Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

komme ich zu dem nüchternen Schluss: Von einer solchen Re form, meine Damen und Herren, hätte man wahrlich besser die Finger gelassen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf: Bra vo!)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Innenminister Gall das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Es ist überhaupt keine Frage, dass es nicht nur rechtens, sondern selbstverständlich auch in meinem, in unserem Sinn ist, dass wir immer wieder einmal Zwischenbilanz ziehen,

(Zuruf von der CDU: Aber halt nicht jetzt!)

was die Umsetzung der Polizeistrukturreform anlangt. Aber sinnvollerweise macht man dies in Abständen, bei denen man

sich dann auch ziemlich sicher sein kann, dass man tatsäch lich schon auf einer soliden Basis eine Bilanz ziehen kann.

(Zurufe)

Ich hatte Ihnen im Rahmen der erfolgten Diskussion auch im Ausschuss zugesagt, dass wir diese Reform nicht nur selbst evaluieren werden – das ist überhaupt keine Frage –, sondern dass wir, gerade was die Aufbauorganisation betrifft, auch von außerhalb, von extern evaluieren lassen werden. Wir werden dann am Schluss dieser Evaluation einmal sehen, wer recht hat.

Allerdings hätte ich schon erwartet, dass Sie in einer Aktuel len Debatte nicht nur die Dokusoap, die Sie seit Monaten ab ziehen, fortsetzen. Die besteht aus Verunglimpfung, aus Falschinformation sowie aus dem Aufbauschen von Nichtig keiten und von Kleinigkeiten, von einzelnen Problemen, die es gibt.

(Zuruf von der CDU: Sehr dünnhäutig! – Abg. Alex ander Throm CDU: Sachlich bleiben!)

Herr Dr. Goll, das, was Sie jetzt am Schluss gemacht haben – das war offensichtlich auch Klamauk –, enttäuscht mich in der Tat.

(Zuruf: Das glaube ich!)

Zum Thema „Frauenförderung in der Polizei“ werde ich mich jetzt nicht auslassen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das würde ich an Ihrer Stelle auch nicht machen! – Abg. Peter Hauk CDU: Das geht auch nicht! Sie haben doch be wusst Frauen ausgegrenzt! – Glocke des Präsidenten)

Das Wort hat der Herr Innenminister.

(Abg. Peter Hauk CDU: Zwischenrufe sind erlaubt!)

Ich rate Ihnen: Stellen Sie zu diesem Thema einfach einmal einen vernünftigen Antrag. Dann können wir dies auch im Ausschuss entsprechend erör tern, und dann können wir Ihnen unter Beweis stellen, wie die Polizei insgesamt frauenfreundlicher wird, wie sie sich mit mehr Frauen aufstellt.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Wir reden von oben! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Wir schaffen die Basis dafür, dass auch in der Zukunft – je denfalls häufiger als in der Vergangenheit – Frauen in Spit zenpositionen der Polizei gelangen können.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Den Beweis bleibt er schuldig!)

Meine Damen und Herren, gerade weil Sie immer versucht haben – das ist jedenfalls mein Eindruck, und das sehen im Land zwischenzeitlich viele auch so –, mit Ihren Unterstel lungen, mit Ihren Verunglimpfungen

(Abg. Peter Hauk CDU: Das sind einfach Tatsachen!)

von dem originären, dem ursächlichen Problem abzulenken, das uns veranlasst hat, uns für diese Polizeireform ins Zeug zu legen, will ich es einfach noch einmal in Erinnerung rufen, so weh es Ihnen dann auch tun mag.

(Abg. Peter Hauk CDU: Jetzt kommt die Erblast, kommen die Altlasten!)

Ich habe mir bei meinem Amtsantritt bzw. unmittelbar nach meinem Amtsantritt von allen Abteilungen meines Hauses Grundsatzvermerke anfertigen lassen. Ich wollte wissen, wie es in den einzelnen Zuständigkeitsbereichen mit den Finan zen aussieht, welche Situation wir im Personalbereich haben, wie die Aufgaben noch zu erledigen sind und wie wir struk turell aufgestellt sind. Das habe ich in allen Bereichen ge macht.

