Protokoll der Sitzung vom 30.01.2014

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Was am Anfang üppig und gut lief, lief in den letzten Jahren schon nicht mehr so gut. Es gab nur in der Anfangszeit dras tische Steigerungen bei den Zugzahlen. Inzwischen verzeich nen wir eine deutliche Zunahme der Zahl der Passagiere, doch die Zugzahlen selbst steigen nicht mehr, weil wir eben nicht mehr das Geld haben, um mehr zu bezahlen, weil wir immer höhere Kilometerpreise bezahlen und insbesondere die Sta tions- und Trassenpreise gewaltig gestiegen sind. Für die Bahn sind die Transportkosten günstiger geworden, aber wir zahlen immer mehr.

Diese Zahlen sind schon sehr beeindruckend, wenn man es einmal im Detail nachrechnet: Von 2004 bis 2013 betrug die Infrastrukturkostensteigerung 27 %, während die Regionali sierungsmittel gerade einmal um 5,5 % gestiegen sind; in den letzten fünf Jahren betrug die Steigerung der Infrastrukturkos

ten 26 %, während die Regionalisierungsmittel gerade einmal um 7,7 % gestiegen sind.

(Abg. Rudolf Köberle CDU meldet sich. – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, jetzt nicht. Ich möchte es im Zusammenhang darstellen. Wenn die Frage offenbleibt, können Sie sie am En de gern stellen, Herr Köberle.

Wir haben lange Zeit darunter gelitten, dass unter der frühe ren Großen Koalition 2005 der Koch/Steinbrück-Beschluss zustande gekommen ist, durch den die Mittel im Bereich der Regionalisierung drastisch gekürzt wurden. Wir waren eigent lich erst 2011/2012 wieder auf dem Niveau von 2005. Das hat dem Nahverkehr insgesamt geschadet. Man musste teilweise Zugleistungen kürzen – andere Länder mussten das auch ma chen –, was ein Fehler war, den wir jetzt erst allmählich aus gebügelt haben.

Man kann aber sagen: Die Kaufkraft, die die Regionalisie rungsmittel für die Länder haben, ist stets geschwunden. Wir haben heute, relativ gesehen, immer weniger Mittel zur Be stellung der Züge. Wenn dieser Trend so weitergeht, dann schadet es dem Schienenpersonennahverkehr in erheblicher Weise, zumindest – das ist sicher – kann er nicht weiter aus gebaut werden. Doch genau das bräuchten wir jetzt, um eine Verkehrswende einzuleiten.

Der Bund wird jedenfalls seit vielen Jahren seiner Verantwor tung nicht gerecht. Daran waren auch schwarz-gelbe Regie rungen beteiligt, Herr Haußmann. Auch da hätte man schon längst etwas tun können.

Weil Sie immer wieder den Vorwurf erheben, wir wären un tätig, will ich Ihnen einmal etwas sagen. Wir sind, seit wir an der Regierung sind, in Sachen Ausschreibung wirklich sehr engagiert und hart bei der Arbeit. Sie müssen uns nicht in die Gänge schicken.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der CDU: Er bemüht sich!)

Nein, nein. – Machen Sie sich einmal bewusst, in welcher Situation wir sind. Wir müssen Ausschreibungen machen und wissen noch nicht einmal, wie es mit den Regionalisierungs mitteln am Ende des Jahres 2014 weitergeht, wie viel wir be kommen, wie die Dynamisierungsrate ist und ob es überhaupt eine gibt. Das alles ist völlig unklar. Wenn man es formal neh men würde, müsste man sagen, wir können gar nicht handeln. Wir tun es aber trotzdem.

(Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

Wir bereiten uns vor. Wir nehmen an, dass es nicht zum En de der Regionalisierungsmittel kommt, sondern dass es eine gewisse Steigerung gibt. Aber die geschilderten Umstände machen die Sache ziemlich schwierig.

Warum geht es mit den Ausschreibungen nicht so schnell vo ran?

(Abg. Volker Schebesta CDU: Warum geht es in an deren Ländern?)

Genau das hat Gründe. Denn es hängt nicht nur damit zusam men, dass die Stations- und Trassenpreise ständig steigen, son dern es kommt auch darauf an, dass man sich bei den Aus schreibungen Gedanken darüber machen muss, was man sich eigentlich noch leisten kann,

(Abg. Nicole Razavi CDU: Dann machen Sie es doch!)

wenn man nicht deutlich mehr Mittel bekommt.

Jetzt will ich Ihnen einmal sagen, was wir vorgefunden ha ben. Wir haben Versprechungen vorgefunden. Wenn wir de nen allen nachgekommen wären, hätten wir 100 Millionen € mehr pro Jahr für die Bezahlung des Nahverkehrs gebraucht. Weil wir diese 100 Millionen € nicht hatten, haben wir netz scharf jede einzelne Ausschreibung überprüft und geschaut, wie wir das Angebot verbessern können – nicht ganz so deut lich, wie es uns recht wäre –, ohne ständig neue Kosten zu produzieren.

