Wolfgang Reinhart
Sitzungen
16/1
16/5
16/6
16/7
16/9
16/10
16/14
16/15
16/16
16/17
16/19
16/22
16/23
16/26
16/27
16/28
16/29
16/33
16/36
16/37
16/38
16/39
16/41
16/42
16/43
16/47
16/48
16/53
16/54
16/56
16/57
16/58
16/61
16/62
16/67
16/69
16/73
16/74
16/75
16/76
16/79
16/81
16/82
16/86
16/88
16/90
16/92
16/95
16/100
16/103
16/105
16/110
16/111
16/113
16/115
16/116
16/117
16/118
16/120
16/121
16/122
16/125
16/127
16/129
16/130
16/134
16/136
16/138
Letzte Beiträge
Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Die erste Frage in dieser Ak tuellen Debatte ist vor allem: Wie glaubwürdig ist diese Ko alition? Diese Frage kann man vorab mit einem Satz beant worten:
sehr erfolgreich und sehr glaubwürdig.
Er hat es erkannt.
Ein Kollege aus unserer Fraktion hat in dieser Woche zu die sem Fall die Bibel zitiert:
Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.
Der Umweltminister ist mit fast 180 km/h auf der Autobahn geblitzt worden. Das ist eine menschliche Verfehlung. So et was passiert. Alle machen einmal einen Fehler, wie dies mein Vorredner bereits betont hat. Ich weiß: Franz Untersteller nimmt sich diesen Fehler selbst sehr zu Herzen. Er hat sich für sein privates Vergehen entschuldigt. Er wird in wenigen Wochen seine politische Laufbahn hier in diesem Parlament beenden. Deshalb: Beurteilen wir sein politisches Lebenswerk also nicht zu kleinlich nur nach diesem Stolperer auf den letz ten Metern. Gewähren wir ihm einen ehrenvollen Zieleinlauf, und lassen wir Milde walten.
Herr Kollege Stoch, wir haben in einer Woche Weihnach ten. Das ist das Fest des Friedens.
Ich unterstelle dem Kollegen Untersteller, dass er aus Verant wortung ein Elektromodell fährt. Dem Tempo nach fährt er vielleicht einen Porsche Taycan; bestimmt hat er die enormen Beschleunigungskräfte einfach unterschätzt.
Jetzt möchte ich schon ernsthaft sagen, verehrte Kolleginnen und Kollegen:
Wir sollten jetzt gerade in diesem Hohen Haus die Kirche im Dorf lassen. Um die Rechtsfolgen kümmern sich die Behör den. Da habe ich volles Vertrauen in den Rechtsstaat. Vor dem Gesetz sind alle gleich. Da gibt es keine Privilegien.
Ich füge hinzu: Es darf auch keinen Ministermalus geben. Das muss auch klar sein. Das ist mein Verständnis von einem Rechtsstaat.
Welche Glaubwürdigkeitsfragen das aufwirft, wird der Um weltminister mit sich selbst und auch mit seiner Partei ausma chen. Er wird nachher dazu Stellung nehmen. Ich bin durch aus davon überzeugt: Dieses Land und die Menschen haben in diesen Zeiten andere Sorgen, als sich mit dem Bleifuß ei nes Umweltministers zu befassen.
Insofern ist dessen Verlegenheit auch ganz sicher kein Thema und kein Problem dieser ganzen Koalition. Sie taugt schon gar nicht zur Bewertung unserer Arbeit.
Deshalb bin ich dem Kollegen Rülke natürlich dankbar, dass er mir vor Weihnachten die Gelegenheit gibt, die Erfolgsbi lanz dieser Koalition in wenigen Worten vorzutragen. Danke schön.
Ich kann Ihnen sagen: Diese Koalition arbeitet hoch verläss lich und hoch erfolgreich.
Gerade in der Krise haben wir zum Wohl des Landes gut und – ich füge hinzu – vertrauensvoll zusammengewirkt. Deshalb ist diese Debatte sehr wohl eine Gelegenheit zu einer positi ven Bilanz. Der Ministerpräsident hat es am Montag zu Recht betont: Uns eint die Verantwortung in dieser schwierigen Zeit.
Seien Sie ganz beruhigt: Ich stehe mit dem Ministerpräsiden ten und mit dem Kollegen Schwarz hier im besten Einverneh men; auch die Regierungsfraktionen lösen in dieser schwieri gen Zeit Probleme. Sie werden uns damit auch nicht von un serer wichtigen Arbeit – wir leisten sie im Dienst dieses Lan des – abbringen können. Wir, CDU und Grüne, stehen gemein sam für eine Politik der Mitte, für eine Politik der Ernsthaf tigkeit, für eine Politik der Vernunft, und das über Lagergren zen hinweg. Das ist das Besondere in dieser schwierigen Zeit – auch dieser Koalition. Wir haben eine erstklassige Erfolgs bilanz aufzuweisen.
Wir haben in der Bildungspolitik die lähmende Strukturdebat te früherer Jahre hinter uns gelassen. Wir haben die ideologi schen Experimente,
auch der Ära Warminski-Leitheußer – Ihre Vorgängerin in Ih rem früheren Amt als Kultusminister, Herr Stoch; Sie erinnern sich –, beendet.
Aber wir haben auch beim Breitbandausbau die Landesmittel gegenüber dem Stand unter der Vorgängerkoalition verzehn facht, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Wir haben uns bei der inneren Sicherheit auf Verbesserungen geeinigt, die wir teilweise selbst in der früheren Koalition in diesem Ausmaß nicht geschafft haben. Auch das will ich hier erwähnen.
Wir haben für den Artenschutz und den Klimaschutz mitein ander viel erreicht und sehr gute Lösungen gefunden. Wir ha ben mit der Landarztquote, dem kommunalen Wohnungsbau fonds, dem Cyber Valley und vielem mehr wirkliche Innova tionen geschaffen. Wir haben in der Coronakrise – als Koali tion, Schulter an Schulter – der Wirtschaft schneller und stär ker geholfen als der Bund und andere Länder.
Bitte sehr.
Weihnachten steht vor der Tür.
Wissen Sie, diese Aus sage wird durch vielfaches Wiederholen nicht besser. Es ist so, dass wir den jungen Nichtabgeordneten natürlich bei Par teitagen zum Aufbruch mit Wahlkampfgetöse auch mal so ei nen Tag gönnen wollen.
Wir vertrauen auf die Regierungsmitglieder, die hier im Amt sind.
Ich will schon betonen, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Unser Krisenmanagement kann sich sehen lassen. Wir haben mit dem Programm „Zukunftsland Baden-Württemberg“ ei ne echte Post-Corona-Agenda für Baden-Württemberg aufge legt, und zwar unabhängig von Ressort- und auch unabhän gig von Parteiinteressen.
Richtig ist – das will ich schon betonen –: Koalition heißt im mer Kompromiss. Zwei Partner wie CDU und Grüne liegen in manchen Fragen naturgemäß auch mal auseinander. Das kann auch nur so sein, sonst brauchten wir ja keine Parteien mehr im Wettbewerb.
Ich will in dieser von der FDP/DVP beantragten Debatte schon sagen: Ein großer Liberaler, Lord Ralf Dahrendorf, hat den Kompromiss einmal als Staatskunststück bezeichnet. Die ses Kunststück ist uns immer wieder überzeugend gelungen. Diese Komplementärkoalition hat sich als ein gutes Modell für dieses Land erwiesen. Sie ist zu einer Koalition der Sicher heit im Wandel geworden. Sie hat Widersprüche überbrückt, und sie hat versöhnt. Ja, sie hat dieses Land zusammengehal ten.
