Protokoll der Sitzung vom 13.07.2016

Deshalb wird es nicht so einfach gehen. So, wie Sie es versu chen, lösen Sie das Antisemitismusproblem in Ihrer Partei nicht.

Mit Ihrem Bild haben Sie sich mit den frühen Grünen vergli chen. Wir haben hier Rezzo Schlauch, Fritz Kuhn, Dieter Sa lomon und Winfried Kretschmann als Fraktionsvorsitzende erlebt. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Wir haben dort im mer um die Sache gekämpft und parlamentarischen Diskurs geführt. Im Grunde genommen ging es darum, dass wir vor allem um politische Lösungen gerungen haben. Ihnen geht es nur um Protest und Ressentiments.

Ich will Ihnen sagen: Sie haben all unsere Parteien hier als Kartellparteien beschimpft. Aber in all diesen Parteien wird für etwas gekämpft. Sie sind im Moment aber nur hier, um ge gen etwas zu sein. So kann man keine Politik machen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der Grünen und der SPD)

Mit diesen Querelen wird auch unsere Arbeit im Landtag blo ckiert. Wir sind im Moment nicht voll arbeitsfähig wegen all der Beschäftigungen, die wir damit haben.

(Vereinzelt Beifall)

Eine Landtagsfraktion ist keine Skatrunde. Man kann sie nicht willkürlich teilen, neu gründen und wieder fusionieren, wie es einem gerade passt. Fraktionen haben eine eigene verfas sungsrechtliche Stellung. Hierbei geht es um ernsthafte Fra gen der Staatsorganisation. Deshalb werden wir das Gesche hen so nicht zulassen. Die Konsequenzen für das Parlament müssen streng am Maßstab von Recht und Verfassung geklärt werden.

Dies gilt für alle Rechtsfragen: Kann es überhaupt zwei Frak tionen aus einer Partei geben? Was hieße das für die Arbeit des Parlaments? Welche finanziellen Ansprüche folgen da raus? Wir werden Sie fair und respektvoll behandeln. Gestern haben wir im Präsidium beschlossen, die Fragen rechtlich und auch gutachterlich zu klären.

Aber schon war zu lesen, dass AfD-Vertreter jetzt darüber spe kulieren, ob es nicht sogar ein Vorteil sei, wenn in Zukunft zwei Fraktionen von der AfD im Landtag sitzen. So war es in einem Interview mit Herrn Grimmer zu lesen. Immerhin könn te man dann zusammen ja mehr Redezeit, mehr Posten und mehr Geld ergattern.

Stellen Sie sich vor, die CDU-Fraktion würde das machen. Wir sind 42 Abgeordnete. Wenn ich richtig rechne, könnten wir sieben Fraktionen stellen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ihr hättet aber keine sieben Fraktionsvorsitzenden! – Heiterkeit – Verein zelt Beifall)

Das würde den Landtag lahmlegen.

Ich will Ihnen sagen: Eine solche Taktik des offenen Miss brauchs werden wir nicht mitmachen. Die Menschen erwar ten zu Recht, dass ihre gewählten Vertreter ihre Arbeit ma chen. Deshalb rufe ich Ihren Wählern zu: Sie sind bei dieser Partei nicht gut aufgehoben. Sie sehen, wohin der Populismus führt. Insofern geht es hier um eine Politik der Verantwortung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzendem Schwarz.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! In den letzten Tagen und Wochen mussten wir Zeugen eines denkwürdigen Schmierentheaters werden. Wir haben erlebt, wie eine neu aufkommende politi sche Gruppierung in den Landtag gewählt wurde, vermeint lich mit dem Anspruch, eine neue Alternative für Baden-Würt temberg zu sein.

