Ich kann in diesem Zusammenhang nur an Sie als Parlamen tarier und damit als Entscheider appellieren – ich appelliere damit an uns alle –, die nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen und die nötigen Finanzen für eine gute und zukunfts fähige Infrastruktur im Bereich der Hochschulen und der For schungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Das ist eine erhebliche Anstrengung, die wir miteinander unternehmen müssen. Ich möchte Sie alle einladen – Regierungsseite und Opposition –, an diesem Punkt konstruktiv mitzuwirken und die nötigen Schritte zu ermöglichen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal ein paar Stichwor te aus der Debatte kurz anreißen. Herr Dr. Birk, Sie haben die Problematik der Lehrbelastung angesprochen und gesagt, gu te Lehre könne nur dann stattfinden, wenn man die Lehrbe lastung nicht weiter erhöht. Baden-Württemberg ist, was die diesbezüglichen Bedingungen für die Professoren angeht, be reits ziemlich weit oben auf der Skala angekommen.
Ich kann Ihre Äußerungen nur unterstreichen: Gute Arbeits bedingungen für Forschung und Lehre müssen in der Tat be deuten, dass Spielraum für eigene Publikationstätigkeiten und für eigene Forschungstätigkeiten bleibt. Aber ich kann nicht verstehen, wie Sie, der Sie sich hier hinstellen und dies pro klamieren, es zu der Zeit, als Sie noch in der Regierung wa ren, haben zulassen können, dass im Zusammenhang mit dem Dritten Nachtragshaushalt unter der vorherigen Landesregie rung ein Lebensarbeitszeitmodell zugrunde gelegt wurde, das bedeutete, dass unsere Professorinnen und Professoren höhe re Lehrverpflichtungen bekämen – nur so konnte das Sparmo dell im Wissenschaftsbereich überhaupt abgebildet werden. Auch angesichts der nicht geradlinigen Biografien, die viele Wissenschaftler heutzutage haben, ist dies in der Praxis ei gentlich nicht umsetzbar.
Die vorherige Landesregierung hatte mit dem Lebensarbeits zeitmodell beschlossen, die Lehrverpflichtung an den Hoch schulen de facto zu erhöhen. Helfen Sie nun mit – Sie selbst haben eine entsprechende Ansage gemacht –, dass dieses Le bensarbeitszeitmodell – ein Sparmodell, das nicht auf den Hochschulbereich übertragbar ist – nicht Realität wird und
dass die damals im Zusammenhang mit dem Dritten Nach tragshaushalt gefassten Beschlüsse zurückgenommen werden.
Zum Stichwort Studiengebühren und zu seinem Symbolwert: Unser Bildungssystem krankt doch in der Tat vom Beginn bis zum Ende im Wesentlichen daran, dass es nicht gelingt, Bil dungserfolg von sozialer Herkunft zu entkoppeln. Das ist der Skandal der alten Bildungspolitik. Dies zu entkoppeln, den Bildungserfolg und die Teilhabe an Bildung unabhängig vom Geldbeutel der Eltern und von der Herkunft der Eltern zu ma chen, ist, was wir umsetzen wollen und wofür wir einstehen. Für diese Ungerechtigkeit sind die Studiengebühren in der Tat geradezu d a s Symbol. Wir wollen mit diesem Symbol aufräumen. Deswegen schaffen wir die Studiengebühren zum Sommersemester 2012 ab. Gleichzeitig sorgen wir dafür, dass es nicht zu Qualitätseinbußen bei den Hochschulen kommt, indem wir vollumfänglich kompensieren und einen dynami schen Faktor einbauen, der die steigenden Studierendenzah len berücksichtigt.
Wir freuen uns sehr, Herr Dr. Kern, feststellen zu dürfen, dass auch die FDP/DVP offensichtlich in den Prozess des Nach denkens gekommen ist und bereit ist, das alte Studiengebüh renmodell, das die vorherige Fraktion noch gemeinsam mit der Vorgängerregierung vertreten hat, zu überdenken. Der Schritt hin zu nachgelagerten Studiengebühren ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Ich freue mich auf die weitere Debatte. Vielleicht können wir Sie auch noch von weiteren Reformmaßnahmen in diesem Be reich überzeugen.
