Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜ NE, der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Änderung des Unter suchungsausschussgesetzes – Drucksache 16/275
Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben sich darauf verständigt, in der Zweiten Beratung keine Aussprache zu füh ren.
Wir kommen daher gleich zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 16/275. Abstimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses, Drucksache 16/297. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, dem Ge setzentwurf zuzustimmen.
Wer Artikel 1 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist Artikel 1 bei ei ner Enthaltung mehrheitlich zugestimmt.
Wer Artikel 2 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Auch Artikel 2 ist bei einer Enthaltung mehrheitlich zugestimmt.
lautet: „Gesetz zur Änderung des Untersuchungsausschuss gesetzes“. – Sie stimmen der Überschrift zu.
Wer dem Gesetz im Ganzen zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dem Gesetz ist bei einer Enthaltung mehrheitlich zugestimmt.
der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP – Einsetzung und Auftrag des Untersuchungsausschus ses „Das Unterstützerumfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Baden-Württemberg und Fort setzung der Aufarbeitung des Terroranschlags auf die Polizeibeamten M. K. und M. A. (Rechtsterrorismus/ NSU BW II)“ – Drucksache 16/311
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion und fünf Minuten für den Zusammenschluss frakti onsloser Abgeordneter. Die antragstellenden Fraktionen sind übereingekommen, die Begründung des Antrags in ihre Aus führungen zu integrieren.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bereits im Oktober des vergange nen Jahres, also noch während der 15. Legislaturperiode, wa ren die Mitglieder des Untersuchungsausschusses „NSU“ der festen Überzeugung, dass es notwendig und richtig ist, einen zweiten Untersuchungsausschuss einzusetzen. Der damalige Vorsitzende, Wolfgang Drexler, hatte auch unter dem Datum 3. März 2016, also noch während der 15. Legislaturperiode, einen Vorschlag für den heute einzubringenden Antrag ge macht. Auf dieser Basis haben die vier Fraktionen ihren An trag mit erstellt. Der Auftrag, der uns für den neuen Landtag mit erteilt worden ist, ist somit schon eingelöst.
Nun gibt es eine Besonderheit. Der Vorsitz fällt der Fraktion GRÜNE zu. Das ist wohl ein Novum in der Konstellation, dass nunmehr ein Wahlvorschlag der Fraktion GRÜNE dahin ergeht, dass Wolfgang Drexler, der den damaligen Untersu chungsausschuss geleitet hat, diesen weiter führt. Das ist mit Kompetenz und Kontinuität mehr als gerechtfertigt. Ich den ke, ich spreche für die vier Fraktionen der Antragsteller.
Im Gegenzug – so kann man es dann auch wieder sehen – wird die SPD Petra Häffner als stellvertretende Vorsitzende vor schlagen können.
In diesen Bereichen geht es also durchaus, dass man sich auch zwischen Fraktionen verständigen kann.
Zurück: Es geht um die rechtsextrem motivierte Mordserie, die das ganze Land erschüttert hat, ja verunsichert hat. Die Si cherheitsbehörden gingen zunächst davon aus, dass kein rechtsextremistischer Hintergrund vorgelegen hätte, Stichwort „Döner-Morde“. Faktisch wurden damals Tätergruppen ge bildet. Wir sind es den Opfern und auch den Angehörigen schuldig, hier weiter umfassend aufzuklären, soweit es mög lich ist.
Rechtspopulismus ist in erschreckender Weise aktueller denn je, und die Antragsteller nehmen gemeinsam das Ziel auf, mit Nachdruck gegen die Verunsicherung in der Gesellschaft, ge gen Angst, aber auch gegen Verschwörungstheorien zu wir ken. Wir sehen uns in der Pflicht zur umfassenden Aufklärung und insbesondere zur Aufarbeitung des damaligen Versagens der Sicherheitsbehörden, die rechtsextremen Straftaten zu er kennen. Aber haben nicht auch wir als Gesellschaft versagt? Wir waren damals nicht aufmerksam genug, wir haben die Stimmung in der Gesellschaft nicht richtig erkannt, lange ba gatellisiert, weggeschaut. So konnten aus Einzelpersonen Gruppierungen werden.
