Protokoll der Sitzung vom 20.07.2016

Das haben wir auch in unserem Wahlprogramm gefordert. Sie machen das ansatzweise; aber es ist nicht genug. Die korrek te Beherrschung der deutschen Sprache muss ein Unterrichts ziel an allen Schulen sein. Für Schüler mit Migrationshinter grund fordern wir dort, wo nötig – das gilt für die meisten –, intensivsten Förderunterricht. Wir müssen das nicht nur för dern. Wir müssen das auch fordern – ja, als Voraussetzung für eine Bleibeberechtigung sogar ultimativ verlangen. Andern falls werden wir dieses Problems nie und nimmer Herr.

Der Attentäter von Nizza scheint nach allem, was wir bis heu te über ihn wissen können, ein Paradebeispiel für eine geschei terte Existenz, für eine nie gelungene Integration in die Wer te und Normen der französischen Gesellschaft zu sein, obwohl er sein ganzes Leben dort verbracht hat.

Natürlich werden nicht alle, bei denen Integration nie gelun gen ist, gleich zu Mördern und Terroristen. Aber man ver schließe doch bitte nicht die Augen davor, dass damit die Wahrscheinlichkeit, zu Gewalttätern zu mutieren, massiv steigt.

Deshalb müssen wir hier in Baden-Württemberg aus diesen Erkenntnissen die gleichen Schlüsse ziehen wie im Grunde alle anderen auch. Wir müssen die Zuwanderung in unser Bundesland strikt auf eine Zahl reduzieren, die eine gelingen de Integration möglich erscheinen lässt. Wir müssen unsere Priorität auf Zuwanderer setzen, die integrationswillig und -fähig sind, und wir müssen uns von solchen Zuwanderern, die die geforderte Integration verweigern, schnellstmöglich wieder trennen. Nur wenn wir das entschlossen tun, kann do sierte Zuwanderung eine Bereicherung für unsere Gesellschaft sein.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Beherzigen wir das nicht, endet das mit Gewissheit in einer Katastrophe auch für unser Gemeinwesen. Lassen Sie uns das gemeinsam verhindern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Lucha.

(Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos] begibt sich zum Redepult.)

Herr Abg. Dr. Gedeon, setzen Sie sich bitte. Sie haben sich jetzt nicht gemeldet.

(Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos]: Ich hatte mich schon am Anfang gemeldet!)

Setzen Sie sich bitte. Jetzt redet der Herr Minister, und da nach können Sie gern zwei Minuten reden. Die Regierung kann jederzeit das Wort ergreifen, wenn sie sich meldet.

Bitte, Herr Minister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Auch von meiner Seite – ich glaube, das kann ich auch für das gesamte Kabinett sagen – herzlichen Dank für die klugen, einfühlsamen Worte, die ge nau das Richtige ausdrücken, was uns alle bewegt, wenn wir fassungslos sind, trauern und darüber nachdenken, wie das ge schehen konnte. Aber unsere Aufgabe ist ja, uns die Frage zu stellen: Was leisten wir seitens der Politik, damit so etwas nicht mehr geschieht, und was können wir hier im Land Ba den-Württemberg tun, damit die Menschen, die hier leben, gut leben können?

(Beifall des Abg. Klaus-Günther Voigtmann [frak tionslos])

Denn nur mit gerechter Politik, die alle Teile der Bevölkerung im Blick hat, sichern wir gesellschaftliche Stabilität und in nere Sicherheit.

Baden-Württemberg ist ein starkes Land, weil es eine starke Wirtschaft hat, weil wir Vorreiter im ökologischen Handeln sind und weil für uns Solidarität kein Fremdwort ist. Dieses Dreieck aus starker Ökonomie, Ökologie und Solidarität hat auch zu dieser Weltoffenheit geführt, dazu, dass Baden-Würt temberg weltweit wirtschaftlich eines der aktivsten und er folgreichsten Länder ist und Menschen gern zu uns kommen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Es ist unsere Aufgabe, den Menschen, die zu uns kommen, und den Bürgern, die bereits hier sind, zu zeigen, dass wir die ses Dreieck stabil halten. Wir werden den Menschen, die jetzt zu uns geflüchtet sind, Solidarität entgegenbringen und sie in tegrieren, damit sie später zu unserem gemeinsamen Wohl stand beitragen.

(Beifall der Abg. Andrea Bogner-Unden GRÜNE – Zuruf: Wir integrieren!)

Denn Integration heißt, Menschen Teilhabechancen in allen Lebensbereichen zu ermöglichen – unabhängig von ethnischer und sozialer Herkunft. Integration heißt Teilhabe am gesell schaftlichen Leben, Teilhabe an Bildung und Arbeit, Teilha be am Wohlstand. Denn Teilhabe fördert gesellschaftlichen Frieden und Zusammenhalt, und Ausgrenzung gefährdet bei des.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Wir sind aber nicht blind. Natürlich gibt es Probleme, wie die Radikalisierung des jungen Mannes kürzlich in Würzburg zeigt. Attacken, wie sie in Nizza erfolgten, und Gewaltexzes se, wie sie in Istanbul oder Paris stattgefunden haben, besor gen uns natürlich, lassen uns auch über die Ursachen von Ge walt nachdenken. Es geht darum: Wie können wir Ursachen von Gewalt im Kleinteiligen wie im Großen tatsächlich ver hindern?

Diese Vorgänge lösen natürlich auch Ängste aus. Wir wissen nicht nur aus der Filmliteratur: „Angst essen Seele auf“. Die se Ängste ernst zu nehmen und eine Politik mit dem Ziel zu machen, dass sie nicht nötig sind, das ist unsere Aufgabe.

