Andreas Kenner

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Last Statements

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Dieses Gesetz heute zeigt, dass wir de mokratischen Parlamentarier in diesem Landtag von BadenWürttemberg auch in der Lage sind, ganz kurz vor einer Land tagswahl noch wichtige Schritte für die Kinder dieser Welt in
großer Gemeinsamkeit zu unternehmen. Das ist ein sehr gu tes Zeichen nach außen.
Jimmy, ich zitiere aus einem Bericht eines Fabrikinspektors aus einer Fabrik in Geldern im Rheinland aus dem Jahr 1825:
Selbst Vierjährige sah ich dort bei der Arbeit. 125 Kinder waren zur Nachtschicht eingeteilt. Ich diagnostizierte bleiche Gesichter, matte und entzündete Augen, geschwol lene Leiber, böse Hautausschläge.
Er schrieb weiter über unglückliche Geschöpfe, die früh dem Familienleben entfremdet wurden und ihre Jugendzeit in Kum mer und Elend verbrachten. Viele dieser Kinder wurden kei ne 30 Jahre alt und sahen meist niemals eine Schule von in nen.
Das war 1825 in Deutschland. Übrigens – wer die Geschich te meiner Partei verfolgt – war dies einer der Gründe, warum die SPD überhaupt gegründet wurde und die Gewerkschaften und die Kolpingsfamilie aktiv geworden sind.
Zustände, wie ich sie gerade vorgelesen habe, sind inzwischen in Europa Gott sei Dank unvorstellbar und beseitigt. Aber – die Kollegen haben es schon gesagt – 250 Millionen Kinder unter 15 Jahren auf dieser Welt arbeiten in Bergwerken, Fab riken, auf Feldern und im Sexgewerbe. Sehr viele der Produk te, die unter unvorstellbaren Bedingungen hergestellt werden, werden bei uns, in einer der reichsten Regionen dieser Welt, konsumiert. Das ist ein Skandal. Deshalb machen wir heute einen Schritt in die richtige Richtung, meine lieben Kollegin nen und Kollegen.
Ich bin froh, dass wir nach dem Scheitern eines entsprechen den Gesetzes in der letzten Legislatur jetzt einen neuen An lauf erleben. Ich bedanke mich da auch bei den Regierungs fraktionen. Wir hätten allerdings da sehr gern auch mitgear beitet, denn das ist kein Thema, dem wir uns verschlossen hät ten. Ich sage nur: Bayern, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Hessen haben ein solches Gesetz schon verabschiedet. Las sen Sie es uns auch tun! Dort wurden die Einwände zurück gewiesen.
Dank auch an das Justizministerium. Die SPD-Fraktion hat noch einmal eine Anfrage an das Justizministerium gestellt, wie es diese Dinge bewertet. Es hat uns davon überzeugt. Wir beschließen dieses Gesetz heute.
Ich verweise auch auf das Internetportal „siegelklarheit.de“. Vielen Dank an den von uns allen sehr geschätzten Minister Müller, der sehr viel Mut hat, Finger in Wunden zu legen und auch öffentlich Dinge anzusprechen, die uns allen ein schlech tes Gewissen machen.
Ein großer Dank übrigens an die Steinmetze und Steinbild hauer, die mir gesagt haben – wir haben, Kollege Schwarz, ei nige in Kirchheim; mit denen habe ich gestern noch telefo niert –: „Ein echter Schwabe lässt sich nicht unter einem Grab stein beerdigen, der aus Kinderarbeit stammt.“ Das hat mir unglaublich gut gefallen. Besser kann man es überhaupt nicht formulieren.
Toll finde ich, dass der Verband uns ein Formular mitschickt, einen Entwurf, wo alles auf eine Seite geht. Davon kann man lernen: nicht 30 Seiten, sondern eine Seite.
Ich bin fertig. Danke schön. Für mich war das eine Herausforderung. Ich könnte auch drei Stunden sprechen.
Vielen Dank für das Zuhören. Wir stimmen zu.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein Segen ist natürlich nicht nur, dass man, wenn man neu in den Landtag gewählt wird, gleich in diesem sensationellen Petitionsausschuss mitarbeiten darf,
sondern auch, dass man in seinem Wahlkreis zwei solche Ko ryphäen hat wie Jimmy Zimmermann und Andreas Schwarz, die auch noch in der gleichen Stadt wohnen. Ich begegne ih nen sogar auf dem Wochenmarkt und höre mir das an. Also, das ist ein echtes Privileg, sage ich mal.
Dass der Petitionsausschuss einmal pro Jahr Bericht erstatten darf, das finde ich wichtig, weil er dadurch auch öffentlich aufgewertet wird. Der Petitionsausschuss ist – das hat Kolle ge Zimmermann sehr gut dargelegt; alle Vorredner ebenfalls – ein sehr arbeitsintensives Gremium, arbeitsintensiv für die Abgeordneten, aber auch für die Mitarbeiter und Mitarbeite rinnen der Abgeordneten, für die parlamentarischen Berater der Fraktionen und natürlich für das Petitionsbüro sowie die Ministerien. Ganz besonders möchte ich mich an dieser Stel le gleich am Anfang bei Herrn Haas vom Petitionsbüro und allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für ihre Geduld mit
uns und ihre fachliche Unterstützung bedanken. Es ist mir ein besonderes Anliegen, das gleich zu Beginn zu tun.
Ich muss es hier am Mikrofon nicht sagen, weil es auch schon von der Kollegin Leidig gesagt wurde: Der Petitionsausschuss ist der einzige Ausschuss mit Verfassungsrang. Für alle ande ren Ausschüsse gilt, wie der Schwob saga däd: Kaosch han oder edd.
Aber der Petitionsausschuss ist ein Verfassungsausschuss. Da rauf lege ich schon großen Wert.
Das Spektrum muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen; das wurde hier auch schon deutlich. Ich fange jetzt ex tra mit den Windrädern an; denn es gibt schon Themen, die Kollege Zimmermann dann nicht ganz schnell bearbeitet. Das ist z. B., wenn jemand ein Windrad bauen will.
Ich glaube, Kollege Zimmermann hält es aus, wenn Windrä der auch erst in zehn Jahren ins Planungsverfahren hineinge raten.
Ein weiterer Bereich sind die Funkmasten, lieber Kollege. Da erleben wir auch unsere Bürgerschaft. Ich glaube, es geht al len Kollegen und Kolleginnen so: Man hat manchmal Petiti onen, da ist die Hälfte einer Ortschaft dafür und die andere Hälfte dagegen. Die einen beklagen sich, weil man kein schnel les Internet hat, die anderen machen eine Petition gegen einen Funkmast. Die einen beklagen sich, weil man keine vernünf tige Gastronomie hat, die anderen machen eine Petition dage gen, wenn jemand ein Hotel bauen will. Ich war einmal in Pe titionsangelegenheiten mit der Kollegin Braun und dem Kol legen Zimmermann am Feldberg. Es gab zwei Petitionen, die eine Hälfte war dafür, die andere Hälfte war dagegen.
