Protokoll der Sitzung vom 16.10.2019

Ich gelobe Besserung, Frau Präsidentin.

Frau Präsidentin! Herr Minis ter, vielen Dank für die Ausführungen. Ich bemühe mich, mei ne Frage so zu stellen, dass sie der Herr Minister auch kurz beantworten kann. Sie geht ein wenig in eine andere Richtung.

Herr Minister Lucha, erwiesenermaßen ist die frühkindliche Bildung gerade für Kinder aus benachteiligten Familien ein großer Beitrag zur Chancengleichheit. Daher habe ich zwei kurze Fragen: Wie beurteilen Sie das „Gute Kita“-Gesetz im Hinblick auf die Beseitigung von Hürden zum Besuch einer Kita?

Können Sie bereits Auskunft darüber geben, wie viele Kinder aus Familien, die in Baden-Württemberg Wohngeld beziehen, dank dem „Gute Kita“-Gesetz entlastet werden und ab wann diese Entlastungen bei den Familien ankommen?

Jetzt vielleicht noch eine schwierige Frage: Warum ist die Re gierung nicht dafür, die Kitagebühren auch in Baden-Würt temberg ganz abzuschaffen?

(Abg. Petra Krebs GRÜNE: Das ist nicht schwer!)

Vielen Dank.

Herr Minister, Sie haben jetzt das Wort.

(Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Ganz kurze Ant wort!)

Allerdings waren es jetzt viele Fragen. Das muss ich einräu men.

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Damit hat der Herr Minister natürlich auch mehr Zeit für die Beantwortung.

Aber der geschätzte Kollege hat es mir ja ein bisschen leicht gemacht, weil er Fragen gestellt hat, die nicht mein Ressort betreffen.

(Beifall des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE – Zuruf: So ist es!)

Doch ich habe natürlich eine Meinung dazu; ich war lange ge nug Kommunaler. Ich glaube tatsächlich, dass wir – nicht der Ansatz „Komplette Gebührenfreiheit“ – die uns zur Verfügung stehenden Mittel für Qualität, Zugang, Öffnungszeiten – – Wir alle kennen die kommunalen Haushalte. Wir wollen ja. Jetzt sind wir wieder beieinander.

Ich kenne die Zahlen noch nicht, die das „Gute Kita“-Gesetz auslöst. Aber ich sage Ihnen auch als jemand, der rentenpoli tisch unterwegs ist – das ist nämlich die kleine Schwester die ser Frage –: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist das Allerwichtigste, wenn wir eigenständige Erwerbsbiografien und somit Rentenbiografien aller Beteiligten haben wollen.

Kindererziehung ist bei uns noch traditionell. Gestern wurde die neueste Shell-Studie veröffentlicht. Wenn ich mir an schaue, was junge Männer danach neuerdings sagen, dann, denke ich, müssen wir da wieder ein bisschen besser aufklä ren.

Aber es geht um Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Stär kung der Kommunen, lange, sichere, gute Öffnungszeiten. Qualitativ schneiden wir nach der Bertelsmann-Studie im Ver gleich aller Länder immer mit der besten Qualität ab.

Wir sind ja quantitativ gemeinsam 2011 von quasi null ge kommen, um jetzt in diesem Segment über 1 Milliarde € aus zugeben. Da muss ich auch die Kollegin Eisenmann und alle anderen wirklich loben. Das ist ein gemeinsamer Kraftakt. Aber jetzt geht es um gute Qualität, lange Öffnungszeiten, gu te Erreichbarkeit, Anpassung an die Lebenswirklichkeit der betroffenen Eltern. Das ist die beste Armutsprävention.

Wir haben eine gute Entwicklung: Wir konnten in BadenWürttemberg SGB-II-Lagen reduzieren genau in der Zeit, in der wir miteinander gleichzeitig die U-3-Betreuung aufgebaut haben. Da gibt es eine unmittelbare Verbindung zueinander. Auf diesem Weg müssen wir weitergehen.

