Wenn Sie, meine Damen und Herren von Grün-Rot, Ja sagen, habe ich schon erreicht, was ich wollte. Danke. Wenn Sie Ja sagen zu dem, was in unserem Land getan werden muss, dann haben Sie sicher auch das Ja aller Gutwilligen in der Bevöl kerung und in der Wirtschaft, denn ohne deren Erfolg werden alle Ihre Träume Schäume bleiben.
Alle Zertifikate und Siegel, die überall in Massen verteilt wer den wie Fleißkärtchen, sind oft nur Feigenblätter. Sie verde cken vielleicht Ratlosigkeit oder täuschen etwas vor, was nicht vorhanden ist.
Deshalb sind die Lücken das Interessanteste an Ihrer langen Antwort, Herr Minister Schmid. Ein Ja hätte doch genügt.
Sagen Sie mit mir und der FDP/DVP-Fraktion Ja zu einer gu ten Zukunft unseres Landes Baden-Württemberg. Wenn die Menschen diese Zukunft packen und nicht ihre Koffer, mei ne Damen und Herren, dann haben auch sie Ja gesagt.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Fachkräfte ist ein wichtiges Thema. Ich freue mich, dass es uns heute Nachmittag gelungen ist, dieses Thema in einer angemessenen Tonlage sachlich zu bereden. Dies ist si cher auch den Vorrednern zu verdanken. Ich will dies aus drücklich würdigen und auch zu den heute gehaltenen Jung fernreden der Kolleginnen und Kollegen gratulieren.
Ich wünsche mir, dass wir gerade bei diesem Thema, aber auch bei den anderen Themen, die wir in der Landespolitik zu besprechen haben, häufiger in dieser Art und Weise die sach liche und konstruktive Auseinandersetzung suchen. Denn das, was wir hier im Landtag machen, ist eigentlich nur Wellenge kräusel.
Die Sacharbeit, gerade bezüglich der Fachkräfte, findet in der Wirtschaft, im Bündnis für Ausbildung und in der von der Landesregierung angestrebten darüber hinausreichenden Al lianz für Fachkräfte in Baden-Württemberg statt.
Wenn man die Sachlage betrachtet, gilt der gute alte Spruch: Wir werden nicht alles anders, aber vieles besser machen.
Deshalb geht es jetzt auch nicht darum, ob es Empfehlungen oder Ideen der CDU, der FDP/DVP, der SPD oder der Grü nen sind, die wir umsetzen. Vielmehr geht es darum, dass wir hier im Landtag gemeinsam über alle Parteigrenzen hinweg in der Enquetekommission zu gemeinsamen Empfehlungen gekommen sind, die jetzt umgesetzt werden. Die vorherige Landesregierung hat diese Empfehlungen in der Vergangen
heit umgesetzt. Die jetzige Landesregierung wird auch in der neuen Zusammensetzung diese Empfehlungen umsetzen, weil diese von allen im Landtag vertretenen Parteien getragen wor den sind. Unser Ehrgeiz ist es natürlich, sie gut umzusetzen. Da sind wir auf dem besten Weg.
Schauen wir uns z. B. einmal an, was das Bündnis für Ausbil dung leistet. Es ist auf vier Jahre angelegt und noch von der vorherigen Landesregierung auf die Schiene gebracht worden. Wir hatten jetzt zum ersten Mal die Gelegenheit, mit allen Partnern in der Sache zusammenzuarbeiten und eine erste Zwischenbilanz zu ziehen. Es stellt sich schon jetzt heraus, dass es besonders wichtig ist, dass es einen breiten Schulter schluss gibt, bei dem Wirtschaft und Gewerkschaften im ge meinsamen Dialog diese Fragen der Berufsausbildung Jugend licher und der Fachkräftesicherung der Unternehmen ange hen.
Ich begrüße noch einmal ausdrücklich, dass es uns in diesem Frühjahr zum ersten Mal gelungen ist, eine gemeinsame Aus wertung des Ausbildungsjahrs vorzunehmen. Dies ist eine sehr differenzierte Auswertung, die uns auch in die Lage versetzt, dort anzusetzen, wo wir politisch oder von Verbandsseite her noch ansetzen müssen, nämlich insbesondere bei der Aufga be, auch leistungsstärkere Jugendliche vermehrt für die dua le Ausbildung zu gewinnen und – das ist das zweite große Ziel – die leistungsschwächeren Jugendlichen ebenfalls in die Aus bildung zu bekommen.
