Protokoll der Sitzung vom 17.06.2020

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 121. Sitzung des 16. Landtags von Baden-Württemberg.

Von der Teilnahmepflicht befreit sind Frau Abg. Erikli, Herr Abg. Halder und Herr Abg. Maier.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich ganztägig Herr Ministerpräsident Kretschmann, Herr Minister Strobl und Frau Ministerin Sitzmann.

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen ver vielfältigt vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. Vielen Dank.

Im Eingang befinden sich:

1. Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 15. April 2020, Az.:

1 BvR 2771/18 – Verfassungsbeschwerde gegen § 23 b Absatz 2 des Polizeigesetzes über den Einsatz von sogenannten Staatstrojanern

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

2. Mitteilung der Landesregierung vom 25. Mai 2020 – Bericht der Lan

desregierung zu einem Beschluss des Landtags; hier: Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Staatshaushaltsplan von BadenWürttemberg für die Haushaltsjahre 2013 und 2014 – Abgeschlosse ne Verfahren im Schienenpersonennahverkehr – Drucksache 16/8202

Überweisung an den Ausschuss für Verkehr

3. Mitteilung der Landesregierung vom 26. Mai 2020 – Gemeinschafts

aufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) ; hier: Anmeldung des Landes zum Rahmenplan 2020 (mit Fortschreibung bis 2023)

Überweisung vorberatend an den Ausschuss für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und den Ausschuss für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft sowie federführend an den Ausschuss für Finan zen

Meine Damen und Herren, die heutige Sitzung findet an ei nem historischen Tag statt. Am 17. Juni 1953 kam es fast über all in der DDR zu Streiks und Demonstrationen. Die Demo kratiebewegung wurde gewaltsam niedergeschlagen.

Meine Damen und Herren, Gedenken macht sich nicht an run den Jubiläen fest. Sinn von Gedenken ist die Frage, welche Lehren wir aus unserer Geschichte ziehen. Die Erinnerung an

den 17. Juni ruft uns mehrere Säulen unseres Gemeinwesens ins Bewusstsein: Das Gewaltmonopol des Staates ist auch da zu da, friedliche Proteste zu ermöglichen und sie zu schützen. Ein demokratisches Staatswesen garantiert, dass alle Bürge rinnen und Bürger am Meinungsstreit teilnehmen können – nach klaren, für alle gleichermaßen geltenden Regeln.

Ein demokratisches Staatswesen hat dabei auch zu gewähr leisten, dass niemand Angst haben muss vor staatlicher Re pression. Der 17. Juni hat auf blutige Weise gezeigt, dass au toritäre Systeme Gesellschaften zerreißen. Als Demokratin nen und Demokraten sind wir daher immer gefordert, für Mei nungsfreiheit zu werben, aber auch dafür, klare Kante gegen über Kräften zu zeigen, die nach einem autoritären Umbau unserer offenen Gesellschaft streben.

(Beifall – Abg. Dr. Christina Baum AfD meldet sich.)

Frau Abg. Dr. Baum, möchten Sie zur Geschäftsordnung sprechen?

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Ja!)

Bitte.

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Die Würdigung dieses heutigen Tages er scheint mir nicht ausreichend.

(Vereinzelt Lachen)

Ich beziehe mich auf § 84 der Geschäftsordnung und beantra ge eine Gedenkminute zur Erinnerung an die Taten und Op fer der mutigen Männer und Frauen des Volksaufstands vom 17. Juni 1953.

(Vereinzelt Beifall)

Das begründe ich wie folgt: Der 17. Juni 1953 war und ist ein historischer Tag für Deutschland. Nicht einmal vier Jahre nach ihrer Gründung stand die DDR kurz vor ihrem Ende. Nur mit hilfe sowjetischer Panzer gelang es dem SED-Regime, einen Volksaufstand niederzuschlagen und damit Rufe nach freien Wahlen und der Wiedervereinigung Deutschlands zu ersti cken.