Deshalb will ich abschließend einen Schriftsteller zitieren, Carlo Franchi: Eine „Koalition ist die Kunst, den Partner mit einem Kaktus zu streicheln“.
Bei uns handelt es sich dann um einen Kaktus aus der Gat tung Epiphyllum. Diese Sorten – ich musste auch erst schau en, wie diese Gewächse besonders bewertet werden – haben nämlich
das weiß der Biologe Kretschmann – keine Stacheln, son dern allenfalls zarte Borsten, dafür aber leuchtende Blüten.
Darum geht es uns, verehrte Kolleginnen und Kollegen: dass dieses Land nach dem Krisenwinter wieder neu erblüht. Das ist unser Auftrag; dafür sorgen wir gemeinsam in dieser Ko alition. Und daran ändert sich nichts, nur weil der Umweltmi nister einmal am falschen Ort dem „Need for Speed“ erlegen ist.
Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr 2020 wird ganz oh ne Frage in die Geschichte eingehen. Es hat uns Debatten be schert und Entscheidungen abverlangt, wie wir es alle wahr scheinlich niemals für möglich gehalten hätten.
Auch jetzt, kurz vor Weihnachten, bestimmt das Virus unser Leben und unser Handeln. Aber wichtig ist und bleibt: Wir überlassen uns nicht einfach der Pandemie und ihrer wirklich unerbittlichen Logik. Wir treten ihr entgegen. Ja, wir halten ihr stand, und zwar auch mit mutigen Entscheidungen, wie Sie, Herr Kollege Stoch, fordern, mit dem Erfindungsreich
tum und den Ressourcen der aufgeklärten Wissensgesellschaft, mit der Kraft der erwähnten Solidarität und der Mitmensch lichkeit sowie mit der Ethik der unteilbaren Menschenwürde. Ja, jetzt ist Solidarität gefragt. Danke an alle, die diese Soli darität in diesen Tagen leben.
Deshalb will ich in diesen Adventstagen schon einmal sagen: Bei allem Leid und allem Streit
haben die Pandemie und ihre Herausforderungen in diesem Jahr in unserem Land auch viel Gutes zum Vorschein ge bracht. Das gibt uns Mut und Hoffnung, auch für die nächs ten Wochen.
Deshalb danke ich allen, die mitmachen, die sich an die Re geln halten, die Geduld beweisen und damit vor allem Verant wortung leben. Ich danke allen, die in den Krankenhäusern, in den Rathäusern, in den Gesundheitsämtern, in den neuen Impfzentren, bei der Polizei, bei den Rettungsdiensten oder einfach von Mensch zu Mensch helfen. Das ist der wahre Reichtum unseres Landes.
Der Ministerpräsident hat die Lage beschrieben und uns eben die aktuellen Zahlen genannt. Der Bundespräsident hat von einer – Zitat – „bitterernsten Situation“ gesprochen. Der Co ronawinter hat uns fest im Griff, und der exponentielle An stieg ist zurück. Wir haben gehört: Die Zahl der Neuinfektio nen pro Tag liegt bei 20 000 und die Sieben-Tage-Inzidenz bei uns in Baden-Württemberg derzeit bei 187 gegenüber 176 bundesweit. Wir befinden uns auf einer neuen – das will ich sagen – harten Bergetappe.
Es war der gemeinsame Plan von Bund und Ländern seit En de Oktober, die Infektionszahlen mit moderaten Einschnitten zu drücken.
Es ging dabei einmal mehr um die stets neue, fragile und auch volatile Abwägung von Freiheit und Gesundheit.
Leider ist es uns damit nicht so, wie erhofft, gelungen, die Welle zu brechen. Das Virus bleibt tückisch. Es lässt uns auch keine Pause und keinen Freiraum. Die Ausschläge sind schnell und stark. Nehmen wir z. B. die Entwicklung dieser Tage in Thüringen, wo es ganz lange sehr wenige Fälle gab. Dort ha ben sich seit dem 1. November dreimal so viele Menschen an gesteckt wie in der ganzen Zeit davor.
Wir haben jetzt die lange gefürchtete Situation, dass viele Krankenhäuser bereits am Limit sind. Wir wissen, auch die Jüngeren sind betroffen, und haben gehört, in Freiburg beträgt das Durchschnittsalter der Covid-19-Patienten auf der Inten sivstation 58 Jahre.
Die Intensivmediziner mahnen: Die Lage ist schlimmer, als es die Zahlen sagen – so ist es tatsächlich. Ich habe mit Ver tretern vom Max-Planck-Institut in Heidelberg in den Som mermonaten und auch jetzt im Herbst immer wieder gespro
chen. Sie haben uns vorausgesagt, dass es schlimmer wird, und darauf hingewiesen, dass wir immer in den Rückspiegel schauen und das exponentielle Wachstum in der Zukunft mit bedenken müssen.
Wer noch immer meint, Corona sei eine bessere Erkältung, der verweigert sich der derzeitigen harten Wirklichkeit auf den Intensivstationen.
Die Ärztinnen und Ärzte, die Pflegerinnen und Pfleger kämp fen dort gegen das Virus und auch um das Leben vieler Men schen. Sie haben einen Anspruch darauf, dass wir sie mit dem Notstand nicht alleinlassen. Sie dürfen erwarten, dass wir es uns nicht auf ihre Kosten zu leicht machen. Zu viele Men schen sterben, und zu viele erleiden schwere Krankheitsver läufe.
Wenn sich jetzt auf den Intensivstationen – bei steigender Ten denz – 500 Covid-19-Patienten befinden, wie es der Minister präsident erwähnt hat, und bei anderen Erkrankungen OPs schon wieder verschoben werden, dann müssen wir das sehr ernst nehmen. Zu groß ist die Gefahr, dass Patienten nicht mehr so versorgt werden können, wie es nötig wäre und wie es vor allem möglich sein muss.
Diese akute Zuspitzung verengt den Spielraum. Juristen spre chen manchmal von der Ermessensreduzierung auf null, man che sagen: „TINA – There is no alternative“.
Es ist momentan alternativlos, dass diese Entscheidungen ge troffen wurden. Es geht jetzt um die unmittelbare Gefahren abwehr. Deshalb ist der klare und konsequente Lockdown lei der unvermeidbar geworden. Das Ziel muss sein, Deutschland über Weihnachten – hoffentlich – zur Ruhe zu bringen. Wir stehen deshalb zu den Entscheidungen, auch zu der Entschei dung der Landesregierung. Wir sehen, dass mildere Mittel das Infektionsgeschehen nicht rasch und durchgreifend genug stoppen können.
Nachdem heute die Re dezeit begrenzt ist, erst am Ende meiner Rede.
Wir finden es richtig, dass die Landesregierung jetzt im föde ralen Verbund handelt und dabei konsequent ist. Ich finde es völlig korrekt, wenn man sagt, man muss das Feuer löschen, wenn es noch klein ist, und nicht erst dann, wenn es sich schon zu sehr ausbreitet. Im Moment können die Infektionszahlen nicht mehr zurückverfolgt werden – dies ist bei einem Inzi denzwert von über 50 schon nicht mehr möglich. Im Moment ist bei 75 % der Corona-Infektionen eine Rückverfolgung nicht möglich. Was ist die Ursache? Das ist doch der Punkt, warum wir zu dieser Entscheidung, dass wir handeln müssen, stehen.
