Protokoll der Sitzung vom 30.04.2014

Vor 40 Jahren hatten wir noch viel mehr Betriebe. Damals gab es im Land noch fast 100 000 Betriebe, die Milch produziert haben. Heute sind es noch 9 000 Betriebe, die Milch produ zieren. Das ist natürlich den schwierigen und ungünstigen Rahmenbedingungen geschuldet. Wir müssen sehen, dass das auch massive Veränderungen zur Folge hat. Die Zahl der Kü he in Baden-Württemberg ist gleichzeitig von 700 000 auf 350 000 reduziert worden, aber unsere Kühe sind Leistungs sportler geworden.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Oi!)

Unsere Kühe sind Leistungssportler; ich erinnere daran, dass, um einen Liter Milch zu erzeugen, rund 500 l Blut durch das Euter

(Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

gepumpt werden müssen. Deshalb können Sie sich vorstellen, was das bedeutet. Das heißt in der Konsequenz auch – darauf möchte ich nur hinweisen –: Obwohl wir für wenige Tiere so gute Ställe haben, wie wir sie für Kühe haben, schaffen es die Kühe, obwohl sie gut und gern 20 Jahre alt werden könnten, im Schnitt nur noch auf vier, viereinhalb Jahre. Das ist sehr bedenklich. Auch darauf muss man an diesem Punkt hinwei

sen: dass diese Leistungssportler, obwohl wir alles Mögliche tun, früher den Löffel abgeben, als es uns lieb ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Zur Entwicklung: Gleichzeitig ist die Menge der im Land er zeugten Milch über die Jahre gleich geblieben; das haben wir gehört. Fast 8 000 l Milch pro Kuh und Jahr haben wir heute im Schnitt – nicht ganz, heute sind es effektiv 6 500 l. Das heißt, eine Kuh liefert pro Tag etwa 23 l. Es waren einmal zehn oder zwölf. Das sind schon Dimensionen der Steigerung, die sich nicht nur genetisch auswirken, sondern auch Folgen für den einzelnen Organismus haben müssen. Wenn wir uns das einmal für unser eigenes Leben vorstellen, so heißt das, dass man ganz schön fit sein muss, um so etwas durchzuste hen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wir haben nur 3 l Blut!)

Im Durchschnitt sind es nur noch 1,8 Kälber pro Kuh, und das nicht – wie bei uns Menschen – sozusagen aus freiem Willen, sondern weil sie weiteren Nachwuchs überhaupt nicht mehr bekommen können, da sie es konstitutionell nicht mehr durch stehen. Das ist ein Problem, das wir sehen müssen, und es ist natürlich auch der hohen Leistungsbereitschaft geschuldet.

Des Weiteren – man musste eben auch einmal über Probleme sprechen –: Die Kühe haben einen großen Vorteil: Sie können etwas zu einem wertvollen Lebensmittel machen, womit wir eigentlich nichts anfangen können, nämlich Gras. Das ist der Kern. Kühe sind für uns nach wie vor und auch in Zukunft wertvoll, weil sie uns auf der einen Seite helfen, die Kultur landschaft zu pflegen, und auf der anderen Seite das, was wir überhaupt nicht nutzen können, nämlich Gras, zu einem wert vollen Lebensmittel machen. Deshalb brauchen wir sie, und deshalb haben sie ihre Berechtigung.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Aber immer mehr Kühe weiden, wie man so schön sagt, „am Rio Plata“, also auf dem Maisacker. Das heißt, immer mehr Kuhfutter wird durch Getreide oder Getreideersatzprodukte substituiert. Das ist ebenfalls ein Problem; denn wir wissen: Die wertvollste Milch wird auf Grünland erzeugt. Über die Omega-3-Fettsäuren können uns die Ernährungsphysiologen unter uns etwas erzählen.

(Abg. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Gibt es die noch?)

Milch ist nach wie vor ein hervorragendes Produkt, aber die Art der Erzeugung steht immer in Konkurrenz zum mensch lichen Konsum.

(Der Redner blättert in seinem Manuskript.)

Was haben wir noch?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Trinken Sie die Milch, bevor sie sauer wird!)

Entscheidend ist: Diese moderne Form von Milchbetrieben mit ihrer Art, Milch zu erzeugen, bringt das große Problem mit sich, dass sehr viele Betriebe darauf angewiesen sind, dass nicht nur eine Generation auf dem Hof ist, sondern ein „ge ländegängiger Opa“ dringend erforderlich ist und am besten

ein Junge dazu, der mit 14 schon begeistert auf dem Traktor sitzt, damit der Betrieb überhaupt rundläuft. Denn die Anfor derungen – 365 Tage, morgens und abends – sind für die Be triebe natürlich mit einer hohen Leistung verbunden, die kaum mehr so einfach aus einem Familienbetrieb, in dem nur eine Familie arbeitet, abzurufen ist.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Was ist mit Be triebswirtschaft? – Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende.

Ach so. Das Display im Red nerpult zeigt falsch an. Okay.

Es zeigt das Ende an.

Dann habe ich es falsch ver standen.

(Heiterkeit – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Trin ken Sie zwischendurch noch etwas!)