Das ist ganz spannend, was man da erlebt.
Dann haben wir noch andere Geschichten; die Vorsitzende sprach vom Bienenschutz.
Aber ich sage ja keine Namen.
Wir hatten Petitionen für Bienen, gegen Bienen, für Pflege heime, Weinberge – es gibt kein Thema, das der Petitionsaus schuss nicht bearbeiten muss. Wir haben in 43 Sitzungen knapp 5 000 Petitionen bearbeitet und – es wurde hier schon gesagt – 533-mal – so häufig wie noch nie – Regierungsver treter eingeladen.
Es gibt ja auch immer wieder die Kritik, wir würden die Stel lungnahme von Regierungsvertretern unkritisch übernehmen. Dem ist nicht so. Ich kann Ihnen, liebe Kolleginnen und Kol legen, die nicht im Ausschuss sind, und auch der interessier ten Öffentlichkeit versichern: Alle Kollegen und Kolleginnen nehmen hier ihren Auftrag ernst, egal, ob sie in der Oppositi on sind oder nicht, und fragen akribisch bei den Regierungs vertretern nach, ob das so sein muss oder nicht. Das muss ich hier wirklich sagen. Sonst könnten wir es auch gleich bleiben lassen. Das ist uns wichtig.
Sie haben gesagt, es gab 80 Vor-Ort-Termine. Das ist das Salz in der Suppe der Demokratie; denn das sind die seltenen An lässe, bei denen die Menschen den Landtag vor Ort erleben, wo sie erleben: Da kommen Abgeordnete – es muss ja immer jemand von der Regierung und jemand von der Opposition dabei sein –, da kommt das Petitionsbüro, und es kommen die Vertreter der Ministerien, des Regierungspräsidiums, des Land kreises, oft auch der Bürgermeister. Das ist oft ein Riesending. Natürlich sind auch die Petenten dabei, und wenn das eine Bürgerinitiative ist, können das durchaus viele Menschen sein.
Das ist eine harte Arbeit, da hinzustehen und den Petitions ausschuss zu vertreten und dann – das ist das Spannende –, wenn man nicht abhelfen kann, das zu vermitteln. Dann mer ken die Leute oft – deshalb lohnen sich die vielen Vor-OrtTermine –, dass wir ihr Anliegen nicht einfach so abgetan ha ben, sondern dass wir uns mit hoher Energie eingearbeitet ha ben; deshalb dauert es manchmal auch länger. Oft gelingt es, dass die Menschen dann auch verstehen, warum man nicht ab helfen kann: weil wir in einem Rechtsstaat leben und weil der Petitionsausschuss Gesetze nicht ändern kann und sich auch nicht über Gemeinderatsbeschlüsse vor Ort hinwegsetzt. Das muss man, glaube ich, immer wieder vermitteln.
Uns allen ist wichtig – das hat auch die Vorsitzende schon ge sagt –: Man muss keine Unterschriften sammeln, um eine Pe tition einzureichen. Der Petitionsausschuss lässt sich nicht von Tausenden von Unterschriften beeindrucken, sondern es geht um das Anliegen. Jeder einzelne Mensch in Baden-Württem berg darf eine Petition einreichen, die wir dann mit der größ ten Sorgfalt bearbeiten.
Auch wenn das jemand ist, der schon 30 Petitionen eingereicht hat, sind wir professionell: Dann wird auch die 31. Petition genauso geprüft. Das ist uns ein hohes Anliegen; das werden wir auch in Zukunft so machen.
Falls ich noch einmal gewählt werde, würde ich gern weiter hin im Petitionsausschuss arbeiten,
allein schon deshalb, damit jemand aus Kirchheim dabei bleibt; das ist mir wichtig.
Ich bedaure an dieser Stelle – ich möchte nicht so lange über ziehen wie der Kollege, möchte aber noch einen besonderen Dank loswerden –, dass drei – ich nenne es wirklich so – Iko nen des Petitionswesens in Baden-Württemberg nicht mehr dabei sein werden: Herr Kollege Zimmermann, der nicht mehr kandidiert, Herr Kollege Beck, der ebenfalls nicht mehr kan didiert, und Herr Kollege Nelius. Sie haben jahrzehntelang das Gesicht dieses Ausschusses nach innen und außen geprägt.
Ich sage hier: Ich – und nicht nur ich – durfte sehr viel von euch lernen. Vielen Dank dafür.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Ich frage die Lan desregierung:
a) Warum wurden die vergangenen Erhöhungen der Tagessät
ze für Seminare der außerschulischen Bildungsarbeit im Rahmen des „Zukunftsplans Jugend“ bzw. des „Master plans Jugend“ auch auf den Ring politischer Jugend ange wendet – was wir ausdrücklich begrüßen –, die letzte Er höhung von 14,80 € auf 17 € Anfang des Jahres 2020 aber nicht?
Die vorletzte Erhöhung der Tagessätze von 9,20 € auf 14,80 € wurde noch auf den Ring politischer Jugend angewendet, die letzte Erhöhung von 14,80 € auf 17 € aber nicht.
b) Wird die Landesregierung die Tagessätze für außerschuli
sche Bildungsseminare auch für den Ring politischer Ju gend für das Jahr 2020 noch auf 17 € pro Tag und Teilneh mer erhöhen und dafür zusätzliche Haushaltsmittel zur Ver fügung stellen?
Danke.
Das nächste Mal rufe ich dich an und frage dich.
Frau Präsidentin! Frau Staats sekretärin, ich habe noch eine Frage. Ich komme aus der am bulanten Altenarbeit. Es gibt Untersuchungen – darüber ha ben wir im Ausschuss auch schon diskutiert –, wonach sich in einer Seniorengruppe gerade ältere, allein lebende Männer am schlechtesten ernähren – das führt bis hin zu Skorbut. Wird
diesbezüglich über Programme nachgedacht? Denn man weiß: Männer können mit einer Dose Bassermann und drei Flaschen Bier den ganzen Tag bestreiten. Frauen machen das eher nicht.
Das beobachten wir alle. Der Anteil dieser Bevölkerungsgrup pe nimmt zu, sodass ich schon denke, wir brauchten ein Ext raprogramm für ältere Männer, damit diese gesünder leben. Man sieht auch, dass es häufig Männer sind, die in den Kran kenhäusern wegen Mangelerscheinungen durch schädliche Ernährung behandelt werden.
Vielen Dank. – Ein Kollege hat es gestern auch schon gesagt: Vielen Dank an die Mitarbeiter, die diese Zusatzarbeit hier ständig für uns machen.