(Abg. Winfried Mack CDU: Sie haben die Marktwirt schaft nicht verstanden!)

Das war wirklich eine schwierige Aufgabe. Ehrlich gesagt, es war fast so schwierig wie die Quadratur des Kreises. Wenn Sie heute alle solche äußerst klugen Ratschläge geben, dann kann ich nur sagen: Warum haben Sie nicht, bevor Sie die Re gierungsmehrheit verloren haben, einmal angefangen, diesen Ausschreibungsprozess einzuleiten?

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Stattdessen hatten Sie keine Vorbereitungen getroffen für ei ne Fahrzeugfinanzierung, die man heute dringend braucht, wenn man überhaupt Marktbedingungen haben will. Es gibt aufgrund der Gestaltung des großen Verkehrsvertrags nur die Möglichkeit, ihn nach und nach aufzulösen. Es ist doch völ lig unmöglich, 2016 gleich 60 % der Schienenverkehrsleis tungen auf einen Schlag neu auszuschreiben. Vielmehr muss man den Vertrag zeitlich gestaffelt auflösen. Man braucht Übergangsverträge. Das wissen Sie doch. Es geht doch gar nicht schneller – so, wie Sie es immer wieder anmahnen.

(Glocke der Präsidentin)

Sie tun so, als könnte man mit einem Zauberstab den Prozess beschleunigen, den Sie selbst durch Ihren Vertrag praktisch zementiert und verlangsamt haben.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abg. Razavi?

Nein. Auch für sie gilt: Abwarten, Zuhören und, wenn die Frage offenbleibt, dann Nachhaken.

(Zurufe von der CDU)

Kommen wir einmal zu den Trassenpreisen. Wir haben im Rückblick festgestellt: Die Preise steigen. Jetzt kommt aber die Bahn und kündigt schon an, was sie für die Zukunft vor

hat. Sie sagt: „Wir werden die Trassenpreise auf jeden Fall um 2 bis 2,8 % steigern, wir werden die Stationspreise um 3,5 % steigern, aber erst, nachdem wir 2015 11 % draufgeschlagen haben.“ Das heißt: Sie kündigt bereits an, dass es weitere Kos tensteigerungen geben wird, und diese werden noch deutli cher ausfallen. Das alles geschieht aber unter der Annahme, dass sie vom Bund nicht, wie heute, 2,5 Milliarden €, sondern 4,2 Milliarden € pro Jahr bekommt. Wenn man das alles zu sammenrechnet, dann muss es einem angst und bange wer den. Denn dann ist das Problem mit den steigenden Kosten und den nicht steigenden Regionalisierungsmitteln noch dra matischer.

Da sage ich klar: Die Verantwortung dafür liegt eindeutig beim Bund. Wir wären ja blöd, wenn wir das an uns ziehen würden. Die schwarz-gelbe Regierung hat versäumt, das or dentlich zu richten. Das ist der große Auftrag, den jetzt die Große Koalition hat. Ich bin gespannt, wie sie die Ankündi gung umsetzt. Denn es ist höchste Zeit, dass sie die Umset zung vornimmt. Sie muss in die Gänge kommen. Denn wir müssten dringend jetzt schon wissen, wie es 2015 weitergeht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Nun will ich noch einmal deutlich machen, wie sich diese Kostensteigerungen auf das Land ausgewirkt haben und was wir tun mussten. Im Jahr 2013 mussten wir 67 Millionen € zu schießen, um nicht Zugleistungen kürzen zu müssen. Wir wer den im Jahr 2014 dort 84 Millionen € aus Landesmitteln hin einstecken, die wir gern eingesetzt hätten, um das Angebot insgesamt auszuweiten.

Das Bittere ist, dass wir aufgrund dieser Situation ziemlich viel Landesgeld in den Schienenpersonennahverkehr stecken – aber nicht, um ihn zu verbessern, sondern um das Loch zu stopfen, um nicht in eine Kürzungsspirale zu kommen.

Da muss ich sagen: Herzlichen Dank, dass die Fraktionen hierfür das Geld zur Verfügung gestellt haben. Denn ohne die se zusätzlichen Mittel würde ich ziemlich alt aussehen. Das sage ich Ihnen ganz offen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das ist auch so der Fall!)

Meine Damen und Herren, wir waren gezwungen, diese gan zen Ausschreibungen im Einzelfall nachzurechnen. Das hat Mühe bereitet, das hat es auch so erschwert. Wenn Sie jetzt sagen: „Das hätten Sie aber alles schneller machen können“, kann ich nur sagen: Hätten wir es schneller gemacht, wäre es garantiert schiefgegangen.

