Protokoll der Sitzung vom 19.02.2014

Hoch qualifizierte Fachkräfte sind weltweit begehrt und ge sucht – auch hier; das ist klar. Deshalb muss Baden-Württem berg für diese Menschen ein attraktiver Standort sein. Das macht sich nicht nur am Verdienst fest; denn da gibt es offen bar auch attraktivere Standorte wie z. B. die Schweiz.

Wichtig ist aber auch das Umfeld, das offen für Zuwanderer sein muss. Da müssen wir, glaube ich, nicht in die Schweiz schauen; da haben wir auch hier im Land schon einiges auf den Weg gebracht.

Dass qualifizierte Zuwanderer rasch eine passende Stelle fin den, liegt nicht nur in ihrem eigenen Interesse; es liegt auch im Interesse der Wirtschaft und im Interesse des Landes. Mit dem Landesanerkennungsgesetz haben wir die Voraussetzun gen dafür geschaffen, dass Migrantinnen und Migranten hier noch schneller in ihrem ursprünglichen Beruf tätig werden können. Jetzt gibt es einen Anspruch auf Prüfung der Gleich wertigkeit ausländischer Abschlüsse. Der Bescheid muss in nerhalb von drei Monaten erfolgen.

Wir haben darüber hinaus die Zuständigkeiten gebündelt, um die komplizierte Suche nach der zuständigen Stelle zu erleich tern. Zusätzlich waren uns eine gute Beratungsstruktur und ein flächendeckendes Beratungsnetzwerk wichtig.

Da Baden-Württemberg aufgrund der hohen Industriedichte bereits heute stärker als andere Länder vom Fachkräfteman gel betroffen ist, müssen wir Fachkräftereserven mobilisieren, also auch ältere Arbeitnehmer, mehr Frauen und natürlich auch mehr Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte. Ge nau zu diesem Zweck wurde Ende 2011 die Fachkräfteallianz ins Leben gerufen; sie wurde hier auch schon angesprochen. Sie bringt all diejenigen zusammen, die einen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten können.

Im Rahmen der Fachkräfteallianz fördert das Land auch den Aufbau von insgesamt elf Welcome Centern für internationa le Fachkräfte. Das Pilotprojekt umfasst Welcome Center in zehn Regionen Baden-Württembergs und ein landesweites Welcome Center speziell für den Pflegebereich und das Erzie hungswesen, also auch Mangelberufe und Berufe, bei denen wir unbedingt auf Fachkräfte angewiesen sind. Zuwanderer und Interessierte bekommen dort eine erste Orientierung zum Leben und zum Arbeiten und können schnell an die richtigen Stellen weitergeleitet werden.

Aber es lohnt sich auch, auf den Flüchtlingsbereich zu schau en. Die Verkürzung der Asylverfahren ist auch in unserem In teresse. Das hat nichts mit Gutmenschentum zu tun.

(Abg. Peter Hauk CDU: Dann machen Sie doch et was! – Gegenruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Er hat es immer noch nicht verstanden!)

Da ist aber die Bundesregierung gefragt, weil die Bundesre gierung für die Asylverfahrensgesetzgebung zuständig ist.

Auch das BAMF fällt nicht in meine Zuständigkeit. Aber so, wie ich gehört habe, arbeitet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge daran, die Zahl der Entscheider zu erhöhen. Zu dem will die neue Bundesregierung laut Koalitionsvertrag Asylbewerbern und Geduldeten bereits nach drei Monaten den Zugang zum Arbeitsmarkt erlauben. Daher ist es wichtig, dass man auch dieser Personengruppe den frühen Spracherwerb er möglicht. Denn niemand wird ohne Deutschkenntnisse auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen.

Der Koalitionsvertrag sieht die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern beim Spracherwerb vor. In Baden-Württem berg rennt der Bund damit offene Türen ein. Denn wir haben das bereits im Flüchtlingsaufnahmegesetz geregelt. Wir möch ten, dass die Flüchtlinge während der vorläufigen Unterbrin gung Gelegenheit bekommen, unentgeltlich Grundkenntnis se der deutschen Sprache zu erwerben.

(Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Wenn der Bund hier länderübergreifende Konzepte entwickeln möchte und auch bereit ist, diese solide zu finanzieren, freu en wir uns natürlich auf die Zusammenarbeit.

Zuwanderung – auch von Fachkräften – zieht allerdings nicht automatisch Integrationserfolge nach sich. Da sind wir uns auch einig. Zuwanderung ist zunächst auch mit Herausforde rungen verbunden. Daher ist es wichtig, die Akteure klar zu benennen, die Spielregeln zu definieren und die Zielrichtung vorzugeben. Das kann ein Partizipationsgesetz leisten.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, qualifizierte Zu wanderung als Chance zu begreifen und bei der Integration als Land insgesamt zu punkten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort für die Frakti on der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Glück.

