Dies wird nicht dadurch besser, dass sich neben dem Mann heimer Wirtschaftsprofessor und AfD-Vorstandsmitglied Ro land Vaubel –
der der „untersten Klasse“ das passive Wahlrecht entziehen will – nun der ehemalige BDI-Boss Hans-Olaf Henkel vor den rechten Karren spannen lässt. Als Wirtschaftsboss hat er damals, bei der Einführung des Euro, für die Wirtschaft Mil liardengewinne eingesackt, die er durch reduzierte Handels kosten und geringere Wechselkursschwankungen erzielte. Heute fordert er die Rückkehr zu einer nationalen Währung – jetzt, da seine Taschen voll sind, kann er das natürlich leicht sagen –,
und dies, obwohl er wissen müsste, dass laut einer PrognosStudie in Deutschland mindestens 200 000 Arbeitsplätze ver loren gingen und das Bruttosozialprodukt in den nächsten Jah ren um 0,5 % sinken würde. Diese Doppelmoral und dieser Egoismus sind für das Gemeinwohl schädlich. Dies zeigt, dass es sich bei der AfD nicht um Biedermänner, sondern um Brandstifter handelt.
Ich bin froh, dass wir im Landtag von Baden-Württemberg al le Fraktionen hinter dieser proeuropäischen Politik sehen und dass in diesem Punkt auch die Opposition hinter der Regie rung steht. Wir dürfen den Populisten am rechten Rand, auch hier in Deutschland und in Europa, keine Chance geben.
Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Erst einmal ganz herzlichen Dank für diesen ausführlichen Bericht, der eine gute Übersicht über das gibt, was im letzten Quartal in Europa alles passiert ist; und in Europa ist jede Menge passiert. Ich will drei Punkte anspre chen.
Zunächst noch einmal eine Bemerkung zum Haushalt. Es ist schon erstaunlich, dass es, obwohl Deutschland insgesamt we niger Mittel aus den Strukturfonds bekommt, gelungen ist, bei
EFRE und bei INTERREG die Mittel fast zu verdoppeln. Mit diesen Mitteln können natürlich vor allem in den Kooperati onsräumen am Oberrhein jede Menge tolle Projekte gestartet werden, insbesondere Projekte zur Bekämpfung des Fachkräf temangels. Wir hatten gestern ja auch darüber diskutiert. Das ist eine richtig gute Sache. Für diese Verhandlungsführung von Baden-Württemberg sage ich meinen herzlichen Dank.
Dann gab es eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Stärkung von Wachstum und Beschäftigung durch Investitionen und durch die Kreditvergabe – das Thema haben wir hier im Haus schon öfter debattiert – an die KMUs, die durch eine Aufsto ckung der Mittel der Europäischen Investitionsbank erreicht werden konnte. Auch das ist ein ganz wichtiges Thema.
Es gab ein Umdenken – das ist bereits angesprochen worden – in Bezug auf die europäische Industriepolitik. Das war auch dringend notwendig. Immerhin sind in diesem Bereich seit der Krise 2,7 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen.
Man hat der Jugendarbeitslosigkeit den Kampf angesagt. Der Einsatz von 6 Milliarden € ist ein richtiger Schritt, aber es ist immer noch zu wenig Geld.
Man will die Mobilität der Arbeitnehmer erleichtern und eben gerade nicht die Arbeitnehmerfreizügigkeit einschränken, denn die gehört zur europäischen Erfolgsgeschichte.
Schließlich ist man auch dabei, die Datenschutzreform anzu gehen. Auch dies ist angesichts der Skandale auf diesem Ge biet dringend notwendig.
Auch bei der Bewältigung der Bankenkrise gibt es Fortschrit te. Es wird eine einheitliche Bankenaufsicht durch die Euro päische Zentralbank geben, aber nur für die wirklich system relevanten Banken. Die anderen werden der nationalen Auf sicht unterstellt.
Für die mögliche Abwicklung von Banken wird ein Fonds auf gebaut. Auch das ist ein notwendiger und richtiger Schritt. Doch warum unsere Sparkassen und Genossenschaftsbanken in diesen Fonds einzahlen sollen, erschließt sich nicht; denn diese Banken haben ein eigenes Sicherungssystem, und – ganz nebenbei gesagt – die Verursacher der Krise waren sie auch nicht.
Deshalb erlaube ich mir, den Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten, Martin Schulz, zu zitieren:
Warum sollen wir kommunale Sparkassen und Raiffeisen banken abschaffen, obschon genau dieses... Modell ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Deutschland ver gleichsweise gut durch die Krise gekommen ist?
