Ich werde in der zweiten Runde noch auf die Details einge hen. Eine Maßnahme ist mir aber besonders wichtig: Wir wer den Gespräche mit den Israelitischen Religionsgemeinschaf ten in Baden und in Württemberg sowie den Landespolizei behörden führen, um eine mögliche Ergänzung des Staatsver
trags um Sicherheitsaufgaben zu beraten. Hierzu gehören ins besondere bauliche Sicherheitsmaßnahmen. Die erforderli chen Mittel werden wir im Haushalt zur Verfügung stellen.
Der Anschlag in Halle rüttelt uns wach. Die Menschen in der Synagoge hatten Glück. Wir wollen und dürfen es in diesem Land aber nicht dem Glück überlassen, ob Jüdinnen und Ju den sicher sind, ob Antisemitismus existiert oder nicht. Nein, wir werden alles tun, um dies zu verhindern. Die Rolle des Antisemitismusbeauftragten hat sich als unverzichtbar erwie sen. Das hat er mit seinem Bericht hervorragend ausgeführt.
(Abg. Anton Baron AfD: Sie müssen aber schon Zwi schenfragen zulassen, Frau Präsidentin! Das geht so nicht!)
Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor gut anderthalb Jahren haben wir hier im Parlament den Beauftragten der Landesre gierung gegen Antisemitismus neu eingesetzt. Heute debat tieren wir zu seinem ersten Bericht – leider unter bedrücken den Vorzeichen.
Die Sorge, dass der Antisemitismus erneut unter uns sein Haupt hebt, hat uns gerade bei der Einsetzung des Antisemi tismusbeauftragten geleitet. Diese Sorge ist in Halle einmal mehr schreckliche Wirklichkeit geworden – mitten in einer deutschen Stadt, am helllichten Tag, am Jom-Kippur-Fest. Wir denken mit Anteilnahme und Mitgefühl an die Menschen, die der Täter in menschenverachtender Willkür zu Opfern seiner Tat gemacht hat.
Das Attentat von Halle war ein kaltblütiger Anschlag auf das jüdische Leben in Deutschland, es war ein Terrorakt, und es war damit auch eine gezielte Attacke auf unsere Republik, auf unsere Werte, auf unser Grundgesetz, auf unsere demokrati sche Identität und auf unser friedliches Miteinander in unse rer Gesellschaft.
Dass sich Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland im mer noch oder immer wieder bedroht fühlen müssen, ist na türlich unerträglich, und es fordert uns alle heraus. Der Kampf gegen den Antisemitismus in all seinen offenen sowie auch in seinen versteckten Formen bleibt eine schmerzliche Notwen digkeit, ist aber auch ein dringendes Gebot historischer Ver antwortung und schierer Menschlichkeit.
Besondere Sorgen macht uns natürlich, wie der Täter seine Tat begangen hat. Ich sehe es wie der Kollege Schwarz: Man möge sich nicht vorstellen, was geschehen wäre, wenn diese Verbarrikadierung nicht gelungen wäre.
Die Gewalt und ihre Ideologie wurden – wie übrigens schon bei dem Anschlag in Neuseeland – bewusst inszeniert und per Livestream in der ganzen Welt geteilt. Dieser Terror trumpft auf, ja, er will gesehen werden. Er richtet sich an eine inter national aktive und global vernetzte Szene, und die Attentä ter fühlen sich in dieser Netzgemeinschaft stark, ermutigt, er mächtigt. Das ist alarmierend.
Wir müssen dem entgegentreten, mit aller Klarheit, mit aller Kraft, mit aller Konsequenz. Wir dürfen der Frechheit dieser Tat keinen Raum lassen – niemals!
Ich will hier hinzufügen: Ich meine, auch in einem anderen Bereich müssen vorhandene Befugnisse des Verfassungsschut zes endlich in die digitale Welt übertragen werden. Daten schutz darf nicht zum Täterschutz werden. Polizei und Ver fassungsschutz dürfen Extremisten im digitalen Raum nicht hinterherhinken. Auch das ist eine Aufforderung an uns als Gesetzgeber.
