Meine Damen und Her ren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Einen wunderschönen guten Morgen! Ich eröffne die 27. Sitzung des 16. Landtags von Baden-Württemberg.
Krankgemeldet sind Herr Ministerpräsident Kretschmann, Herr Staatsminister Murawski und Herr Abg. Ernst Kopp.
Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich ganztägig Herr Minister Guido Wolf, ab ca. 14 Uhr Herr Minister Tho mas Strobl und ab ca. 14:10 Uhr Herr Minister Franz Unter steller. Ganztägig entschuldigt hat sich außerdem Frau Staats rätin Gisela Erler.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben heute zwei Geburtstagskinder in unseren Reihen. Im Namen des ganzes Hauses gratuliere ich Ihnen, lieber Herr Kollege Paal, sehr herzlich zu Ihrem runden Geburtstag und wünsche alles Gute. – 40 war er schon.
Auch Ihnen, lieber Herr Kollege Glück, gratuliere ich im Na men aller Kolleginnen und Kollegen sehr herzlich und wün sche alles Gute.
Liebe Kolleginnen, der Blumengruß, den Sie heute Morgen erhalten haben, stammt von der Frau Präsidentin und hat nichts mit den Geburtstagen zu tun.
Aktuelle Debatte – Türkischer Wahlkampf trifft auf deut schen Rechtsstaat – beantragt von der Fraktion der CDU
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je
Fraktion zur Verfügung. Ich darf die Mitglieder der Landes regierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Rede zeitrahmen zu halten.
Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen! „Gaggenau... hat Weltpolitik gemacht“, so stand es in der „Süddeutschen Zeitung“ – die Kollegin Felder lächelt –, nachdem die Stadt Gaggenau die Kundgebung mit dem türkischen Justizminister vergangenen Donnerstag untersagt hatte. Tatsächlich hat die Gaggenauer Stadtverwaltung aber in erster Linie eine Verwaltungsentschei dung getroffen, und sie hat dies so getan, wie es in Deutsch land und in Baden-Württemberg üblich und richtig ist – näm lich nach Recht und Gesetz, verantwortungsvoll, professio nell und vor allem politisch unabhängig.
Nicht politische Gründe waren für die Entscheidung aus schlaggebend. Es war vielmehr die Tatsache, dass der Veran stalter gegenüber der Stadt schlichtweg falsche Angaben ge macht hatte. Aus der ursprünglich angemeldeten Mitglieder versammlung einer lokalen Vereinsgliederung war nämlich auf einmal eine Großkundgebung geworden. Unter diesen Be dingungen sah die Stadt den geordneten Ablauf nicht mehr gewährleistet.
Es geht nicht, dass eine geschlossene Veranstaltung angemel det wird, dann aber auf einmal Generalkonsul, Botschafter, Minister auflaufen und dafür noch im Internet öffentlich ge worben wird. Wer meint, die Behörden täuschen zu können, der muss dann auch mit einem Verbot leben.
Das ist auch normales Verwaltungsgeschäft. Es ist selbstver ständlicher Teil unseres rechtsstaatlichen Verfahrensstandards, und vor allem gehört es zu unseren Spielregeln, die bei uns immer für alle gelten.
Die Empörung der türkischen Regierung ist daher aus unse rer Sicht völlig fehl am Platz. Ich will das ausdrücklich sagen. Wir stehen hier im Landtag voll hinter unseren baden-würt tembergischen Kommunen, wenn sie ihre Verantwortung nach sauberer Abwägung ausüben und Recht vollziehen. Wir las sen sie mit dieser schwierigen Spannungslage zwischen Ver waltungsverfahren und Außenpolitik nicht allein, und wir ver
urteilen jeden Versuch, unsere Behörden politisch unter Druck zu setzen oder gar einzuschüchtern, sogar mit Bombendro hungen. Das geht nicht. Deutschland ist ein Rechtsstaat.
Wir erwarten, dass dieser Rechtsstaat und seine Entscheidun gen respektiert werden – in Gaggenau, in Ankara und auch sonst überall in der Welt.
Selbstverständlich dürfen sich auch die hier lebenden türki schen Staatsangehörigen zu politischen Kundgebungen ver sammeln. Das steht nicht zur Diskussion, und das ist auch ge lebte Realität. Natürlich dürfen hier bei uns auch türkische Minister und ausländische Regierungsvertreter öffentlich auf treten und frei reden. Der türkische Präsident müsste das selbst am besten wissen, denn immerhin hat er 2008, 2014 und 2015 Kundgebungen, Wahlkampfauftritte in Deutschland abgehal ten, übrigens u. a. in Karlsruhe.