Hier unter uns befindet sich sogar ein Zeitzeuge. Es ist der ei gentliche Alterspräsident des Stuttgarter Landtags, KlausGünther Voigtmann. Er kann sich noch sehr genau an diesen Tag erinnern, als er als Achtjähriger mit den Erwachsenen durch die Straßen von Berlin in Richtung Stalinallee zog. Die Stimmung war aufgeheizt; eine schlechte Lebensmittelversor

gung, häufig kein Strom und die Erhöhung der Arbeitsnormen brachten das Fass zum Überlaufen.

Die große Unzufriedenheit im ganzen Land verschaffte sich Raum. Beginnend in Ostberlin weitete sich der Aufstand schnell zu einem Generalstreik und schließlich zum Volksaufstand aus. Zu Tausenden strömten die Menschen unter der Parole „Freie Wahlen“ auf die Straßen. In Ostberlin, Magdeburg, Halle und Leipzig fanden die mächtigsten der über 500 zeit gleich durchgeführten Demonstrationen statt –

(Unruhe)

alles ohne Handy. Wenn die Zeit reif ist und ein Gedanke sich formt, dann springt er über und ergreift die Massen. So war es schon immer in der Geschichte der Menschheit.

Bis 1990 war der 17. Juni deshalb in der Bundesrepublik Deutschland Gedenktag und Feiertag zugleich:

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Wollten Sie nicht zur Geschäftsordnung reden?)

unser Tag der Deutschen Einheit. 55 Todesopfer

(Zurufe)

sind durch Quellen belegt.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, Frau Abg. Dr. Baum hat das Wort. Sie hat fünf Minuten Zeit für die Begründung ihres Antrags.

(Zuruf)

Danke schön. – 55 Todesop fer sind durch Quellen belegt. Unser Gedenken gilt heute die sen Opfern und allen, die unter der Niederschlagung des Auf stands gelitten haben. Gleichzeitig war dieser Tag aber auch immer ein Tag der Hoffnung – der Hoffnung auf die Wieder vereinigung eines künstlich getrennten Volkes – und ein Tag der Freude und des Stolzes.

Der Aufstand gegen diese kommunistische Diktatur hatte ge zeigt, dass der Freiheitswille eines Volkes stärker ist als alle Repressalien einer tyrannischen Regierung. Auch wenn es nochmals 36 Jahre dauerte, in denen die Kommunisten über ein immer ausgefeilteres Regime der Denunziation, Bespitze lung und Einschüchterung ihr Volk in Unfreiheit und Unmün digkeit knechteten, so war die friedliche Revolution im Herbst 1989 die erfolgreiche Fortsetzung und letztendlich siegreiche Beendigung des damaligen Volksaufstands.

Auch deshalb sollte uns dieser Tag heute mehr denn je mit Stolz erfüllen und gleichzeitig die Politik ermahnen, auf die Stimme ihres Volkes zu hören. Denn die Macht eines Volkes ist stärker als jede Armee und fähig, alle Ketten der Demüti gung und Unterdrückung zu sprengen.

Die Abgeordneten der Alternative für Deutschland sehen sich als Volksvertreter diesem historischen Erbe verpflichtet.

(Vereinzelt Beifall)

Deshalb darf dieser wichtige Tag niemals in Vergessenheit ge raten. Wir wären gut beraten, den 17. Juni zukünftig wieder als nationalen Feiertag zu begehen.

Die Würdigung dieser mutigen Männer und Frauen, die in vol lem Bewusstsein ihrer Unterlegenheit gegenüber der sowjeti schen Besatzungsmacht mit dem eigenen Leben für Einigkeit und Recht und Freiheit der Deutschen eintraten, möchten wir heute nicht nur in Worten vollziehen. Lassen Sie uns daher gemeinsam im Landtag von Baden-Württemberg zur Erinne rung an diesen denkwürdigen 17. Juni und seine ostdeutschen Helden eine Gedenkminute abhalten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Herr Abg. Dr. Fiechtner, möch ten Sie zu diesem Antrag sprechen? – Okay. Jetzt hat Herr Abg. Dr. Fiechtner das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, Sonstige A bis Z! Ich beantrage aus gegebenem Anlass eine Gedenkminute für alle Opfer sozialistischer Gewaltherrschaft in aller Welt. Ich begründe wie folgt: