Protokoll der Sitzung vom 20.07.2011

Könnten Sie das noch ein mal wiederholen?

Wie hoch ist der Anteil der Studiengebühren an den Gesamtkosten eines Stu diums?

Das ist nicht das Thema. Es geht um die Frage, ob es sozial gerecht ist, dass ein Studi um kostenlos ist. Derjenige, der aufgrund eines Studiums spä ter gut verdient, soll später wieder etwas an die Solidarge meinschaft zurückgeben. So verstehe ich soziale Gerechtig keit.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Darin sind wir uns doch alle einig.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Er soll anständig Steu ern zahlen! Dann müsste man auch die Müllgebüh ren sozial staffeln! Wenn jeder seine Steuern richtig zahlt, ist es in Ordnung! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Für Herrn Drexler ist Bildung nicht nötig! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Dann reden wir einmal über Ihre Frisur! Das ist doch etwas ganz anderes! – Gegenruf des Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Vor schläge von der SPD! – Unruhe – Glocke des Präsi denten)

Darf ich einmal ganz kurz – –

Ich bitte darum, wieder dem Red ner zuzuhören, damit er mit seiner Rede in der Aktuellen De batte fortfahren kann.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Hier ging es um mehr Steuergerechtigkeit! – Anhaltende Unruhe)

Herr Abg. Drexler, ich möchte diese Frage zurückstellen.

Als Lehrer habe ich oft Schulklassen durch den Landtag ge führt. Die Schüler haben mich danach immer gefragt: „Wie geht es denn hier zu? Warum schreien die Abgeordneten denn immer so?“ Darauf habe ich geantwortet: „Hier wird debat tiert, und das gehört dazu.“ Darauf haben meine Schüler ge sagt: „Warum schreien denn die Grünen und die SPD immer besonders laut?“

(Heiterkeit bei der FDP/DVP und der CDU – Oh-Ru fe von den Grünen und der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sie haben hoffentlich gesagt, es liege am Redner! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP: Schon wieder ist es laut! – Unruhe)

Sie zeigen genau das, was ich gerade gesagt habe. – Ich ha be Sie damals in Schutz genommen und habe gesagt: „Es ge hört zur Rolle der Opposition, dass sie die Regierung kriti siert. Das muss eben auch einmal laut geschehen.“

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja!)

Aber Sie schreien jetzt noch immer.

(Heiterkeit bei der FDP/DVP und der CDU – Lachen bei den Grünen und der SPD – Abg. Wolfgang Drex ler SPD: Das liegt an dem Inhalt Ihrer Rede! Das liegt an Ihrer Rede! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Soll ich diesen Gruppen zukünftig entweder sagen, dass Sie den Rollenwechsel auf die Regierungsbank noch nicht hinbe kommen haben, oder soll ich sagen, dass Sie immer schreien?

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Wolf gang Drexler SPD: Das liegt am Inhalt Ihrer Rede! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Jetzt hören Sie einmal zu, sonst werden Sie noch hei ser! – Weitere Zu- und Gegenrufe – Lebhafte Unru he)

Ich möchte noch ein Thema ansprechen, das noch nicht ange sprochen wurde: Die Liberalen wollen die studentische Mit verantwortung an den Hochschulen durch die Einführung ei nes Studierendenparlaments stärken, das den Allgemeinen Studierendenausschuss als ausführendes Organ und als Ver tretung gegenüber der Hochschule wählt und kontrolliert so wie über die Verwendung der Einnahmen aus Studiengebüh ren wacht und mitentscheidet. Eine Wiedereinführung der Ver fassten Studierendenschaft ist nach unserer Auffassung nicht nur wenig zukunftweisend – es gab sie schließlich schon ein mal –,

(Zuruf von der SPD: Die FDP/DVP war dagegen!)

sondern auch sehr problematisch.

(Glocke des Präsidenten)

Ich bitte Sie, zum Ende zu kom men. Ihre Redezeit geht zu Ende.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sehr gut, Herr Präsi dent!)

Ich musste auf so viele Zu rufe reagieren. – Wer kann für sich in Anspruch nehmen, für die Studierendenschaft insgesamt zu sprechen, wenn er nicht durch demokratische Wahlen dazu legitimiert ist?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Wie wird der Wille aller ermittelt, wenn die weitaus größte Mehrheit nicht an der Sitzung der Verfassten Studierenden schaft teilnimmt, bei der diese in Ausübung ihres Rechts, Bei träge zu erheben, die Beiträge der Studierenden festlegt?