Nur wenige Wochen nach der Landtagswahl müssen wir fest stellen: Rechtspopulisten sind politikunfähig, liebe Kollegin nen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP/DVP sowie Abgeordneten der SPD)

Die AfD zeigt keinerlei Verantwortung gegenüber den BadenWürttembergerinnen und Baden-Württembergern sowie un serer Werteordnung und unserer Verfassung. Sie hat einen

Kandidaten aufgestellt, der sich weit außerhalb unserer Wer teordnung bewegt. Trotz der öffentlichen Debatte, die wir in den letzten Wochen geführt haben, hat sie es nicht geschafft, sich klar genug von diesen rechten und antisemitischen Ge danken zu distanzieren.

Stattdessen zeigt die AfD ein Politikverständnis, das einen an den Denver-Clan erinnert. Wir haben es mit Intrigen sowie überraschenden und aggressiven Voten vor laufenden Kame ras zu tun.

Es geht schon längst nicht mehr nur um den Antisemitismus innerhalb der AfD. Die Fraktionsspaltung ist Ausdruck eines Machtkampfs in der AfD-Bundespartei. Ich kann heute fest stellen: Die AfD ist in sich zerfallen.

Nun soll es zwei Fraktionen der AfD im Landtag geben. Ob das überhaupt rechtlich zulässig ist, muss geprüft werden. Fraktionen sind wesentliche Gliederungen des Parlaments. Sie haben Entlastungs-, Lenkungs- und Gestaltungsaufgaben. Die Fraktionen sind unentbehrlich für die Erledigung des Parla mentsgeschäfts. Sie unterstützen uns Abgeordnete. Sie verlei hen den Abgeordneten mehr Schlagkraft. Herr Kollege Meu then, Fraktionen sind aber kein Spielball, um eigene taktische Machtinteressen im Landtag durchzusetzen.

(Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP/DVP sowie Abgeordneten der SPD)

Heute stellt sich die Rechtsfrage, ob die aus der AfD-Frakti on ausgetretenen Abgeordneten überhaupt eine neue Fraktion bilden können, ob sie diese überhaupt bilden dürfen. Denn der Grund, den sie vorgeben, die Meinungsverschiedenheit zwi schen ausgetretenen Abgeordneten und Abg. Gedeon, ist doch weggefallen. Herr Gedeon ist aus der AfD-Fraktion ausgetre ten. Herr Meuthen, dieses Argument zählt nicht mehr. Dieses Argument ist für die Bildung einer neuen Fraktion weggefal len.

Erschwerend kommt dazu, dass sowohl Sie, Herr Meuthen, als auch Herr Grimmer und alle anderen bekunden: „Wir wol len weiterhin Mitglied der Partei AfD bleiben.“ Sie bekunden: „Wir wollen weiter zusammenarbeiten.“

In meinen Augen ist es in hohem Maß fraglich, ob dieser Zu sammenschluss der aus der AfD-Fraktion ausgetretenen Ab geordneten überhaupt im Rechtssinne eine neue Fraktion bil den kann.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Ich kann Sie nur auffordern: Missbrauchen Sie den Landtag nicht weiterhin für Ihre innerparteilichen Auseinandersetzun gen und Ihre taktischen Spielchen!

Ich bin der Landtagspräsidentin sehr dankbar, dass sie um sichtig reagiert und sehr zügig angekündigt hat, mit einem ver fassungsrechtlichen Gutachten dieser Frage nachzugehen. Es ist gut, dass sich drei renommierte Verfassungsrechtler mit dieser Frage beschäftigen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, für dieses unrühmliche Schauspiel, das wir in den letzten Wo chen nachvollziehen mussten, missbraucht die AfD den Land

tag von Baden-Württemberg. Dieser Ort, an dem wir für das Gemeinwohl der Baden-Württemberginnen und Baden-Würt temberger streiten wollen, dient momentan vorrangig der in nerparteilichen Auseinandersetzung der AfD.

