen, dass Nordrhein-Westfalen bis 2015 das innovationsstärkste Bundesland werden soll. Auch da gibt es jährlich Investitio nen in zweistelliger Millionenhöhe im Bereich der Forschung.

Welche Dynamik haben wir im Vergleich dazu hier in BadenWürttemberg? Baden-Württemberg hat mit insgesamt 4,62 % FuE-Anteil am Bruttoinlandsprodukt deutschland- und euro paweit den höchsten Anteil. Dabei – das müssen wir uns wirk lich vergegenwärtigen – beträgt der FuE-Anteil am Bruttoin landsprodukt, den die Wirtschaft beisteuert, 4,27 %. Den Lö wenanteil an unserer FuE-Erfolgsgeschichte macht also die Aktivität unserer Wirtschaft selbst aus. Der Anteil der FuEAusgaben des Landes am Bruttoinlandsprodukt beträgt in Ba den-Württemberg lediglich 0,35 %.

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Das ist nicht un anständig!)

Nein, unanständig ist das ist das nicht, aber allenfalls Durch schnitt. Das müssen wir uns klarmachen: Wir liegen mit un serem Landesanteil an den Forschungsausgaben allenfalls im Durchschnitt. Hören Sie sich an, was andere Länder zu ihren Forschungsausgaben beisteuern. In Berlin beträgt der Anteil 0,68 %,

(Lachen bei der CDU – Zuruf von der CDU)

in Sachsen 0,57 %, in Mecklenburg-Vorpommern 0,48 %, in Thüringen 0,48 % und selbst in Bremen 0,42 %. Der FuE-An

teil Baden-Württembergs stagniert bei 0,35 % und ist im Ver gleich zum Jahr 1995 relativ sogar zurückgefallen. 1995 lag Baden-Württemberg noch mit 0,5 % in der Spitzengruppe. Heute sind wir bei den staatlichen Aufwendungen für For schung in den Bereich des Durchschnitts abgerutscht.

(Abg. Martin Rivoir SPD: So ist es!)

Es ist doch aber unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Landesaktivitäten dieselbe Dynamik entfalten, die wir auch im internationalen Vergleich brauchen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir brauchen staatliche Aufwendungen und staatliches Enga gement für Forschung, weil nur wir, das Land, die nötige In frastruktur herstellen können, die unsere Universitäten, unse re außeruniversitären Forschungseinrichtungen benötigen, um sich auch erfolgreich um Drittmittel bewerben zu können und um sich in Kooperation mit Unternehmen auch in der EU er folgreich um Mittelzuwendungen bewerben zu können. Wir brauchen das staatliche Engagement, um diese Infrastruktur sicherzustellen.

Ich möchte in dem Zusammenhang drei Beispiele nennen. Erstens müssen wir für eine gute Ausstattung mit Großgerä ten sorgen. Es übersteigt z. B. die Möglichkeiten einer einzel nen Hochschule, Höchstleistungsrechner oder Spitzengeräte in kostenintensiven Disziplinen wie der experimentellen Phy sik oder im Bereich der Computersimulation anzuschaffen. Wir müssen bzw. der Staat muss diese Infrastruktur und die Erneuerungen dieser Infrastruktur finanzieren.

Ein zweites Beispiel: Wir müssen sehr viel mehr im Bereich von E-Science tun. Wir müssen dafür sorgen, dass die Men ge an Daten, die erhoben und verarbeitet werden, dokumen tiert und gesichert werden kann und – im Sinne von Open Ac cess und Teilhabe – der weiteren Forschung zugänglich ge macht werden kann. Dieser ganze Bereich der Datengenerie rung, der Datenkonservierung und des Datenzugänglichma chens bedeutet eine erhebliche Anstrengung und erfordert er hebliche Ressourcen, damit unsere Forschungslandschaft auch in Zukunft wettbewerbsfähig und gut aufgestellt ist.

Wir werden in den nächsten fünf Jahren massiv in den Bereich E-Science investieren müssen, wenn wir unsere Forschungs landschaft zukunftsfähig aufstellen wollen.

Ein drittes Beispiel – das ist eben auch erwähnt worden – ist der Bereich „Bau und Sanierung“. Ich gebe Ihnen nur ein paar wenige Zahlen; sie müssten Ihnen alle im Grundsatz bekannt sein. Im Jahr 2009 hat das Finanzministerium den Sanierungs- und Modernisierungsbedarf bei landeseigenen Gebäuden er fasst. Die Berechnung von 2009 ist im Grundsatz bis heute aktuell. Danach beläuft sich der Gesamtsanierungs- und -mo dernisierungsbedarf bei den Hochschulgebäuden des Landes auf rund 3 Milliarden €, davon allein 2,4 Milliarden € für die Universitäten. Für die vier Uniklinika des Landes und weite re gesetzliche Vorgaben zum Klimaschutz werden zusätzlich jeweils 1 Milliarde € kalkuliert.

Das heißt also, für den gesamten Hochschulbereich beträgt der Sanierungs- und Modernisierungsbedarf einschließlich zu sätzlich notwendiger energetischer Ertüchtigungen aufgrund der gesetzlichen Vorgaben rund 5 Milliarden €.

In den vergangenen Jahren sind im Bereich „Sanierung und Modernisierung“ Aufwendungen von jährlich rund 200 Mil lionen € getätigt worden. Sie müssen sich einfach einmal die Relationen anschauen. Wenn man jährlich weiterhin 200 Mil lionen € für Sanierung und Modernisierung aufwendete, wür de man mindestens 20 bis 25 Jahre brauchen, um den vorhan denen und bereits festgestellten Sanierungsstau abzubauen. Nicht eingerechnet ist dabei, dass wir in einer wachsenden Hochschullandschaft auch Neubauten brauchen und dass na türlich auch weiterer Sanierungs- und Modernisierungsbedarf anfällt.

Sie sollten sich hier im Hohen Haus einmal vergegenwärti gen, was das bedeutet: Wenn wir den Sanierungsstau abbau en wollen, brauchen wir jährlich mehr als 200 Millionen €, um dies in einem überschaubaren Zeitraum von zehn bis 15 Jahren zu erreichen. Wir müssen dabei die Lasten der vergan genen Jahre, die durch zu geringe Aktivität entstanden sind, in den nächsten zehn Jahren mit übernehmen und abbauen.

Ich kann in diesem Zusammenhang nur an Sie als Parlamen tarier und damit als Entscheider appellieren – ich appelliere damit an uns alle –, die nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen und die nötigen Finanzen für eine gute und zukunfts fähige Infrastruktur im Bereich der Hochschulen und der For schungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Das ist eine erhebliche Anstrengung, die wir miteinander unternehmen müssen. Ich möchte Sie alle einladen – Regierungsseite und Opposition –, an diesem Punkt konstruktiv mitzuwirken und die nötigen Schritte zu ermöglichen.