Als Letztes eine kurze Bemerkung zum Thema Hochschul beiräte; Herr Dr. Birk hat es angesprochen. Ich möchte zum jetzigen Zeitpunkt – die Legislaturperiode hat ja vor noch nicht so langer Zeit begonnen – nur etwas zum Verfahren sa gen, wie wir die Diskussion über das neue Landeshochschul gesetz und über die Frage, wer an welcher Stelle in die Ver antwortung, in die Entscheidungsfindung und in die Beratung einbezogen wird, organisieren werden.
Ich glaube, es ist wirklich eine lohnenswerte Frage, über das richtige Verhältnis von „Innen“ und „Außen“ nachzudenken. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die Expertise von au ßen brauchen. Unsere Hochschulen profitieren davon. Wir brauchen aber auch das Mitgenommensein, die Beteiligung der Hochschulmitglieder selbst. Das richtige Verhältnis, wer an welcher Stelle zu welchem Zeitpunkt eingebunden und an der Entscheidung beteiligt wird, das ist die Frage, die wir dis kutieren wollen.
Wir werden nicht in der nächsten Jahreshälfte mit einem fer tigen Modell auf dem Markt erscheinen, sondern wir werden noch in diesem Jahr die Debatte eröffnen und diese insbeson dere mit den Hochschulbeiräten führen. Wir werden eine ge meinsame Bilanz ziehen: Was hat sich bewährt, und an wel chen Stellen müssen die Hochschulbeiräte und das gesamte Governance-Modell der Hochschulen weiterentwickelt wer den? Wir tun dies, wie wir das auch in anderen Bereichen ver
sprechen, im Dialog mit den Beteiligten und den Betroffenen. Wir werden ergebnisoffen in diese Debatte gehen und am En de mit einem neuen Landeshochschulgesetz versuchen, ein neues, zukunftsfähiges Modell, das das unternehmerische Hochschulmodell ablöst, vorzulegen.
Meine Damen und Herren, in der zweiten Runde erteile ich im Rahmen der noch verfügbaren Redezeit dem Vertreter der CDU-Fraktion, Herrn Abg. Dr. Birk, das Wort.
Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, einmal mehr kün digen Sie an, etwas auf den Weg zu bringen, und äußern sich zum Verfahren, aber nicht zum Inhalt. Ich hätte schon erwar tet, dass diese neue Landesregierung das, was im Koalitions vertrag steht, heute auch benennen kann, wenn es um die Hochschulbeiräte geht. Wie viel Verantwortung von außen wollen Sie denn zulassen, wenn es um die Frage der Beset zung der Hochschulräte geht? Sie sorgen doch durch diese An kündigung, durch die reinen Verfahrensfragen vor Ort mehr für Verunsicherung, als dass Sie wirklich zur Lösung des Pro blems beitragen. Sie sind jetzt Teil der Regierung. Deshalb er warten wir von Ihnen, dass Sie darauf entsprechende Antwor ten geben.
Was die Forschung angeht, Frau Ministerin, haben Sie zwei felsohne recht. Natürlich müssen wir uns weiterhin anstren gen. Die anderen haben erheblich aufgeholt. Ich gestehe per sönlich zu: Man hätte über die Verteilung der EFRE-Mittel auch anders denken können, völlig richtig. Aber, Frau Minis terin, das Land Baden-Württemberg hat in den letzten 15 Jah ren unter der CDU-geführten Landesregierung erheblich in Forschung investiert. Lassen Sie mich nur die Zukunftsoffen siven nennen: Das waren über 458 Millionen €, die bis zum Jahr 2008 in die Hochschulen investiert wurden; Forschungs programme der Baden-Württemberg Stiftung, die Sie hier nicht erwähnt haben. Das gehört zur Vollständigkeit dazu, wenn Sie hier schon von Bayern und von Hessen sprechen.
Natürlich geht es auch um die Frage der Drittmitteleinwer bung. Baden-Württemberg ist mit seinen Hochschulen bun desweit an der Spitze hinsichtlich der Drittmitteleinwerbung.