Die Regierungschefs von Bund und Ländern haben erneut Hil fen und Erleichterungen für die Unternehmen, Freiberufler, Selbstständigen vereinbart, die besonders von den Einschrän kungen betroffen sind. Die Verbesserungen der Überbrückungs hilfe III, die leichtere Abschreibung von Warenwertverlusten, die Ausweitung auf Unternehmen mit Umsatzrückgängen oh
ne Schließung sind nah an der wirtschaftlichen Realitiät und wichtig.
Ich will zum Einzelhandel, der erwähnt wurde, schon sagen: Sie brauchen Beistand und erhalten diesen. Ich appelliere an den Sozialminister, zuzustimmen, dass, wenn schon geschlos sen werden muss, zumindest dem Onlinehandel dort trotzdem Umsatz ermöglicht wird, analog wie auch bei den Regelun gen für die To-go-Gastronomie.
Die Beschlüsse der gestrigen MPK sind übrigens schnell ge fallen, eindeutig und einmütig. Das ist für mich ein klares Si gnal dafür, dass der Föderalismus krisenstabil ist, dass er sei ne tarierende und auch seine integrierende Funktion erfüllt. Denn schon wieder haben wir in den Kommentaren der Schlau meier aus Berlin dieser Tage gehört, wie kritisch es mit dem Föderalismus sei. Wir alle kennen den Begriff Flickenteppich. Hier aber ist im Konsens schnell, rasch und richtig entschie den worden. Und darum muss es gehen.
Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten haben ges tern einmal mehr in einem breiten und, wie ich finde, auch be merkenswert parteiübergreifenden Konsens entschieden. Das ist ein hoher Wert; es ist ein Wert an sich. In Deutschland ist der Kampf gegen das Virus eine Frage der Verantwortung und nicht des Parteibuchs.
Die Menschen im Land gehen diesen Weg mit; sie unterstüt zen ihn, ja, sie erwarten aktuell sogar harte Einschnitte von der Politik. Das haben auch die kommunalen Landesverbän de gefordert. Dazu stehen auch wir. Wir haben am Wochen ende die Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen gelesen, und auch dort sehen wir: Rund 50 % wollten sogar eine Verschär fung der Coronamaßnahmen.
Mitte November sind es gerade einmal halb so viele gewesen.
Die Entscheidung der Regierungen kann also auf eine breite Akzeptanz setzen – eine Akzeptanz, die wichtig ist – und auf diese auch weiter hoffen.
Es bleibt ja auch ganz entscheidend, dass die Menschen wei terhin mitziehen.
Ich verstehe, dass die Unsicherheiten, auch die wechselnden Ansagen der Politik, derzeit an den Nerven zehren.
Jetzt seien wir doch einmal alle ehrlich: Die Mails, die von Frustrationen künden, nehmen zu, und der Ton wird dabei här ter. Insoweit müssen wir alle hier, glaube ich, zusammenste hen.
Ich verstehe auch den Wunsch vieler nach endgültigen Plänen und abschließenden Strategien. Aber gerade die aktuelle Ent wicklung lehrt uns doch einmal mehr: Die eine Strategie, die uns sicher, planbar und frei von Zumutungen durch diese Pan demie bringt, die gibt es halt nicht. Es gibt sie nirgendwo in der Republik, und es gibt sie auch nirgends in Europa.
Herr Kollege Stoch, es gibt sie übrigens auch bei keiner Par tei. Sie haben in einer der letzten Debatten gefordert, man müsse in Szenarien denken. Natürlich; keine Frage. Aber ich will schon sagen:
Nicht jede Korrektur ist ein Zeichen für Unvermögen und Planlosigkeit. Diese Krise verlangt es einfach, dass wir in en ger Taktung lagebezogen und risikosensibel jeweils nachsteu ern. Wir sollten deshalb fair bleiben.
Ich kann nur sagen: Es war richtig, dass wir so lange wie mög lich am Präsenzunterricht festgehalten haben.
Zu der diesbezüglichen Kritik möchte auch ich noch einen Satz sagen: Natürlich lässt es sich in der Opposition leicht kri tisieren. Aber Tatsache ist: Sobald man in der Verantwortung steht, sieht die Welt teilweise ganz anders aus. Die Ex-postBetrachtung ist natürlich auch immer eine andere als die Exante-Betrachtung. Ich will nur sagen: Die sieben SPD-Minis terpräsidenten haben an allen MPK-Beschlüssen mitgewirkt. Der Vizekanzler, SPD, war mitbeteiligt. Die Vorsitzende der MPK, SPD, war ebenfalls beteiligt.
Ihr Vorwurf der Strategielosigkeit: Gerade Frau Hubig, eine Kultusministerin von der SPD, hat immer betont, dass der Prä senzunterricht das einzig Sinnvolle, das einzig Wertvolle ist.
Ich füge hinzu – – Ich will das überhaupt nicht – –
Nein. Ich will ein weiteres nennen. Weil Sie die Wissen schaft ansprechen: Wir haben heute gehört, dass die OxfordUniversität ebenfalls Untersuchungen angestellt hat – eine Be fragung mit verheerenden Ergebnissen zum Lernerfolg, wenn zu Hause die Struktur gefordert wird. Das ist die Realität. Wir wissen mittlerweile, dass der Lernerfolg durch Präsenzunter richt nun einmal ein ganz anderer ist, als wenn die Kinder sich daheim selbst strukturieren müssen.
Ich sage es auch einmal als Vater eines 15-jährigen Sohnes: Da musst du schon ganz schön hinterherschauen, damit die Kinder die richtige Sendung einschalten.
Selbst bei den Studenten – –
Livestream „landtag-bw.de“, bitte.
Aber jetzt Spaß beiseite. Es ist natürlich schon eine Heraus forderung. Selbst für Studenten, die nur Onlineunterricht ha ben, ist es schwer, sich den Tag zu strukturieren, wenn sie nicht an der Universität unterrichtet werden. Erst recht gilt dies für Minderjährige.
Deshalb sollten wir schon deutlich sagen: Ganz unabhängig von der Parteifarbe – alle, die in Deutschland Verantwortung für die Schulen tragen, kommen letztendlich zu den gleichen Entscheidungen.
Daher sollten wir in der Kritik ein wenig abrüsten. Wir alle wollen das Beste. Wir alle wollen die beste Bildung für unse re Kinder.
Natürlich finden Entscheidungen nicht im luftleeren Raum oder im Elfenbeinturm statt. Die Abwägung zwischen Ge sundheit und Freiheit muss jeden Tag neu getroffen und auch neu erkämpft werden.
Erinnern wir uns doch: Noch Mitte Oktober haben die Gerich te – auch in diesem Land Baden-Württemberg – die damali gen Regelungen zu Sperrstunden und zum Beherbergungsver bot gekippt.
Die Überschrift lautete, Herr Kollege: „Gerichte retten unse ren Herbsturlaub“. So lautete die Schlagzeile selbst in der „Bild“-Zeitung. So war damals die Debattenlage, und so wa ren damals die Prioritäten.
Weder die öffentliche Stimmung noch die Rechtsprechung wa ren damals bereit für härtere Eingriffe.
Ich sage das deshalb, weil man jeden Tag Schlaumeier liest oder hört, die natürlich in der Ex-post-Betrachtung alles bes ser wissen.
Ja, das ist unglaublich. Im März/April kommentierte ein Herr im ZDF sogar mit dem Vergleich mit einem Gefangenenchor, weil es einen Shutdown gab. Jetzt plötzlich heißt es, die er griffenen Maßnahmen seien zu spät und zu wenig. Man muss sich das einmal vor Augen halten, wenn man so etwas von den Besserwissern in den Medien, aber auch bei den Verbänden hört. Hinterher ist man immer klüger als vorher. Nur: Die Po litik muss entscheiden, sie muss handeln, sie muss mit Pers pektive und in Verantwortung entscheiden. Das ist doch der entscheidende Punkt.
