Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 73. Sitzung des 16. Landtags von Baden-Württemberg.

Von der Teilnahmepflicht befreit sind Frau Abg. Braun, Herr Abg. Dr. Grimmer, Herr Abg. Hahn und Frau Abg. Rolland.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich ab 15 Uhr Frau Ministerin Sitzmann, ab 16 Uhr Herr Ministerpräsident Kretschmann sowie Herr Minister Hauk. Außerdem ist Herr Abg. Josef Frey aus dienstlichen Gründen entschuldigt.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Er ist wieder da!)

Meine Damen und Herren, nun komme ich zur Verabschie dung unseres Kollegen Herrn Abg. Dr. Aden, der mit Ablauf des 12. November 2018 sein Landtagsmandat niederlegt.

Lieber Herr Dr. Aden, Sie gehörten dem Landtag seit dem 4. April 2016 an. Sie waren Mitglied im Ausschuss für Finan zen sowie im Ausschuss für Europa und Internationales.

Für Ihre Fraktion waren Sie Sprecher für Finanzpolitik und – als Oberstarzt der Reserve a. D. – auch prädestiniert für das Amt des Sprechers für Bundeswehrangelegenheiten.

Ich erinnere mich gut an einen gemeinsamen Termin beim Bundeswehrverband. Sie erschienen in Uniform, und ich muss ehrlich gestehen: Ich habe Sie in dem ungewohnten Outfit erst auf den zweiten Blick erkannt. Diese Episode ist aber sinn bildlich dafür, dass es für Sie immer auch ein Leben außer halb der Politik gegeben hat, und Sie strahlen das auch aus.

Auf der anderen Seite hat Ihre Tätigkeit als Augenarzt in Rott weil Ihnen den Einstieg in die Politik sicher auch erleichtert. Sie haben sich dadurch in der lokalen Gesellschaft verankert, und die Schwarzwälder haben bei der Wahl dem bekennen den Nordlicht ihr Vertrauen geschenkt.

In unseren Begegnungen habe ich Sie außerdem als Gentle man der alten Schule kennengelernt. Dafür sage ich Ihnen ganz persönlich Danke.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen – Oh-Ru fe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Herrn Abg. Dr. Aden verliert der Landtag einen Politiker, der sich innerhalb kurzer Zeit in viele Politikbereiche eingearbeitet und seine langjäh rigen kommunalpolitischen Erfahrungen eingebracht hat.

Im Namen des Hohen Hauses danke ich Ihnen, sehr geehrter Herr Abg. Dr. Aden, sehr herzlich für Ihre Tätigkeit als Abge

ordneter. Für Ihre Zukunft wünsche ich Ihnen alles erdenklich Gute und vor allem Gesundheit. Alles Gute!

(Die Abgeordneten und die Regierungsvertreter er heben sich von ihren Plätzen und spenden stehend Beifall.)

Den Nachfolger von Herrn Dr. Aden, Herrn Daniel Karrais, werde ich in der Plenarsitzung am 21. November 2018 begrü ßen. Er hat zwischenzeitlich erklärt, dass er die Wahl für den 16. Landtag von Baden-Württemberg angenommen hat. Herr Karrais wird am 13. November 2018 das Mandat von Herrn Dr. Aden übernehmen.

Meine Damen und Herren, auf Ihren Tischen finden Sie einen Vorschlag der Fraktion der AfD für Umbesetzungen im Prä sidium (Anlage 1) und einen Vorschlag der Fraktion der FDP/ DVP für Umbesetzungen in verschiedenen Ausschüssen (An lage 2). – Ich stelle fest, dass Sie den vorgeschlagenen Um besetzungen zustimmen. Vielen Dank.

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen ebenfalls vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. Auch dafür Danke.

Im Eingang befinden sich:

1. Mitteilung des Ministeriums der Justiz und für Europa vom 23. Ok

tober 2018 – Bericht über aktuelle europapolitische Themen – Druck sache 16/5072

Überweisung an den Ausschuss für Europa und Internationales

2. Mitteilung des Rechnungshofs vom 9. Oktober 2018 – Prüfung der

Bavaria Studios & Production Services GmbH mit Tochtergesell schaften – Drucksache 16/4928

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

Nun treten wir in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Zukunftstechnologie Künstliche Intel ligenz – Chancen und Perspektiven für den Wirtschafts standort Baden-Württemberg – beantragt von der Frak tion der CDU

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt.