Deshalb glaube ich, dass dies ein gutes Vorbild für das ist, was wir mit der Allianz für Fachkräfte vorhaben. Dadurch wollen wir – natürlich ergänzt um den Bereich der Hochschulbildung – ganz breit Fachkräfte für unsere Wirtschaft sichern. Denn schon jetzt ist vorhersehbar, dass der Fachkräftemangel d i e Herausforderung der nächsten Jahre ist. Laut einem IHK-Gut achten werden schon im Jahr 2015 über 270 000 beruflich Qualifizierte in Baden-Württemberg fehlen.
Wenn wir über Fachkräftemangel reden, dann reden wir über Ausbildung, aber wir reden auch über gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die nötig sind, um auch in Zukunft ausreichend Fachkräfte zu haben. Deshalb will ich auf beides kurz eingehen.
Zum einen haben wir im Ausbildungsbündnis verabredet, dass wir ein verstärktes Matching von Ausbildungsplätzen und Be werbern erreichen wollen. Das ist eine Sache, die vor allem in der Wirtschaft selbst ablaufen muss. Wir wollen über zu sätzliche Vermittlungsaktionen mit den Agenturen für Arbeit erreichen, dass Jugendliche und offene Lehrstellen passgenau zusammengeführt werden.
Wir haben auch in meinem Haus Maßnahmen auf den Weg gebracht. Ich nenne die Infokampagne für die duale Ausbil dung, die Sommerkollegs – sie wurden schon angesprochen – und die Ausbildungsbotschafter. Wir werden genau auswer ten, wie sehr sie sich bewähren. Wenn diese Maßnahmen gut laufen, werden wir uns bemühen, sie fortzusetzen.
Nun zu einem weiteren Schwerpunkt. Der Titel des Antrags und die gestellten Fragen sind etwas irreführend; denn wenn wir über Fachkräfte reden, reden wir nicht nur über Ausbil dung und berufliche Bildung, sondern wir reden auch über das Ausschöpfen von Potenzialen und von Talenten in unserer Ge
sellschaft, die bislang zu kurz gekommen sind. Dies betrifft auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um die Frau enerwerbstätigkeit zu steigern. Uns wurde mehrmals ins Stamm buch geschrieben, dass wir in Baden-Württemberg in diesem Bereich Nachholbedarf haben. Außerdem reden wir über die nicht erschlossenen Potenziale von Migrantinnen und Mig ranten in unserer Gesellschaft. Letztlich reden wir auch über eine gesteuerte Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte.
Das sind die Elemente, die in der Fachkräfteallianz eine Rol le spielen werden. Deshalb ist es in der Tat richtig, auch über unser Bildungssystem nachzudenken – aber nicht in dem Sinn, dass wir einfach nur die Dreigliedrigkeit aufheben, sondern im Sinne einer Weiterentwicklung.
In einem Punkt muss ich Sie korrigieren, Kollege Grimm. Der Erfolg von Baden-Württemberg hat weniger mit der Drei gliedrigkeit des Bildungssystems zu tun als mit dem bewähr ten dualen Ausbildungssystem.
Das starre Festhalten an der Dreigliedrigkeit führt vielmehr dazu, dass wir Talente auf der Strecke verlieren.
An dieser Stelle möchte ich außerdem eine wichtige Korrek tur der Aussage der Kollegin Schmid vornehmen. Dies betrifft die Frage nach der Berufsorientierung an der Werkrealschu le. Sie haben recht: Die Kultusministerin hat angekündigt, dass wir das alte Modell der Werkrealschule, bei dem an zwei Tagen in der Woche berufliche Schulen besucht werden, so nicht weiterführen wollen. Klar ist doch, dass gerade bei die sem Schultyp die Berufsorientierung nicht nur an zwei Tagen in der Woche im letzten Schuljahr wichtig ist, sondern insge samt verstärkt werden muss. Darüber gibt es überhaupt kei nen Dissens. Genau das wird die Kultusministerin bei der Überarbeitung des Werkrealschulkonzepts berücksichtigen.
(Abg. Georg Wacker CDU: Da bin ich aber gespannt! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich auch!)
Sie sehen: Die Landesregierung ist in diesem Bereich unter wegs, weil das eine zentrale und ressortübergreifende Aufga be ist. Kurzfristig können wir eine Entspannung auf dem Aus bildungsmarkt feststellen. Die Zahlen, die uns im letzten Ge spräch des Ausbildungsbündnisses präsentiert worden sind, stimmen uns zuversichtlich. Im Bereich der Industrie- und Handelskammern sind bis Ende Juni 11 % und im Handwerk 6 % mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen worden als im Vergleichszeitraum im vergangenen Jahr. Bei den Agenturen für Arbeit waren Ende Juni 12 % mehr Ausbildungsplätze als im Vorjahr gemeldet. Das ist also ein sehr positiver Trend. Das ist die eine Seite.