Ich will gar nicht bestreiten – die Kollegen haben es doch teil weise erwähnt –, dass mit dem Wissen von heute objektiv ge sehen wahrscheinlich schon früher der richtige Zeitpunkt ge wesen wäre, die Bremse zu ziehen. Das wird doch überhaupt nicht bestritten.
Das sagt doch auch gar niemand. Aber wir sind doch jetzt in einer Situation, in einer Lage, in der es richtig ist, mit Blick auf Weihnachten schon am 16. Dezember strengere Maßnah men zu ergreifen.
Jetzt will ich auch mal dem Vorwurf entgegentreten, die Zeit im Sommer sei – so heißt es wohlfeil – verschlafen worden. Wir haben – auch das sollte man sich mal vor Augen führen – die Gesundheitsämter im Sommer mit Hunderten Stellen verstärkt. Das Konjunkturpaket des Bundes hat 4 Milliarden € allein für den öffentlichen Gesundheitsdienst zusätzlich be reitgestellt. Die Landesregierung wird, wie erwähnt, morgen Landeshilfen verlängern. Das Spektrum der Empfänger reicht bis hin zur Amateurmusik und zur Breitenkultur, aber vor al lem kommen sie den Unternehmen in unserem Land, dem Mittelstand zugute. Die Bundeswehr hilft beim Tracing. Ba den-Württemberg hat 300 000 Schülerlaptops angeschafft, um künftig alle Schüler beim Fernlernen zu erreichen.
Wer also so tut, als hätte die Politik vor der zweiten Welle die Hände in den Schoß gelegt, der kennt die Lage wohl nur aus Berliner Talkshowstudios.
Ja, am Ende gern. Aber ich muss erst noch meine Ausführungen zu Ende bringen.
Dieses Virus kann uns vieles lehren. Es lehrt uns vor allem Demut. Es lehrt uns auch, dass in dieser Krise niemand Wahr heit und Wissen für sich allein gepachtet hat. Es lehrt uns, dass manche flotte Forderung schneller überholt oder auch wider legt sein kann; das meine ich auch bezogen auf Verbände und auf Medien. Das Virus lehrt uns, dass wir mit unseren mensch lichen Machbarkeitsvorstellungen doch auch an Grenzen sto ßen.
Das gilt z. B. auch für den sogenannten Cocooning-Ansatz, also den besonderen Schutz, über den wir gerade auch bei äl teren und gefährdeten Menschen nachdenken müssen. Aber es gibt in Deutschland 21 Millionen Menschen über 60 Jah re. Wir werden sie nicht alle hinter Dekontaminationsschleu sen isolieren können. Auch das gehört zur Realität und Wahr heit.
Wir sind auch kein Staat wie China oder Korea, wo man alles sozusagen von oben herab verordnen kann.
Aber klar ist: Dass das Virus gerade zuletzt wieder massiv in die Altersgruppe der Betagten hineindiffundiert ist, dass es er neut in Pflegeeinrichtungen grassiert, das dürfen und können wir nicht akzeptieren. Deshalb müssen wir mehr testen, tes ten, testen, und wir müssen bei diesen Pflegeheimen auch den besonderen Schutz ins Auge fassen. Auch das gehört zur Wahrheit. Wir müssen deshalb alles tun für den besonderen Schutz von Pflegeheimen. Hier können, hier müssen wir noch besser werden.
Auch die Corona-Warn-App hat noch Potenziale. Angesichts von Tausenden Toten müssen wir uns schon ernsthaft fragen: Können wir wirklich nicht ein paar Abstriche beim Daten schutz hinnehmen,
um vielleicht viele Leben zu retten? Auch diese Diskussion sollten wir noch einmal neu führen.
Denn jetzt gilt es, die Zahl der Kontakte zu reduzieren. Wir haben auch schon eine Hotspot-Strategie entwickelt. Diese muss weiter ausgebaut werden. Ein Weiteres sind die Appel le, zu Hause zu bleiben. Ein ungewöhnliches, stilles, für vie le sicher auch einsames Weihnachtsfest steht uns bevor.
Es bleibt uns die Hoffnung, dass es mit der Impfung das ein zige Weihnachten im Schatten der Pandemie bleiben wird. Deshalb ist es wichtig, dass die Impfvorbereitungen, wie an gesprochen, jetzt mit Hochdruck laufen. Erste Impfzentren wurden errichtet. Leider braucht die Europäische Union bei uns länger, um diese Notfallzulassung zu ermöglichen, anders als in Großbritannien, in den USA oder in Kanada. Ich bedau re das außerordentlich. Ich will hier schon einmal den Bun desgesundheitsminister zitieren. Er hat gesagt: „Jeder Tag, den wir früher beginnen können zu impfen, mindert Leid.“
Deshalb appelliere ich an uns alle, dass es rasch vorangeht, vielleicht auch mit einer Sicherstellungsverordnung für den medizinischen Bedarf.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bis wir das Virus endlich losgeworden sind, brauchen wir noch Geduld und auch Durch haltewillen. Helfen wir einander dabei, teilen wir die Verant wortung! Dann werden nach diesen dunklen Monaten für die ses wunderbare Land auch wieder hellere Tage im Zukunfts land Baden-Württemberg kommen. Darum muss es gehen.
Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Vorab möchte ich sagen: Wir sollten uns nicht bemühen, Gegensätze zu suchen, die es in Teilen gar nicht gibt. Ich glaube,
wir alle teilen den Satz, dass es gut ist, wenn – wie der Minis terpräsident sagt – durchgeimpft wird. Seien wir doch alle froh, dass die Wissenschaft in einem Tempo, und zwar in ei nem Erfindungstempo, das atemberaubend in der Geschichte ist, Impfstoffe entwickelt hat, die sogar aus Deutschland stam men – in dieser kurzen Zeit –, die bereits in Großbritannien und in den USA notzugelassen sind und hoffentlich in weni gen Tagen auch in den 27 Ländern der Europäischen Union zugelassen werden.
Denn das ist natürlich einer der großen Hoffnungsschimmer, die uns eine Perspektive geben, die uns die Chance eröffnen, dass wir im Januar, im Februar, im März aus der Pandemie herauskommen. Jetzt werden die Impfzentren eingerichtet, und wir alle haben damit endlich die Aussicht, diesen Schutz zu erhalten.
Wollen wir alle hoffen, dass es nicht bei 50 % Ablehnung bleibt. Wir müssen alles dafür tun, dass 70, 80, 90 % bereit sind, sich impfen zu lassen. Denn dann entsteht genau das, was wir brauchen, nämlich die gewünschte Herdenimmuni tät.
Ich will darüber hinaus auch auf die Vorhaltungen eingehen. Kollege Rülke hat gefragt: Was ist mit der Wirtschaft? Ich will vorab schon sagen, auch an die Kolleginnen und Kollegen von der FDP/DVP gerichtet: Beim letzten Mal – im Oktober, No vember – haben Sie die Lockdown-Maßnahmen, die noch viel milder waren, teilweise kritisiert.
Ja, jetzt sagen Sie, weil sie falsch waren. Sie haben kriti siert, dass sie nicht weit genug – –
Entschuldigung, dass es Ihnen zu wenig weit geht, das war im Grunde der Tenor.
Insoweit will ich nur sagen – –
Herr Kollege, da muss man fair bleiben.