(Präsidentin Muhterem Aras)

Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung. Ich darf die Mitglieder der Landes regierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Rede zeitrahmen zu halten.

Schließlich darf ich wie immer auf § 60 Absatz 4 unserer Ge schäftsordnung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.

Für die CDU-Fraktion erteile ich nun das Wort Herrn Frak tionsvorsitzenden Dr. Reinhart.

Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Albert Schweitzer hat ein mal sinngemäß gesagt: Die Zukunft ist die Zeit, in der wir le ben. Das, was wir heute besprechen, ist eine der wichtigsten Zukunftstechnologien unserer Zeit überhaupt. Wir schlagen damit ein neues Kapitel auf.

Im vergangenen Jahr traten in Pittsburgh vier der weltbesten Pokerprofis zu einem dreiwöchigen Turnier gegen eine neue Software an. In den ersten Partien konnten die menschlichen Spieler noch mit der künstlichen Intelligenz mithalten. Am Ende aber hatten sie keine Chance mehr, denn die Software lernte ständig dazu, stellte sich auf die Gegner ein und ver besserte sich permanent. Fachleute feierten den Sieg der Po kermaschine als Meilenstein für die sogenannte künstliche In telligenz.

Was auf den ersten Blick vielleicht wie eine amüsante Spie lerei wirkt, ist nichts anderes als der Zukunftstrend schlecht hin. Analysten schätzen: Spätestens in fünf Jahren ist künst liche Intelligenz technologischer Mainstream, und KI-Syste me versprechen Milliardenumsätze und Zuwachsraten von bis zu 60 % pro Jahr. In Deutschland können wir für die nächs ten fünf Jahre mit zusätzlichen Wertschöpfungspotenzialen von weit über 30 Milliarden € allein im verarbeitenden Ge werbe rechnen. Deshalb ist auch für uns, die CDU-Fraktion, klar: Das Hightechland Baden-Württemberg will und muss diese Entwicklung mit anführen. Wir wollen, dass unser Land zum Topstandort für KI wird.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Baden-Württemberg ist die Innovationsregion Nummer 1. Die Regierungsmitglieder haben dies gestern auch in der Landes pressekonferenz unterstrichen und betont, was das Land hier alles unternimmt. Die Technologie in den Bereichen Maschi nelles Lernen, Robotik oder auch „Computer Vision“ entwi ckelt sich mittlerweile atemberaubend schnell. Sie wirft auch neue Fragen auf, und zwar technologisch, ökonomisch, ethisch, auch juristisch, und sie dringt in immer mehr Anwendungs bereiche vor und sorgt damit für gewaltige Innovationssprün ge, egal, ob in der Autoindustrie, im Maschinenbau, in der Medizin oder auch im Handel.

Künstliche Intelligenz prägt schon heute viele Produkte und vor allem ganze Industrien. Eine Werkzeugmaschine ohne selbstlernende Funktionen oder ein Auto ohne intelligente As sistenzsysteme kauft niemand mehr. Es geht hier nicht um ir gendeine Innovation, es geht um eine Basisinnovation, die un sere Wirtschaft und unser Leben insgesamt nachhaltig verän dert, aber auch verbessern kann. Daher ist sie für uns auch po

litisch ganz klar das strategische Zukunftsfeld, auf das wir zu sammen mit der Landesregierung gezielt setzen und das wir vor allem aktiv gestalten wollen.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Dabei sind wir im Maschinenbau oder auch beim autonomen Fahren gut aufgestellt. Dort sind baden-württembergische Un ternehmen beim Einsatz künstlicher Intelligenz bereits Vor reiter. Ich nenne Bosch; die haben mittlerweile allein 300 Mil lionen € in die KI-Forschung investiert, und damit sind sie weltweit vorn mit dabei. Tübingen gilt rund um den Globus als einer der zehn besten Forschungsstandorte für maschinel les Lernen.