Herr Innenminister, Sie sprachen vorhin davon, was die Poli zei leisten und was sie nicht leisten kann. Da geht es um Prä vention. Ferienlager sind für mich ein Teil dieser Prävention. Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen lernen im Sommer bei Jugendorganisationen soziales Verhalten und bekommen viel mit. Das wird jeder bestätigen, der schon einmal ein Fe rienlager besucht hat.
In diesem Jahr fallen 80 % dieser Maßnahmen aus. Deshalb frage ich die Landesregierung, vertreten durch die Frau Staats sekretärin:
a) Plant die Landesregierung, die Tagessätze und den Betreu
ungsschlüssel im Landesjugendplan zu verbessern und ge gebenenfalls in welchem Umfang, insbesondere in Anbe tracht dessen, dass die meisten Ferienfreizeiten und Stadt randerholungen in diesem Sommer ausfallen und damit die im Landesjugendplan und „Masterplan Jugend“ vorhande nen Mittel nicht abfließen und gleichzeitig die Veranstal ter, die dies jetzt dennoch tun, wesentlich höhere Aufwen dungen für mehr Ehrenamtliche und für Desinfektionsmit tel haben?
b) Welche Kosten werden als Ausfallkosten für Seminare und
Jugenderholungsmaßnahmen, die wegen der Corona-Ver ordnung untersagt wurden, anerkannt – auch im Hinblick auf den Wegfall selbst erwirtschafteter Mittel –, damit die Verbände in der Summe mit Zuschüssen in gleicher Höhe wie im vergangenen Jahr rechnen können?
Vielen Dank für die ausführli che Beantwortung. Das sind zum großen Teil auch sehr gute
Nachrichten. Der Betreuungsschlüssel lag bei 1 : 11, nun ist er bei 1 : 5. Jetzt sage ich einmal sehr selbstbewusst: Wenn ich immer so erfolgreich bin, nachdem ich eine Anfrage ge stellt habe, mache ich das nach der parlamentarischen Som merpause gleich wieder. Das hat sich schon gelohnt.
Ach so, ich dachte, es war auf unsere Anfrage zurückzuführen.
Nein. Aber das ist trotzdem die richtige Maßnahme.
Jetzt habe ich noch eine weitere Frage. Viele – auch zwei Drit tel Ihrer Fraktion – haben die Kampagne „Jugendarbeit ist MehrWert“, 25 € pro Teilnehmer, unterstützt. Wir haben ge sagt: 80 % der Maßnahmen fallen aus. Da sind wir bei 17 €; das ist schon ganz gut. Jetzt habe ich aber als Schwabe nach gerechnet: Wenn 80 % aller Maßnahmen ausfallen, dann könnte ich in diesem Jahr auch ohne finanzielle Schwierigkei ten 50 € bezahlen. Wie stehen Sie dazu?
Frau Präsidentin! Herr Minis ter, vielen Dank für die Ausführungen. Ich bemühe mich, mei ne Frage so zu stellen, dass sie der Herr Minister auch kurz beantworten kann. Sie geht ein wenig in eine andere Richtung.
Herr Minister Lucha, erwiesenermaßen ist die frühkindliche Bildung gerade für Kinder aus benachteiligten Familien ein großer Beitrag zur Chancengleichheit. Daher habe ich zwei kurze Fragen: Wie beurteilen Sie das „Gute Kita“-Gesetz im Hinblick auf die Beseitigung von Hürden zum Besuch einer Kita?
Können Sie bereits Auskunft darüber geben, wie viele Kinder aus Familien, die in Baden-Württemberg Wohngeld beziehen, dank dem „Gute Kita“-Gesetz entlastet werden und ab wann diese Entlastungen bei den Familien ankommen?
Jetzt vielleicht noch eine schwierige Frage: Warum ist die Re gierung nicht dafür, die Kitagebühren auch in Baden-Würt temberg ganz abzuschaffen?
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Jugendliche, das war gestern schon sehr beeindruckend. Das hätten viele Erwachsene so nicht durchgehalten. Ihr seid um 9 Uhr hier gewesen, das heißt, viele sind um 6 Uhr losgefahren, und dann gab es erst um 18:20 Uhr eine Diskussion mit den Abgeord neten. Da ward ihr schon zwölf Stunden hier und habt disku tiert. Wer der Meinung ist, dass Jugendliche politisch nicht mitentscheiden können, der ist gestern eines Besseren belehrt worden.
Ich möchte es sogar einmal andersherum formulieren: Nicht ihr habt von uns gelernt, sondern wir von euch. Ich finde es immer spannend, mit jungen Menschen stundenlang zu dis kutieren. Ich habe dann auch gleich einen Verbesserungsvor schlag: Beim nächsten Mal muss dieses Format so aussehen, dass wir spätestens um 16 Uhr in die Workshops kommen.
Das hat man ganz selten bei Jugendlichen, dass Jugendliche nach einer Stunde sagen: „Wir müssen jetzt aufhören, doch würden wir gern mit euch noch die ganze Nacht zusammen diskutieren.“ Das ist doch die Zukunft, und das machen wir das nächste Mal auch. Dann bleiben wir halt bis Mitternacht hier und diskutieren.
Übrigens: Als Sozialdemokrat fällt mir das Thema Bürgerbe teiligung natürlich besonders leicht, weil die Sozialdemokra tie auf der ganzen Welt die Bewegung der Bürgerbeteiligung ist, und das seit 150 Jahren.
Das ist einfach historisch so. Als die Sozialdemokratie gegrün det wurde, durften Arbeiter z. B. nicht wählen; nur Steuerzah ler haben gewählt. Frauen durften nicht wählen usw. Wenn man dann schaut, wie weit wir gekommen sind: 1919 das ers te allgemeine, gleiche, geheime Wahlrecht für Männer und Frauen; dann mit der FDP zusammen die Absenkung des Voll jährigkeitsalters von 21 auf 18, Wahlrecht ab einem Alter von 18 Jahren. Das war damals eine Zäsur in ganz Europa. Da ha ben Konservative gemeint, jetzt werden SPD und FDP immer die Kanzler stellen, weil junge Menschen immer sie wählen. Leider war das nicht so.
Deshalb war es trotzdem richtig.
In der letzten Legislaturperiode hatten wir, Grün-Rot, hier ge meinsam gesagt: Junge Menschen können ab 16 Jahren in ih rer Gemeinde wählen. Dort leben sie, dort haben sie den Über blick.
Nicht gewählt werden; darüber werden wir diskutieren, kei ne Frage. Ich sage aber jetzt nur: Wer Kommunalpolitik so lange macht wie ich, der weiß, es gibt keine komplizierteren Wahlen als Kommunalwahlen mit Panaschieren, Kumulieren, unechter Teilortswahl. Das ist der Wahnsinn. Wer das einem 16-Jährigen zutraut und dann sagt, bei dieser einen Stimme im Landtag wisse er nicht, wie er die verteilen soll, der ist sehr inkonsequent. Deshalb fordern wir das Wahlrecht ab 16 bei allen nationalen Wahlen. Dann müssen wir halt eine Bundes ratsinitiative machen.