Sie wissen, ich schätze Ihre Beiträge sehr, aber ich erwarte Fairness auch gegenüber der Regierung. Denn im Grunde müssen wir damit immer sorgfältig, mit gewissenhafter Ab wägung umgehen. Und ich sehe die Kritik in der Ex-post-Be trachtung als inkonsequent an.
Damit komme ich auch zur Wirtschaft. Ich empfehle jedem einen Artikel von Marc Beise in der heutigen Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ zur Lektüre. Er sagt im Grunde, dass die Schließungen in der Wirtschaft eine Zukunftsinvestition darstellen, weil der Lockdown die Wirtschaft in Wirklichkeit schützt.
Ja natürlich, die Wirtschaft schützt. Denn das ist im Grun de der einzige Weg, damit wir überhaupt eine Zukunftspers pektive bekommen und die Zahl der Infizierten letztlich nicht auf Millionenhöhe steigt, was die Wirtschaft wirklich steil in die Rezession treiben würde.
Dem schließt sich übrigens selbst der Chef des ifo Instituts, Clemens Fuest, an, der heute genauso gesagt hat: Das ist ex akt die einzige Maßnahme, jetzt genau die Zeit, in der über Weihnachten und Neujahr alles heruntergedimmt ist, zu nut zen, um nach dem 10. Januar wieder eine Perspektive zu be kommen.
Im Übrigen stand der Termin 10. Januar bei uns in BadenWürttemberg in den Schulen ja Gott sei Dank schon fest; kei ne Frage. Seien wir froh, dass wir diese längeren Schulferien bis 10. Januar haben.
Jetzt wird zu Recht gefragt: Wie geht es danach weiter? Ich kann nur eines sagen: Alle 16 Länder haben sich auf sechs Seiten – ich wiederhole das noch einmal – über das weitere Vorgehen geeinigt – übrigens auch, was die Schulen betrifft. Unter Ziffer 7 steht:
Im Zeitraum bis 10. Januar „sollen... die Kontakte deutlich eingeschränkt werden“:
Kinder sollen in dieser Zeit, wann immer möglich, zu Hause betreut werden. Daher werden in diesem Zeitraum die Schulen grundsätzlich geschlossen oder die Präsenz pflicht wird ausgesetzt. Es wird eine Notfallbetreuung si chergestellt und Distanzlernen angeboten. Für Abschluss klassen können gesonderte Regelungen vorgesehen wer den. In Kindertagesstätten wird analog verfahren. Für El tern werden zusätzliche Möglichkeiten geschaffen, für die Betreuung der Kinder im genannten Zeitraum bezahlten Urlaub zu nehmen.
Genau das wird gemacht. Genau darauf haben sich jetzt die Kultusminister in der KMK übereinstimmend geeinigt.
Und genau das haben auch die sieben Regierungschefinnen und -chefs der SPD so mit unterschrieben und beschlossen. Nichts anderes passiert in Baden-Württemberg als das, was der Ministerpräsident hier vorgetragen hat.
Insoweit, finde ich, sollte man einfach – –
Ich habe schon in der Tenorierung Kritik gegenüber dem, was der Ministerpräsident hier ausgeführt hat, von Ihnen ver nommen.
Ja gut, auch dazu wollte ich Ihnen sagen: Die haben bereits am 5. beschlossen – –
Herr Kollege Stoch, jetzt bleiben Sie doch einmal ganz nor mal dabei, was darin steht, was Ihre Kolleginnen und Kolle gen – auch in den SPD-geführten Ländern – vereinbart haben: dass man sich am 5. Januar erneut zu einer Ministerpräsiden tenkonferenz trifft, dort logischerweise die Lage analysiert – woher kommen wir, wo stehen wir? –, dass wir alle die Hoff nung haben, dass wir die Inzidenzwerte unter 50 bekommen, und dann am 11. Januar die Schule normal beginnen lassen können. Wenn das nicht der Fall ist, muss logischerweise mit Alternativmodellen trotzdem dafür gesorgt werden, dass die Bildung möglichst stark, breit und gut für die Kinder und die jungen Leute in unserem Land, die die Schule besuchen, ge sichert bleibt.
Wir haben doch gar keine Alternative. Und ich finde, wir soll ten auch nicht streiten, weil wir in der Sache doch alle das Gleiche wollen. Insoweit muss ich wirklich sagen: Ich sehe am Zielhorizont überhaupt keinen Unterschied in der Auffas sung. Deshalb appelliere ich an die Bereitschaft zum Konsens, gerade auch in unseren demokratischen Parteien; denn hier gilt es jetzt, in diesen schweren Wochen und Monaten über parteilich im Sinne der Gemeinsamkeit zusammenzustehen.
Abschließend plädiere ich für Folgendes: Wir haben mit den Kolleginnen und Kollegen der Grünen – mit denen wir übri gens viel besser zusammenarbeiten, als Sie es hier gern dar stellen – –
Ich kann Sie in Ihrer Sehnsucht ja verstehen; aber, Herr Kol lege Rülke, bleiben Sie einmal ganz gelassen.
Ich wollte Ihnen nur empfehlen, einen Blick – –
Ja, gut, ich habe ja die klaren Aussagen des Ministerpräsi denten vernommen, der sich sogar gegen die eigene Partei entscheidung gewandt hat. Insoweit kann ich Ihnen versi chern: Die Ehe ist stabil, Herr Kollege Rülke.
Bitte sehr.
Ich kann Ihnen nur ge nau das antworten, was im Grunde die Ökonomen, die Sach verständigen – deshalb habe ich es gerade zitiert –
heute gesagt haben. Ich bin nicht klüger als die Professoren und Sachverständigen bzw. der Sachverständigenrat
und auch nicht klüger als das ifo Institut.
Ich will Ihnen nur sagen, die sagen alle miteinander – – Es geht ja darum: Was kann man im Moment an alternativem Handeln wählen? Dazu sa gen sowohl das ifo Institut als auch der erwähnte Experte und alle anderen Experten – wenn Sie sich das heute einmal in der „Süddeutschen Zeitung“ anschauen –: Es gibt im Moment kei ne vernünftige Alternative zum Lockdown. Und genau das sei die richtige Alternative, weil nur dadurch ab Mitte Januar wie der Perspektiven für die Wirtschaft entstehen.
Eines möchte ich hinzufügen: Der Bund und die Ministerprä sidenten – –
Der Ministerpräsident, Frau Kollegin Reich-Gutjahr, hat klar erklärt, dass die Über brückungshilfe bis zum 30. Juni nächsten Jahres sogar ausge weitet wird. Es kommt sogar hinzu, dass die Zuschussbeträ
ge auf 500 000 € erhöht werden, wie wir gehört haben. Au ßerdem gilt weiterhin der gesamte Instrumentenkasten sowohl vom Bund als auch vom Land. Ich erinnere auch an den Ins trumentenkasten der L-Bank, Liquidität plus Bürgschaften etc.
Insoweit werden wir auch hier alle miteinander nur dahin ge hend unterwegs sein können, dass wir sagen: Nur wenn jetzt die Perspektive geschaffen wird – deshalb wird sie auch so schnell geschaffen; also schon am 16. Dezember und nicht erst nach Weihnachten haben wir die Perspektive –, kann es Mitte Januar vernünftig weitergehen. Wenn dies nicht der Fall wäre, so bin ich überzeugt davon, dass am 5. Januar in der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz in der Analyse disku tiert werden muss: Wie kommen wir nun voran?