Aber immerhin – auch das lehrt uns dieser Vorgang –: Rechtspopulisten predigen Verachtung, sie bieten keine Lö sung. Rechtspopulisten verunsichern die Menschen, sie wol len die Gesellschaft spalten; das verhindert sachliche Diskus sionen. Im Grunde haben die Rechtspopulisten sich selbst ge spalten, wie man an Ihnen sehr gut erkennen kann.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Diese politische Unkultur, die Sie vorführen, macht doch ei nes deutlich: Die AfD ist demokratieunfähig und im Grunde auch politikunfähig, meine Damen und Herren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus unserer Sicht muss es das oberste Ziel der Landespolitik sein, Baden-Württemberg jeden Tag ein bisschen besser zu machen. Dafür müssen wir die großen Herausforderungen, die vor uns stehen, angehen. Diese Herausforderungen sind gewaltig. Es geht um die Chan cen der Digitalisierung, die wir nutzen wollen. Es geht um sich rapide wandelnde Arbeitsbedingungen, neue Anforderun gen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auf die wir uns einstellen müssen. Es geht uns um den Klimawandel, der uns jeden Tag aufs Neue herausfordert. Auch mit der Migrations bewegung müssen wir uns auseinandersetzen. Wir müssen der Frage nachgehen, wie wir das künftige Zusammenleben in un serem Land gestalten wollen. Es geht zuletzt um die Frage, wie wir als Abgeordnete in diesen bewegten Zeiten unserer besonderen Pflicht nachkommen, den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu schützen, zu bewahren und zu för dern, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Um diese Herausforderungen zu meistern, müssen alle poli tischen Kräfte im Landtag in der Lage sein, auf der Basis un seres Wertefundaments um die bestmöglichen Antworten auf diese Herausforderungen zu ringen. Wir brauchen eine sach orientierte Parlamentsarbeit. Wir brauchen faire Debatten im Parlament. Nicht erst seit der Spaltung in Gruppierungen lässt die AfD in dieser Frage ihre Sachkenntnis missen. Statt zum Zusammenhalt beizutragen, spalten die Abgeordneten der AfD durch Polemiken und Provokationen.

Unser Ziel ist es, eine verantwortungsvolle und verlässliche Politik in diesem Land zu machen. Wir brauchen einen star ken Landtag mit arbeitsfähigen Fraktionen sowie klaren und verlässlichen Arbeitsstrukturen.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Wir sind vom Volk gewählt, um Verantwortung für das Ge meinwohl zu übernehmen – nicht, um innerparteiliche Strei tigkeiten in diesem Hohen Haus auszutragen.

Herr Meuthen, ich fordere Sie auf: Beenden Sie dieses unwür dige Schauspiel!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Unruhe)

Werfen Sie keinen Sand ins Getriebe! Schaden Sie nicht dem Landtag von Baden-Württemberg! Leisten Sie eine verant

wortungsvolle Parlamentsarbeit für die Menschen in unserem Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD und der FDP/DVP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Stoch das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Wir leben in einem Land, in Baden-Würt temberg, das in den letzten 70 Jahren, nach dem Zweiten Welt krieg, so denke ich, eine beispiellose Erfolgsgeschichte auch und gerade der Demokratie ist.

Die Generation nach dem Krieg hat es geschafft, auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs eine Gesellschaft aufzu bauen, in der Freiheit, Wohlstand, Toleranz und ein gelingen des Miteinander ein selbstverständliches Gut sind.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, einer der Gründe, warum es gelungen ist, auf diesen Trümmern die Demokratie aufzu bauen, ist die parlamentarische Demokratie. Es ist unseren Vorgängern in diesem Parlament gelungen – bei allen Fragen, die sich an politische Systeme und an die Demokratie stellen –, dieses System und diese Gesellschaft auf eine stabile Grundlage zu stellen. Wir können dankbar dafür sein, dass die parlamentarische Demokratie in Deutschland und in BadenWürttemberg ein Garant für gesellschaftlichen Frieden ist, lie be Kolleginnen und liebe Kollegen.