Das hat auch ganz einfach damit zu tun, dass natürlich alle Entscheidungen, die wir hier fällen, über Generationen hin aus wirken. Mit 16 Jahren ist man heute weiter, als dies vor 50 Jahren der Fall war. Das haben die Jugendlichen gestern bewiesen. Da ging es nicht nur um das Klima. Nein, es ging um Verkehr. Es ging um die Fragen: Wie organisieren wir Pfle ge? Wie organisieren wir Bildung?
Übrigens, Frau Eisenmann, ein ganz toller Beitrag war, dass die jungen Menschen zum Digitalpakt gesagt haben: Dann brauchen wir auch kompetentes Personal, das mit den neuen Medien in den Schulen umgehen kann. Denn wenn der Leh rer dann zwei Stunden lang ein WLAN-Kabel sucht, bis man ihm sagt: „Es gibt gar kein WLAN-Kabel“, dann ist das Licht noch weit in der Ferne.
Da müssen wir schon weiterkommen.
Übrigens: Wenn jetzt manche bezweifeln, dass junge Men schen ab 16 Jahren wählen können, dann sollten wir einmal etwas über die Landesgrenzen hinausblicken. Ich habe mir das noch einmal angeschaut: Bei den Hauptausschusswahlen der Stadt Ludwigshafen haben sechs AfD-Stadträte die SPD ge wählt, damit sie selbst gar nicht im Hauptausschuss sind. Da weiß ich nicht, ob man eigentlich AfD-Gemeinderäte – zu mindest jetzt in Rheinland-Pfalz – Ausschüsse wählen lassen soll, wobei ich sage: Wenn man nicht weiß, wen man wählen soll, und man dann die SPD wählt, ist das auch kein Fehler. Das können Sie in Zukunft so machen. Das finde ich gut.
Das macht mir Hoffnung für die Zukunft, dass die AfD uns wählt.
Jetzt sage ich noch zum Schluss – und das finde ich für uns ganz spannend –: Während wir hier diskutieren, ob man und wie man Jugendliche, die freitags demonstrieren, statt in die Schule zu gehen, sanktioniert, demonstrieren gleichzeitig Mil lionen von Menschen in Hongkong für die Demokratie.
Der große Teil von ihnen sind Schüler und Schülerinnen, und denen drohen jahrelange Gefängnisstrafen. Die gehen auf die Straße, und die kämpfen für die Menschenrechte. Und dann sagen wir, Beteiligung ab 16 Jahren sei bedenklich.
Das ist der Beweis, dass Schülerinnen und Schüler sehr wohl in der Lage sind, für ihre Zukunft einzustehen, während Er wachsene am Fernseher zuschauen, meine sehr verehrten Da men und Herren.
Vielen Dank für das Zuhören.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich immer spannend. Deshalb schreibe ich auch immer nur kleine Konzepte, damit man auf die Vorredner und Vorrednerinnen eingehen kann. Ich mache es ganz kurz. Kollegin Erikli, Ihnen sage ich: Natür lich gab es schon zivilgesellschaftliche Beteiligung, bevor der erste grüne Mensch die Welt betreten hat,
nämlich schon in Athen und in Rom.
Übrigens: In Rom, Frau Baum, gab es über 200 verschiedene Nationen, und dieses Reich hat 1 000 Jahre lang gehalten.
Zivilgesellschaftliche Beteiligung gab es in Deutschland schon während des Feudalismus. Dann hatten sich die Menschen in Bürgervereinen zusammengeschlossen. Im Kaiserreich, als die SPD und liberale Parteien verboten waren, gab es Arbei tervereine, die Kolpingsfamilie, Arbeitergesangvereine, Sport vereine – all das war Zivilgesellschaft.
Zivilgesellschaft war übrigens historisch gesehen ein Mittel der Bevölkerung, sich gegen Feudalismus, Absolutismus, aber auch Faschismus oder Kommunismus und andere Dinge zu wehren.
Ich erinnere an die Dissidenten in den kommunistischen Län dern, die unter Lebensgefahr für Freiheit, Liberalität, Presse freiheit, Wahlrecht gekämpft haben und die 1990 belohnt wur den. Ich erinnere an eine baden-württembergische zivilgesell schaftliche Gruppe, die „Weiße Rose“, die ihr zivilgesell schaftliches Engagement mit dem Leben bezahlt hat. Das sind Vorbilder; die haben sich eingesetzt. Übrigens gab es 3 000 Jahre lang Zivilgesellschaft, bevor die AfD gekommen ist.
Wenn Sie von den Gemeinden sprechen, Frau Baum, sage ich Ihnen eines: Gott sei Dank gibt es kaum eine Gemeinde in Ba den-Württemberg, in der es die AfD geschafft hat, überhaupt eine Liste zusammenzubekommen,
sodass in 95 % aller Städte niemand von der AfD Gelder ver teilt. Das ist das eine.
Jetzt komme ich auf unser Programm zurück.
Ich bedanke mich zuallererst einmal im Namen unserer Par tei bei allen, die in der Bundesrepublik die Tradition der Zi vilgesellschaft hochhalten. In Baden-Württemberg sind übri gens 50 % aller Einwohnerinnen und Einwohner des Landes engagiert: in Sportvereinen, in der Hospizgruppe, im Natur schutz, in der Flüchtlingsarbeit, in der Seniorenarbeit, in der Kulturarbeit, bei der Lebenshilfe, in den Tafelläden, bei der AWO, beim Albverein. Unser Land wäre nicht ärmer ohne Zi vilgesellschaft, nein, unser Land wäre arm ohne Zivilgesell schaft.
Wir müssen es als Parteien, als Parlament, als Gemeinderäte aushalten, dass sich Zivilgesellschaft auch gegen uns enga giert. Man hat das bei der Anti-Atom-Bewegung gesehen, bei S 21, aber die Grünen erleben es auch bei der Windkraft. Es gibt auch Bürger, die sich gegen Windkraft engagieren.
Zivilgesellschaft ist nicht nur dafür da, uns wohlgefällig zu sein.
Jetzt komme ich aber auf dieses Programm zurück. Dieses Programm ist erfolgreich. Übrigens haben wir das damals ge meinsam in die Wege geleitet. Ich sage nur: Ehrenamt ist an strengend. Ehrenamt verlangt sehr viel Kompetenz und braucht Unterstützung und Beratung. Genau das haben wir mit die sem Programm erreicht.
Wir haben auch gesagt: Wir müssen die Lebensbedingungen in den ländlichen Räumen stärken. Deswegen finde ich es be merkenswert, dass genau bei diesem Programm der Großteil der Empfängerkommunen – in denen insgesamt doch sehr, sehr viele Menschen leben – weniger als 10 000 Einwohner haben. Wir wollen auch verhindern, dass Menschen die länd lichen Räume verlassen. Deshalb sind solche Projekte richtig. Da unterstützen wir Menschen.