(Zuruf von der SPD: Er kann es kurz machen! – Ge genruf des Abg. Walter Heiler SPD: Kurz oder gar nicht!)

Frau Präsidentin, meine werten Kolleginnen und Kollegen! Es gab nun von allen Sei ten positive Worte zu dem Thema Integration. Es gab von al len Seiten das Bekenntnis zu Baden-Württemberg als Einwan derungsland. In diesem Sinn halte ich die Aktuelle Debatte, die von uns beantragt wurde, für einen vollen Erfolg.

Was mich natürlich ganz besonders gefreut hat, ist, dass Sie, werter Kollege Lede Abal, sagten, Integration sei in BadenWürttemberg bereits seit vielen Jahren erfolgreich. Das ist in der Tat so. Sie haben da die Neunzigerjahre angesprochen.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Nein, ich habe vorher gemeint!)

Noch früher. Dann ist es ja umso besser und umso großzü giger von Ihnen, dass Sie das so positiv erwähnen.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Gell? – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das war auch proaktiv für die Vertriebenen! – Gegenruf des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: „Proaktiv“!)

Frau Ministerin, klar ist, dass wir hier noch einen langen Weg vor uns haben. Sie haben gerade gesagt, das Landesanerken nungsgesetz wäre ein Beispiel. Das ist insofern ein schönes Beispiel, als ich Ihnen daran aufzeigen kann, was ich meine, wenn ich fordere, man müsste etwas mehr Power an den Tag legen. Es hat unheimlich lange gebraucht, das Landesaner kennungsgesetz einzuführen.

Es ist aber auch nicht mit dem Landesanerkennungsgesetz als solchem getan. Vielmehr ist es erforderlich, dass nicht nur die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse, son dern die Zuwanderung nach Deutschland insgesamt klar ge regelt wird. Wir brauchen klare Regeln. Wir brauchen meinet wegen auch eine gewisse Steuerbarkeit. Wenn manche Be rufsgruppen bei uns besonders gefragt sind, muss man mit Si cherheit über ein Verfahren nachdenken, wie man es aus Ka nada kennt, mit einem Punktesystem mit unterschiedlichen Gewichtungsfaktoren.

Tatsache ist aber, dass wir bei der Integrationspolitik nicht weiter mit angezogener Handbremse fahren dürfen, sondern richtig Gas geben müssen. Frau Ministerin, es hat sich ja nun in Berlin ein bisschen was verändert. Sie sagen, die Bundes regierung sei dafür verantwortlich. Möglicherweise haben Sie nun einen besseren Draht zum BAMF, seit in Berlin eine neue Koalition an der Regierung ist. Ganz kommen Sie da nicht he raus. Auch Ihre Partei ist an der Bundesregierung beteiligt.

Am Schluss möchte ich noch ein Beispiel geben, das aufzeigt, warum es unglaublich wichtig ist, dass man das Positive an der Integration in den Vordergrund stellt. Sie wissen vielleicht, dass ich im „richtigen Leben“ Chirurg bin.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Martin Rivoir SPD: Da sollten Sie einmal einen Eingriff machen!)

Da macht es keinen Sinn, wenn ich bei einem Aufklärungs gespräch vor einer Operation nur auf die Risiken hinweise, die ein operativer Eingriff mit sich bringt, wenn ich verpasse, zu sagen, dass die Operation vielleicht auch einen Nutzen und einen Sinn hat.

(Abg. Manfred Groh CDU: „Vielleicht“! – Abg. Die ter Hillebrand CDU: „Vielleicht“ ist gut!)

Es ist ganz wichtig, das hervorzuheben. Das Gleiche gilt für den Bereich der Integration.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort für die Frakti on GRÜNE erteile ich Herrn Kollegen Lede Abal.

Wir sollten doch noch einen Blick darauf werfen, wie die Einwanderung nach Baden-Württemberg funktioniert, um zu verstehen, welche Menschen zu uns kommen.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Vertreter der heimischen Wirtschaft werben Absolventinnen und Absolventen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im

Ausland aktiv an. Sie treffen gerade in den Krisenländern Eu ropas – Spanien, Griechenland, Portugal – auf einen Arbeits markt, der am Boden liegt, der die am besten ausgebildete Ge neration, die in diesen Ländern jemals zur Verfügung stand, nicht aufgreifen kann. Diese Menschen hangeln sich dort in Praktika – teils bezahlt, teils unbezahlt – durch, halten sich im Niedriglohnsektor über Wasser, ziehen wieder bei ihren El tern ein, sind über Jahre hinweg arbeitslos und schaffen nie einen richtigen Einstieg ins Erwerbsleben. Für diese Men schen ist es eine große Chance, nach Deutschland zu kom men.