Ich möchte noch zwei Punkte ausführen, die mir sehr wichtig sind. Der eine ist, dass wir dem Entschließungsantrag der Fraktion der FDP/DVP natürlich gern zustimmen. Über die steuerliche Fortschreibung bei den landwirtschaftlichen Be trieben hat man schon lange diskutiert, und ich sage einmal so: Wenn die späte Einsicht hilft, dass wir in der Umsetzung des Themas endlich vorankommen – denn es ist sehr wichtig, dass die landwirtschaftlichen Betriebe in unserem Land einer ganz normalen GmbH gleichgestellt werden, dass steuerliche Gewinn- und Verlustvorträge möglich sind –, dann, denke ich, ist das eine richtige und zwingende Maßnahme.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Glocke des Präsidenten)

Deshalb haben Sie unsere volle Unterstützung, und ich muss sagen, Herr Goll: Wir sind nicht systematisch gegen Anträge der Opposition, sondern die besten Anträge nehmen wir selbst verständlich auf.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Herr Abgeordneter, jetzt müssen Sie aber allmählich zum Schluss kommen – trotz der Milch.

Ein Wort noch: Das Beste an der Milch ist, dass auch schwarze und rote Kühe immer wei ße Milch geben. Das tröstet uns Grüne, denn grüne Kühe ha ben wir einfach nicht.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Mehr trinken! So helfen Sie der Milchwirtschaft nicht! – Gegenruf des Abg. Martin Hahn GRÜNE: Mehr vertrage ich nicht!)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Bullinger.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP trinkt einen Schluck Milch aus dem für seinen Vorredner bereit gestellten Glas. – Zurufe)

Zunächst einmal: Ich habe kein Problem, aus einem Glas zu trinken, aus dem zuvor ein Kollege der Grünen getrunken hat. Das steigert die aktive Immunität des Körpers.

(Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktionen)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es sind sehr viele Zahlen und Fakten genannt worden. Ich möchte gleich vorweg sagen: Ich finde das gut, denn es zeigt, dass sowohl im Agrarausschuss als auch hier die Red ner die Problematik der Schwankungen auf dem Weltmarkt erkannt haben. Der Landwirt arbeitet eben nicht in der Werk statt, sondern unter freiem Himmel, und muss mit unterschied lichen Wetterlagen – jedes Jahr ist anders – leben. Ich sage Ih nen – das ist mir gerade eingefallen –: Man hätte diesen An trag natürlich auch im Ausschuss gemeinsam behandeln kön nen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Ein alter Antrag ist das!)

Was heißt „alt“? Dann hättet ihr es verbindlich in den Koa litionsvertrag in Berlin hineinschreiben müssen, Frau Kolle gin. Da steht nichts Verbindliches drin. Das nur nebenbei.

Deshalb bitte ich in dieser Gemeinsamkeit – dafür bedanke ich mich –, das Anliegen im Bundesrat einzubringen.

Meine Damen und Herren, immer wieder wird gesagt: Wie war es früher doch so schön und romantisch! Ich habe in den letzten vier Wochen drei Betriebe besucht, u. a. einen Betrieb mit 40 Kühen in Anbindehaltung. In einem solchen Betrieb habe ich selbst einmal als Lehrling gearbeitet. Das ist natür lich eine Tierhaltung, mit der man leben kann. Aber das, was man heute in der modernen Landwirtschaft hat, ist tiergerech ter, und das ist es, was wir, denke ich, auch wollen.

Ich habe zudem einen Betrieb besucht mit einem Jungland wirt, einem jungen Landwirtschaftsmeister, mit 120 Milchkü hen – keine Massentierhaltung –, und ich habe einen Betrieb mit 320 Milchkühen besucht, eine Kooperation von drei Land wirtschaftsmeistern. Einer ist Aktivist beim BDM und produ ziert natürlich auch über die Quote – macht also das Gegen teil dessen, was er eigentlich fordert. Das aber nur nebenbei. Ich möchte nur sagen: Wir haben diese Schwankungen in der Landwirtschaft. Deshalb ist es richtig, dies zu fordern.

Der Kollege Hahn sagte es gerade: 20 Jahre Milchquote. Wenn ich mich richtig erinnere, war ich 1984 junger bayerischer Be amter, als ich diese 16. und 18. Änderungsanforderung der Milch-Garantiemengen-Verordnung – –

(Zuruf des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

30 Jahre ist es her, lieber Kollege.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So alt ist er doch noch gar nicht!)

Trotzdem, es ist höchste Zeit, und wir wissen: Wir sind jetzt am Markt angekommen. Das heißt, wir haben diese Schwan kungen, und deshalb, denke ich, ist es auch wichtig, dies in der Politik entsprechend zu würdigen.

Über den Strukturwandel möchte ich nicht weiter diskutieren; er wurde bereits angesprochen. Den Strukturwandel gab es

natürlich auch in der Molkereiwirtschaft. Deshalb ist es wich tig, auch zu sehen, was es an Betrieben in der Molkereiwirt schaft gibt und wie man Milch verarbeitet und vermarktet.