Protokoll der Sitzung vom 13.07.2016

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 9. Sitzung des 16. Landtags von Baden-Württem berg.

Urlaub für heute habe ich Herrn Abg. Paul Nemeth, Herrn Abg. Dr. Nils Schmid und Herrn Abg. Jürgen Walter erteilt.

Krankgemeldet sind Herr Abg. Dr. Rainer Balzer und Herr Abg. Thomas Axel Palka.

Meine Damen und Herren, wir haben heute ein Geburtstags kind in unseren Reihen. Im Namen des ganzen Hauses gratu liere ich Ihnen, lieber Herr Kollege Wilhelm Halder, sehr herz lich zum Geburtstag und wünsche Ihnen alles Gute.

(Beifall bei allen Fraktionen und den fraktionslosen Abgeordneten)

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überwei sungsvorschlägen zu.

Im Eingang befinden sich:

1. Antrag der Landesregierung vom 5. Juli 2016 – Zugehörigkeit von

Mitgliedern der Landesregierung zu Organen wirtschaftlicher Unter nehmen – Drucksache 16/274

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

2. Antrag der Landesregierung vom 12. Juli 2016 – Zugehörigkeit von

Mitgliedern der Landesregierung zu Organen wirtschaftlicher Unter nehmen – Drucksache 16/307

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

Meine Damen und Herren, die Fraktion der AfD hat mir mit geteilt, dass Herr Abg. Dr. Wolfgang Gedeon aus der Frakti on der AfD ausgetreten ist. Somit hat Herr Abg. Dr. Gedeon jetzt den Status eines fraktionslosen Abgeordneten.

(Zuruf von der FDP/DVP: Bravo!)

Weiter haben folgende Abgeordnete ihren Austritt aus der Fraktion der AfD erklärt: Dr. Jörg Meuthen, Dr. Rainer Bal zer, Anton Baron, Lars Patrick Berg, Dr. Heinrich Fiechtner, Stefan Herre, Dr. Heinrich Kuhn, Claudia Martin, Thomas Axel Palka, Dr. Rainer Podeswa, Daniel Rottmann, Udo Stein, Klaus-Günther Voigtmann und Carola Wolle.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Es wäre ein facher, die vorzulesen, die noch in der Fraktion sind!)

Herr Abg. Dr. Jörg Meuthen hat mitgeteilt, dass er mit den oben genannten 13 Abgeordneten eine neue Fraktion gegrün det habe, die Alternative für Baden-Württemberg (ABW).

(Vereinzelt Heiterkeit)

Das Präsidium hat gestern Abend festgelegt, dass dem Zusam menschluss von 14 aus der AfD-Fraktion ausgetretenen Ab geordneten bis zur Entscheidung, ob die Bildung einer neuen Fraktion rechtlich zulässig ist, Redezeiten analog einer Frak tion zugestanden werden.

Wir treten nun in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Nach der Spaltung der AfD-Fraktion – für einen Parlamentarismus der Verantwortung – bean tragt von der Fraktion der CDU

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 60 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion und zehn Minuten für den Zusammenschluss frakti onsloser Abgeordneter zur Verfügung. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebe nen Redezeitrahmen zu halten.

Schließlich darf ich auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Fraktions vorsitzendem Dr. Reinhart.

Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Demokratie ist ein sehr hohes Gut, und der Landtag von Baden-Württemberg ist ein wichtiges Verfassungsorgan. Er ist die gesetzgebende Ge walt im Staat, er vertritt das souveräne Volk in diesem Land, und er ist Träger der demokratischen Kultur und Kerninstitu tion der republikanischen Ordnung.

Deshalb ist dieser Landtag sicher nicht der richtige Ort für die Hahnenkämpfe einiger AfD-Funktionäre.

(Beifall bei der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP/DVP)

Ich füge hinzu: Er ist auch kein Sandkasten für Machtspiele, z. B. wenn Frau Petry nach Stuttgart kommt und Hausverbot erteilt bekommen soll.

Ein Mandat in diesem Hohen Haus bedeutet Verpflichtung und Verantwortung. Es ist deshalb auch kein Stipendium für streit süchtige Politakteure. Die AfD-Fraktion ist hier eingezogen mit der Attitüde, dieses Parlament und die Politik insgesamt aufzumischen. Sie hat ganz bewusst die Systemopposition ge geben, die Provokation zur Methode gemacht und mit dem Feuer des Populismus gespielt. Daran hat sie sich jetzt die Fin ger verbrannt.