Aber das bringt natürlich auch Notwendigkeiten mit sich, bei spielsweise beim Spracherwerb. Die Ausbildung, die diese Personen mitbringen – Kollege Hofelich hat vorhin in seiner Rede auf den Wert und die Bedeutung der dualen Ausbildung explizit hingewiesen – – Wenn diese Menschen hier nicht „an docken“ können, weil sie die nötigen Sprachkenntnisse nicht ha ben – der Spracherwerb ist in diesen Ländern deutlich schwie riger, auch weil es dort in den Schulen nicht diese Tradition des Fremdsprachenerwerbs gibt wie beispielsweise hier in Deutschland –, dann fallen diese Menschen hier durchs Ras ter, relativ gleichgültig, ob es Ingenieure, Krankenpfleger, Al tenpfleger, Ärzte, Techniker oder Angestellte in der Gastrono mie sind. Wenn sie hierherkommen, brauchen sie sprachliche Schulung, teilweise auch fachliche Schulung, weil die Aus bildungsgänge nicht kongruent sind. Wir haben mit dem vom Integrationsministerium erarbeiteten Landesanerkennungsge setz ein wertvolles Mittel geschaffen, um daran zu arbeiten.

Die Firmen, die diese Leute anwerben, investieren in erheb lichem Maß in diese Menschen, etwa in die sprachliche Aus bildung, die fachliche Schulung, auch in die Weiterbildung. Sie setzen diese Menschen ein. Viele machen dann auch in ternationale Karrieren. Es ist vor einigen Jahren schon ein Phänomen gewesen, dass in der dualen Ausbildung ganz ge zielt Jugendliche mit einem binationalen Hintergrund für die se Ausbildungsgänge angeworben wurden, um sie dann in in ternationalen Niederlassungen einsetzen zu können, einfach um die kulturelle Anbindung und die sprachlichen Fähigkei ten dieser Personen vor Ort zu nutzen.

Es gibt aber – das müssen wir uns genauso vor Augen führen; das ist für unsere Wirtschaftsbetriebe auch das Gefährliche daran – keinen exklusiven Drang nach Deutschland. Deutsch land ist nicht dieses große, wunderbare Ziel. Auch BadenWürttemberg ist nur ein Standort unter vielen, an dem sich Möglichkeiten für Menschen bieten. Wir werden uns deshalb schon strecken müssen, damit diese Leute hierherkommen. Wir werden uns strecken müssen, und wir werden verändern müssen.

Das betrifft zum einen den heute schon viel zitierten Begriff der Willkommenskultur. Denn die Menschen sind mittlerwei le nicht mehr bereit, es hinzunehmen, wenn sie den Eindruck haben, sie werden von Ämtern gegängelt oder hingehalten. Wir brauchen hier klare, einfache und für die Menschen, die von außen kommen, nachvollziehbare Strukturen. Es darf kei ne Tortur werden, bei der man zu fünf, sechs verschiedenen Ämtern muss, um alle Bescheinigungen beieinander zu ha ben.

Ich glaube, mit solchen Wegen schrecken wir Menschen ab. Hier haben wir einen großen Veränderungsbedarf. Es gibt jetzt

über die Welcome Center den ersten Ansatz, hier in BadenWürttemberg auch Veränderungen herbeizuführen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich möchte auch noch etwas zur sogenannten Armutszuwan derung sagen. Das ist ein irreführender Begriff, denn er sug geriert, dass aus Rumänien und Bulgarien oder als Asylbewer berinnen und -bewerber Menschen zu uns kommen, die kom plett am Arbeitsmarkt vorbeiziehen. Das ist aber durch über haupt keine Statistik belegt. Es ist sogar so – das können Sie beispielsweise in den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 11. Fe bruar dieses Jahres nachlesen –, dass diese Menschen einen hohen Grad an Ausbildung haben und viele Akademikerinnen und Akademiker darunter sind. Auch entspricht der Anteil der Menschen, die vom Arbeitsmarkt aufgenommen worden sind, ungefähr dem bei anderen Nichtdeutschen und liegt nur ge ringfügig über dem Arbeitslosenanteil von Menschen deut scher Nationalität.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Diese Gruppe hat sehr wohl Perspektiven in Deutschland.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Beispielsweise kommt die größte Gruppe ausländischer Ärz te inzwischen aus Rumänien. Das zeigt einfach, welche Ver änderungen sich ergeben haben. Diese Gruppe, die aus Ru mänien kommt, ist übrigens insofern interessant, als Medizi ner aus Rumänien die Lücke schließen, die bei uns durch Ab wanderung von Medizinern in die Schweiz entsteht.