(Abg. Andreas Kenner SPD: Danke!)

Vielen Dank. – Die nächste Frage kommt von Herrn Abg. Poreski.

Meine Frage geht jetzt wie der mehr in Richtung Ihrer Ressortzuständigkeit: Welche Ak tivitäten und Maßnahmen führt das Sozialministerium bereits unter dem Schwerpunkt – der ja auch für das ganze nächste Jahr angekündigt worden ist – „Starke Kinder – Chancen reich“ durch?

Sehr geehrter Herr Poreski, herzlichen Dank. – Wir haben uns ja gemeinsam engagiert. Es freut mich, dass Sie und Kollege Kenner in unserem Beirat wirklich so dabei sind. Den erlebe ich als sehr konstruktiv. Wir haben das Jahr 2020 als Aktions jahr für Kinder ausgerufen: „Starke Kinder – Chancenreich“. Wir haben einen Förderaufruf schon abgeschlossen – den ha ben wir aus dem Armuts- und Reichtumsbericht herausgele sen –, nämlich soziale Gesundheitslage und Armutslage, Stär kung von Teilhabechancen von Kindern und Stärkung des Ge sundheitsstatus. Das haben wir jetzt abgeschlossen.

Das werten wir jetzt aus. Wir werten das gemeinsam aus mit der FaFo, mit dem Statistischen Landesamt, Frau Dr. Saleth, mit unserem GesellschaftsReport, um dann daraus zu schlie ßen: Wie können wir vulnerable Gruppen erreichen?

Ich schaue gerade auf die Kollegin Wehinger. Das beste Bei spiel, bei dem wir mit diesen Projekten wirklich ein Vorbild waren, ist ein Projekt bei ihr in Singen, bei einer ethnischen Gruppe, die lange isoliert gelebt hat, bei der die Kinder aus dem Regelschulsystem ausgeschlossen waren und im Prinzip alle ins Förderschulsystem gingen, bis wir dort verbindlich reingegangen sind, begonnen beim gesunden Frühstück über Rhythmisierung, Elternarbeit, Zugang zu unseren Regelsys temen. Und jetzt haben wir nach fünf Jahren die ersten Über tritte ins Realschulniveau.

Sie sehen, wir schauen uns ganz genau vor Ort an: Wie leben die Menschen, wer ist armutsgefährdet? Jetzt haben wir ge meinsam einen zweiten Förderaufruf. Dieser ist jetzt beendet. Das ist ein großes Projekt. Den haben wir am 5. August aus gegeben. Das Volumen beträgt 4 Millionen €. Hier beginnen wir ganz gezielt, ab der fünften Jahrgangsstufe die Teilhabe chancen von Kindern und ihre Armutsgefährdungspotenziale zu erkennen, um mit unseren Maßnahmen und mit unseren Präventionsnetzwerken, die wir parallel aufgebaut haben, zu nehmend mit der Schule, mit der Sozialarbeit, mit der amtli chen Jugendhilfe, aber auch mit der freien Jugendhilfe Ver antwortungsnetzwerke zu gründen, um tatsächlich die betref fenden Personen zu identifizieren und Kinder, die eventuell sonst durch den Rost fallen würden, gezielt zu fördern.

Vielen Dank. – Eine weitere Frage von Herrn Abg. Poreski.

Es gibt ein Programm, das eine schwarz-rot-gelb-grüne Historie hat, weil es einfach schon länger besteht und immer weiterentwickelt wird. Das ist das Programm STÄRKE. Ich würde gern wissen: Welche Erfahrungen – das soll jetzt auch ausgewertet werden – gibt es denn mit der Neufassung der entsprechenden Verwaltungs vorschrift?