Aber diese Ängste werden mit Pauschal- und Globalvorurtei len von politischen Gruppierungen geschürt, z. B. von der, die die heutige Aktuelle Debatte beantragt hat. Sie haben eine Mitverantwortung für Unsicherheit, für Angst

(Abg. Daniel Rottmann [fraktionslos]: Was?)

und für erzeugten Hass gegen Fremde und andere.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der Abg. Nicole Razavi CDU)

Denn durch Ihre auch in der jetzigen Debatte wieder formu lierte Kategorisierung und Generalisierung in „d i e Flücht linge“, „d e r Islam“, „d i e Muslime“ und deren Ab lehnung, die Sie hier ganz deutlich zum Ausdruck gebracht haben, schüren Sie Diskriminierung und Gewalt gegenüber den und dem scheinbar Fremden in diesem Land.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Daniel Rottmann [fraktionslos]: Wen meinen Sie?)

Sie sind die Spalter dieser Gesellschaft; Sie spalten ja sogar sich selbst. Eines haben Sie gezeigt: Menschen wie Sie kön nen diese Gesellschaft nicht zusammenhalten.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Daniel Rottmann [fraktionslos]: Alle!)

Teilhabe ist die Voraussetzung für das Gelingen von Integra tion. Der Ausschluss ist ein Hindernis dafür. Wir, die grünschwarze Regierung – Kollege Lasotta hat den Koalitionsver trag angesprochen – –

(Zurufe, u. a. Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Welchen?)

Ihr seid ja lustig.

(Heiterkeit)

Im Übrigen darf ich sagen: Oft haben wir in den letzten fünf Jahren gemeinsam – auch damals Regierung und Opposition; ich schließe ausdrücklich die Kolleginnen und Kollegen der Vorgängerregierung ein – an diesen Punkten gearbeitet. Das ist ein mehrjähriger Prozess. Herr Lasotta, Sie waren viele Jahre als fachpolitischer Sprecher sehr aktiv auch mit den Kol leginnen und Kollegen der anderen Fraktionen daran betei ligt. Wir, die Regierung, steuern der Kategorisierung und dem Vorurteil entgegen, indem wir z. B. den Wind der enormen Hilfsbereitschaft der Bevölkerung für die Flüchtlinge nutzen, indem wir zwischen Flüchtlingen und Einheimischen Kontak te auf Augenhöhe fördern und Begegnungen initiieren.

Wir tun dies gegen Rechtspopulisten und „Pegida“, die frem denfeindliche Gewalt fördern, indem sie z. B. Flüchtlinge als Bedrohung bezeichnen, indem sie negative Emotionen schü ren und die Konflikte um Ressourcen betonen. Wir informie ren objektiv.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD und fraktionslo sen Abgeordneten – Abg. Stefan Herre [fraktionslos]: Das glauben Sie selbst nicht!)

Wir geben den Flüchtlingen in den Kommunen durch die Or ganisation von Dialogen ein Forum. Wir reduzieren mit dem Flüchtlingsaufnahmegesetz und der Begünstigung schneller Verfahren den langen Aufenthalt in großen Gemeinschaftsun terkünften. Wir werden mit dem Pakt mit den Kommunen so wie unserer Wohnungsbauförderung die Integration fördern, und wir steigern die interkulturelle Kompetenz der Verwal tung. Wir installieren Flüchtlings- und Integrationsbeauftrag te sowie Streetworker, und – jawohl, lieber Kollege Lasotta – wir haben von Baden-Württemberg aus das Integrationsge setz mitgestaltet, haben wichtige Punkte im Zugang zum Ar beitsmarkt für junge Menschen deutlich mitbilden können, weil wir uns dieser Aufgabe bewusst sind.

Aber wir sind nicht naiv. Wir fordern von den Flüchtlingen die Akzeptanz der deutschen Gesetze und unserer Werte, und wir sanktionieren Übertretungen. Aber wir fördern Migran tinnen und Migranten bei der Bildung. Wir beziehen sie in Po lizei, Feuerwehr und Vereine ein. Wir wollen keine Assimila tion, sondern versetzen sie mit unserer Politik der gesellschaft lichen Stabilität in die Lage, gemeinsam neue Kulturstandards zu entwickeln. Wir bieten klare Lösungen an und keine Angst. Wir bieten Hilfe an bei Spracherwerb, Bildung und Arbeit und sind gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und Hass.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Wir machen mit unserer Haushaltspolitik klar, dass die Auf nahme von Menschen in Not nicht mit Einschränkungen für andere verbunden ist. Im Gegenteil: Wir wissen, dass uns vor allem auch die jungen Menschen, die zu uns kommen, hin sichtlich der Rentenstabilität, bei der Beseitigung des Arbeits kräfte- und Fachkräftemangels sowie der Aufrechterhaltung der dörflichen Infrastruktur helfen können und helfen werden.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Daniel Rott mann [fraktionslos])

Die Spaltung von rechts schadet unserem Land. Wenn z. B. der „Meuthen-Freund“ Gauland die Flüchtlingskrise als Ge schenk ansieht, weil diese einen Keil in die Gesellschaft trei

ben könnte, dann wissen wir, wes Geistes Kind solche Men schen sind.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Hein rich Fiechtner [fraktionslos]: Das ist ja Verleumdung, was Sie machen!)

Wer Hass sät, wer Sündenböcke sucht, wer verbale Aggressi on auslebt und Aggression toleriert,

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das tun Sie gerade! Das tun Sie gerade!)

wer Gewalt kleinredet und wer spaltet und ausgrenzt, der er zeugt Gegenaggression und Gegengewalt. Seit Wochen schon sind wir an diesem Platz Zeugen Ihrer unterirdischen, meines Erachtens häufig strafbewehrten Zwischenrufe, die vollstän dig frei von Respekt und Akzeptanz dem Hohen Haus gegen über sind.