Eines der größten Probleme der Unternehmen in den Kri senstaaten ist der Zugang zu Krediten. In Deutschland hat sich der Mittelstand immer auf die regionale Kredit versorgung verlassen können, die durch Sparkassen und Volksbanken garantiert wird. Das ist eine Säule des Er folgs der deutschen Wirtschaft! In dieser Logik muss man nicht das Sparkassenmodell zerschlagen, sondern es ei gentlich exportieren wollen!
Er hat auch recht, wenn er sagt, an vielen Stellen muss der Brüsseler Drang gebremst werden, alles zu regulieren oder zu deregulieren.
Deshalb liegt heute auch ein gemeinsamer Entschließungsan trag vor. Ich bin froh, dass wir uns bei diesem Thema frakti onsübergreifend einig sind.
Das gilt auch für die Überlegung der EU, nicht gerechtfertig te Beschränkungen beim Zugang zu bestimmten Berufen re duzieren zu wollen. Das klingt ja zunächst ganz gut, aber in folgedessen können dann eben auch die Meisterbriefe gefähr det werden oder kann die Meisterpflicht fallen. Der Meister brief ist aber eine deutsche Erfolgsgeschichte, und wir müs sen garantieren, dass diese Erfolgsgeschichte nicht angetastet wird. Ich gehe davon aus, dass wir uns auch da parteiübergrei fend einig sind.
Erlauben Sie mir zum Schluss noch einen Satz zu den Euro pawahlen. Wir müssen die Wahlbeteiligung steigern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU und Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)
Es ist gut, dass da auch der Landtag aktiv wird. Auch das Staatsministerium hat einige Aktionen geplant. Doch aus mei ner Sicht muss da noch mehr passieren, weil viele Menschen – der Populismus, der um sich greift, ist angesprochen wor den – Europa als zu wenig demokratisch empfinden. Deshalb müssen wir auch in diesem Haus eine Debatte darüber führen, wie wir Europa besser und wie wir Europa demokratischer gestalten können.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was erwarten die Bürgerinnen und Bürger von Europa? Ganz klar: dass wir die EU besser ma chen, dass wir sie transparenter, demokratischer und auch er folgreicher machen. Europa braucht eine neue Kultur der Sta bilität und Verantwortung für Banken und Staaten. Der Fi nanzsektor darf nicht länger von Steuerzahlern gerettet wer den. Für Staaten darf es Hilfe nur bei entschlossenen Refor men geben, damit Europa zur Stabilitätsunion wird.
Auch ein Insolvenzrecht für Staaten, das einem Mitgliedsstaat einen Austritt aus der Eurozone ermöglicht, gilt es zu etablie ren.
Eine starke Wirtschaft und solide Haushalte sind die Grund lagen für Wachstum. Unternehmer müssen in ihrer Kreativi tät und Tatkraft gestärkt werden, damit mehr Menschen Ar beitsplätze und mehr Chancen bekommen.
Wir müssen durch eine Bildungsoffensive die Jugendarbeits losigkeit in den Mitgliedsstaaten entschlossen bekämpfen. Ei ne Jugendarbeitslosenquote von über 50 % wie in Griechen land ist nicht akzeptabel. Dieses Problem muss an Ort und Stelle angepackt werden. Unterstützen wir Länder, die Prob leme haben, mit der dualen Berufsausbildung, und helfen wir beim Aufbau von notwendiger Infrastruktur!
Europa setzt auf Wirtschaftswachstum. Dies zieht Zuwande rung an. Wie gehen wir damit um? Diese Frage muss geklärt werden. Sie betrifft die Außengrenzen der EU.
Wenn immer wieder von einer Willkommenskultur gespro chen wird, sollte genauer von einer gemeinschaftlichen Auf nahmekultur gesprochen werden. Das ist es nämlich, was wir brauchen. Warum führen wir in der EU nicht europaweit ein gemeinsames Punktesystem ein, wie es z. B. die Kanadier vor bildlich haben?
Die EU hat zweifellos aus früheren Länderbeitritten gelernt. Ganz so schnell geht es nicht mehr. Die Frage ist aber, ob es nicht immer noch zu schnell geht.
Hat die EU mit Kroatien nicht vielleicht einen neuen Kandi daten für den Rettungsschirm geholt? Das, was in Ungarn pas siert, darf auch an uns nicht ruhig vorbeigehen. Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit sind erlaubt.