Protokoll der Sitzung vom 30.04.2014

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Daher halten wir es nach wie vor für den richtigen Weg, dass wir in Baden-Württemberg in ein Zweisäulenmodell gehen. Die CDU hat in vielen anderen Bundesländern bereits vorge macht, wie ein Zweisäulenmodell gestaltet werden kann. Nie mand versteht, dass dieses Zweisäulenmodell in Baden-Würt temberg einen solchen Zankapfel darstellt. In vielen anderen Bundesländern ist das bereits Realität. Denn es gibt keine an dere Möglichkeit, um vor Ort alle Bildungsangebote aufrecht zuerhalten.

Wir haben die Diskussion an vielen Stellen. Ich glaube, wir sind damit auf dem richtigen Weg, vor Ort die Projekte ent stehen zu lassen und die Prozesse zu gestalten. Dabei müssen natürlich sämtliche Partner mit einbezogen werden. Wir se hen es auch als richtig an, dass die Angebote der beruflichen Schulen, der Sonder- und Förderschulen mit in die Prozesse gedacht werden, dass die Schulen in freier Trägerschaft in die Konzepte der regionalen Schulentwicklung mit einbezogen werden, um schließlich ein Gesamtangebot zu haben, aus dem die Eltern, die Schülerinnen und Schüler auswählen können.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Das bietet die regionale Schulentwicklung. Sie wird durch die staatlichen Schulamtsbehörden begleitet. Damit haben die Kommunen einen echten Partner an ihrer Seite, damit die re gionale Schulentwicklung vor Ort aufgehen kann. Wir wer den sie von unserer Seite in der Weise unterstützen, wie wir es können.

Aber nun sind die Kommunen daran, diese Prozesse zu ge stalten. Ich gehe davon aus, dass diese Prozesse so gestaltet werden, dass wir in Baden-Württemberg langfristig ein gutes Bildungssystem aufrechterhalten können, dass die Qualität in unserem Bildungssystem weiter aufrechterhalten werden kann, damit die Bildungschancen in unserem Land verbessert werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Fulst-Blei.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein Tag der Freu de.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Man merkt es Ih nen richtig an!)

Heute ist ein Tag der Freude zumindest für diejenigen, die sich für eine verantwortungsvolle Bildungspolitik engagieren. Denn mit dem heutigen Tag überwinden wir einen sage und schreibe 41 Jahre andauernden Stillstand in Sachen regionaler Schulent wicklung, dem Sie, die CDU, mehr oder weniger hilflos ge genüberstanden.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist ja hanebüchen! Hanebü chen! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Diese Landesregierung vollzieht heute einen wichtigen Schritt, unser Bildungssystem zukunftssicher zu machen. Tatsächlich geht die letzte regionale Schulentwicklung unter einer CDUgeführten Landesregierung auf das Jahr 1973 zurück. Sie ha ben jahrelang zugesehen, wie Standorte in die Knie gehen, oh ne dass Sie reagiert haben.

Herr Wacker, ich fand ihren Beitrag schon bemerkenswert. Wenn Sie Ihre Grafik hochhalten, dann sagen Sie doch dazu, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler an den Werkreal schulen 1995 bei ungefähr 37 000 lag und 2011 beim Regie rungswechsel bei unter 25 000. Das heißt, in dieser Zeit ha

ben die Werkrealschulen schon ein Drittel an Schülerinnen und Schülern verloren.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das bezweifelt nie mand! Deswegen brauchen wir keine Gemeinschafts schule!)

Wir haben doch in Mannheim, als ich noch im Gemeinderat war, nicht ohne Grund acht Werkrealschulen schließen müs sen – ohne Flankierung durch die damalige Landesregierung –, weil wir Infrastruktur für 6 000 Schüler bereithielten, aber nur noch 3 300 Schüler da waren. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen.

Kollege Klein, Sie sagen: „Investitionen von Kommunen in Einrichtungen anleiern, die dann plötzlich leer stehen.“ Das war Ihre Politik, weil Sie zugelassen haben, dass Schulstand orte ungeplant in die Knie gehen. Das werden wir ändern.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Sie erhalten jetzt alle? Schön!)

Wir dagegen legen heute mit Minister Stoch ein Gesetz vor, welches ein nachhaltiges und qualitativ hochwertiges Bil dungsangebot auch in der Fläche sicherstellen wird. Wir ar beiten damit in der Tat heute eine weitere Erblast von Ihnen ab, und das ist gut für Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Dafür sind alle im Land dankbar! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Die vorgelegten Rahmenbedingungen geben den Schulträgern den erforderlichen rechtlichen Rahmen und die Handlungs orientierung, die Bildungslandschaft vor Ort zukunftssicher aufzustellen. Der Gesetzentwurf definiert klare Richtwerte und ermöglicht Schulträgern damit auch eine verlässliche In vestitionsplanung.

Aber der Entwurf zeigt auch das große Interesse der Landes regierung an einem Schulterschluss mit den Städten und Ge meinden im Land. Denn wir setzen bei der regionalen Schul entwicklung nicht auf Bevormundung, nicht auf Obrigkeits staat, sondern auf eine Kultur des Dialogs zwischen Kommu nen und Kultusverwaltung.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die ausschließlich in die Gemeinschaftsschule einmündet!)

Das unterscheidet die Politik dieser Regierung von schwarzer Gutsherrenpolitik.

Die besondere Herausforderung bei dem Verfahren liegt na türlich auf dem anzustrebenden Konsens zwischen den betei ligten Schulträgern über die Verteilung des zukünftigen Schul angebots in der Raumschaft. Aber einzelne Beispiele, die be reits laufen, zeigen, dass viele Kommunen ein vitales Interes se an einer nachhaltigen Bildungsplanung haben und sich be reits jetzt auf den Weg gemacht haben, dies z. B. mit benach barten Schulträgern auch zu ermöglichen.