(Unruhe bei den Grünen)

Ich komme zum letzten Satz. Die FDP/DVP-Fraktion strebt an, dass möglichst viele und nicht nur einige wenige Studie rende hinter den sie betreffenden und von ihren Vertretern ge troffenen Entscheidungen stehen. Dies ist nach unserer Auf fassung am besten durch ein von den Studierenden zu wäh lendes Parlament gewährleistet.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen zu Tages ordnungspunkt 1 vor. Ich schließe diesen Punkt der Tagesord nung.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

a) Aktuelle Debatte – Die Zukunft der Grundschulemp

fehlung in Baden-Württemberg: Mit qualifizierter Be ratung die Elternrechte stärken sowie den frühen und überzogenen Leistungsdruck auf Mädchen und Jungen reduzieren – beantragt von der Fraktion der SPD

b) Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme

des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Zu künftige Ausgestaltung der Grundschulempfehlung – Drucksache 15/158

Es gelten die üblichen Redezeiten: fünf Minuten für die Be gründung und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde. Insgesamt hat also jede Fraktion zehn Minuten Rede zeit. Die Gesamtredezeit für die Fraktionen beträgt 40 Minu ten. Ich bitte auch die Mitglieder der Landesregierung, sich an die vorgegebenen Redezeiten zu halten.

Wiederum – einmal am Tag – gebe ich den Hinweis, dass bei der Aktuellen Debatte freie Rede gewünscht ist.

Für die einleitenden Erklärungen habe ich eine Wortmeldung des Herrn Kollegen Käppeler von der Fraktion der SPD vor liegen.

Ich bitte, mir den Namen des Redners der FDP/DVP-Frakti on für die Begründung des Antrags Drucksache 15/158 recht zeitig zu nennen. Nach der Begründung steigen wir in die wei tere Debatte ein.

Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Kolleginnen und Kollegen! In der nächsten Woche darf ich eine Kollegin in den wohlverdienten Ruhestand verab schieden, die diesem Land über 40 Jahre treu gedient hat. Sie wird mit Wehmut gehen; denn ihr ganzes Leben lang war es für sie eine große Freude, ihren Grundschulkindern die Leh rerin zu sein. Noch ein Wermutstropfen trübt ihren Abschied: Über 40 Jahre lang hat sie davon geträumt, dass sich in der Schule etwas ändert.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Sie freut sich für ihre Kolleginnen und Kollegen, dass sie zu künftig in den Klassenstufen 3 und 4 nicht mehr die unselige verpflichtende Grundschulempfehlung aussprechen müssen, dass sie nicht mehr nach dreieinhalb Jahren Grundschulzeit Schicksal spielen müssen.

Ich hätte es meiner Kollegin gern gegönnt, ohne den Druck der Eltern auf ihre Kinder und häufig genug auf sich selbst zu unterrichten. Ich hätte es ihr gegönnt, ohne den enormen No tendruck zu unterrichten – zehn Klassenarbeiten in Deutsch, acht Klassenarbeiten in Mathe. Ich hätte es ihr gegönnt, die Eltern zu beraten, ohne dass in deren Hinterkopf immer mit schwingt: Hoffentlich reicht es zum Notendurchschnitt 2,4, der Empfehlung für das Gymnasium, oder wenigstens zum Notendurchschnitt 3,0, der Berechtigung, die Realschule zu besuchen. Meine Kollegin hätte gern weiterhin Eltern und Schüler beraten – ohne Druck, stattdessen sachlich fundiert.

Der Druck, der für alle Beteiligten schon am Ende der zwei ten Klasse entsteht, ist enorm. Alljährlich sitzen mir kurz vor den Sommerferien die Elternvertreter der zweiten Klassen ge genüber, die wissen wollen, welcher der Kollegen ihre Kin der in der dritten Klasse und damit später in der vierten Klas se unterrichten wird. Es gibt also erwünschte und weniger er wünschte Lehrer – je nachdem, von wem die Eltern die bes sere Vorbereitung und die gnädigeren Noten erwarten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie werden sich vorstellen können, was es für einen Schulleiter bedeutet, diesen Spagat zwischen den Elternwünschen auf der einen Seite und der fai ren Behandlung aller Kolleginnen und Kollegen auf der an deren Seite hinzubekommen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch ein paar Worte über die Auswüchse verlieren, die die verpflichtende Grundschulemp

fehlung produziert hat. Ich weiß aus Gesprächen, dass Eltern versuchen, Lehrer mit Geschenken zu beeinflussen, um das Empfehlungsziel zu erreichen. Dieses Ziel heißt nicht Haupt schule, und es heißt auch nicht Werkrealschule. Gängige Pra xis unter Eltern, die ihr Kind mit aller Gewalt von der uner wünschten Hauptschule in die Realschule bugsieren wollen, ist z. B. folgende: Das Kind hat die Empfehlung für die Real schule nicht erhalten, das Beratungsverfahren hat auch kein Ergebnis gebracht. Dann wurde das Kind noch in eine Prü fung gejagt,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Von den Eltern!)

die nur rund 10 % bestehen. Es hat nicht zu den Glücklichen gehört.