Übrigens: „Volk“. Wir sprechen von der „Bevölkerung“. Die Bevölkerung setzt sich aus allen Menschen zusammen, die hier leben, die hier wohnen, und vor allem, die sich hier en gagieren wollen – egal, wo sie herkommen oder wo sie gebo ren sind.
Immer wenn ich Ihnen zuhöre, frage ich mich, ob wir eigent lich auf demselben Kontinent leben. Ich weiß immer gar nicht, von welchem Land Sie sprechen.
Ich meine, Herr Palka hat hier bei seiner letzten Rede zum Klimawandel gesagt: „In der Eiszeit, als es noch keine Men
schen gab.“ Wir haben das Weltkulturerbe Eiszeit. Vor 40 000 Jahren gab es hier schon Menschen, die Kulturgüter herge stellt haben.
Es gibt übrigens keinen Hinweis, dass da jemand von der AfD dabei gewesen ist – in keiner Höhle.
Das muss man dazusagen.
Um auf dieses Projekt zurückzukommen: Was uns Sorge macht – es wurde hier schon gesagt: dieses Projekt ist ein Erfolg –, ist: Dieses Projekt muss weitergeführt werden. Deswegen wer den wir es auch unterstützen, Herr Minister – Frau Erler ist ja leider krank; übrigens gute Besserung auch von unserer Sei te –, dass dieses Projekt im Haushalt abgesichert wird. Wenn Sie da auf unsere Stimmen angewiesen sind, werden Sie un sere Stimmen erhalten.
Wir haben dieses Projekt im Jahr 2015 mit auf den Weg ge bracht. An uns wird es nicht scheitern.
Es ist eine wichtige Weiterentwicklung unserer Zivilgesell schaft, auf die, denke ich, 90 % der Abgeordneten in diesem Parlament stolz sind.
Und die anderen müssen halt in diesem Land leben.
Vielen Dank fürs Zuhören.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute legt uns Herr Sozialminister Lucha sein erstes vollkommen eigenständiges Gesetz vor. Wir gratulieren! Er selbst hat es gerade als „schmal und charmant“ bezeichnet. Von dem, was er gerade gesagt hat, steht allerdings kaum etwas in dem Entwurf.
Worin wir Sozialdemokraten natürlich absolut zustimmen, ist, dass sich seit dem Inkrafttreten des Landespflegegesetzes im Jahr 1995 – aus dem Sie übrigens sehr viel übernommen ha ben – durchaus einiges verändert hat. Wenn wir heute über kommunale Pflegeplanung sprechen, sprechen wir nicht über Heimplatzbettenplanung, sondern über Pflege insgesamt. Wir trennen nicht zwischen stationärer und ambulanter Pflege, sondern sehen das Angebot komplett für alle Bürgerinnen und Bürger, die dann entscheiden, wo sie am besten gepflegt wer den können.
Übrigens: Der Gedanke der Quartierspflege ist auch keine Er findung der Grünen. Konrad Hummel, ein Pionier der deut schen Heime, hat schon 1983 in seinem Buch „Öffnet die Al tersheime“ von der Pflege im Quartier geschrieben. Ich hatte damals, als junger Mensch, das Vergnügen, bei ihm als Pfle gedienstleiter zu arbeiten; heute bin ich einer von noch zehn Altenpflegern, die real in den deutschen Landesparlamenten und im Bundestag zu finden sind.
Unsere Glückwünsche zum neuen Gesetz halten sich aller dings in Grenzen – auch in Anbetracht dessen, was uns bei spielsweise Bernhard Schneider geschrieben hat. Er ist der Geschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung. Ich zitiere – ohne Genehmigung, wie ich weiß –:
Es
das Gesetz –
kommt leider über Worthülsen und unverbindliche Eck punkte nicht hinaus.... Dieses Worthülsengesetz enttäuscht auf ganzer Linie, weil es die Probleme nicht ernst nimmt und keine wirklichen Lösungen anbietet.
Wie gesagt, ein Zitat von Bernhard Schneider.
Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband sieht ganz aktuell sehr viele kritische Punkte zum neuen Gesetz. Deswegen – das kündige ich jetzt schon an – werden die Fraktionen von FDP/DVP und SPD eine Anhörung zu diesem Gesetz bean tragen.
Zum Thema Zeitnot, zu der Frage, warum wir nur eine Aus sprache hierzu haben, und dazu, dass das Gesetz bis zum 31. Dezember verabschiedet sein muss, sagen wir: Dass das Land nähere Bestimmungen zur Umsetzung der zwischen Bund, Ländern und Kommunen umstrittenen §§ 123 und 124 bis zum 31. Dezember festlegen muss, wissen wir alle bereits seit zwei Jahren. Dass es am Jahresende mit den Beratungs zeiten im Parlament immer knapp ist, wissen wir, seit es Par lamente gibt. Und Weihnachten kommt halt immer im Dezem ber. Diese Zeitnot ist von Ihnen selbst herbeigeführt. Wir sind
es den Pflegebedürftigen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbei tern und den – wie Sie gesagt haben – Anbietern schuldig, die ses Gesetz ordentlich, ausführlich und transparent zu beraten.
Wirklich neu an diesem Gesetz ist allerdings die Einführung kommunaler Pflegekonferenzen, wobei das auch nicht ganz stimmt. Erstens können Kommunen das heute schon machen. Reutlingen und Nagold tun es. Zweitens kann man es im Rah men der Gesundheitskonferenzen tun. Dort ist die Pflege längst schon verankert. Drittens geht es um die Umsetzung der neu en Regelungen in § 8 a SGB XI. Diese nehmen Sie leider nur halbherzig wahr. Sie verzichten darauf, den bisherigen Lan despflegeausschuss durch einen sektorenübergreifenden Lan desausschuss zu ergänzen. Damit bleiben Sie ganz erheblich hinter dem zurück, was Sie sonst immer verkünden. Das fin de ich schade.
Damit werden aus unserer Sicht die Kommunen nicht gestärkt, sondern geschwächt. Wir sind der Meinung, es ist nicht nur ein Recht der Kommunen, sondern das Land muss die Pla nungen steuern, das Land muss die Planungen moderieren, das Land muss Ziele vorgeben, damit in den Kommunen rich tig geplant werden kann.
Ich empfehle den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und von der CDU, im Ausschuss, wenn es niemand sieht, et was kritischer nachzufragen und die Feierstimmung etwas he runterzufahren. Dort kann man auch keine Reisegruppe aus dem Oberland grüßen und kann sich auf die Ausschussarbeit konzentrieren.
