Protokoll der Sitzung vom 20.07.2016

Bis heute jedenfalls hat sich das als außerordentlich erfolg reich erwiesen. Die Zahlen sind in sehr starkem Maß zurück gegangen. Deshalb könnte das auch ein Modell für Nordafri ka, für die Mittelmeerregion sein. Wir wissen nicht, wie sich die Zahlen der über das Mittelmeer Flüchtenden entwickeln. Wir werden ganz sicher Menschen, die in Booten über das Mittelmeer kommen, nicht ertrinken lassen können – aus ei ner christlichen Überzeugung oder, wenn Ihnen das nicht ge fällt, weil uns das internationale Seerecht dazu verpflichtet.

Wir sind aber nach Seerecht nicht verpflichtet, sie alle nach Europa zu bringen. Wenn wir sie zurück nach Afrika bringen, dann können wir sie nur an einen Ort bringen, wo es keine po

litische Verfolgung gibt und wo sie nicht an Leib und Leben bedroht sind. Dies wird man im Zweifel nur dadurch errei chen können, dass wir mit den entsprechenden Ländern und deren Regierungen zu solchen Abkommen kommen. Das ist sicher ein außerordentlich schwieriger Prozess, aber es ist kein aussichtsloser Prozess. Ich jedenfalls würde dafür plädieren, dass wir so etwas versuchen.

(Abg. Lars Patrick Berg AfD [fraktionslos]: Vielen Dank!)

Jetzt erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Fiechtner.

Sie haben ja be gründet, dass Artikel 16 a des Grundgesetzes eingehalten wer den würde angesichts der großen Zahl derer, die in die Bun desrepublik Deutschland gekommen sind.

Nun legt Artikel 16 a des Grundgesetzes ja fest, dass Men schen, die aus sicheren Drittländern kommen, einschließlich der Staaten der Europäischen Union und auch anderer Staa ten, die die Genfer Flüchtlingskonvention und ähnliche Re gularien unterschrieben haben, keinen Anspruch auf Asyl ha ben. § 18 des Asylverfahrensgesetzes, das sich dann ja auf die jenigen erstreckt, die nicht unbedingt asylberechtigt sind, son dern die als Flüchtlinge zu gelten haben, macht die gleiche Einschränkung. Wie bringen Sie das in Einklang mit der tat sächlich momentan gehandhabten Handlungsweise, dass dann Menschen eben trotzdem bundesdeutschen Boden betreten und sich hier dann aufhalten können?

Herr Abg. Dr. Fiechtner, es mag an mir liegen, aber ich habe Ihre Frage schlichtweg nicht verstanden.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Niemand hat sie ver standen!)

Sie haben ja ge sagt, die Genfer Flüchtlingskonvention würde für Sie die über ragende Rolle spielen.

(Zuruf: Nein!)

Nein, ich habe nicht gesagt, sie spielt für mich die überragende Rolle, sondern ich habe gesagt, in der An wendung des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland bekommen über 90 % der Flüchtlinge nicht nach Artikel 16 a des Grundgesetzes einen Asylgrund, sondern nach der Gen fer Flüchtlingskonvention.

Einen Aufent haltstitel.

Das ist nicht ein Wunsch oder eine Meinung von mir, sondern eine Realität.

Einen Aufent haltstitel nach der Genfer Flüchtlingskonvention, ist das rich tig?

Ja, einen Status als – –

Genau. Aber den bräuchten sie gar nicht; denn wenn wir die Regularien der Ge setze ernst nehmen, müssten diese Leute ja gar nicht auf bun desdeutschem Boden sein,

(Zuruf von der SPD: Wie?)

zumal die Genfer Flüchtlingskonvention ja für alle anderen Anrainerländer ebenfalls gilt.

Wo ist jetzt Ihre Frage?

Ich würde gern wissen, wie der Minister dann den Aufenthalt der Menschen hier auf bundesdeutschem Boden begründet.

(Zuruf von der SPD: Sie sollen die Frage stellen!)

Okay. Das war jetzt nicht wirk lich eine Frage.

Sie halten Schen gen ja nicht ein; das Schengen-Abkommen wird hier nicht ein gehalten.

Herr Abg. Dr. Fiechtner, wir sind in der Regierungsbefragung.

Gut.

Da geht es darum, dass Sie kurze Fragen stellen, damit die Regierung auch antworten kann.

Wie sorgen Sie dafür, dass – –

Moment! Jetzt rede ich, bitte. Warten Sie, bis Sie dran sind.

Entschuldigung.

Sie haben keine Frage gestellt, sondern trotz mehrfacher Nachfrage Feststellungen gemacht. Haben Sie jetzt eine Frage? Dann stellen Sie sie konkret. An sonsten bitte ich Sie, sich hinzusetzen.