Das spätere NSU-Trio hat sich bei gewalttätigen Aktionen ge gen Asylsuchende gefunden und war zu entsetzlichen Gewalt taten bereit. Das damalige Klima – ich darf als Stichworte nochmals Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen nennen – ist mit dem heutigen durchaus vergleichbar. Damals wie heu te brannten und brennen Asylbewerberheime. Der Hass auf alles Fremde war mit das einigende Band des NSU und der Unterstützerszene. Der Verfassungsschutzbericht von BadenWürttemberg legt in erschreckender Weise den Anstieg der Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten von 23 im Jahr 2014 auf 71 im Jahr 2015, also auf das Dreifache, dar. Allein in Baden-Württemberg werden über 800 gewaltorien tierte Rechtsextremisten dokumentiert.
Eine ganz zentrale Bedeutung unserer Arbeit im Ausschuss muss die Bearbeitung der folgenden Fragen sein: Welche Leh
ren können wir aus diesen schrecklichen Vorgängen für die Zukunft ziehen? Wie bringen wir wieder gemeinsam unsere Werte in die Mitte der Gesellschaft? Wie können wir radika les Gedankengut, das die Gesellschaft vergiftet, bekämpfen?
Die Untersuchungsausschussarbeit findet ihre Fortsetzung, da wichtige Fragen im vorherigen Ausschuss aus Zeitgründen nicht mehr geklärt und abgearbeitet werden konnten. Auch neue Gesichtspunkte sind mit zu berücksichtigen. Erst kürz lich wurden ein Handy und SIM-Karten des verstorbenen V-Manns „Corelli“ im Bundesamt für Verfassungsschutz ge funden. Hier gilt es noch zu untersuchen, ob für Baden-Würt temberg neue Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Un tersucht werden soll auch, ob der Gründer der Klan-Gruppe EWK KKK in Baden-Württemberg Kontakte zum V-Mann „Primus“ des Bundesamts für Verfassungsschutz hatte.
Diese Vorgänge zeigen deutlich auf, dass selbst nach langer Zeit noch Spuren und wichtige Hinweise entdeckt werden. Aber wir werden uns auch mit den Fragen beschäftigen: Hat ten die Täter insbesondere in Heilbronn Helfer? Hatte der NSU Unterstützer in Baden-Württemberg? Welche Rolle spielte der Verfassungsschutz insgesamt?
Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass dieses Thema kei ne Parteipolitik verträgt. Bei den unterschiedlichen politischen Positionen, die man haben kann – beispielsweise zum Einsatz von V-Leuten –, war sich der letzte Ausschuss – und ich hof fe, das ist auch hier wieder der Fall – einig, die gesamte Kon zentration und Leistung in die Aufklärung und insbesondere in die Aufarbeitung des damaligen Versagens der Sicherheits behörden zu legen.
Der Fokus liegt in der Zielsetzung mit den Schwerpunkten „Verbesserung der Zusammenarbeit und Struktur der Justiz- und Sicherheitsbehörden“, „Transparenz des Verfassungs schutzes“ und insbesondere „Zusammenarbeit mit anderen Untersuchungsausschüssen in Bund und Ländern“. In der Fortsetzung dessen gilt es, das politische Signal zu setzen, dass Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in unse rem Land keinen Platz haben und das Vertrauen der Bürgerin nen und Bürger in den Staat, die Polizeiarbeit und den Verfas sungsschutz wieder gefestigt wird. Das sind wir den Opfern und den Angehörigen des NSU-Terrors schuldig.
(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP sowie des Abg. Dr. Heinrich Kuhn [frak tionslos])
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag be schließt heute über die Einsetzung eines zweiten NSU-Unter suchungsausschusses mit dem Ziel der weiter gehenden par lamentarischen Aufklärung des NSU-Terrors mit Bezug zu Baden-Württemberg.
Als die Polizei im Jahr 2011 in Eisenach in einem brennen den Wohnwagen die beiden Leichen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos entdeckte, konnte niemand ahnen, dass dies das Ende der größten rechtsextremistischen Mordserie in der Bun desrepublik gewesen ist.