Zum Gesetzentwurf sage ich: Wir sind auf dem richtigen Weg. Die Opposition ist dafür da, nachzusteuern. Wenn ich jetzt im Prüfungsausschuss der IHK wäre, was ich schon war, würde ich sagen: Herr Minister, Ihr Gesetzentwurf ist ein gutes Ge sellenstück; zur Meisterschaft ist es noch ein weiter Weg. Da für haben wir Ausschusssitzungen. Die Opposition wird Ih nen dabei helfen.
Vielen Dank fürs Zuhören.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es freut mich, zu dieser spä ten Stunde zum wichtigen Thema Unterhaltsvorschuss spre chen zu können.
Ich sage es gleich vorneweg: Ja, die SPD stimmt dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung des Unterhalts vorschussgesetzes – ein kleiner Zungenbrecher – zu.
Die Änderungen sind ein Erfolg der SPD in der letzten Bun desregierung und wurden von der damaligen Bundesfamili enministerin Manuela Schwesig auf den Weg gebracht. Bun desweit profitieren mehr als 300 000 Kinder von diesem Ge setz.
Ich habe zur Frage der Auswirkungen in Baden-Württemberg einen Berichtsantrag gestellt. Dass der Bund seinen Anteil von 30 auf 40 % erhöht, ist nur recht und billig, Herr Minister, denn wer bestellt, soll sich auch an den Kosten beteiligen. Sie haben ja sehr nachvollziehbar dargestellt, wie sich die Ge meinden und das Land die Kosten teilen.
Ich sage Ihnen gleich vorweg – da bin ich ganz bei der Kol legin Wehinger –: Wer seinen Unterhalt nicht bezahlt, begeht keinesfalls nur ein Kavaliersdelikt, vor allem dann nicht, wenn er ihn bezahlen könnte. Es ist der richtige Weg, die Gemein den durch einen höheren Anteil zu motivieren, diesen Unter halt auch einzuklagen. Wir hatten gemeinsame Gespräche mit Alleinerziehenden, die bemängelt haben, dass beim alten Ge setz von ihnen verlangt wurde, diesen Unterhalt selbst einzu klagen, was eine hohe emotionale Hürde dargestellt hat. Nun müssen es die auszahlenden Stellen übernehmen. Das ist für mich ein ganz großer Quantensprung und ein richtiges Er folgserlebnis für die Alleinerziehenden.
Allen Beteiligten hierfür vielen Dank.
Wir reden über Gott und die Welt. Wenn ich die Nachrichten anhöre, denke ich: Das ist doch einmal ein ganz unspektaku läres Einführen eines Gesetzes mit kolossalen Auswirkungen für ganz viele Menschen gewesen, ohne dass es in den Medi en dafür gebührend gewürdigt worden wäre.
Ich denke an den Fall Maaßen. Das bewegt die Medien heu te noch, aber interessiert Alleinerziehende und arme Men schen in diesem Land keinen Deut. Das bringt ihnen gar nichts. Dieses Gesetz verbessert die Lebenswirklichkeit die ser Menschen. Das ist auch ein Gesetz, das unsere Partei mit auf den Weg gebracht hat.
Übrigens: Wer sich mit Jugendlichen unterhält, deren Väter für sie nicht zahlen – es sind ja leider zumeist immer noch die Väter, die nicht zahlen –, erfährt, dass diese Jugendlichen ein Leben lang darunter leiden. Das muss man sich auch einmal vorstellen: Man geht mit anderen Kindern in die Schule und man kann an vielen Dingen des Lebens nicht teilhaben, weil Teilhabe eben Geld kostet. Dann muss man, wenn man das überhaupt zugeben will, sagen: „Mein Vater drückt sich um die Unterhaltskosten.“ Das ist ein Trauma, das die Kinder ein Leben lang begleitet. Dieses Trauma haben wir durch dieses neue Gesetz ein Stück weit reduziert.
Wer sich aber mit Alleinerziehenden unterhält – das wurde hier auch schon gesagt –, der weiß natürlich, dass Alleinerzie hende mit ihren Kindern das höchste Armutsrisiko haben – daneben Familien mit Kindern sowieso, was in einem so rei chen Land wie dem unseren ein Skandal ist, meine sehr ge ehrten Kolleginnen und Kollegen.
Alleinerziehende haben auf dem ohnehin angespannten Woh nungsmarkt mit die schlechtesten Karten. Alleinerziehende Mütter – das wissen wir aus Gesprächen – haben oftmals in den eh viel zu kleinen Wohnungen nicht einmal ein eigenes Zimmer. So können weder die Kinder noch die Mütter Besuch empfangen. Deswegen ist die Gesetzesmaßnahme erst mal nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Weitere Schritte müssen fol gen. Wir fordern deswegen – das ist in allen Bundesländern, in denen die SPD den Ministerpräsidenten stellt, bereits er folgt –, die Kita-Gebühren abzuschaffen, meine sehr verehr ten Damen und Herren.
Der Wegfall der Kita-Gebühren ist eine enorme Entlastung der Familien und ganz besonders übrigens der Alleinerziehen den. Es steht übrigens in Ihrem Koalitionsvertrag. Sie müssen es gar nicht aushandeln, Sie müssen es nur umsetzen. Es steht in Ihrem eigenen Koalitionsvertrag.
Dann sage ich immer – das ist wichtig –, Arbeitgeber sind ge nauso gefragt. Wer über Fachkräftemangel klagt, der könnte beim Erstellen von Dienstplänen und anderem auch auf Al leinerziehende eingehen. Da wäre vielen geholfen.
Ich schließe mit einem Zitat – vielleicht errät jemand, von wem das Zitat ist; es ist nicht von einem Sozialdemokraten; ich sage zum Schluss, von wem es stammt –: Das reformier te Unterhaltsvorschussgesetz ist ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt für 300 000 Kinder.
Ein weiterer richtiger Schritt ist das gute Kita-Gesetz der neuen Familienministerin Giffey. Wir, die SPD, werden dafür sor gen, dass weitere Schritte zur Verbesserung der Lebenswirk lichkeit von Alleinerziehenden und ihren Kindern gemacht werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit zu dieser späten Stunde.
Vielen Dank. – Frau Präsiden tin, liebe Kollegen und Kolleginnen, sehr geehrter Herr Staats sekretär! Man hat mir gesagt, ich soll diese Anfrage doch vor der Sommerpause absetzen. Aber ich habe mich wochenlang vorbereitet.
Die Anfrage hat einen ganz reellen Hintergrund. Ich glaube, Sie alle kennen es, dass sich Menschen im Wahlkreisbüro we gen der Anerkennung ihrer ausländischen Abschlüsse melden. Es ist auch unser gemeinsames Ziel, dass das schneller geht. Es dauert halt doch immer noch sehr lange.
Jetzt hat – das fand ich spannend – Regierungspräsident Rei mer persönlich mir geschrieben, ich solle ihn dabei unterstüt zen. Daraufhin habe ich ihm zurückgeschrieben: Wenn da nur noch die Opposition helfen kann, dann tue ich das gern.