Auf eines setze ich, und dafür werbe ich auch: dass so schnell wie möglich mit der Impfstrategie der Impfstraßen, die der Sozialminister für das Land vorgestellt hat, nicht nur im Land begonnen wird, sondern jetzt auch in den 44 Stadt- und Land kreisen, weil uns das eine parallele Perspektive geben wird und geben muss.
Wenn Sie unseren Antrag anschauen, Frau Kollegin, dann se hen Sie, dass wir darin die Vereinbarungen der Regierungs chefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern vom 13. Dezember für wirksam und angemessen erachten, die Ge sundheit der Menschen zu schützen, dass wir das unterstützen – stimmen Sie bitte nachher unserem Entschließungsantrag zu – und dass es zur Abwendung der Gefahr gerade nötig ist, Impfzentren in allen Regionen des Landes aufzubauen und einzurichten, sodass bald mit den ersten Impfungen begonnen werden kann. Auch das ist eine Ziffer in unserem Entschlie ßungsantrag.
Es geht weiter damit, dass wir vor allem die wesentlichen Ein schränkungen der Lebensführung und der bisher bekannten Freiheiten feststellen und versuchen, Eigenverantwortlichkeit, Solidarität und Rücksichtnahme der Menschen untereinander voranzubringen. Insoweit sehen Sie, wenn Sie unseren Antrag insgesamt lesen, worum wir ersuchen.
Deshalb glaube ich, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Wir alle sind jetzt gefordert, um in den nächsten drei Wochen mit Maß, Ziel, Zusammenhalt, Solidarität, auch mit diesen Maß nahmen, gut durch die Krise zu kommen, um mit einem ruhi gen, auch stilleren Weihnachtsfest und einem Jahreswechsel mit guten Perspektiven ins neue Jahr gehen zu können, damit wir hoffentlich all denen wieder Perspektiven geben können, die sehnlichst darauf warten – auch wir alle hier in diesem Parlament.
Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: Wir schaffen es nur gemeinsam. Einmal mehr debattieren wir darüber, was im Kampf gegen Corona das Richtige ist. Einmal mehr ringen wir um das rechte Maß von Freiheit und Gesundheitsschutz. Einmal mehr vereint uns hier auch die Sorge vor den Folgen dieser globalen und epochalen Krise für Gesundheit, für Wirt schaft und Gesellschaft. Nach wie vor bestimmen vor allem die Unsicherheit und die Suche nach Wissen unsere Schritte gegen das Virus. Nach wie vor bleiben auch wir Tastende, Ler nende auf diesem wechselvollen Weg durch die Pandemie.
Ein Experte hat es kürzlich so beschrieben – Zitat –:
Der Kampf gegen Corona gleicht immer noch dem Ver such, in einem dunklen Raum mit Handschuhen ein filig ranes Uhrwerk zu stellen.
Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen und die wir zu bestehen haben. Der Ministerpräsident hat angesprochen, dass wir Ende Oktober die Alarmstufe Rot gehabt haben. Sie ist in unserem Land noch immer flächendeckend dunkelrot. Deshalb bestand und besteht natürlich die Gefahr eines wei ter gehenden Kontrollverlusts. Die Menschen in unserem Ge sundheitswesen stemmen sich mit aller Kraft gegen die Kri se – Ärztinnen, Krankenpfleger, auch die Mitarbeiter der Ge sundheitsämter, die Soldatinnen und Soldaten der Bundes wehr, die bei der Kontaktverfolgung helfen. Sie leisten in die sen Wochen fast Übermenschliches, und ihnen gilt deshalb unser ganz besonderer Dank.
Natürlich freuen wir uns über die ermutigenden Fortschritte der Impfstoffforschung. Sie sind das lang erhoffte Licht am Ende des Tunnels. Mit CureVac hat der Forschungsstandort Baden-Württemberg einen Hoffnungsträger. Auch dort will man noch in diesem Jahr in die entscheidende Phase 3 der Tests gehen. Das ist Spitzenforschung aus Baden-Württem berg. Jeder Impfstoff, der jetzt möglichst bald zur Verfügung steht, ist ein Segen für die Menschheit. Noch besser ist es frei lich, wenn der Impfstoff das Siegel „Made in Baden-Würt temberg“ trägt.
Allerdings – das müssen wir alle sehen – ist die Impfung noch Zukunftsmusik. Wir haben uns am Dienstag auch mit dem So zialminister über die Impfstrategie unterhalten. Es gibt Hoff nung, es sind auch schon Zentren überlegt und geplant. Aber es ist eben noch nicht präsent, und eine Impfkampagne dieser
Größe ist eine Herkulesaufgabe, die jetzt auch die Regierung zu stemmen hat.
Die Lage bleibt angespannt. Corona ist Realität, und mehr und mehr Covid-19-Patienten kommen auf die Intensivstationen. Im Moment kämpfen dort mehr als 3 800 Menschen um ihr Leben, deutlich mehr als auf dem Höhepunkt der ersten Wel le im April. Auch immer mehr junge Menschen mit mildem Verlauf berichten über Langzeitfolgen und langwierige Be einträchtigungen. Wir haben in den Medien – auch im Fern sehen – gesehen: Unser schwäbischer Weltklasseringer Frank Stäbler hat deshalb seine WM-Teilnahme abgesagt. Denn er sagt, nach seiner Erkrankung habe er eine um mehr als 20 % geringere Leistungsfähigkeit. Nationalspieler Ilkay Gündo gan hat nach seiner Infektion eindrucksvoll vor dem Virus ge warnt.
Corona ist eine gefährliche Krankheit. Deshalb habe auch ich kein Verständnis für Coronaleugner, für Maskenverweigerer und für Diktaturvergleiche. Protest ist legitim, erlaubt und je derzeit möglich, aber es darf nicht sein, dass dabei Auflagen bewusst missachtet, Menschen gefährdet und Straftaten be gangen werden.
Und es darf nicht sein, dass ein Gesetz, das die Parlaments rechte stärken soll, böswillig und geschichtsklitternd zum Er mächtigungsgesetz verdreht wird.
Es geht auch nicht, dass Störer und Provokateure gezielt ins Parlament geschleust werden.
Das war eine Attacke auf die Herzkammer unserer Demokra tie. Wer so agiert,
dem kann es nicht um die Freiheit gehen, dem geht es einzig – –
Nein, dann geht es nämlich nur noch darum, Demokratie und Rechtsstaat vorzuführen, zu missbrauchen und dann ihre Re geln zu sprengen. Das lassen wir nicht zu. Gefragt ist jetzt So lidarität und nicht Provokation.
Jeder steht jetzt mit in der Verantwortung. Wir haben es alle selbst in der Hand, damit aus der Krise keine Katastrophe wird; denn die Gefahr besteht nach wie vor. In vielen Ländern der Welt ist die Situation noch weitaus dramatischer als bei uns.
Der schwedische Sonderweg, den manche auch immer laut stark für Deutschland gefordert haben, ist offiziell gescheitert und beendet.
In Neapel sitzen schwer kranke Patienten in der Klinikeinfahrt in ihren Autos und werden dort notdürftig mit Sauerstoff ver sorgt, weil es für sie keine Betten mehr gibt. In der Schweiz sind die Intensivstationen voll. In den USA gab es zuletzt mehr als 2 100 Tote an einem einzigen Tag. Die Bilder und Berichte aus Texas haben alle erschüttert.
Aber auch in Deutschland starben allein vorgestern 410 Men schen. Das ist, als würde an einem Tag ein ganzes Dorf aus gelöscht. Deshalb müssen wir handeln. Darum geht es derzeit.