Uns von der SPD war es besonders wichtig, dass gerade im ländlichen Raum auch kleinere Schulstandorte nicht von der demografischen Entwicklung überrollt werden. Wir haben uns

engagiert dafür eingesetzt, dass keine Schule, die mehr als 16 Schülerinnen und Schüler in der Eingangsklasse verzeichnet, um ihre Existenz bangen muss. Mein besonderer Dank gilt meinem Kollegen aus der SPD-Fraktion, Klaus Käppeler, für seinen unermüdlichen Einsatz für den ländlichen Raum.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Wir vergessen an dieser Stelle aber auch nicht unser größtes Kapital im Schuldienst: die Lehrerinnen und Lehrer. Wir den ken mit an die Lehrkräfte, und die Landesregierung wird ins besondere den von möglichen Schulschließungen Betroffenen eine berufliche Perspektive aufzeigen. Denn klar ist: Wir brau chen alle Lehrkräfte und ihren engagierten Einsatz.

Wir sind in diesem Zusammenhang auch für die konstrukti ven Beiträge von der GEW und den Verbänden sowie die dies bezüglichen Gesprächsangebote dankbar. Aber zugleich zeigt die von der GEW veröffentlichte Umfrage auch, dass unter Lehrkräften ebenso die Einsicht in die Notwendigkeit des Pro zesses der regionalen Schulentwicklung besteht.

Meine Damen und Herren, nachdem die CDU bis heute nicht in der Lage ist, ein eigenes tragfähiges, zukunftsfähiges Kon zept zu entwickeln, freut es mich zumindest, dass in CDUKreisen die Zustimmung zu unserer Bildungspolitik mehr und mehr wächst.

(Lachen des Abg. Winfried Mack CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist logisch! Sogar Frau Gurr- Hirsch! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie bie ten auch so viele Alternativen an!)

Kollege Wacker, nachdem Sie heute wieder das 23., 24. Ka pitel in Sachen Unsinnsbehauptungen zur Gemeinschaftsschu le aufgeschlagen haben, zitiere ich für Sie exklusiv den Tü binger Regierungspräsidenten Hermann Strampfer, CDU – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –:

Seit ich mich mit der Gemeinschaftsschule intensiver aus einandergesetzt und Schulen angeschaut habe, muss ich feststellen, dass die Gemeinschaftsschule d i e Schule für den ländlichen Raum überhaupt ist.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist die neue Hauptschule! Da hat er recht! Das ist nicht die Ge meinschaftsschule, die Sie eingeführt haben wollten! – Zurufe der Abg. Thaddäus Kunzmann CDU und Claus Schmiedel SPD)

Eine gute Grundlage für den ländlichen Raum also, der wir heute mit dem Gesetz zur regionalen Schulentwicklung eine weitere folgen lassen.

Unsere Bildungspolitik nimmt weiter Gestalt an: mehr Bil dungsgerechtigkeit durch individuelle Förderung in der Ge meinschaftsschule, mehr Elternwille durch Aufhebung der verbindlichen Grundschulempfehlung, Ermöglichung von G 9, mehr Politik für Familien durch den massiven Ausbau von Kinderkrippen und Ganztagsschulen, mehr gute Arbeit durch die Stärkung der beruflichen Bildung und Allianz ge gen Fachkräftemangel und jetzt mehr Planungssicherheit für Kommunen durch das Gesetz zur regionalen Schulentwick lung.

Herr Minister, herzlichen Dank an das Ministerium und an Sie in Person.

Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ganze Land ist begeistert!)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Kern.

(Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Oje, oje! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Der macht Kernaussagen!)

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Da das zu beratende Gesetz zur regi onalen Schulentwicklung bislang keinen eigenen Titel hat – es steht ja nur pauschal darüber: „Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes“ – und da der FDP/DVP bei Gesetzesvorhaben Transparenz äußerst wichtig ist, schlagen wir heute folgenden Gesetzestitel vor: „Zweites grün-rotes Gesetz zur Beschleu nigung von Schulschließungen und zur schnelleren Etablie rung von Gemeinschaftsschulen allerorten“.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Sie waren schon ein mal besser, Herr Kern!)

Oder kurz gesagt: „Zweites Schulschließungsbeschleunigungs gesetz“. Entsprechend sollte man die Abschaffung der ver bindlichen Grundschulempfehlung in „Erstes Schulschlie ßungsbeschleunigungsgesetz“ umbenennen.

Dass die Koalition überhaupt noch ein Gesetz zur regionalen Schulentwicklung vorlegt, hat leider wenig damit zu tun, dass Grüne und SPD auf einmal ihr Herz für das Prinzip der Sub sidiarität oder der Eigenverantwortung vor Ort entdeckt hät ten. Es muss vielmehr als Tätigkeitsnachweis zur Politik des Gehörtwerdens verstanden werden. Denn die grün-rote Bilanz der 15. Legislaturperiode hätte einen entscheidenden Schön heitsfehler, wenn das zentrale Projekt, die Abschaffung des gegliederten Schulwesens in Baden-Württemberg, sich in Wahrheit als eine gesteuerte Revolution von oben über den Willen und die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger in BadenWürttemberg hinweg erweisen würde.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Armselige Argu mentation!)

Also wird von der Koalition noch schnell ein Feigenblatt nach geschoben, das sie dann „regionale Schulentwicklung“ nennt.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Kern bleibt sich treu!)