Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 95. Sitzung des 16. Landtags von Baden-Württemberg.
Von der Teilnahmepflicht befreit sind Frau Abg. Boser, Herr Abg. Gall, Herr Abg. Hahn, Herr Abg. Nelius sowie Frau Abg. Neumann-Martin.
Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich ganztägig Frau Ministerin Bauer, Herr Minister Wolf, Herr Minister Her mann, Frau Staatssekretärin Olschowski, Herr Staatssekretär Dr. Baumann und Frau Staatssekretärin Gurr-Hirsch sowie ab 11 Uhr Herr Ministerpräsident Kretschmann und Frau Staats ministerin Schopper.
Debatte – Beteiligung von Jugendlichen in Baden-Würt temberg – Jugendlandtag – beantragt von der Fraktion GRÜNE, der Fraktion der CDU, der Fraktion der AfD, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP
Meine Damen und Herren, seit gestern sind die Teilnehmerin nen und Teilnehmer des Jugendlandtags bei uns im Haus zu Gast. Viele von Ihnen waren und sind ja an diesem Jugend landtag beteiligt. Wahrscheinlich haben Sie es wahrgenom men: Die Zuhörertribüne ist bis zum letzten Platz mit jungen Menschen besetzt, die heute hier sind.
Dieser Tagesordnungspunkt – Beteiligung von Jugendlichen in Baden-Württemberg – Jugendlandtag – wird auch ins Fo yer übertragen.
Liebe Jugendliche – sowohl hier auf der Zuhörertribüne als auch im Foyer –, euch und Ihnen allen ein herzliches Will kommen hier im Landtag! Schön, dass ihr Leben in die Bude bringt! Danke schön!
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Debatte eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt. Wie
immer darf ich auch die Mitglieder der Landesregierung bit ten, sich an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.
Bezüglich der Kleiderordnung gilt das, was ich schon gestern gesagt habe: Sie können die Jacketts/Sakkos gern ablegen.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Wir erleben gerade, wie sich junge Menschen in ihre eigenen Angelegenheiten einmischen. „Wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“, heißt es regelmäßig bei den „Fridays for Future“. Die Zukunft unseres Planeten und unserer Lebensgrundlagen ist unmittelbar an die Frage gekoppelt, wie wir in Zukunft leben wollen.
Die Lebensform Demokratie ist historisch hart erkämpft. Für uns im Landtag geht es darum, wie wir mit unserer Jugend politik junge Menschen darin unterstützen, sich zu beteiligen, Interessen zu formulieren, aber auch aufeinander einzugehen und kooperativ nach Lösungen zu suchen – gründlich und fair statt ausgrenzend und populistisch.
Der Jugendlandtag bietet 125 jungen Menschen ein Forum, um sich in der Debatte untereinander und mit uns Abgeord neten in demokratische Aushandlungsprozesse einzubringen. Dafür herzlichen Dank an die Jugendlichen, aber auch an die Organisationsverantwortlichen, an die Landtagsverwaltung und an den Landesjugendring.
Ich habe beim Jugendlandtag große Leidenschaft und sach politische Kompetenz erlebt. Diese Jugendlichen haben sehr viel gelernt. Ich finde das vorbildlich.
Demokratie lernen geschieht in der Auseinandersetzung mit der Realität. Schule kann das nur begrenzt abbilden. Deshalb ist der Beitrag der außerschulischen Jugendarbeit für die De mokratiebildung unverzichtbar. Andererseits verbringen jun ge Menschen sehr viel Zeit in der Schule. Demokratie wird erlernt, indem sie erlebt wird – auch in der Schule. Das for derten die Jugendlichen auch erstmals beim Jugendlandtag 2017. Im Kultusministerium wird daher gerade an einer Leit
Einer der Preisträger beim Deutschen Schulpreis 2019 ist die Alemannenschule Wutöschingen. Nun haben wir in allen Schul arten sehr gute Schulen. Aber es freut mich natürlich – ange sichts der Anfeindungen im politischen Raum –, dass der ein zige Preisträger aus Baden-Württemberg eine Gemeinschafts schule ist.
Noch mehr freue ich mich allerdings über die Gründe für die Auszeichnung der Alemannenschule. Zum einen hat die Schu le gemeinsam mit anderen Schulen eine digitale Lernumge bung entwickelt. Dort werden die Inhalte vieler Fächer zum selbstständigen Lernen bereitgestellt und die Kommunikati onswege verlässlich abgebildet. Das stärkt die Digital- und Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler und ent spricht dem Wunsch nach zeitgemäßem Lernen, wie er auch hier im Jugendlandtag Thema war. Zum anderen hat die Ale mannenschule Wutöschingen den Lernprozess demokratisiert. Zuverlässig Lernende dürfen z. B. frei entscheiden, wo sie ler nen möchten – auch in der Gemeindebibliothek oder auf dem Bauernhof.