Herzlichen Dank auch für diese Nachfrage, Herr Abgeordne ter. – In der Tat: Das Programm STÄRKE als baden-württem bergisches Pendant zur Bundesförderung früher Hilfen, mit

3,4 Millionen € jährlich dotiert, haben wir in der Auskleidung geändert. Es gibt nicht mehr die Förderquote pro Geburt pro Kreis, sondern Förderung in zwei Stufen je Landkreis und kommunaler Körperschaft, sodass wir die Bedarfe abholen können. Denn wir hatten ein Problem: Einerseits hatten wir hohe Bedarfe, andererseits wurde das Geld aber nicht bedarfs genau und zielgerichtet abgeholt. Es gab Überzeichnungen und Unterzeichnungen.

Jetzt haben wir aufgrund der Erfahrung, Kollege Poreski, die Verwaltungsvorschrift in der Weise geändert, dass wir statt bisher 14 % nunmehr 40 % offene Treffs fördern können. Mei ne Damen und Herren, wir schreiben alle werdenden Eltern an, beglückwünschen sie zum Kind und uns selbst, denn die se Kinder zahlen ja hoffentlich einmal unsere Rente,

(Vereinzelt Heiterkeit)

und weisen sie auf unser STÄRKE-Programm hin. Sie wis sen, wir haben Gott sei Dank wieder eine Geburtenrate von 1,57 %, ungefähr 108 000 Geburten jährlich. Wir erreichen in einem Jahr – wir richten uns an Eltern von bis zu Dreijähri gen – mit dem STÄRKE-Programm ca. 30 000 Menschen mit dieser Elternunterstützung. Vor allem richten wir uns an Men schen in herausfordernden Lebensjahren, also Junggebären de in materiellen Notlagen, mit Gewalterfahrung. Ich habe das Gefühl und ich sehe, dass wir seit der Umstellung sehr ziel gerichtet genau den Personenkreis erreichen, der diese beson dere Unterstützung braucht. Auch hier gilt wieder die Netz werkarbeit, dass das nicht isoliert steht, sondern mit anderen Tätigen zusammengebunden wird.

Ich sehe keine weiteren Wort meldungen. – Dann danke ich Ihnen und rufe das nächste The ma auf, gemeldet von der SPD-Fraktion:

Ä n d e r u n g e n i m P o l i z e i g e s e t z B a d e n W ü r t t e m b e r g

Ich erteile das Wort Herrn Abg. Binder für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Am vergangenen Wochenende haben die ersten Demonstrationen gegen eine wohl in diesem Haus ir gendwann zu beratende Novellierung des Polizeigesetzes stattgefunden. Die Europäische Union hat zum Datenschutz im Hinblick auf das Polizeigesetz Änderungen vorgenommen, die im Polizeigesetz endlich auch in Baden-Württemberg übernommen werden müssen.

Wir hören nicht sehr viel darüber, was jetzt tatsächlich in die sem Polizeigesetz drinstehen soll. Der Innenminister hat be reits 2018 angekündigt, eine Novellierung des Polizeigeset zes vorzulegen. Bis heute liegt keine Novellierung vor. Die Grünen, der Koalitionspartner, haben durch ihren Fraktions vorsitzenden ausrichten lassen, sie hätten vom Rückgaberecht Gebrauch gemacht. Gleichzeitig verhandelt, wie man lesen kann, der innenpolitische Sprecher der Grünen mit dem Staats sekretär im Innenministerium. Also sehr viel Verwirrung für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Polizei in Ba den-Württemberg.

Will jetzt diese Landesregierung ein neues Polizeigesetz oder will sie es nicht? Ich will einmal mit der einfachen Frage be ginnen: Lieber Herr Innenminister, welche Teile des Polizei gesetzes wollen Sie nicht ändern?

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Strobl. Auch hier bitte ich darum, lieber Herr Minister Strobl, möglichst nicht länger als fünf Minuten zu reden, damit viele Fragen gestellt werden können.

Wenn ich den Auskunftsansprüchen des Kolle gen Binder dann in dieser Kürze genügen kann, will ich das gern versuchen.

