Protokoll der Sitzung vom 13.07.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, einer der Gründe, warum es gelungen ist, auf diesen Trümmern die Demokratie aufzu bauen, ist die parlamentarische Demokratie. Es ist unseren Vorgängern in diesem Parlament gelungen – bei allen Fragen, die sich an politische Systeme und an die Demokratie stellen –, dieses System und diese Gesellschaft auf eine stabile Grundlage zu stellen. Wir können dankbar dafür sein, dass die parlamentarische Demokratie in Deutschland und in BadenWürttemberg ein Garant für gesellschaftlichen Frieden ist, lie be Kolleginnen und liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD, den Grünen, der CDU und der FDP/DVP)

Diese Demokratie, diese parlamentarische Demokratie wird von immer mehr Menschen, die als Rechtspopulisten in Er scheinung treten, schlechtgeredet. Diese parlamentarische De mokratie wird von Menschen in Zweifel gezogen, die bisher nicht dazu beigetragen haben, den parlamentarischen, den de mokratischen Prozess weiterzubringen, die es nicht geschafft haben, diesem Deutschland, dieser baden-württembergischen Gesellschaft ein Gesicht zu geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer wie die AfD im Wahlkampf Häme hinsichtlich des Systems, der Parteien hier im Parlament äußert, der hat eine besonders hohe Herausfor derung, seinen Ansprüchen gerecht zu werden. Es zeigt sich nun nämlich, dass diese Gruppe, diese Partei nicht einmal ein Mindestverständnis von demokratischen Spielregeln hat.

Wir brauchen eine Regierung, die ein Land lenkt. Wir brau chen ein Parlament, das die Regierung beaufsichtigt und kon trolliert. Wir brauchen Regierungsfraktionen, die im parla mentarischen System eine besondere Bedeutung bei der Ge setzgebung haben. Wir brauchen Oppositionsfraktionen, die über ihre klassischerweise bestehende Kontroll- und Kritik funktion auch eine Alternative zu den Regierungsfraktionen darstellen.

Diejenigen, die sich als Alternative bezeichnen, sind keine Al ternative für die Menschen in diesem Land, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Wenn wir die Geschehnisse der vergangenen Wochen gerade hier im Landesparlament in Stuttgart beobachten, dann stel len wir fest: Hier kommen Menschen zu einer politischen Par tei zusammen, die diesen Weg offensichtlich aus ganz unter schiedlichen Beweggründen gegangen sind.

Ich darf Ihnen ganz deutlich sagen: Populismus und Ver schwörungstheorien sind kein gemeinsames Fundament für demokratische und parlamentarische Arbeit, meine sehr ge ehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der CDU sowie Abgeord neten der Grünen)

Wenn wir über die Fehler dieser Gruppierung sprechen – Kol lege Reinhart hat es bereits angesprochen –, dann müssen wir ganz klar die Frage formulieren: Wie kann es möglich sein, dass jemand, der sich in Schriftwerken eindeutig antisemitisch äußert, überhaupt für eine Partei kandidieren kann?

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Wie kann es sein, dass jemand, der sich eindeutig antisemi tisch positioniert, noch Mitglied dieser Partei ist? Von einem Parteiausschlussverfahren gegen Herrn Gedeon habe ich bis her nichts gehört. Was wollen Sie denn? Wollen Sie weiter mit dem Feuer spielen, oder wollen Sie sich von Antisemitismus abgrenzen, meine sehr geehrten Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD, den Grünen, der CDU und der FDP/DVP)

Dass es wahrscheinlich hier im Kern gar nicht um die Antise mitismusfrage geht, zeigt sich an den vielen Verhaltenswei sen, insbesondere des früheren Fraktionsvorsitzenden Meu then. Er hat in der Aussprache über die Regierungserklärung deutlich gemacht, dass er durch die anderen Parteien die so genannte Antisemitismuskeule gegen seine Partei geschwun gen sieht.

Wenn jemand von der Antisemitismuskeule spricht, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen, dann spricht das für mich dafür, dass derjenige, der ein solches Wort gebraucht, gerade nicht diese Kritik teilt. Zum Zeitpunkt der Aussprache über die Regie rungserklärung ist Herr Meuthen also davon ausgegangen, dass diese Vorwürfe nicht berechtigt sind. Das ist keine glaub hafte Abgrenzung vom Antisemitismus, Herr Meuthen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Im Übrigen lese ich, gerade wenn es um dieses Thema geht, von Ihnen, von Vertretern Ihrer Fraktion bzw. Gruppierung auch nicht wirklich, dass Sie sich von den Aussagen des Herrn Gedeon distanzieren. Ich lese regelmäßig nur, dass eine Par tei, die sich nicht von Extremismus und Antisemitismus ab grenzt, nicht erfolgreich sein kann.

Herr Professor Meuthen, das klingt für mich nicht wie jemand, der sich tatsächlich von den Gräueltaten der Judenverfolgung und des Antisemitismus abgrenzt. Das klingt für mich wie je mand, der allein aus taktischen Erwägungen dieses Thema An tisemitismus für seine Partei als gefährlich ansieht. Sie argu

mentieren taktisch, Sie argumentieren jedenfalls nicht mora lisch, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Das, was nun als Schauspiel vor sich geht, kann nicht Sinn der parlamentarischen Demokratie und kann nicht Sinn der Arbeit hier im Landtag von Baden-Württemberg sein. Denn wenn ich Aussagen aus beiden Gruppierungen vernehme, stel le ich fest, dass alle, die sich hierzu äußern, gar nicht von un überbrückbaren Gegensätzen sprechen. Diejenigen, die in der AfD-Fraktion verbleiben, machen aus ihrem Herzen keine Mördergrube und berichten von einem autokratischen Füh rungsstil des Herrn Professor Meuthen. Das scheint der Kern des Problems zu sein.