Die Zuarbeit, die ich aus den Reihen der Abteilung 3 – Lan despolizeipräsidium – vom Landespolizeipräsidenten, der im Übrigen von Ihnen ins Amt gesetzt worden ist, erhalten habe, hat noch einmal deutlich vor Augen geführt – Kollege Sakel lariou hat die Zahl genannt –: Während Ihrer Regierungsver antwortung wurden 1 000 Stellen bei der Polizei abgebaut – das heißt, die Polizei wurde personell geschwächt –, es gibt eine kritische Altersstruktur – 50 % der Beschäftigten verlas sen in den nächsten zehn Jahren die Polizei –, es gibt einen großen Investitionsstau im Bereich der Technik, insbesonde re auch im Bereich des Digitalfunks – allein in diesem Be reich eine Unterfinanzierung in der Größenordnung von 170 Millionen € –,

(Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

und es bestanden natürlich auch – das wissen Sie; darüber will ich nicht groß reden, aber es ist nun einmal so – unterschied liche Leistungsfähigkeiten in den einzelnen Strukturbereichen, in der Aufbauorganisation der Polizei des Landes. Sie haben in den letzten Monaten auch immer verschwiegen, dass Sie beispielsweise im Vergleich zu 2004 die Betriebsbudgets bei der Polizei massiv gekürzt haben, und zwar um sage und schreibe nahezu 30 % innerhalb von sieben, acht Jahren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zurufe von der SPD)

Das ist das Fazit Ihrer Regierungsverantwortung für die Poli zei in Baden-Württemberg gewesen. Das heißt: strukturell un terfinanziert, personell ausgedünnt. Das war einer der Grün de, warum wir die Polizeistrukturreform angegangen sind.

Stichwort „Polizei im ländlichen Raum“: Auch dort lautet Ih re Bilanz: 230 Polizeiposten weniger als in der Vergangenheit.

(Zuruf von der CDU: Es ist unglaublich! – Weitere Zurufe)

So sah Ihre Sicherheitspolitik in Baden-Württemberg aus.

Die neue Regierung und ich in meiner Verantwortung haben durch einen sofortigen Nachtragshaushalt reagiert, um über haupt die erforderlichen Betriebsmittel zur Verfügung zu stel len, damit die Polizei im Jahr 2011 noch arbeitsfähig bleiben konnte. Wir haben die Budgets angehoben. Wir haben den Di gitalfunk nachfinanziert, und wir haben ein Technikprogramm

ins Werk gesetzt. Übrigens haben wir auch die Chance ergrif fen – ob Sie es getan hätten, wage ich zu bezweifeln –, den doppelten Abiturjahrgang zu nutzen, um qualifizierten Nach wuchs für die Polizei zu erhalten, indem wir die Einstellungs zahlen um 50 % erhöht haben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Das begrüßen wir auch! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Was machen die Grü nen?)

Meine Damen und Herren, das Wichtigste, was ich getan ha be bzw. was wir, die Landesregierung, getan haben, ist: Wir haben Vertrauen in die Stärke der Polizei, in das Wissen der Polizei und in den Erfahrungsschatz der Polizei gesteckt. Des halb haben wir das Angebot der Polizei – wenn Sie so wollen, auch den Hilferuf nach Veränderung – aufgegriffen und der Polizei die Chance gegeben, diese Reform zu entwickeln. Des halb sage ich an dieser Stelle noch einmal: Das war keine Re form von oben, sondern eine Reform von unten, gefordert von denen, die etwas von diesem Themenbereich verstehen, mit der politischen Rückendeckung meinerseits. Deshalb stehe ich selbstverständlich nach wie vor zu den Reformentwicklungen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ja, es ist so: Es war eine Strukturreform, die von der Größe und vom Umfang her wirklich einzigartig gewesen ist, und wir sind noch nicht am Ende. Wir haben die Polizei auf eine völlig neue Basis gestellt, und ich möchte einmal den Ver gleich zur Verwaltungsstrukturreform 2005 wagen, die Sie auf den Weg gebracht haben. Dort doktern wir an der einen oder anderen Stelle immer noch an den Auswirkungen herum.