Zunächst bin ich der SPD-Fraktion dankbar, dass dieses wich tige Thema jetzt auch hier aufgerufen wird. Die Ereignisse der letzten Tage – ob das die Vorkommnisse in Limburg sind oder das Attentat in Halle letzte Woche – zeigen ja, dass wir unse re Sicherheitsbehörden gut aufstellen müssen. Deswegen üben wir.

Beispielsweise wird es jetzt am kommenden Wochenende in Baden-Württemberg eine der größten Übungen – die BWTEX 2019 – geben, die die Republik je gesehen hat, bei der wir uns insbesondere auch gemeinsam mit der Bundeswehr auf be stimmte Lagen vorbereiten. Diese Übungen und diese Vorbe reitung sind notwendig für Fälle, die hoffentlich nie eintreten werden. Aber wir müssen einfach dafür sorgen, dass im Ernst fall ein Rädchen in das andere greift.

Wenn wir uns dem Thema zuwenden, ist zunächst wichtig, dass wir unsere Polizei personell gut ausstatten. Das machen wir in Baden-Württemberg seit 2016. Der Entwurf für den Doppelhaushalt 2020/2021 sieht weitere 3 000 Polizeianwär terstellen vor. Ich bitte sehr um Unterstützung dieses Hohen Hauses, damit wir damit bis weit ins nächste Jahrzehnt hinein der Polizei eine Perspektive für eine gute Personalentwick lung geben können.

Zweitens: Wir müssen unsere Polizistinnen und Polizisten gut ausrüsten. Die Polizei in Baden-Württemberg ist erstklassig ausgerüstet. Baden-Württemberg ist beispielsweise das einzi ge Land, das die Bodycam jetzt flächendeckend eingeführt hat. Sie ist vor Ort in den Revieren, sie ist im täglichen Ge brauch. Sie ist ein wichtiges Beweissicherungsmittel. Sie ist aber auch etwas, was Gewalt minimiert, insbesondere Gewalt gegen unsere Polizistinnen und Polizisten. Auch hier haben wir eine Verantwortung. Ich bin froh darüber, dass wir diese Verantwortung gegenüber unseren Polizistinnen und Polizis ten auf diese Art und Weise wahrnehmen.

Drittens brauchen die Sicherheitsbehörden neben ausreichen dem Personal und neben einer guten Ausrüstung eine gute rechtliche Grundlage. Insbesondere müssen wir natürlich die Entwicklungen, die wir in der Gesellschaft, aber auch bei den Kriminalitätsphänomenen haben, beobachten und mit diesen Entwicklungen Schritt halten. Und selbstverständlich spielt das Internet dabei eine große Rolle.

Das Internet hat im Übrigen auch bei dem schrecklichen At tentat am vergangenen Wochenende in Halle eine Rolle ge spielt. Auch das werden wir untersuchen müssen und die ent sprechenden Schlüsse daraus zu ziehen haben.

Wir haben in Baden-Württemberg das Polizeigesetz novel liert. Das ist notwendig gewesen. Die Zeit ist aber nicht ste hen geblieben, und wir haben erneuten Anpassungsbedarf. Das

gilt beispielsweise auch für Telekommunikationsüberwa chungsmaßnahmen, weil sich die Dinge im Internet weiter entwickeln. Ich will gleich sagen – Herr Abg. Binder, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mir die Gelegenheit dazu bieten; Sie haben auch die Demonstrationen vom Wochenende angespro chen –: Wir sind Lichtjahre davon entfernt, irgendwelche mas senhaften Überwachungen durchführen zu wollen.

Meine Damen und Herren, mir ist kürzlich einmal bei einer bestimmten Maßnahme vorgehalten worden, dass wir diese nur fünf Mal im Jahr durchgeführt hätten. Daraus hat der Fra gesteller den Schluss gezogen, eigentlich hätten wir das doch gar nicht einführen müssen. Doch! Bei den fünf Personen, bei denen wir diese Maßnahme gemacht haben, war das dringend notwendig, weil es sich um fünf brandgefährliche Personen gehandelt hat.