Weil Redner meist Zwischenfragen später zulassen wollen, ist dafür oft keine Zeit mehr. Das ist doch logisch.
Das folgt der Geschäftsordnung. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Stoch das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Jetzt wis sen wir alle, was in der Geschäftsordnung steht.
Ich möchte in meiner Vorbemerkung noch einmal kurz auf die allgemeine Thematik zu sprechen kommen, die uns allwö chentlich, nahezu alltäglich hier im Parlament beschäftigt. Ich habe von Ihnen bisher keine Antwort auf Folgendes gehört: Erstens: Wir haben in Baden-Württemberg im Schulsystem ein demografisches Problem. Zweitens: Wir haben in BadenWürttemberg – das bestätigen alle pädagogischen Studien der letzten zwölf Jahre – ein Qualitätsproblem. Und drittens: Wir haben in Baden-Württemberg ein Gerechtigkeitsproblem. Sie haben keine Antworten auf diese drei Probleme.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Ein Landesregierungsproblem! – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Vielleicht können Sie noch etwas zum Leistungs- und Qualitätsproblem sagen! – Zuruf von der SPD: Jawohl!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte kurz et was zur Frage der Notwendigkeit der empirischen Bildungs wissenschaften sagen; denn ich glaube, das sollte man an die ser Stelle tun, um einordnen zu können, was Professor Bohl hinsichtlich der Gemeinschaftsschulen zu tun hat.
Die Modernisierung unseres Bildungssystems braucht – so denke ich – eine solide Datenbasis. Das ist spätestens seit der sogenannten empirischen Wende in den Bildungswissenschaf ten klar. Die Landesregierung setzt dabei auf den ständigen und intensiven Diskurs mit den Bildungswissenschaften, und zwar unabhängig davon, zu welchen Wertungen und Beurtei lungen diese kommen.
Wir arbeiten mit vielen Bildungswissenschaftlern eng zusam men, auch was die Frage der Stellungnahmen und der Exper tisen angeht, wenn wir verschiedene Bereiche unseres Bil dungssystems prüfen lassen.
Eine unmittelbare Konsequenz aus den für Deutschland und auch für Baden-Württemberg schlechten PISA-Ergebnissen war, ein bundesweites Bildungsmonitoring einzuführen. Wir unterstützen ausdrücklich, dass über die Grenzen der Bundes länder hinweg Daten zur Qualität unserer Schulen erhoben werden.
Ich darf Sie darauf hinweisen, dass im Rahmen dieser Quali tätssuche Professor Pant in einem Vortrag im Neuen Schloss kürzlich darauf hingewiesen hat, dass Baden-Württemberg in den längsschnittlich angelegten Studien schon seit Jahren zu nehmend schlechter abschneidet. Professor Pant hat vor über 300 Fachleuten die Frage in den Raum gestellt: „Was ist Ihre Hypothese dafür, dass Baden-Württemberg in diesen Quali tätsstudien“ – Sie werden diese nicht ernsthaft anzweifeln wollen – „seit zwölf Jahren immer mehr an Boden verliert?“ Das heißt, wir müssen dringend nach den richtigen Antwor ten für unser Bildungssystem suchen. Sie suggerieren: Es kann so weitergehen, wie es ist. Das ist falsch.
Die Daten, die wir dazu benötigen – nur darum geht es –, sind vielfältig. Diese Daten müssen auch sorgfältig ausgewertet werden. Sie reichen von internationalen Daten über Ver gleichsarbeiten bis hin zu Daten zu ganz konkreten Fragen des schulischen Alltags. Dies ist jeweils ein wichtiges Feedback, ein wichtiger Impuls für die Schulentwicklung. Diese Verfah ren verbessern wir auch ständig.
Wir wollen auf Basis dieser Evaluationsergebnisse – in die ser Reihe steht auch die Expertise von Herrn Professor Bohl – die richtigen Schlüsse für die Weiterentwicklung unserer Schulen und unserer Bildungslandschaft gewinnen.
Vielen Dank. – Herr Minister, Sie haben mir eine Vorlage für diese Frage geliefert. Sie haben jetzt den Vortrag von Herrn Professor Pant in Ihrem Haus er
wähnt, bei dem ich selbst nicht zugegen sein konnte; aber ich kenne durchaus die Befunde des IQB-Vergleichs. Sie spre chen in diesem Zusammenhang offensichtlich die Notwendig keit des fachbezogenen Unterrichts und vor allem auch die entscheidende Fachkompetenz an, die hier sehr wichtig ist. In diesem Zusammenhang ist die Gemeinschaftsschule gemeint.
Jetzt frage ich ganz konkret: Ist in der wissenschaftlichen Be gleitung – und damit auch in dem Untersuchungsauftrag, den Herr Professor Bohl erfüllen muss – auch berücksichtigt, ob für die jeweiligen Fächer an der Gemeinschaftsschule – vor allem bezogen auf die Umsetzung der gymnasialen Bildungs standards – dafür Sorge getragen wird, dass beispielsweise für das Fach Französisch, aber auch für die anderen Fächer die Fachlehrer vorhanden sind und eingesetzt werden? Ist das Be standteil des Untersuchungsauftrags?
Herr Kollege Wacker, die Befunde aus der IQB-Länderver gleichsstudie sind uns seit Herbst letzten Jahres bekannt. Die Expertise ist bereits früher in Auftrag gegeben worden. Der IQB-Ländervergleich bezog sich nicht auf die Gemeinschafts schule, sondern auf die Sekundarstufe I aller bisher bestehen den Schularten.