Der Forschungsstandort Baden-Württemberg kann nicht so schlecht sein, wenn die Wirtschaft in Baden-Württemberg die Hochschulen im Land als Premiumpartner für eine Zusam menarbeit ansieht.
Frau Ministerin, eines habe ich natürlich auch mit Freude ver nommen. Das betrifft die Studiengebühren. Wir haben noch
gut in Erinnerung, dass sich der Ministerpräsident seinerzeit beim Parteitag der Grünen für nachlaufende Studiengebühren ausgesprochen hat. Wir wissen auch, dass es innerhalb der Grünen Sympathie für dieses Modell gibt. Die SPD ist in die ser Frage anderer Auffassung.
Deshalb hätte ich nichts dagegen einzuwenden: Bringen Sie hier einen Gesetzentwurf für nachlaufende Studiengebühren ein, und wir als Opposition werden uns jederzeit gern konst ruktiv in diesen Diskussionsprozess einbringen.
Dafür haben wir Sympathie. Aber Sie müssen einmal den Mut haben – Sie sind ja innerhalb der Koalition der größere Partner –,
Herr Ministerpräsident, wir nehmen Sie diesbezüglich beim Wort. Auf dem Parteitag der Grünen haben Sie dafür gewor ben. Haben Sie den Mut! Wir wissen, dass die finanzielle Si tuation unserer Hochschulen in den nächsten Jahren wieder schlechter wird. Wir wissen auch, dass der mit der Abschaf fung der Studiengebühren verbundene Wegfall von Einnah men in Höhe von 135 Millionen € in guten Haushaltsjahren durch den Landeshaushalt ausgeglichen werden kann. Aber es ist doch völlig klar, dass dieses Geld fehlen wird, wenn die Haushaltssituation wieder schlechter wird und Sie entspre chende Einsparungen vornehmen müssen. Dann fehlt dieses Geld den Hochschulen. Das können wir im Interesse der Zu kunft der Wissenschaft in Baden-Württemberg nicht zulassen.
Ein letzter Punkt: das Thema „Forschung und Lehre“. Ich den ke, wir sind uns einig in der Feststellung: Wo eine gute For schung ist, findet auch eine gute Lehre statt.
Deshalb war die Berufungspraxis in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren immer auch daran orientiert, Exzel lenz in der Forschung für Baden-Württemberg zu gewinnen, weil sich daraus eine gute Lehre entwickelt hat. Deshalb kann ich Ihnen, Frau Ministerin, nur zurufen: Gerade bei der Beru fungspolitik muss diese Landesregierung in den nächsten Jah ren einen Schwerpunkt setzen. Wir wollen nicht nur mit un seren vier Exzellenzuniversitäten im laufenden Wettbewerb dabei sein. Auch die Universität Tübingen hat gute Aussich ten.
Frau Ministerin, die Messlatte liegt sehr hoch. Wir hoffen, dass Sie diese Messlatte erreichen, sodass wir dann fünf Uni versitäten aus Baden-Württemberg in der Exzellenzinitiative haben. Bitte begleiten Sie dieses Verfahren entsprechend kon
struktiv, und sorgen Sie dafür, dass die Universitäten die ent sprechenden Startvoraussetzungen erhalten, um in der Exzel lenzinitiative erfolgreich sein zu können.
Deshalb sage ich abschließend, Frau Ministerin: Diese Lan desregierung hat 560 Millionen € in eine Rücklage gesteckt. Bislang ist kein einziger Euro aus diesen 560 Millionen € für Forschungsprogramme bzw. zur Ertüchtigung der Forschungs infrastruktur aufgewendet worden.
Würden Sie erreichen wollen, dass wir in der Forschung in Baden-Württemberg weiter vorangehen, dann müssten Sie die Erste sein, die – weil Sie derzeit aus dem Vollen schöpfen kön nen – einen erheblichen Anteil aus dieser Rücklage dafür ein setzt, um Forschungsprogramme in Baden-Württemberg auf den Weg zu bringen.
Sie haben im Vierten Nachtragshaushalt noch die Chance da zu. Bitte setzen Sie dieses Zeichen. Spätestens bei der Bera tung des nächsten Doppelhaushalts werden wir dies von Ih nen einfordern.