Das Projekt AfD ist politisch und – das füge ich hinzu – aus heutiger Sicht auch moralisch gescheitert.

(Lachen des Abg. Udo Stein [fraktionslos])

Denn es hat den Ungeist der Spaltung beschworen und sich darüber selbst gespalten.

(Beifall bei der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP/DVP)

Ihre Fraktion ist daran zerbrochen, dass sie es am Ende nicht geschafft hat, sich von klar antisemitischen Thesen brauchbar abzugrenzen. Den demokratischen Minimalkonsens zu res pektieren ist für viele in dieser Partei offenbar schon eine un erträgliche Zumutung. Tatsächlich hätten Sie – wenn Sie ein mal überlegen, wie man das hätte verhindern können – Herrn Gedeon gar nicht erst in die Partei aufnehmen und schon gar nicht zur Wahl aufstellen dürfen. Da liegt im Grunde genom men der Kern.

(Beifall bei der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP/DVP)

Deshalb zeigt der jetzige Vorgang: Populismus und Provoka tion sind noch lange kein politisches Konzept. Es ist eine Sa che, Politikerschelte von der Couch zu betreiben, aber eine ganz andere, plötzlich selbst politische Verantwortung zu tra gen. Hier im Parlament ist es mit ein paar gut gepflegten Vor urteilen eben nicht getan.

Meine Damen und Herren von der AfD, Demokratie ist ein anstrengendes Geschäft, und Parlamentarier sein heißt vor al lem auch, Themen zu erarbeiten, Standpunkte zu hinterfragen, Argumente zu wägen und Kompromisse zu suchen. Das ist bisher in Ihrer Welt hier im Parlament überhaupt nicht vorge sehen. Wir haben es zumindest nicht erlebt.

(Beifall bei der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP/DVP)

Sie denken Politik immer noch in einem schlichten FreundFeind-Verhältnis und -Schema – auch in der eigenen Partei. Das bringt uns hier nicht weiter. Sie sind deshalb keine Alter native für Deutschland, auch keine Alternative für BadenWürttemberg; das haben wir heute als neuen Begriff gehört.

(Beifall bei der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP/DVP)

Herr Meuthen, Sie haben in der vorletzten Plenarsitzung in der „Brexit“-Debatte gegen eine angebliche EU-Elite polemi

siert, die – Zitat – „wie die Made im Speck“ von Steuergel dern lebe. Und jetzt leisten Sie sich hier auf Kosten der Steu erzahler einen bizarren Selbstfindungstrip nach dem Motto: Wer bin ich und, wenn ja, wie viele?

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP/DVP)

In Wahrheit lassen Sie sich momentan alimentieren, um zu obstruieren. Keine einzige Fraktionsinitiative bisher! Inhalt liche Arbeit bisher Fehlanzeige! Haben Sie sich eigentlich ein mal gefragt, wie das auf Ihre Wähler wirken muss? Sie miss brauchen im Moment den Landtag, Ihre Mandate für Ihre Richtungs- und Grabenkämpfe und als Schauplatz für einen Stellvertreterkrieg auch in der Bundespartei. Hier geht es tat sächlich um nichts weniger – das will ich schon betonen – als um die Würde und das Ansehen unseres Parlaments hier in Stuttgart.

(Beifall bei der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP/DVP)

Sie deuten die Kabalen der AfD jetzt als – wörtlich – „Häu tung“ Ihrer jungen Partei, habe ich gelesen. Im selben Atem zug werben Sie aber um Überläufer just aus der gleichen Gruppe derer, die sich gerade nicht von Abg. Gedeon und sei nen Schriften distanzieren wollen. Das ist ein Widerspruch. So kann das nicht gehen.

Im Übrigen: In der Partei sind Sie alle noch zusammen. Sie sind Vorsitzender. Sie, Frau Baum, aus der anderen Gruppe sind Stellvertreterin. Was gilt denn nun? Haben Sie sich ge trennt, haben Sie sich gespalten, haben Sie sich abgegrenzt oder nicht?

(Beifall bei der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP/DVP)

Deshalb wird es nicht so einfach gehen. So, wie Sie es versu chen, lösen Sie das Antisemitismusproblem in Ihrer Partei nicht.