Oder wie wäre es mit einer Überprüfung der Grundschulemp fehlung z. B. am Ende der sechsten Klasse? Damit könnten zusätzliche Chancen eröffnet werden, ohne das Bestehende umzustürzen.
Der Zusammenhang zwischen Ihrem Vorstoß zur Abschaffung der Grundschulempfehlung und Ihrem Vorhaben der Schaf
Ich appelliere an Sie: Nehmen Sie von diesem Schnellschuss Abstand, und prüfen Sie sorgfältig Konsequenzen und Alter nativen. Das Bildungswesen verträgt nämlich keine Schnell schüsse, sondern braucht verlässliche Rahmenbedingungen.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)
Zu unserem Antrag möchte ich nur kurz Stellung nehmen: Lei der ist auch bei diesem Antrag die Stellungnahme der Landes regierung sehr dünn ausgefallen.
Offensichtlich ist Ihnen selbst noch unklar, wie das qualifi zierte Beratungsverfahren aussehen soll, das an die Stelle der Grundschulempfehlung treten soll. Ihre Stellungnahme zu dem Beschlussvorschlag, die Grundschulempfehlung zu er halten, ist zwar grundsätzlich erfreulich, aber kaum greifbar. Wir wollen deshalb den Antrag an den Bildungsausschuss überweisen lassen, damit dort ein Beitrag zu einer fundierte ren Auseinandersetzung mit dieser für unser Bildungswesen so entscheidenden Materie geleistet werden kann.
Sehr geehrter Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Käppeler, etwas verwundert war ich über Ihre Aussagen schon. Sie tun so, als ob im Beratungsverfahren, das sich über einen längeren Zeit raum erstreckt, der Elternwille auf dem Weg eines guten Di alogs zwischen Eltern und Lehrkräften bisher überhaupt kei ne Rolle spielen würde. Wir wissen aber ganz genau, dass ein ganz wesentlicher Bestandteil der verbindlichen Grundschul empfehlung ist, dass sie eine gemeinsame Grundschulemp fehlung darstellt, eine Empfehlung, die gemeinsam mit den Eltern erarbeitet wird.
sondern es handelt sich im Grunde um einen Prozess, der na türlich auch einen entsprechenden Vorlauf in Gesprächen mit den Eltern hat. Insofern nehmen auch die Eltern – gemeinsam mit den Lehrkräften – die Verantwortung im Hinblick auf die Grundschulempfehlung wahr.
Ich darf noch eines sagen, meine Damen und Herren: Wir dür fen nicht vermuten, dass die Lehrkräfte nicht kompetent wä ren. Die Grundschullehrkräfte sind kompetenter, als sie es ver mutlich selbst annehmen.
Ich darf in diesem Zusammenhang einige Daten aus dem Jahr 2010 zitieren. Natürlich ist der Elternwille „höher“ als die aus gesprochene Grundschulempfehlung, wenn es um den Über gang von der Grundschule auf die Hauptschule oder die Werk realschule geht oder wenn es um den Übergang auf die Real schule geht. Wenn Sie sich aber den Übergang auf die Gym nasien anschauen, stellen Sie fest: Der Anteil der entsprechen den Grundschulempfehlungen betrug ursprünglich 49,9 %. Der Elternwille war deutlich „geringer“, doch konnte durch die Verbindlichkeit ein Anstieg des Anteils der Grundschul empfehlungen für das Gymnasium verzeichnet werden. Ge rade auf dem Wege des Beratungsverfahrens – – Dieses Be ratungsverfahren findet gemeinsam mit den Eltern statt. Las sen Sie sich diese Zahl bitte einmal auf der Zunge zergehen, Herr Kollege Käppeler: In 25 % der Fälle – das sind Zahlen des Kultusministeriums – werden die Grundschulempfehlun gen im Wege des Beratungsverfahrens angepasst.