Wir werden prüfen, inwieweit wir die Erkenntnisse aus die ser Studie möglicherweise in die Expertise zur Gemeinschafts schule einfließen lassen müssen. Aber – das haben die Kolle gen vorhin bereits angesprochen – die Systematik des Leis tungsvergleichs, der Vergleichsarbeiten wird für die Gemein schaftsschule genauso wie auch für die anderen Schularten – z. B. beim Absolvieren der Vergleichsarbeiten im Bereich VERA – gelten. Das heißt, wir haben an dieser Stelle eine ent sprechende Qualitätskontrolle. Herr Kollege Müller hat ja un terstellt, dass hier nur ein Wohlfühlfaktor und kein Qualitäts faktor gemessen werde. Das ist nicht richtig. Das bezieht sich auf die Beauftragung von Professor Bohl.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus meiner Sicht be steht für die Landesregierung die zwingende Folge und damit der zwingende Handlungsauftrag, unsere Bildungspolitik auf Basis solider Erkenntnisse und solider Datengewinnung wei terzuentwickeln. Wir müssen deshalb die Auseinandersetzung weder mit Ihnen noch mit Wissenschaftlern und Praktikern fürchten.
Ergebnisse, die Fragen hinsichtlich unserer Bildungspolitik aufwerfen, nehmen wir selbstverständlich sehr ernst. Um es ganz explizit zu sagen: Diese Landesregierung hat es nicht nö tig, Gutachten mit gewünschten Ergebnissen zu bestellen.
Mit der Würde, den Titel eines Professors zu führen – Sie müs sen immer aufpassen, wen Sie hier in irgendein schiefes Licht rücken wollen –, mit der Verleihung der Venia Legendi nach einem ausführlichen Verfahren ist dokumentiert, dass der Be treffende – ich spreche jetzt von Professor Bohl als Auftrag nehmer – wissenschaftlich auf höchstem Niveau arbeitet.
die wir nicht akzeptieren und die sicherlich auch der Reputa tion von Herrn Professor Bohl nicht gerecht wird.
Einem Professor ist wissenschaftliche Rationalität beschei nigt, und wissenschaftliche Rationalität ist dadurch definiert, dass Voreinstellungen und Absichten keine Rolle spielen dür fen. Anderes zu unterstellen ist ein Vorwurf, der die Integrität eines Wissenschaftlers infrage stellt.
Sie, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen von der CDU-Frak tion, schreiben im Rahmen der Antragsbegründung, dass die – so wörtlich – „gebotene wissenschaftliche Neutralität“ des Professors, der mit Kolleginnen und Kollegen mit der Begleit forschung betraut ist – weiter wörtlich –, „doch mehr als zwei felhaft“ sei.
Deshalb sollten Sie überlegen, ob Sie sich nicht von diesen Aussagen in der Begründung dieses Antrags sehr schnell und sehr deutlich distanzieren sollten.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Unter der Gürtelli nie!)
Auch den Vorwurf, ein bestelltes Gutachten, das heißt ein Gut achten zu bekommen, das quasi in Auftrag gegeben wird, wei se ich zurück. Der Auftrag für die Begleitforschung wurde eben nicht freihändig vergeben. Das Wissenschaftsministeri um hatte eine internationale Gutachterkommission eingesetzt, die über die mehreren eingegangenen Bewerbungen zu ent scheiden hatte. Diese Kommission hat empfohlen, den ge meinsamen Antrag der Universität Tübingen und der Pädago gischen Hochschulen Schwäbisch Gmünd, Freiburg, Wein garten und Heidelberg auszuwählen und zu fördern. Die Fe derführung dieses gemeinsamen Antrags liegt bei der Univer sität Tübingen.
Jetzt aus der Tatsache, dass Professor Bohl eine Expertise im Auftrag der GEW geschrieben hat, einen Bezug auf alle Wis senschaftler, die an dieser Ausarbeitung beteiligt sind, herzu stellen, halte ich für unlauter und unehrlich. Das trifft auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an diesem Pro jekt beteiligt sind, in ihrer wissenschaftlichen Ehre.
In dieser Untersuchung, Herr Kollege Müller, geht es um ei nes ganz konkret: Bis zum Sommer 2016 gehen die Forscher in vier Teilprojekten – Sie haben sie beschrieben – an fast 20 Gemeinschaftsschulen Fragen nach, die von der diagnosti schen Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrer bis hin zur So zialraumanalyse reichen. Das sind alles Befunde, die wichtig sind für die weitere Entwicklung unserer Schulen, und zwar nicht nur der Gemeinschaftsschulen, sondern aller Schulen.
An diesen Teilprojekten sind über ein Dutzend Professorin nen und Professoren sowie nochmals so viele wissenschaftli che Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligt. Mit dem Vor wurf, dass hier voreingenommen mit konkreten, ja politischen Absichten geforscht würde, dass den Forschern dazu die Neu
tralität fehle, diskreditieren Sie nicht nur diese, sondern alle, die am Prozess der Auftragsvergabe beteiligt waren.
Nehmen Sie diesen Vorwurf zurück, und versuchen Sie, sich endlich ein objektives Bild von der Arbeit der Gemeinschafts schulen in Baden-Württemberg zu machen. Sie werden sehr schnell merken, dass die Gemeinschaftsschulen in BadenWürttemberg wirklich eine Alternative sind, um viele der Pro bleme, die ich in meinem ersten Satz angesprochen habe, hier in Baden-Württemberg im Sinne der Kinder im Land zu lö sen.
Ich habe das Schreiben von Herrn Professor Bohl vorliegen. Sie haben gerade gesagt, dass auch Fragen nach der Leistungsbeurteilung, der Leistungs feststellung gestellt würden.