Dabei gibt es durchaus gute Argumente, übrigens auch über zeugende Rechtsprechung und Zeitungsartikel – das wissen Sie, wenn Sie gestern die FAZ gelesen haben –, die klar un terstreichen: Unsere Grundrechte sind kein Instrument für aus ländische Regierungsvertreter, hierzulande Politik zu machen. Es gibt in unserer Rechtsordnung keinen Anspruch für Politi ker anderer Staaten, auf deutschem Boden in öffentlichen Ver sammlungen Wahlwerbung zu machen.
(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der AfD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP: Warum machen sie es dann?)
Aber ich bin überzeugt, unsere Demokratie wird auch das aus halten; denn auch das macht unseren Rechts- und Verfassungs staat aus: Bei uns gilt Meinungsfreiheit, bei uns gilt Versamm lungsfreiheit, bei uns gilt Pressefreiheit. Es wäre schön, wenn wir von der Türkei und vor allem in der Türkei in Zukunft wieder sagen könnten, dass Demokratie und Pluralismus gel ten. Denn darum geht es in dieser Diskussion.
Ich sehe übrigens gar kein Problem, dass ein Volk in freier Selbstbestimmung von einem parlamentarischen System in eine präsidentielle Demokratie wechselt, solange dabei Grund rechte, Gewaltenteilung, Vorstellungen der Demokratie be achtet werden und gewahrt sind.
In der autoritären Türkei Erdogans sind aber schon heute vie le fundamentale Rechte und vor allem Grundfreiheiten be droht, wie wir den täglichen Veröffentlichungen entnehmen können.
Deshalb ist klar: Wenn die türkische Regierung die Wahlkam pagne nach Deutschland trägt, dann muss sie sich hier auch
eine kritische Diskussion gefallen lassen. Dazu gehört, dass hier in Deutschland unliebsame Journalisten nicht weggesperrt werden. Dazu gehört, dass in Deutschland Verwaltung und Justiz nicht per Machtspruch gesteuert werden. Dazu gehört auch ein zivilisierter politischer Diskurs, wie wir ihn als Demokraten pflegen und von unseren Partnern – übrigens in NATO und Europarat – auch erwarten dürfen.
Deshalb sage ich: Politische Provokationen, rhetorische Droh gebärden und auch Nazivergleiche weisen wir in aller Deut lichkeit zurück.
Auch der türkische Präsident und seine Anhänger werden es ertragen müssen, wenn wir sagen: Wer die Abwicklung der türkischen Demokratie betreibt, befördert und bejubelt, der steht nicht auf dem Boden unserer Werteordnung. Auch die se Feststellung erlauben wir uns in aller Freiheit gegenüber dieser Regierung auszudrücken.
Es ist, finde ich, übrigens besonders schade, wenn mit einer sol chen polternden Politik das gute Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei durch diese Vorgänge erheblich beschädigt wird. Ich finde, Erdogan schadet damit zuallererst seinem ei genen Land.
Wir haben heute Morgen die Bilder der Eröffnung der ITB Berlin gesehen. Im Tourismus in die Türkei sind die Früh bucherzahlen um 58 % zurückgegangen, schreibt heute Mor gen DIE WELT. 15 % des türkischen Bruttoinlandsprodukts sind allein dem Tourismus zu verdanken. Deutschland ist der größte Handelspartner der Türkei. Die türkische Lira hat um mehr als 20 % an Wert verloren.
Die Konflikte, die derzeit vom Zaun gebrochen werden, fin de ich, bringen vor allem der Türkei nur Nachteile. Das ist schade.
Das kann auch nicht im Sinne der drei Millionen Menschen türkischer Herkunft sein, die hier bei uns in Deutschland le ben.
Ich möchte einen weiteren Aspekt, einen Aspekt aus unserem Koalitionsvertrag, ansprechen. Wir tun alles für die Integrati on, wie wir das im Koalitionsvertrag festgelegt haben. Wir wollen keine Parallelgesellschaften. Gerade die jetzige Poli tik der Spaltung aus Ankara verhindert Integration, schafft Misstrauen und führt zu Entfremdung.
Deshalb möchte ich zum Schluss noch einen weiteren Aspekt ansprechen. Denn tatsächlich geht es um noch etwas: Erdo gan will nach innen und nach außen deutlich machen, wie weit sein Arm reicht. Er will unverhohlen zeigen, dass er auch hier in Deutschland die Massen in Bewegung bringt. Es geht um die gezielte expansive Einflusspolitik des türkischen Regimes auch hier bei uns. Es geht um den Machtanspruch einer Tür kei, die sich unter Erdogan „auf dem Weg in die Demokratur“ befindet, wie es der Journalist Baverez in der WELT geschrie ben hat.