Deshalb muss es uns darum gehen, gerade unsere typischen baden-württembergischen Stärken in der Produktion auch he rausragender Hardware nun auch systematisch mit intelligen ter Software zu verbinden. Dann sind wir – und das müssen wir sein – auf Augenhöhe mit China oder auch mit dem Sili con Valley in den USA. Gerade in diesem hochdynamischen Bereich würde jeder Stillstand Rückschritt bedeuten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Die Wirtschaftsministerin hat gestern auf die wichtigen Zah len hingewiesen. Sie hat dargelegt: Bei KI werden 48 % in Start-ups in China und 38 % in Start-ups in den USA inves tiert, aber nur 14 % im Rest der Welt. Allein diese Zahlen zei gen, dass sich die Zukunft in dieser Frage bipolar oder tripo lar entwickeln wird, das heißt: Asien, Amerika – oder Asien, Amerika und Europa und damit auch Deutschland und BadenWürttemberg.

Stillstand ist im Übrigen nicht Stillstand. Der Ruderer auf dem Fluss hat, wenn er die Ruder aus der Hand legt, nicht mal Still stand, sondern er wird abgetrieben. Deshalb wird es darum gehen, dass wir in einer solchen Schlüsseltechnologie alles unternehmen und auch investieren, um vorn dran zu bleiben, und deshalb war es gut und richtig, dass diese Landesregie rung mit vorausgegangen ist. Wir haben in der Haushaltsstruk turkommission eine dreistellige Millionensumme sozusagen als Ermächtigung vorgesehen, dass dort investiert werden kann. Das ist Investition in die Zukunft, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Das Rennen um die Plätze an der Spitze ist hart. Wir müssen alles dafür tun, dass die Talente, das Know-how und auch die Wertschöpfung hier bei uns im Land bleiben. Das ist uns ein Herzensanliegen.

Mit dem Cyber Valley haben wir im Bereich KI einen wirklich einmaligen Leuchtturm, mittlerweile mit weltweiter Strahl kraft. Schon jetzt ist das Cyber Valley ein Erfolg. „Wie Tübin gen dem Silicon Valley Konkurrenz macht“ war die Schlag zeile an diesem Montag in der FAZ. Sie werden es gelesen ha ben: Hier entstehen neue Forschungszentren, etwa von Ama zon; hierher kommen die Investoren; hierher zieht es mittler weile die besten Köpfe – die Wissenschaftsministerin hat da rauf hingewiesen. Ich finde, das ist wichtig als Blick in die Zukunft. Hierauf wird es ankommen, und das muss uns auch in Zukunft wichtig sein.

Der Wechsel etwa des KI-Forschers Professor Matthias Hein von Saarbrücken auf die Bosch-Forschungsprofessur in Tü bingen ist, finde ich, ein spektakulärer Berufungserfolg, auch für dieses Cyber Valley. Dies unterstreicht: Hier entsteht vor unseren Augen ein internationaler Hotspot für KI-Entwick lung, aber auch für Technologietransfer. Dieser Forschungs verbund, zu dem das Max-Planck-Institut, die Universitäten in Stuttgart und Tübingen, mehrere Stiftungen, die Wirtschaft und auch das Land Baden-Württemberg gehören, ist sicher lich ein kluger Verbund. Deshalb wollen wir dieses Land noch besser positionieren.

Wir haben uns auf Bundesebene dafür starkgemacht, dass Ba den-Württemberg im künftigen deutsch-französischen KINetzwerk eine wichtige Rolle spielt. Das ist der Grund, wes halb wir im Nachtragshaushalt verankern wollen, dafür bis zu 100 Millionen € als Kofinanzierung des Landes gegenüber dem Bund anzubieten. Insgesamt stehen 165 Millionen € be reit. Damit stehen wir gut vorbereitet im Startblock für diese KI-Strategie des Bundes, die ja in einigen Tagen – deshalb diese Aktuelle Debatte; aktueller geht es gar nicht – vorge stellt werden soll.