Meine Damen und Herren, was ist auf Bundesebene zu tun? Dort ist sehr viel zu ändern. Es kann doch nicht wahr sein, dass der Bund über Jahre hinweg dreistellige Millionenbeträ ge aus dem Schienennetz zieht – nicht nur aus der ganzen Hol ding, sondern aus dem Schienennetz. Dies ist ein Bereich, der über Jahre hinweg defizitär war und seit einigen Jahren vom Bund sozusagen als Schatulle verwendet wird. Finanzminis ter Schäuble verhält sich gewissermaßen wie der gierigste Ak tionär; er zieht aus diesem Konzern jährlich 500 Millionen € – 2014 sind es 700 Millionen € – heraus, obwohl bekannt ist, dass der Konzern dieses Geld eigentlich dringend für die Er haltung und Modernisierung der Infrastruktur benötigen wür

de. Diese Art von Finanzierung des Bundes müssen wir schleu nigst beenden.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Rudolf Kö berle CDU)

Das ist nicht nur eine Kürzung der Regionalisierungsmittel durch die Hintertür, sondern auch eine Schädigung der Infra struktur, weil sie nicht mehr ausreichend finanziert wird. Es ist auch ein Stück weit die Erklärung dafür, warum die Bahn ständig an der Schraube der Stations- und Trassenpreise dreht. Denn sie wird gewissermaßen vom Eigentümer gezwungen, möglichst viel herauszuholen. Da sind die Politik insgesamt und der Bund als Eigentümer gefragt.

Wir, die Länder, haben uns übrigens – das will ich einmal ganz klar sagen – mit mehreren Initiativen dafür eingesetzt – wir hatten sogar eine Mehrheit im Bundesrat dafür –, dass dieses elende Kreislaufprojekt, das zulasten der Länder geht, been det wird. Aber jetzt ist eben der Bund dran, das tatsächlich umzusetzen. Ich bin gespannt, was die Koalitionsfraktionen im Bund machen. Hier gibt es zwei große Fraktionen, deren Parteien jetzt in Berlin regieren. Ich erwarte von ihnen – ich finde es ganz gut, dass heute ein gemeinsamer Antrag vorliegt –, dass sich an diesen Strukturen etwas ändert. Es muss Schluss sein mit dem Abzug von Mitteln aus der Infrastruktur. Wir brauchen dort dringend mehr Mittel. Die Länder müssen drin gend mehr Mittel bekommen, um mehr Züge bestellen zu kön nen. Denn wir brauchen ein besseres Angebot im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs und nicht für immer nur den Status quo.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Walter Heiler SPD)

Ich will aber auch noch einen Punkt ansprechen, den Sie in Ihren Beiträgen übergangen haben. Seit Jahren gibt es das Pro blem, dass sich die Stations- und Trassenpreise der Bahn stän dig ändern, dass sich das Berechnungssystem ändert und es zudem sehr intransparent ist. Wir brauchen dringend eine bes sere Grundlage, eine neue gesetzliche Grundlage für die Re gulierung. Wir müssen die Netzagentur in die Lage versetzen, dass sie endlich die Trassen- und Stationspreise effektiv und effizient korrigieren, entwickeln und Vorgaben machen kann. Wenn sie falsch laufen, sollte sie den Missbrauch eben auch anzeigen und zur Änderung beitragen können. Denn wir kön nen nicht länger hinnehmen, dass wir nur zahlen, ohne Ein fluss nehmen zu können.

Es gibt übrigens noch einen weiteren Kostentreiber: Das ist die Bahn als Projekt- und Baugesellschaft. Überall dort, wo die Bahn baut, wird es immer und immer teurer. Deswegen verlange ich vom Bund auch nicht, dass er den Ländern im mer mehr Geld zur Verfügung stellt. Es kann doch nicht wahr sein, dass wir immer mehr Geld zahlen, weil bei den Bahn projekten die Preise steigen. Auch da gilt es, Kosteneffizienz und -transparenz herzustellen. Deswegen ist eine neue Eisen bahnregulierung zwingend. Wir brauchen dort mehr Kontrol le, mehr Transparenz und mehr Wettbewerb.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich glau be, es ist deutlich geworden: Auf Bundesebene ist allerhand zu tun; es ist schnell etwas zu unternehmen. Wir brauchen mehr Regionalisierungsmittel, wir brauchen stärker dynami

sierte Regionalisierungsmittel. Wir brauchen die Entscheidung auf Bundesebene schnell und nicht erst zum Jahresende, spä testens eigentlich im Frühsommer, damit wir hier überhaupt systematisch weiterarbeiten und planen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Glocke der Präsidentin)