Auf der anderen Seite geht es darum – das ist das Anliegen des Ausbildungsbündnisses bis zum Jahr 2014 und auch das Anliegen der neu zu schaffenden Fachkräfteallianz –, die strukturellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass unsere Firmen auch in Zukunft auf die am besten qualifizierten Er werbstätigen zurückgreifen können.
Insofern freue ich mich auf eine positive Begleitung durch dieses Haus und auf das Mitwirken in der Sache. Denn eines ist klar: Als Finanz- und Wirtschaftsminister kann ich nur das über den Landeshaushalt weiterverteilen, was wir zuvor in der Wirtschaft erwirtschaftet haben.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Oh-Rufe von der CDU und der FDP/DVP – Abg. Friedlinde Gurr- Hirsch CDU: Welche Erkenntnis! – Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP: Das merkt man am Nach tragshaushalt!)
Sehr geehrter Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Schmid, hinsichtlich der Ziele des Bündnisses für Ausbildung sind wir uns weitgehend einig. Ich glaube, es ist gut zu begründen, dass wir den Schwerpunkt der Fragen in unserem Antrag auf die Ausbildung und die Ausbildungsreife gelegt haben. Wir wis sen, dass in den vergangenen Bündnissen die Zielsetzungen zum Teil andere waren. Vorrangiges Ziel war nämlich, die Bündnispartner dafür zu gewinnen, dass es genügend Ausbil dungsplätze gab, weil wir in den vergangenen Jahren in den verschiedenen Bereichen des Ausbildungsmarkts fast immer einen Überhang an Ausbildungsplatzbewerbern hatten.
Heute haben wir eine andere Situation. Da haben Sie zu Recht gesagt: Wir müssen alles dafür tun, dass junge Menschen aus bildungsreif werden, damit der Bedarf der Wirtschaft gedeckt werden kann. Wenn es der Regierung gelingt, alle Partner an den Tisch zu holen, um dieses Ziel gemeinsam zu verfolgen, dann findet das zunächst einmal grundsätzlich unsere Unter stützung.
Aber wir erwarten genauso, dass Sie auch in der Bildungspo litik die Weichen richtig stellen. Herr Kollege Lehmann, wir haben das in der Vergangenheit getan; denn die berufliche Bil dung war immer ein Schwerpunkt der früheren Landesregie rung. Sie wissen das ganz genau. Beispielsweise die Entschei dung, 100 zusätzliche Eingangsklassen bei den beruflichen Gymnasien einzurichten, hatte einen ganz deutlichen Schub nach vorn zur Folge. Die Enquetekommission hat sich dem zu Recht angeschlossen.
Aber wir wundern uns natürlich schon: Einerseits sagen Sie, die berufliche Qualifikation der jungen Menschen in unseren Schulen sei wichtig, die jungen Menschen müssten sehr früh zeitig auf den Beruf vorbereitet werden. Andererseits spre chen Sie von einer Gemeinschaftsschule, ohne dass Sie in die sem Zusammenhang konkret benennen, was Sie im Rahmen Ihres neuen Bildungsgangs tun wollen, damit die berufliche Vorbereitung einen angemessenen Platz findet.
Jetzt sind Sie, Herr Minister Schmid, nicht der richtige An sprechpartner dafür. Aber es muss erlaubt sein, dies anzuspre chen: Wenn Sie ein Konzept für die Werkrealschule „kastrie ren“, ohne die ersten Erfahrungen abzuwarten, dann muss ich Ihnen unterstellen, dass Sie für die Ausbildungsreife der jun gen Menschen offensichtlich nichts Gutes tun wollen.
Ich sage Ihnen ganz deutlich, meine Damen und Herren: Es war ein wichtiger innovativer Ansatz, die Kooperation zwi schen den Werkrealschulen und den zweijährigen Berufsfach schulen zu intensivieren, indem gerade das zehnte Schuljahr Hand in Hand läuft. Damit gewinnen die jungen Menschen konkrete Einblicke in die Berufswelt; auch das gehört zur be ruflichen Reife. Die jungen Menschen erhalten damit eine grö ßere Chance.
(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Das hat aber außer Ihnen niemand so gesehen, Herr Wacker! – Abg. San dra Boser GRÜNE: So ein Quatsch! – Gegenruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Es gibt doch 500 Werkrealschulen!)
Ich muss die Frage stellen: Was wollen Sie tun, damit die jun gen Menschen früher auf einen Beruf vorbereitet werden? An dieser Stelle müssen wir die richtigen Fragen stellen.
Sehr geehrter Herr Minister, meine Damen und Herren von der Landesregierung, hier erwarten wir, dass Sie zumindest
einen gleichwertigen Ersatz liefern, damit die jungen Men schen auch in den zukünftigen Werkrealschulen hervorragend auf das Erwerbsleben vorbereitet werden.