Dies, meine Damen und Herren, ist ein Beleg dafür, dass die Grundschulempfehlung keine autonome Entscheidung der Lehrkräfte darstellt, sondern dass zu ihr ein Weg führt, der ge meinsam beschritten wird.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE)
Jetzt ist das Thema „Soziale Selektion“ angesprochen wor den. Schauen Sie sich einmal die Ergebnisse der Bildungsfor schung an, und nehmen Sie auch wichtige Aussagen von Pro fessor Baumert, der führendes Mitglied des Expertenrats „Her kunft und Bildungserfolg“ war, oder auch von Professor Traut wein und anderen zur Kenntnis. Dabei müssen Sie sich mit der Aussage konfrontiert fühlen, dass durch eine Abschaffung der Verbindlichkeit die sogenannte soziale Selektion nicht ent schärft, sondern verschärft wird.
Das heißt, der Anteil der Kinder – das ist eine Tatsache; das ist empirisch belegt –, die auf das Gymnasium gehen wollen, wäre nach Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschul empfehlung geringer als derzeit. Deswegen müssen wir uns heute mit der Situation konfrontiert fühlen, dass dann, wenn wir die Verbindlichkeit abschaffen würden, insbesondere die Zahl der Kinder, die aus sozial schwachen Familien und aus bildungsfernen Schichten kommen und die den Besuch des Gymnasiums wählen, abnimmt.
Deswegen ist die verbindliche Grundschulempfehlung auch ein Instrument, durch das soziale Selektion eher gemindert und nicht verschärft wird. Deswegen war es wichtig, dass wir dieses verbindliche Instrument bisher beibehalten haben.
Man muss sich die Ergebnisse der Bildungsforschung schon genau anschauen, man muss sich auch mit den Ergebnissen der empirischen Studien genau beschäftigen. Ich weiß, dass Sie das in diesem Fall nicht so gern tun.
Sie suggerieren – Kollege Kern hat es eben zu Recht ange sprochen –, dass es sich dabei um eine Abschlussempfehlung handle. Die Grundschulempfehlung ist lediglich eine Entwick lungsprognose über den weiteren Bildungsgang.
Herr Kern hat angesprochen, dass wir im Grunde hohe Über gangsquoten von der Realschule auf die beruflichen Gymna sien haben und dass auch Hauptschulabsolventen letztlich das Abitur erlangen könnten. Etwa 50 % erwerben ihren Hoch schulzugang nicht auf einem allgemeinbildenden Gymnasi um.
Das belegt, Frau Kollegin, dass es sich hierbei nicht um ei ne Abschlussprognose, sondern um eine wirkungsvolle An schlussprognose handelt.
Meine Damen und Herren, es liegt auch auf der Hand, dass Sie mit der von der Landesregierung jetzt beabsichtigten Ab schaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung ein Ziel verfolgen: Sie ist der erste Baustein im Hinblick auf das Ziel, das Schulsystem in Baden-Württemberg zu verändern.
Was bedeutet das dann? Wohin gehen die Kinder? Wenn es nach Ihrem Willen geht, sterben die Werkrealschulen aus.
Weiter ist zu fragen: Wie wirken sich die Anmeldezahlen auf die schon bestehenden vollen Eingangsklassen an den Real schulen aus? Wie wirken sich die Anmeldezahlen auf die be reits vollen Eingangsklassen an den Gymnasien aus? Haben Sie dafür Vorsorge getroffen?
Es sind konkrete Fragen, die ich Ihnen jetzt stelle – auf sie möchte ich auch eine konkrete Antwort haben –: Wie stehen die kommunalen Landesverbände dazu, wenn sich in den nächsten Jahren eine gravierende Schülerentwicklung in Rich tung anderer Schularten vollzieht? Wie sieht es mit einer Fort bildungskonzeption für die Lehrkräfte aus, die dann im Rah men der Grundschulempfehlung offensichtlich eine größere Verantwortung übernehmen sollen? Wie sieht es mit der Res
sourcenplanung aus? Haben Sie Vorsorge getroffen, dass dann auch zusätzliche Eingangsklassen an den Realschulen und den Gymnasien gebildet werden?
Ich muss ganz deutlich sagen, meine Damen und Herren: Die verbindliche Grundschulempfehlung in der bisherigen dritten Stufe ist für uns kein Dogma.
Moment! – Wenn es denn ein vernünftiges Alternativkon zept gibt, sind wir konkret zur Unterstützung bereit. Aber ein fach nur die Verbindlichkeit abzuschaffen und diese Fragen offen im Raum stehen zu lassen, das ist unverantwortlich.