Deswegen meine Anfrage. Sie lautet:
a) Wie haben sich die Fallzahlen der landesweit für die Aner
kennung ausländischer Bildungsabschlüsse zuständigen Zeugnisanerkennungsstelle des Regierungspräsidiums Stutt gart seit 2012 entwickelt?
Hierzu interessiert mich konkret: Wie viele Anträge sind seit 2012 eingegangen, und wie ist die Steigerungsrate?
b) Welche Maßnahmen (z. B. Erhöhung der Zahl der Stellen)
wird die Landesregierung ergreifen, um die Bearbeitungs zeiten für die Zeugnisanerkennung ausländischer Bildungs abschlüsse bei der Zeugnisanerkennungsstelle des Regie rungspräsidiums Stuttgart zu verkürzen?
Ich bedanke mich für diese aus führliche Antwort. Ich habe die Zahlen vorher nicht gekannt. Ich verlasse mich tatsächlich auf die Exaktheit der von Ihnen vorgetragenen Zahlen.
Ich freue mich, dass Sie da Abhilfe schaffen, weil das vielen auf den Nägeln brennt. Gegebenenfalls kann sich der Regie rungspräsident beim nächsten Mal wieder bei uns melden.
Danke schön.
Ich fange dann sehr gern an. – Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Es ist, wenn man der vierte Redner ist, immer spannend zu hören, was alles vor einem ge sagt wird, mehr oder weniger Brauchbares.
Frau Baum, wenn ich nach Ihnen spreche, frage ich mich im mer: Lebe ich in demselben Land wie Sie? Diese Frage stel le ich mir schon.
Wenn ich auf die Tribüne schaue, sehe ich junge Frauen, äl tere Frauen, mittelalterliche Frauen.
Ich frage: Wollen Sie alle zu Hause bleiben, meine sehr ver ehrten Damen?
Wollen Sie alle zu Hause bleiben am Herd? Das finde ich sehr spannend.
Das Schöne, Frau Baum, ist, dass wir uns hier schon in den Achtzigerjahren – –
Ich selbst habe ja das Privileg und das Vergnügen, aus der Al tenarbeit zu kommen – ein Beruf, in dem sonst meist Frauen unterwegs sind. Wir hatten schon in den Achtzigerjahren das Thema „Demografischer Wandel“ und das Thema Fachkräf temangel. Wir waren schon in den Achtzigerjahren dankbar und froh über gezielte Zuwanderung von Fachkräften von in nerhalb und außerhalb der EU.
Übrigens, die Heimbewohnerinnen und -bewohner, die Pati entinnen und Patienten in den Kliniken und die Menschen, die zu Hause gepflegt werden, sind genauso froh, dass wir diese Menschen haben. Über 60 % aller Pflegekräfte in der Bundes republik haben keinen einheimischen Hintergrund,
sprich sie sind hier zugewandert, weil es eben – –
Übrigens regelt die Schweiz die Deckung des Pflegebedarfs seit Jahren über ausländische Pfle gekräfte. Dazu gehören genauso gute deutsche Pflegekräfte.
Die Pflegekraft von heute weiß, wenn sie ausgebildet ist, Frau Baum, dass sie weltweit gefragt und gern gesehen ist.
Wir beuten nicht andere Länder aus. Wer mit dem Petitions ausschuss in den Westbalkanstaaten war, weiß ganz genau, dass dort ein hoher Geburtenüberschuss vorhanden ist und die Wirtschaft diese jungen, begabten Menschen niemals wird versorgen können.
Deswegen sind sie froh, wenn sie zu uns kommen können.
Die Hälfte des Bruttosozialprodukts des Kosovos sind Trans ferleistungen aus der Bundesrepublik. Auch dies ist demogra fischer Wandel. Es gibt Länder, die einen extrem hohen Ge burtenüberschuss haben, während andere ihn nicht haben.
Nein.
Ich spreche am Stück. – Jetzt komme ich aber auf unser Thema zurück. Für die nördliche Erdhalbkugel ist der demografische Wandel zweifelsohne ei ne der ganz großen Herausforderungen. Deswegen bin ich der CDU-Fraktion auch dankbar, dass wir heute über dieses The ma diskutieren können. Darüber wird in diesem Haus doch sehr, sehr selten diskutiert. Das steht im Gegensatz zur Be deutung dieses Themas.
Wir diskutieren über den Wolf,
wir diskutieren über Infraschall von Windrädern, wir disku tieren über das Nachtangelverbot. Aber wir diskutieren selten über eine der größten Fragen dieser Gesellschaft, nämlich den demografischen Wandel. Für unsere Fraktion ist der demogra fische Wandel keineswegs nur ein Thema der Älteren. Er be trifft alle Gesellschaftsschichten, alle Altersgruppen. Denn wenn die Größe einer Altersgruppe zunimmt, wirkt sich dies natürlich auch direkt auf die anderen Altersgruppen aus.
Ich zitiere einmal Manfred Rommel. Ich hatte bereits 1993 das Vergnügen, zum Thema „Demografischer Wandel“ mit ihm auf einem Podium zu sitzen. Manfred Rommel sagte da mals in seiner schwäbischen Art: „Meine sehr verehrten Da men und Herren, es gibt nicht zu viele Alte, es gibt zu wenig Junge.“
Das gilt übrigens heute noch. Wir wollen ja nicht den alten Menschen einreden, dass sie überflüssig sind.
Die SPD ist übrigens die Partei, die seit dem Kaiserreich mit dafür gesorgt hat,
dass sich die Lebensbedingungen der Menschen in diesem Land verbessert haben: 1900 wurde eine deutsche Frau im Durchschnitt 44 Jahre alt, heute wird sie im Durchschnitt 84. 1900 wurde ein Mann im Durchschnitt 45 Jahre alt, heute wird er im Durchschnitt 80 Jahre alt.
Die SPD gönnt jedem Menschen ein langes gesundes Leben. Dass die Menschen gesund alt werden, ist ein Zeichen einer ausgewogenen Sozial- und Bildungspolitik und einer guten medizinischen Versorgung in diesem Land.
Danke. – Wenn ich aber über demografischen Wandel spre che, möchte ich nicht verheimlichen, dass die Höhe der Ge burtenrate in unserem Land jahrzehntelang ein Problem war. Herr Teufel sagte es: Wir haben im Durchschnitt die jüngste Bevölkerung unter den Flächenländern. Das geht aber nicht
auf die Höhe der Geburtenrate der einheimischen Bevölke rung, sondern auf Zuwanderung zurück.
Auf dem Tiefststand lag die Geburtenrate hier bei 1,3 Kin dern, und jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, ver zeichnen wir – auch bedingt durch den massiven Ausbau von Ganztagsangeboten in der Kita und in der Schule – eine Ge burtenrate von 1,59 Kindern pro Frau. Das ist übrigens nach 2011 eingetreten.