Dass Jugendbildung auch sehr viel außerhalb der Schule statt findet, greifen wir mit unserer Jugendpolitik aktiv auf. Wir setzen konsequent, Schritt für Schritt die Forderungen der Kampagne „Jugendarbeit ist MehrWert“ um. Wir haben jüngst die Tagessätze für Jugendleiterlehrgänge und -seminare von 9,20 € auf 14,20 € erhöht. Mit dem Doppelhaushalt 2020/2021 werden weitere Schritte folgen. Dafür setzt sich die grüne Fraktion mit Nachdruck ein.
Ein weiterer Schwerpunkt unserer Politik ist der Schutz vor Gewalt. Wir wollen im kommenden Haushalt Kinder- und Ju gendschutzeinrichtungen sowie die Hilfs- und Beratungsan gebote engagiert ausbauen. Schutz entsteht auch dadurch, dass sich Kinder und Jugendliche zu starken Persönlichkeiten ent wickeln, dass sie ihre Rechte kennen und wahrnehmen kön nen. Die landesweite Ombudschaft in der Kinder- und Jugend hilfe ist dafür ein Baustein.
Ein weiterer ist die Aufnahme von Kinderrechten in die Ver fassung. Dies haben wir im Landtag in der vergangenen Wahl periode erreicht. Im Bundestag fehlt es dafür leider noch an der nötigen Zweidrittelmehrheit.
Die Sachkompetenz hier beim Jugendlandtag und auch bei „Fridays for Future“-Demos ist beeindruckend. Es ist Zeit, da raus echte Beteiligungsrechte abzuleiten, z. B. mit einem Ju gendlandtag, der noch mehr Beteiligung und Austausch er möglicht – aber eben nicht nur. Es ist Zeit, dass Jugendliche ab 16 Jahren in den Gemeinderat gewählt werden können, und es ist Zeit, dass Jugendliche ab 16 Jahren an den Landtags wahlen teilnehmen dürfen.
Beides wollen wir Grünen, aber beides war mit unseren Ko alitionspartnern SPD und CDU bisher nicht möglich.
(Beifall der Abg. Daniel Rottmann und Stefan Räpp le AfD – Abg. Stefan Räpple AfD: Sehr gut! – Zuruf von der AfD: Gott sei Dank!)
Das sagte der Schweizer Schriftsteller Max Frisch. Wir freu en uns darüber, dass dies immer mehr Jugendliche wörtlich nehmen, und wir freuen uns darauf, mit ihnen gemeinsam für eine lebenswerte Zukunft zu streiten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen und vor allem liebe Jugendli che! Die Jugend zu beteiligen bedeutet, alle Menschen in das Gemeinwesen einzubinden, junge ebenso wie ältere.
So möchte ich zunächst die jugendpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion beteiligen und allen Grüße von ihr als frisch gebackene Mama ausrichten.
Die Jugendbeteiligung zeigt Wertschätzung gegenüber den jungen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land, führt die Jugendlichen an unsere parlamentarische Demokratie heran und lässt sie Verantwortung übernehmen. Gleichzeitig weist sie demokratiefeindlichen Populismus in die Grenzen. Kurz gesagt: Jugendbeteiligung ist gelebte Demokratie.
Allein aus diesem Grund ist Jugendbeteiligung so wichtig, und zwar auf den unterschiedlichen Ebenen. Sie beginnt vor Ort bei unseren Kommunen. 53 % der Kommunen BadenWürttembergs bieten Jugendbeteiligung an, was eine Studie der Landeszentrale für politische Bildung aus dem letzten Jahr belegt. Beachtlich hierbei ist, dass über 68 % der befragten Kommunen der Aussage zustimmen, dass Jugendbeteiligung die Bindung der Jugendlichen an ihren Wohnort stärkt, und mehr als die Hälfte die Ansicht vertreten, dass Jugendbeteili gung die Akzeptanz von kommunalpolitischen Entscheidun gen erhöht – ein weiterer wichtiger Grund für die Jugendbe teiligung vor Ort, aber auch im Land. Denn was kann für uns Abgeordnete wichtiger sein, als die Bindung an unser Länd le und die Akzeptanz unserer Entscheidungen zu stärken?