Wie sorgen Sie dafür, dass das Schengen-Abkommen hier eingehalten wird?

(Zurufe: Schengen?)

Herr Abg. Dr. Fiechtner, ich kann beim allerbes ten Willen zwischen der Debatte, die wir soeben geführt ha ben, und Schengen den Zusammenhang nicht erkennen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Schengen spielt bei der Genfer Flüchtlingskonvention keine Rolle! – Abg. Sascha Binder SPD: Vielleicht ging es um Dub lin!)

Aber ich bin gern bereit, bei anderer Gelegenheit und wenn Sie mir den Hintergrund Ihrer Frage nahebringen, auch diese zu beantworten.

Vielen Dank.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Er soll sie mal aufschrei ben! – Minister Thomas Strobl geht in Richtung Re gierungsbank.)

Herr Minister, entschuldigen Sie bitte. Herr Minister, die Beantwortung dieser Frage war zwar zu Ende, aber ich habe noch eine Wortmeldung. Wir sind noch in der Zeit.

(Minister Thomas Strobl: Selbstverständlich! Ich bit te um Entschuldigung!)

Nein, es ist alles gut. Wir sind noch in der Zeit, und deshalb lasse ich die Frage noch zu, und zwar von Herrn Abg. Dr. Ge deon. – Bitte.

Herr Minister Strobl, selbst wenn die Maghreb-Staaten jetzt als sichere Her kunftsstaaten anerkannt werden, wenn noch 20 weitere Staa ten als sicher anerkannt werden, gibt es genügend – Millio nen, Hunderte Millionen – Menschen, die potenziell als Flüchtlinge infrage kommen. Haben Sie sich von Regierungs seite denn etwas ausgedacht, wie Sie auf diese Herausforde rung reagieren? Da reichen die bisherigen Maßnahmen sicher lich nicht aus.

Sie haben das Seerecht angedeutet. Gibt es z. B. Initiativen über den Bundesrat oder anderweitig vonseiten der Bundes republik aus, dass man das Seerecht in diesem Sinn ändert, dass man die Flüchtlinge zurück an die Orte bringen kann, von denen aus sie gestartet sind? Oder gibt es irgendwelche weiteren Ansätze, Denkansätze, Vorstellungen?

Herr Abg. Dr. Gedeon, das internationale See recht würde uns nicht daran hindern, im Mittelmeer aufge brachte Flüchtlinge wieder nach Nordafrika zurückzubringen. Wir können sie allerdings dorthin nur zurückbringen, wenn wir sie an einen – in Anführungszeichen – „sicheren Ort“ brin gen, wo sie nicht an Leib und Leben bedroht sind und wo sie nicht politisch verfolgt sind. Deswegen müssen wir – ich sa ge es einmal umgangssprachlich – solche Orte dort schaffen. Das werden wir nur hinbekommen, wenn wir mit den entspre chenden Ländern entsprechende Abkommen schließen.

Im Übrigen teile ich Ihre Auffassung nicht, dass Maßnahmen wie die Ausweisung sicherer Herkunftsstaaten ohne Wirkung sind. Ich wiederhole es gern: Über einen Zeitraum von andert halb, zwei Jahren waren die meisten aller Asylbewerber, die nach Deutschland kamen, solche, die vom Westbalkan kamen. Das war die größte Gruppe. Mit Inkrafttreten des Gesetzes, den gesamten Westbalkan zu einer sicheren Herkunftsregion zu machen, sind ab September, Oktober 2015 die Zahlen auf nahe null zurückgegangen.

Vor diesem Hintergrund so leichter Hand zu sagen, das sei doch ein Instrument, das überhaupt nichts nütze, finde ich, ehrlich gesagt, angesichts der ja gar nicht zu bestreitenden zahlenmäßigen Entwicklung eine gewagte These, der ich hef tig widerspreche. Deswegen wäre es im Übrigen auch wich tig, in der nächsten Bundesratssitzung zu einer Mehrheit da für zu kommen – an Baden-Württemberg liegt es nicht –, die in Rede stehenden drei nordafrikanischen Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, um sicherzustellen, dass sich die Zahlen der Ankömmlinge von dort nicht nach oben ent wickeln.

Vielen Dank, Herr Minister. – Damit sind alle Fragen beantwortet. Die Zeit für die Regie rungsbefragung ist auch abgelaufen.

Punkt 3 der Tagesordnung ist erledigt.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Änderung des Bildungszeitgeset zes Baden-Württemberg (BzG BW) – Drucksache 16/54

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau – Drucksache 16/226