2007 hat hier an diesem Pult ein Mann namens Stefan Map pus – die Älteren kennen ihn noch;
er war einmal Ministerpräsident von Baden-Württemberg – folgende Worte gesprochen: Eigentlich sei es eine familien feindliche Politik, wenn wir flächendeckend Kitas anbieten würden und Mütter tagsüber arbeiten gingen. Damals war die Geburtenrate auf einem Tiefstand. Gleichzeitig hat Stefan Mappus aber nach Schweden und nach Frankreich geblickt, wo die Geburtenrate bei 1,8 Kindern pro Frau liegt. Genau dort arbeiten Frauen flächendeckend, und genau dort sind die Angebote für Kinder unter drei Jahren am besten ausgebaut.
Baden-Württemberg hat es übrigens geschafft – die CDU hat das Gott sei Dank längst mit in ihr Programm aufgenommen, Kollege Teufel; auch Sie haben da schnell dazugelernt –, von Platz 16 im Jahr 2010 auf Platz 1 jetzt zu kommen.
Da bedanke ich mich im Nachhinein bei den damaligen Mi nistern Stoch und Schmid, die das zusammen mit dem grünen Koalitionspartner mit vorangetrieben haben.
Wenn ich über den demografischen Wandel spreche, spreche ich natürlich auch über „Quartier 2020“ und das Thema Woh nen. In Deutschland sind nur 5 % aller Wohnungen altenge recht. Da sehe ich einen massiven Nachholbedarf. Wer in sei nem Quartier wohnen bleiben möchte, muss auch die richtige Wohnung dazu haben.
Wir müssen auch in den Wohnbestand, in die Bestandswoh nungen investieren. Wir dürfen uns Häuser nicht nur unter dem energetischen Aspekt anschauen. Wir müssen auch be trachten, ob sie altengerecht sind. Es hilft einer 85-jährigen Frau nicht, wenn man ihr für 20 000 € eine neue Heizung ver kauft, die sich dann rentiert, wenn sie 110 Jahre alt wird. Sie möchte vielmehr baden, duschen, sich in ihrem Haus bewe gen können. Also müssen wir auch Handwerkerinnen und Handwerker so schulen, dass sie im Blick haben: Was ist altengerechtes Wohnen?
Roland Sing, der Präsident des Landesseniorenrats, sagte im Landtag: Wer einen guten Wohnungsbau für alte Menschen macht, macht den auch für Familien. Da, wo man mit dem
Rollator gut durchkommt, kommt man auch mit dem Kinder wagen gut durch.
Das gilt auch für den öffentlichen Nahverkehr. Ich empfehle jedem, den öffentlichen Nahverkehr – jetzt ist der Verkehrs minister nicht mehr da – täglich zu nutzen. Eines der letzten Abenteuer dieses Landes ist Zugfahren.
Man muss gar nicht alt sein, man muss auch nicht schwerhö rig sein, um die Durchsagen nicht zu hören. Dann wird die Wagenreihenfolge geändert, dann fährt der Zug gar nicht, dann fährt er anders als geplant. Es ist weder senioren- noch kindergerecht, wenn man von Herrenberg nach Kirchheim/ Teck – 82 Minuten S-Bahn-Fahrt – keine Toilette hat.
Nein. Ich habe jetzt nur noch 52 Minuten.
Ich hätte gern noch 52 Minuten. – Da die Zeit schnell vergeht, sage ich noch: Es gibt noch sehr viel zu tun. Mit uns sind Sie dabei.
Der Demografiebonus für Gemeinden – das haben wir hier heute zweimal gehört – findet natürlich unsere hundertprozen tige Unterstützung. Bringen Sie es ein! Da sind wir voll an Ih rer Seite.
Zum Schluss sage ich: Der demografische Wandel spielt sich nicht draußen auf der Straße ab, er ist mitten unter uns. Das beste Beispiel in Person – er ist leider nicht mehr da – ist für mich unser Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Er sagte vor fast 20 Jahren zum damaligen Ministerpräsidenten und Onkel von Stefan Teufel: „Erwin, mit 60 könntest du auch all mählich in Rente gehen.“
Heute sagt er mit 70, er war noch nie so frisch und munter wie jetzt.
Er hat den demografischen Wandel umgesetzt. Er wird 2021 noch mal antreten. Ich befürchte nur, wenn es an diesem Wahl abend schiefläuft,
wird meine Lieblingsband, die Rolling Stones, im Radio spie len: „It’s all over now“.
Vielen Dank fürs Zuhören, meine sehr verehrten Damen und Herren. Danke.
Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Man merkt, der Geist des Koalitions vertrags in Berlin weht bis zu uns nach Stuttgart. Man kann hierzu eigentlich gar nicht mehr viel sagen.
Die Kunst ist nun, vom eigenen Manuskript abzuweichen.
Ich beginne einmal mit einer Idee, auf die wohl die wenigs ten von uns gekommen wären: Einige von uns, und zwar aus allen Fraktionen, waren am Dienstag beim Abend der Begeg nung. Es war ein wunderbarer Tag; Referent war der Vorsit zende der Stiftung Weltethos, Eberhard Stilz. Er sprach von Schuld und Verantwortung; er sprach davon, dass wir, auch wenn wir keine Schuld tragen, trotzdem für Dinge verantwort lich sein können.
Was das Bemerkenswerte war – viele der Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen gehen ja auch immer zum Christlichen Frühstückskreis –: Am Schluss sprachen wir ge meinsam das Vaterunser. Das Vaterunser hat den Kernsatz: „Unser täglich Brot gib uns heute.“ Warum ist dies ein Kern satz? Das tägliche Brot ist nun einmal nicht selbstverständ lich, nicht in Deutschland – was eine Schande ist – und auch weltweit nicht. Egal, wo Menschen hungern, es ist ein Skan dal, wenn sie hungern.
Dass Menschen ihre Heimat verlassen, weil sie hungern, ist auch Teil der deutschen Geschichte. In unserer Heimatstadt, Kollegen Schwarz und Karl Zimmermann, gab es 1847 einen Hungeraufstand. Bürgerinnen und Bürger haben damals das Kornhaus überfallen und geplündert, weil sie nichts zu essen hatten. Hunderttausende von Württembergern sind nach Ame rika ausgewandert. Die Alb war ein Hungergebiet, und die El tern waren froh, wenn zwei, drei oder vier Kinder das Land verlassen haben; denn diese Kinder mussten sie dann nicht mehr ernähren.
Denken wir einmal 170 Jahre weiter: Wir haben das Jahr 2018, und nun sind hier Menschen angekommen, deren Eltern zu Hause ebenfalls froh sind, dass ihre Kinder hier bei uns leben und sie sie zu Hause nicht mehr ernähren müssen. – Das ist die Ausgangssituation.