Sie haben darüber hinaus einen Machtkampf in der AfD in Berlin und in anderen Landesverbänden, der offensichtlich das Ziel hat, dass Gruppierungen hier aus dieser Partei her ausgedrängt werden sollen. Nur, liebe Kolleginnen, liebe Kol legen: Der Landtag von Baden-Württemberg ist nicht die Büh ne für dieses unwürdige Schauspiel. Tragen Sie Ihre Streitig keiten irgendwo anders aus. Kleine Kinder gehen hierfür in den Sandkasten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier im Landtag hat dies nichts verloren.

(Beifall bei der SPD, den Grünen, der CDU und der FDP/DVP sowie des Abg. Stefan Herre [fraktions los])

Deswegen noch ein klares Wort zum Schluss: Es kann hier im Parlament nicht zwei Fraktionen aus einer Partei geben. Wenn Sie keine Klarheit auf Ebene Ihrer Partei schaffen, kann es hier im Parlament keine zwei Fraktionen geben. Egal, wie Sie sich dann nennen, ob Sie sich „Alternative für Deutschland“ oder „Alternative für Baden-Württemberg“ nennen, meine sehr geehrten Damen und Herren hier zu meiner Rechten, Sie sind eine Schande für Deutschland und eine Schande für Ba den-Württemberg.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, den Grünen, der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzendem Dr. Rülke.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war einmal eine Partei,

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

die nannte sich „Alternative für Deutschland“, mit dem An spruch, die Dinge anders zu machen, die Dinge besser zu ma chen, dafür zu sorgen, dass es wieder Vertrauen gibt in die Po litik, und dafür zu sorgen, dass das Ansehen der Politik und des Landtags von Baden-Württemberg steigt – und das, was da sitzt, ist das Ergebnis, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP/DVP, der Grü nen und der SPD)

Frau Präsidentin, wir haben ja beschlossen, von hier aus kei ne Fotos zu machen. Das ist eigentlich bedauerlich; man soll

te es eigentlich ablichten, um es für die Nachwelt zu erhalten. Denn wer weiß, wie die in der nächsten Woche dort sitzen werden?

(Heiterkeit – Beifall bei der FDP/DVP sowie Abge ordneten der Grünen und der SPD)

Das ist, denke ich, offen.

Meine Damen und Herren, was Sie geboten haben, erinnert an eine Selbsterfahrungsgruppe. Sie benötigen mittlerweile bei Ihrer Fraktionssitzung einen Stuhlkreis, um die Fraktions sitzung überhaupt zu Ende führen zu können.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Kollege Stoch hat zu Recht gesagt: Die Abwendung vom An tisemitismus ist rein taktischer Natur. Das gilt für Herrn Meu then, und das gilt auch für die acht verbliebenen Abgeordne ten der Urfraktion. Sie erklären jetzt plötzlich, sie wollten mit Antisemitismus nichts zu tun haben. Plötzlich wollen sie auch mit Herrn Gedeon nichts mehr zu tun haben.

Das hat sich vor nicht allzu langer Zeit anders angehört. Sie, Herr Grimmer, haben gegenüber der „Pforzheimer Zeitung“ erklärt – da waren alle Vorwürfe gegenüber Herrn Gedeon, al le Zitate von Herrn Gedeon schon bekannt –, Sie schätzten Herrn Gedeon, und Sie hofften, dass Herr Gedeon in der Frak tion bleiben könne. Das haben Sie erklärt.

(Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD: Als Mensch!)

Ja, als Mensch – ein Mensch, der all das erklärt, was Herr Gedeon erklärt hat. – In der vergangenen Woche, als Sie Ihre Fraktion neu gegründet haben – mit einer neuen Führung, ei nem neuen Fraktionsvorsitzenden –, war zu hören, es könne ja durchaus sein, dass am Ende, nach Prüfung des Ganzen, Herr Gedeon wieder aufgenommen werde. Das haben Sie in der letzten Woche bei Ihrer Pressekonferenz erklärt.

(Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD: Ente!)

Ja, „Ente“, „Lügenpresse“, gell?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP/DVP, der Grü nen, der CDU und der SPD)

Inzwischen hat Ihnen wahrscheinlich Frau Petry erklärt, dies sei taktisch nicht so geschickt. In Ihrer gestrigen Fraktionssit zung fordern Sie dann plötzlich, Herr Gedeon müsse aus der Partei ausgeschlossen werden. Oder ist das auch eine Ente? Wie glaubwürdig ist das dann?

(Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD: Das ist richtig!)

Aha, das ist richtig. Gut.

Dann ist vielleicht auch Folgendes richtig, was man der JUN GEN FREIHEIT entnehmen kann – nicht „Lügenpresse“, son dern durchaus mit Sympathie gegenüber Ihrer Partei geseg net. Da ist nämlich die Rede davon – Frau Präsidentin, ich darf zitieren –:

Zuletzt hatte es Berichte gegeben, der Holocaust-Leug ner Gerard Menuhin sei als ein Gutachter angefragt wor den.

Das schreibt die JUNGE FREIHEIT. Ich habe mir dann er laubt, einmal bei Wikipedia nachzuschauen, was dort über Gerard Menuhin steht. Danach wurde er