Deshalb waren auch die Beschlüsse von Bund und Ländern am 28. Oktober richtig und nötig.
Das gilt nicht nur aus gesundheitlicher, sondern auch aus öko nomischer Sicht. Deshalb haben wir heute einen Antrag ge stellt, um auch die Beschlüsse von gestern sehr wohl im Par lament zu legitimieren. Denn darum muss es hier auch gehen, wenn wir uns damit befassen. Alle Daten zeigen: Wo immer es gelungen ist, die Infektionszahlen gering zu halten, sind auch die wirtschaftlichen Schäden geringer. Jeder Erfolg für ein flaches Infektionsgeschehen ist deshalb am Ende auch ein Erfolg für die Wirtschaft.
Wie in diesem Punkt auch die neue ermutigende Konjunktur einschätzung der Bundesregierung zeigt, sind wir in Deutsch land noch immer auf dem richtigen Weg. Wir sehen: Natür lich beginnen die Beschränkungen seit dem 2. November zu wirken. Die steile, ungebremste Zunahme der Infektionszah len ist gestoppt, die exponentielle Wachstumskurve flacht ab.
Ich habe in der letzten Debatte hier am Redepult das Bild ei nes Radfahrers am Berg verwendet. Dieses hat Kollege Stoch dann aufgenommen. Er ist allerdings schon mit einem schnel len Fahrrad nach unten gefahren, wenn ich mich richtig erin nere. Ich sage es deshalb, weil wir inzwischen – aus meiner Sicht – das Ende des Anstiegs erreicht haben. Wir sind jetzt auf einem Hochplateau unterwegs. Aber die Strecke bleibt kräftezehrend.
Seit dem 8. November pendeln die Inzidenzwerte in BadenWürttemberg zwischen 130 und 140. Das ist noch immer viel zu hoch. Darauf hat der Ministerpräsident zu Recht hingewie sen. Aber das erste und wichtigste Ziel ist geschafft. Die Wel le ist zwar noch nicht gebrochen, aber sie türmt sich zumin dest nicht noch weiter auf. Man könnte sagen: Das Wasser steht uns bis zum Hals, aber immerhin steigt es derzeit nicht mehr. Das sind in diesen Zeiten ja schon die ersten guten Nachrichten.
Ich halte es für klug, dass die MPK mit der Kanzlerin die La ge in enger Taktung erörtert und bewertet. Es war richtig, dass sich die Regierungschefs von Bund und Ländern am 16. No vember nicht gleich mit neuen Verschärfungen selbst überholt haben.
Ich will an dieser Stelle, Herr Kollege Rülke, vielleicht doch erwähnen – weil Sie sagen, die MPK sei nicht legitimiert; klar –, dass es darum geht, dass sich Bund und Länder verständi gen müssen. Schließlich ist zum einen die Bundesgesetzge bung gefordert, der Bundestag, und darüber hinaus sind die Länder in einem Bundesorgan, nämlich dem Bundesrat, ge fordert, wo sie zustimmen müssen.
Darüber hinaus haben wir im Gemeinschaftsverbund der Steu ern, der öffentlichen Haushalte eine Situation, wie wir sie in der Geschichte überhaupt noch nie hatten. Im Grunde genom men haben wir all die Hilfen, die jetzt auch weiterhin nötig sind und die zu Recht gefordert werden, natürlich sämtlich durch Schulden finanziert – die irgendwann wieder zurückge führt werden müssen. Insoweit hat sich der Bundesfinanzmi nister dieser Tage eingelassen.
Nun ist es so, dass die Maßnahmen die Chance und die Zeit brauchten, zu wirken. Aber genauso gilt: In dieser Lage und bei diesen Werten können wir über Lockerungen noch immer nicht so schnell nachdenken, denn tatsächlich haben uns die November-Beschränkungen im Kampf gegen die hohen In fektionszahlen unbestritten nicht so viel gebracht, wie wir al le gehofft haben. Deshalb brauchen wir natürlich auch weiter hin – das haben die Regierungschefs gestern bei ihren Be schränkungen vorgeschlagen – Behutsamkeit, Weiterentwick lung und auch Nachsteuerung.
Nach Lage der Dinge bleiben die Kontaktreduktionen länger notwendig, um die Überforderung des Gesundheitswesens weiterhin zu verhindern. Das ist auch Inhalt unseres Antrags – gerade weil wir die Schulen offen halten wollen, weil wir die Wirtschaft weiterhin am Laufen halten wollen. Dazu ste hen wir auch.
Deshalb will ich hervorheben: Dass sich – einmal mehr – al le Länder und der Bund überhaupt auf eine gemeinsame Li nie verpflichtet haben, wenn auch im Einzelfall mutmaßlich mit Bauchschmerzen, ist immerhin ein Wert an sich. Wir ha ben eben gehört: Auch die Landesregierung wird die neue Ver ordnung, die ab dem 1. Dezember bis zum 20. Dezember gilt, in Kraft setzen. Damit haben wir einen breiten, einen parteien übergreifenden und vor allem auch einen gesamtstaatlichen Konsens zwischen Bund und Ländern.
Ich kann nur weiterhin dringend appellieren, den Kampf ge gen Corona nicht zu einer Frage der Parteipolitik zu machen.
Wenn wir wollen, dass die Leute weiter mitmachen, dann müssen wir bei aller Diskussion in der Politik auch in der La ge sein, uns hinter einer gemeinsamen Entscheidung zu ver sammeln. Das ist entscheidend dafür, dass die Menschen über haupt noch an Bord bleiben, dass sie durchhalten. Denn tat sächlich haben wir natürlich schon eine große Marathonstre cke hinter uns. Aber jetzt ist sozusagen der Glukoseteil ver braucht, und es wird hart, in die letzten Kilometer zu kom men.
Wir begrüßen, dass sich die Kanzlerin und die Ministerpräsi denten auf Erleichterungen für die Weihnachtstage verstän digt haben. Das ist, wie ich finde, übrigens auch ein Zuge ständnis an die zwischenmenschliche Wirklichkeit. Für viele
Menschen ist es sicher auch ein Licht der Hoffnung in diesen dunklen Monaten.
Trotzdem kann das Weihnachtsmotto in diesem Jahr nur hei ßen: Feiern mit Verantwortung. Denn ich finde es richtig, dass sich der Staat hier zurückhält. Niemand will, dass Politiker kleinlich regeln, wie wir Weihnachten verbringen. Es kommt ohnehin nicht infrage, dass am Heiligen Abend die Polizei an der Tür klingelt und kontrolliert, wer da alles unter dem Christbaum sitzt.
Umso mehr sind auch an den Festtagen Einsicht und – ich fü ge hinzu – Eigenverantwortung gefragt.
Auch vor dem Christbaum oder neben dem Christbaum, aber die Kinder unter 14 Jahren dürfen auch unter den Christbaum, Herr Kollege Gall.
Ja, vielleicht begehen wir dieses Weihnachten auch ohne strenge Vorgaben einfach mit etwas weniger Rummel und mit etwas mehr Ruhe, damit sonst nach der Heiligen Nacht nicht für uns alle ein böses Erwachen kommt.