Denn Hass und Hetze im digitalen Raum tragen wesentlich zur Radikalisierung bei, oft im Schutz der Anonymität.
und Deutschland hat dabei eine besondere Verantwortung. Wir wollen sie in diesem Land und in dieser Gesellschaft haben, wir sind dankbar für ihren Beitrag zu unserer gemeinsamen Kultur, wir wollen, dass sich jüdisches Leben in Baden-Würt temberg selbstbewusst und sichtbar entfalten kann,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der Grünen, der SPD und der FDP/DVP sowie des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])
Ich danke ebenfalls dem Antisemitismusbeauftragten Dr. Blu me für seine wichtige Arbeit, für seinen wichtigen Bericht, für seine Empfehlungen. Denn der Bericht schafft Aufklärung, er benennt Tatsachen und Wahrheiten, und er gibt auch wertvol len Rat, wie wir den Kampf gegen den Antisemitismus erfolg reich führen können.
Wir bekräftigen heute, auch in dieser Debatte: Baden-Würt temberg sagt Nein zum Antisemitismus. Dazu bekennen wir uns. Das ist mehr denn je, gerade aktuell, unsere Aufgabe.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Da men und Herren, sehr geehrte Gäste! Zunächst einmal möch te ich der Öffentlichkeit das tiefe Mitgefühl von uns, der AfDFraktion, für die Angehörigen der zu Tode gekommenen Op fer in Halle mitteilen.
Ich danke auch Herrn Blume für den eigentlichen Anlass des heutigen Tages, den Antisemitismusbericht, den er sehr aus führlich und sehr akribisch erstellt hat und der auch sehr kenntnisreich ist.
Dann komme ich aber auch schon zur Kritik am Parlament. Der Bericht war ursprünglich auf den späten Nachmittag, mor gen um 15:30 Uhr, anberaumt – eine Zeit, die in der Öffent lichkeit eigentlich gar keine große Aufmerksamkeit genießt. Wir bedauern zutiefst, dass die Landesregierung ursprünglich unwillig war, diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schen ken
und das Problem hier im Plenum unter Tagesordnungspunkt 1 zu behandeln, was der Wichtigkeit des Themas gerecht ge worden wäre.
Sie haben mit der ursprünglichen Tagesordnung bewiesen, dass dieses Thema in Ihrer Prioritätenliste nicht ganz hoch an gesiedelt ist, meine Damen und Herren.
Nach dem schrecklichen Mordanschlag in Halle sind Sie sehr schnell zu der Erkenntnis gelangt, aus diesem Ereignis poli tisch Kapital schlagen zu können. Ohne fundiertes Hinter grundwissen über den Täter und seine Motivation haben Sie sich nicht gescheut, diesen Gewaltakt zu instrumentalisieren.
Das ist sehr, sehr bedenklich, meine Damen und Herren. Sie sollten zugeben, dass Sie der Antisemitismus in unserem Bun desland eher weniger interessiert,
Was Sie allerdings sehr wohl interessiert – Herr Schwarz, das haben Sie ja zum Besten gegeben –, ist der unbequeme poli tische Konkurrent: die AfD, die in Sachsen und Brandenburg bereits starke Wahlergebnisse erzielt hat und in Thüringen vor einem weiteren erfolgreichen Wahlergebnis steht.
Ist diese vorgezogene Debatte ein Zufall? Nein, sie ist kein Zufall. Dies ist ein sehr gut durchdachtes politisches Manö ver der Landesregierung, um uns, den politischen Rivalen, zu schädigen.
Die Zahlen, die aus dem Bericht des Beauftragten hervorge hen, sprechen allerdings eine andere Sprache, meine Damen und Herren. Bereits im Jahr 2002 und vor allem im Jahr 2008 hatten wir es in Deutschland und speziell auch in Baden-Würt temberg mit den höchsten Prozentwerten zu tun, was den An tisemitismus betrifft. Sie, meine Damen und Herren, werden an keiner Stelle, aber wirklich an keiner Stelle einer Statistik oder eines Diagramms der letzten zehn Jahre Veränderungen erkennen, die mit der Gründung der AfD in Verbindung ge bracht werden könnten.