(Zuruf des Abg. Johannes Stober SPD)

Wir hatten die Probleme im Bereich der Lebensmittelkontrol le und mussten aus dem Budget des Landwirtschaftsministers dort nachbuttern. Wir hatten Riesenprobleme, die zu lösen wir jetzt in der Lage sind, was beispielsweise die Vereinbarung zum Erhalt und zum Unterhalt der Straßen betrifft. Wir hat ten Probleme im Gewerbebereich, im Vermessungsbereich und in anderen Bereichen, in denen wir heute noch nachsteu ern, um Ihre grundangelegten Fehler zu beseitigen.

Obwohl es eine solch große Reform gewesen ist – ja, Sie hat ten recht, wir haben strittig diskutiert, und es gab viel Diskus sionsbedarf vor Ort –,

(Zuruf des Abg. Konrad Epple CDU)

gibt es, meine Damen und Herren und liebe Kolleginnen und Kollegen, heute kaum Klagen von Bürgern über diese Poli zeireform – weil sie eben nicht, wie von Ihnen immer prophe zeit wurde, etwa Nachteile haben oder hatten, sondern weil sie Vorteile haben. Wo bleiben denn die ganzen Meinungen und Klagen, die seitens der kommunalen Landesverbände ge äußert und vorausgesagt worden sind? Gar keine gibt es da. Das zeigt doch: Dort, wo Polizei wirken soll, wo Polizeiarbeit zugunsten der Bürgerinnen und Bürger ihren Nutzen entfal tet, kommt die Polizeireform heute schon positiv an.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Matthias Pröfrock CDU)

Meine Damen und Herren, ich habe immer betont: Es ist nicht so, dass wir am 1. Januar 2014 einen Schalter umgelegt hät ten und dann alles zu 100 % funktionieren würde. Das habe ich nie behauptet, und das wäre angesichts der Themenberei che, die es zu bewältigen galt, und der Problematik, die ins gesamt mit der Umgestaltung im Rahmen dieser Reform ein herging, auch fahrlässig gewesen. Deshalb habe ich immer gesagt: Die Polizei braucht auch Zeit, um in diese Reform hi neinzuwachsen. Nun muss ich schon sagen – auch nach 100 Tagen –: Sie wächst dort wesentlich schneller hinein, als ich es eigentlich gedacht hatte. Jedenfalls findet sich die Polizei in ihrer neuen Rolle, in ihren neuen Aufgabenfeldern wesent lich schneller zurecht als beispielsweise Sie in Ihrer Opposi tionsrolle; da bemühen Sie sich seit drei Jahren sehr intensiv.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich bitte auch zur Kenntnis zu nehmen, dass das eine oder an dere Problem, die eine oder andere Umsetzungsschwierigkeit auch damit zu tun hat, dass wir diese Reform umsetzen, in dem wir, soweit es uns irgend möglich war, versucht haben – es ist uns auch gelungen –, durch das sogenannte Interessen bekundungsverfahren die Beschäftigten mitzunehmen.

(Zuruf: Jawohl!)

Wenn bei Personalversetzungen das eine oder andere heute im Istzustand noch nicht so ist, wie es im Endzustand sein müsste und soll, hat dies auch damit zu tun, dass wir auf die Interessen der Beschäftigten Rücksicht genommen und auf ei gentlich erforderliche Versetzungen verzichtet haben. Wenn ein Beamter oder eine Beamtin beispielsweise in einem hal ben oder einem Jahr in den Ruhestand geht, muten wir dies den Beamten, auch wenn eine Veränderungsnotwendigkeit be stehen würde, nicht mehr zu. Deshalb dauert es an der einen oder anderen Stelle tatsächlich immer noch ein wenig. Aber 80 % aller Verwendungswünsche konnten wir Rechnung tra gen.