Wichtig ist, dass wir mit den Beschlüssen von gestern auch Perspektiven und Leitplanken für die Zeit nach Weihnachten haben. Die Akutmaßnahmen vom 28. Oktober, haben wir ge hört, gehen über in ein koordiniertes bewegliches System. Es setzt ein gemeinsames Rahmenwerk, wie wir auch über den Coronawinter kommen wollen, u. a. auch mit der neuen Inzi denzschwelle 200. Der Ministerpräsident hat es ja gesagt: Wir haben die Stufe unter einer Inzidenz von 35, die Stufe zwi schen 35 und 50, die Stufe über 50 und jetzt diese neue Schwelle mit einem weiteren, neuen Rahmen. Das Rahmen werk definiert und dosiert die föderalen und damit auch regi onalen Freiheitsgrade, und es benennt auch die Instrumente, mit denen wir auf ein differenziertes Geschehen differenziert reagieren können. Wir sind damit auch bundesweit nach glei chen Maßstäben handlungsfähig, und zwar sowohl bei sinken den als auch bei steigenden Zahlen.
Diesen Weg unterstützen wir. Ich verstehe auch, dass viele da rüber hinaus gern einen vollständigen, langfristigen, unfehl baren Masterplan hätten. Herr Kollege Rülke, Sie haben ja so zusagen diese Langfriststrategie mit einem Masterplan ange mahnt.
Ja, ich höre von vielen Verbänden Unterschiedliches. Jeder Verband, selbst die IHK und vergleichbare Verbände, ist In teressenvertreter. Ich antworte Ihnen: Die eine Strategie, die uns sicher, planbar und frei von Zumutungen durch diese Pan demie bringt, gibt es nicht.
Diese eine Strategie gibt es nicht. Es gibt sie übrigens auch nirgendwo sonst auf der Welt, nicht nur bei uns nicht. Wir
müssen weiter – das ist die Aufgabe – lagebezogen, mit Au genmaß, auch mit flexiblen Antworten entscheiden.
Mit den Beschlüssen von gestern ist auch klar: Es bleibt beim Vorrang für den Präsenzunterricht an den Schulen. Auch das ist eine gute Entscheidung, für die wir dankbar sind.
Das Recht auf Bildung kann am besten im Klassenzimmer verwirklicht werden. Darüber sind sich die Kultusminister über alle Länder- und Parteigrenzen hinweg einig. Das ist kein Zufall, sondern es hat auch gute Gründe.
Ich will hier auch offen sagen: Ich weiß, dass gestern – zu Recht – auch innerhalb der MPK lange über die Frage der Fe rienzeit diskutiert wurde. Mit der vorgeschlagenen Lösung wird sich die Landesregierung auseinandersetzen. Unsere Fraktion macht kein Geheimnis aus ihrer Position: Im Grun de genommen sollte regional vor Ort die Schulgemeinschaft selbst entscheiden können und entscheiden, wie sie auch die vier freien beweglichen Ferientage legt etc. In dieser Sache wurden die Argumente für und wider schon angesprochen. Es geht um Fragen der Betreuung und um vieles andere mehr. In soweit sind wir da eigentlich zuversichtlich, dass man in die sen nachrangigen Fragen mit Sicherheit vor Ort die richtigen, klugen Entscheidungen findet und selbst auch mit entschei den kann.
Wir wissen, was die kommunalen Landesverbände dazu sa gen. Wir wissen, was die Lehrerverbände dazu sagen. Wir se hen auch manche Lösungen wie jetzt in Nordrhein-Westfalen, in denen die letzten beiden vorgesehenen Schultage frei sein sollen, aber die Lehrkräfte an den Schulen sein sollen. Ob das das Klügste ist? Ich stelle diese Frage hier in den Raum.
Genauso ist es natürlich mit der Frage – – Ich habe Ihre Mit teilung, Herr Kollege Stoch, gelesen, was die Gründe sind – Stichwort Wechselunterricht etc. Sie haben sich dazu ja auch geäußert. Frau Hubig, die der SPD angehörende Kultusminis terin von Rheinland-Pfalz und Vorsitzende der Kultusminis terkonferenz, kämpft eisern für den Präsenzunterricht. Sie sagt: Präsenzunterricht ist das A und O. Kinder lernen am bes ten in der Schule.
Insoweit: Einfach einmal miteinander telefonieren.
Wechselunterricht benachteiligt erwiesenermaßen Kinder aus sozial schwächeren und auch bildungsferneren Familien. Auch diesen gravierenden sozialen Aspekt sollten wir nicht einfach ausblenden.
Auch der FDP-Familienminister von Nordrhein-Westfalen, Herr Stamp,
hält die Forderung – das habe ich gelesen – nach einer Hal bierung der Klassen für – wörtlich – „schlicht nicht umsetz bar“.
So sieht es, wie ich vernommen habe, auch unser Minister präsident. Insoweit steht auch die Kultusministerin hier an der Seite ihrer Ministerkollegen aus Rheinland-Pfalz und Nord rhein-Westfalen – die KMK tauscht sich auch regelmäßig aus. Da sind wir zuversichtlich. Noch wichtiger: Die Ministerin steht an der Seite der Schülerinnen und Schüler im Land. Auch darum muss es gehen.
Wir sollten nie vergessen: Es geht um deren Bildung, um de ren Chancen, um deren Zukunft. Wir haben uns deshalb in Ba den-Württemberg immer – auch hier in diesem Haus – be wusst für einen Regelunterricht unter Pandemiebedingungen entschieden. Für diesen Kurs spricht übrigens auch die empi rische Bildungsforschung. In vielen Debatten über Bildungs qualität und in vielen Expertengesprächen haben wir gelernt: Schlüsselfaktor für guten und gelingenden Unterricht ist das sogenannte Classroom-Management. Entscheidend für den Lernerfolg ist also, was die Lehrerin oder der Lehrer im Klas senzimmer macht. Das ist der entscheidende Punkt.
Deshalb sind Wechselunterricht und Fernlernen immer nur die schlechtere Lösung, allenfalls Ultima Ratio im Extremfall. Darüber wird man im Einzelfall, wenn die Zahl 200 über schritten ist und solche Fragen in Betracht gezogen werden müssen, entscheiden müssen. Aber auch das muss man, den ke ich, dann im Einzelfall vor Ort entscheiden.
Auch die Kinderärzte warnen strikt davor. Das kann nicht das sein, was wir als Regelfall anstreben. Den gemeinsamen Un terricht vor Ort können auch die beste Digitalausstattung und das pfiffigste Homeschooling, Herr Kollege Rülke, nicht er setzen; davon bin ich überzeugt.
Nein. Ich sage es, weil Sie manche Dinge angesprochen ha ben. – Ich habe selbst einen 15-jährigen Sohn und sehe, wie es läuft, wenn er in die Schule geht und Präsenzunterricht hat oder wenn dann zu Hause das sogenannte Homeschooling an geboten wird.
Das sind Unterschiede. Das will ich jetzt nicht vertiefen.
Ja, da mag etwas dran sein. Genau da beginnt die Heraus forderung der Betreuung.
Kurzum: Es wäre eine verhängnisvolle Illusion. Deshalb sind in Deutschland auch alle, die in den Ländern für die Bildungs politik die Verantwortung tragen, im Wesentlichen einer Mei nung. Das Infektionsgeschehen im Schulbetrieb ist beherrsch bar. Die Schulen sind nach wie vor keine Ansteckungstreiber. Wir haben heute Morgen von der Kultusministerin gehört: Ge rade einmal vier von 4 500 Schulen im Land sind momentan geschlossen. Übrigens haben die deutschen Kinder- und Ju gendkliniken bundesweit 110 000 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre routinemäßig und symptomunabhängig auf Corona
getestet. Im Ergebnis waren – man höre und staune – nur 0,2 % der Getesteten positiv. Diesen Befund bestätigen viele weitere Reihenscreenings bei Kindern und auch bei Jugend lichen.